Johann Wolfgang von Goethe

"Faust: Der Tragodie zweiter Teil"

ARIEL.

Gesang von Aolsharfen begleitet.

Wenn der Bluten Fruhlingsregen

Uber alle schwebend sinkt,

Wenn der Felder gruner Segen

Allen Erdgebornen blinkt,

Kleiner Elfen Geistergro?e

Eilet, wo sie helfen kann;

Ob er heilig, ob er bose,

Jammert sie der Unglucksmann.

Die ihr dies Haupt umschwebt im luft'gen Kreise,

Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise:

Besanftiget des Herzens grimmen Strau?,

Entfernt des Vorwurfs gluhend bittre Pfeile,

Sein Innres reinigt von erlebtem Graus!

Vier sind die Pausen nachtiger Weile;

Nun ohne Saumen fullt sie freundlich aus!

Erst senkt sein Haupt aufs kuhle Polster nieder,

Dann badet ihn im Tau aus Lethes Flut!

Gelenk sind bald die krampferstarrten Glieder,

Wenn er gestarkt dem Tag entgegen ruht.

Vollbringt der Elfen schonste Pflicht:

Gebt ihn zuruck dem heiligen Licht!

CHOR

einzeln, zu zweien und vielen, abwechselnd und gesammelt.

Wenn sich lau die Lufte fullen

Um den grunumschrankten Plan,

Su?e Dufte, Nebelhullen

Senkt die Dammerung heran,

Lispelt leise su?en Frieden,

Wiegt das Herz in Kindesruh

Und den Augen dieses Muden

Schlie?t des Tages Pforte zu.

Nacht ist schon hereingesunken,

Schlie?t sich heilig Stern an Stern;

Gro?e Lichter, kleine Funken

Glitzern nah und glanzen fern;

Glitzern hier im See sich spiegelnd,

Glanzen droben klarer Nacht;

Tiefsten Ruhens Gluck besiegelnd

Herrscht des Mondes volle Pracht.

Schon verloschen sind die Stunden,

Hingeschwunden Schmerz und Gluck;

Fuhl' es vor! Du wirst gesunden;

Traue neuem Tagesblick!

Taler grunen, Hugel schwellen,

Buschen sich zu Schattenruh;

Und in schwanken Silberwellen

Wogt die Saat der Ernte zu.

Wunsch um Wunsche zu erlangen

Schaue nach dem Glanze dort!

Leise bist du nur umfangen;

Schlaf ist Schale: wirf sie fort!

Saume nicht dich zu erdreisten,

Wenn die Menge zaudernd schweift;

Alles kann der Edle leisten,

Der versteht und rasch ergreift.

Ungeheures Getose verkundet das Herannahen der Sonne.

ARIEL.

Horchet! horcht dem Sturm der Horen!

Tonend wird fur Geistesohren

Schon der neue Tag geboren.

Felsentore knarren rasselnd,

Phobus' Rader rollen prasselnd,

Welch Getose bringt das Licht!

Es trommetet, es posaunet,

Auge blinzt und Ohr erstaunet,

Unerhortes hort sich nicht.

Schlupfet zu den Blumenkronen,

Tiefer, tiefer, still zu wohnen,

In die Felsen, unters Laub!

Trifft es euch, so seid ihr taub.

FAUST.

Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig,

Atherische Dammerung milde zu begru?en.

Du, Erde, warst auch diese Nacht bestandig


Und atmest neu erquickt zu meinen Fu?en,

Beginnest schon mit Lust mich zu umgeben.

Du regst und ruhrst ein kraftiges Beschlie?en,

Zum hochsten Dasein immer fortzustreben. -

In Dammerschein liegt schon die Welt erschlossen,

Der Wald ertont von tausendstimmigem Leben,

Tal aus Tal ein ist Nebelstreif ergossen;

Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen,

Und Zweig' und Aste, frisch erquickt, entsprossen

Dem duft'gen Abgrund, wo versenkt sie schliefen.

Auch Farb' an Farbe klart sich los vom Grunde,

Wo Blunr und Blatt von Zitterperle triefen -

Ein Paradies wird um mich her die Runde.

Hinaufgeschaut! - Der Berge Gipfelriesen

Verkunden schon die feierlichste Stunde;

Sie durfen fruh des ewigen Lichts genie?en,

Das spater sich zu uns hernieder wendet.

Jetzt zu der Alpe grungesenkten Wiesen

Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet,

Und stufenweis herab ist es gelungen -

Sie tritt hervor! - und, leider schon geblendet,

Kehr' ich michweg, vom Augenschmerz durchdrungen.

So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen

Dem hochsten Wunsch sich traulich zugerungen,

Erfullungspforten findet flugeloffen;

Nun aber bricht aus jenen ewigen Grunden

Ein Flammenuberma? - wir stehn betroffen.

Des Lebens Fackel wollten wir entzunden,

Ein Feuermeer umschlingt uns, welch ein Feuer!

Ist's Lieb', ist's Ha?, die gluhend uns umwinden,

Mit Schmerz-und Freuden wechselnd ungeheuer,

So da? wir wieder nach der Erde blicken,

Zu bergen uns in jugendlichstem Schleier?

So bleibe denn die Sonne mir im Rucken!

Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend,

Ihn schau' ich an mit wachsendem Entzucken.

Von Sturz zu Sturze walzt er jetzt in tausend,

Dann abertausend Stromen sich ergie?end,

Hoch in die Lufte Schaum an Schaume sausend.

Allein wie herrlich diesem Sturm entsprie?end.

Wolbt sich des bunten Bogens Wechseldauer,

Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerflie?end,

Umher verbreitend duftig kuhle Schauer.

Der spiegelt ab das menschliche Bestreben.

Ihm sinne nach und du begreifst genauer:

Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.

KAISERLICHE PFALZ

SAAL DES THRONES

Staatsrat in Erwartung des Kaisers.

Trompeten.

Hofgesinde aller Art, prachtig gekleidet, tritt vor.

Der Kaiser gelangt auf den Thron, zu seiner Rechten

der Astrolog.

KAISER.

Ich gru?e die Getreuen, Lieben,

Versammelt aus der Nah und Weite. -

Den Weisen seh' ich mir zur Seite,

Allein wo ist der Narr geblieben?


JUNKER.

Gleich hinter deiner Mantelschleppe

Sturzt' er zusammen auf der Treppe,

Man trug hinweg das Fettgewicht;

Tot oder trunken, wei? man nicht.

ZWEITER JUNKER.

Sogleich mit wunderbarer Schnelle

Drangt sich ein andrer an die Stelle.

Gar kostlich ist er aufgeputzt,

Doch fratzenhaft, da? jeder stutzt.

Die Wache halt ihm an der Schwelle

Kreuzweis die Hellebarden vor -

Da ist er doch, der kuhne Tor!

MEPHISTOPHELES:

am Throne kniend.

Was ist verwunscht und stets willkommen?

Was ist ersehnt und stets verjagt?

Was immerfort in Schutz genommen?

Was hart gescholten und verklagt?

Wen darfst du nicht herbeiberufen?


Wen horet jeder gern genannt?

Was naht sich deines Thrones Stufen?

Was hat sich selbst hinweggebannt?

KAISER:

Fur diesmal spare deine Worte!

Hier sind die Ratsel nicht am Orte,

Das ist die Sache dieser Herrn. -

Da lose du! das hort' ich gern.

Mein alter Narr ging, furcht' ich, weit ins Weite;

Nimm seinen Platz und komm an meine Seite.

GEMURMEL DER MENGE:

Ein neuer Narr - Zu neuer Pein -

Wo kommt er her? - Wie kam er ein? -

Der alte fiel - Der hat vertan -

Es war ein Fa? - Nun ist's ein Span -

KAISER:

Und also, ihr Getreuen, Lieben,

Willkommen aus der Nah' und Ferne!

Ihr sammelt euch mit gunstigem Sterne,


Da droben ist uns Gluck und Heil geschrieben.

Doch sagt, warum in diesen Tagen,

Wo wir der Sorgen uns entschlagen,

Schonbarte mummenschanzlich tragen

Und Heitres nur genie?en wollten,

Warum wir uns ratschlagend qualen sollten?

Doch weil ihr meint, es ging' nicht anders an,

Geschehen ist's, so sei's getan.

KANZLER:

Die hochste Tugend, wie ein Heiligenschein,

Umgibt des Kaisers Haupt; nur er allein

Vermag sie gultig auszuuben:

Gerechtigkeit! - Was alle Menschen lieben,

Was alle fordern, wunschen, schwer entbehren,

Es liegt an ihm, dem Volk es zu gewahren.

Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand,

Dem Herzen Gute, Willigkeit der Hand,

Wenn's fieberhaft durchaus im Staate wutet

Und ubel sich in ubeln uberbrutet?

Wer schaut hinab von diesem hohen Raum

Ins weite Reich, ihm scheint's ein schwerer Traum,

Wo Mi?gestalt in Mi?gestalten schaltet,

Das Ungesetz gesetzlich uberwaltet

Und eine Welt des Irrtums sich entfaltet.

Der raubt sich Herden, der ein Weib,

Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare,

Beruhmt sich dessen manche Jahre

Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib.

Jetzt drangen Klager sich zur Halle,

Der Richter prunkt auf hohem Pfuhl,

Indessen wogt in grimmigem Schwalle

Des Aufruhrs wachsendes Gewuhl.

Der darf auf Schand' und Frevel pochen,

Der auf Mitschuldigste sich stutzt,

Und: Schuldig! horst du ausgesprochen,

Wo Unschuld nur sich selber schutzt.

So will sich alle Welt zerstuckeln,

Vernichtigen, was sich gebuhrt;

Wie soll sich da der Sinn entwickeln,


Der einzig uns zum Rechten fuhrt?

Zuletzt ein wohlgesinnter Mann

Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher,

Ein Richter, der nicht strafen kann,

Gesellt sich endlich zum Verbrecher.

Ich malte schwarz,doch dichtern Flor

Zog' ich dem Bilde lieber vor.

Entschlusse sind nicht zu vermeiden;

Wenn alle schadigen, alle leiden,

Geht selbst die Majestat zu Raub.

HEERMEISTER:

Wie tobt's in diesen wilden Tagen!

Ein jeder schlagt und wird erschlagen,

Und furs Kommando bleibt man taub.

Der Burger hinter seinen Mauern,

Der Ritter auf dem Felsennest

Verschwuren sich, uns auszudauern,

Und halten ihre Krafte fest.

Der Mietsoldat wird ungeduldig,

Mit Ungestum verlangt er seinen Lohn,

Und waren wir ihm nichts mehr schuldig,

Er liefe ganz und gar davon.

Verbiete wer, was alle wollten,

Der hat ins Wespennest gestort;

Das Reich, das sie beschutzen sollten,

Es liegt geplundert und verheert.

Man la?t ihr Toben wutend hausen,

Schon ist die halbe Welt vertan;

Es sind noch Konige da drau?en,

Doch keiner denkt, es ging' ihn irgend an.

SCHATZMEISTER:

Wer wird auf Bundsgenossen pochen!

Subsidien, die man uns versprochen,

Wie Rohrenwasser bleiben aus.

Auch, Herr, in deinen weiten Staaten

An wen ist der Besitz geraten?

Wohin man kommt, da halt ein Neuer Haus,

Und unabhangig will er leben,

Zusehen mu? man, wie er's treibt;


Wir haben so viel Rechte hingegeben,

Da? uns auf nichts ein Recht mehr ubrigbleibt.

Auch auf Parteien, wie sie hei?en,

Ist heutzutage kein Verla?;

Sie mogen schelten oder preisen,

Gleichgultig wurden Lieb' und Ha?.

Die Ghibellinen wie die Guelfen

Verbergen sich, um auszuruhn;

Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?

Ein jeder hat fur sich zu tun.

Die Goldespforten sind verrammelt,

Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt,

Und unsre Kassen bleiben leer.

MARSCHALK:

Welch Unheil mu? auch ich erfahren!

Wir wollen alle Tage sparen

Und brauchen alle Tage mehr,

Und taglich wachst mir neue Pein.

Den Kochen tut kein Mangel wehe;

Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe,

Welschhuhner, Huhner, Gans' und Enten,

Die Deputate, sichre Renten,

Sie gehen noch so ziemlich ein.

Jedoch am Ende fehlt's an Wein.

Wenn sonst im Keller Fa? an Fa? sich haufte,

Der besten Berg' und Jahreslaufte,

So schlurft unendliches Gesaufte

Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus.

Der Stadtrat mu? sein Lager auch verzapfen,

Man greift zu Humpen, greift zu Napfen,

Und unterm Tische liegt der Schmaus.

Nun soll ich zahlen, alle lohnen;

Der Jude wird mich nicht verschonen,

Der schafft Antizipationen,

Die speisen Jahr um Jahr voraus.

Die Schweine kommen nicht zu Fette,

Verpfandet ist der Pfuhl im Bette,

Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.

KAISER:


Sag, wei?t du Narr nicht auch noch eine Not?

MEPHISTOPHELES:

Ich? Keineswegs. Den Glanz umher zu schauen,

Dich und die Deinen! - Mangelte Vertrauen,

Wo Majestat unweigerlich gebeut,

Bereite Macht Feindseliges zerstreut?

Wo guter Wille, kraftig durch Verstand,

Und Tatigkeit, vielfaltige, zur Hand?

Was konnte da zum Unheil sich vereinen,

Zur Finsternis, wo solche Sterne scheinen?

GEMURMEL:

Das ist ein Schalk - Der's wohl versteht -

Er lugt sich ein - So lang' es geht -

Ich wei? schon - Was dahinter steckt -

Und was denn weiter? - Ein Projekt -

MEPHISTOPHELES:

Wo fehlt's nicht irgendwo auf dieser Welt?

Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld.

Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;


Doch Weisheit wei? das Tiefste herzuschaffen.

In Bergesadern, Mauergrunden

Ist Gold gemunzt und ungemunzt zu finden,

Und fragt ihr mich, wer es zutage schafft:

Begabten Manns Natur - und Geisteskraft.

KANZLER:

Natur und Geist - so spricht man nicht zu Christen.

Deshalb verbrennt man Atheisten,

Weil solche Reden hochst gefahrlich sind.

Natur ist Sunde, Geist ist Teufel,

Sie hegen zwischen sich den Zweifel,

Ihr mi?gestaltet Zwitterkind.

Uns nicht so! - Kaisers alten Landen

Sind zwei Geschlechter nur entstanden,

Sie stutzen wurdig seinen Thron:

Die Heiligen sind es und die Ritter;

Sie stehen jedem Ungewitter

Und nehmen Kirch' und Staat zum Lohn.

Dem Pobelsinn verworrner Geister

Entwickelt sich ein Widerstand:

Die Ketzer sind's! die Hexenmeister!

Und sie verderben Stadt und Land.

Die willst du nun mit frechen Scherzen

In diese hohen Kreise schwarzen;

Ihr hegt euch an verderbtem Herzen,

Dem Narren sind sie nah verwandt.

MEPHISTOPHELES:

Daran erkenn' ich den gelehrten Herrn!

Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,

Was ihr nicht fa?t, das fehlt euch ganz und gar,

Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,

Was ihr nicht wagt, hat fur euch kein Gewicht,

Was ihr nicht munzt, das, meint ihr, gelte nicht.

KAISER:

Dadurch sind unsre Mangel nicht erledigt,

Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt?

Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;

Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff es denn.

MEPHISTOPHELES:

Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr;

Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;

Es liegt schon da, doch um es zu erlangen,

Das ist die Kunst, wer wei? es anzufangen?

Bedenkt doch nur: in jenen Schreckenslauften,

Wo Menschenfluten Land und Volk ersauften,

Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,

Sein Liebstes da - und dortwohin versteckte.

So war's von je in machtiger Romer Zeit,

Und so fortan, bis gestern, ja bis heut.

Das alles liegt im Boden still begraben,

Der Boden ist des Kaisers, der soll's haben.

SCHATZMEISTER:

Fur einen Narren spricht er gar nicht schlecht,

Das ist furwahr des alten Kaisers Recht.

KANZLER:

Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen:

Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.

MARSCHALK:

Schafft' er uns nur zu Hof willkommne Gaben,

Ich wollte gern ein bi?chen Unrecht haben.

HEERMEISTER:

Der Narr ist klug, verspricht, was jedem frommt;

Fragt der Soldat doch nicht, woher es kommt.

MEPHISTOPHELES:

Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen,

Hier steht ein Mann! da, fragt den Astrologen!

In Kreis' um Kreise kennt er Stund' und Haus;

So sage denn: wie sieht's am Himmel aus?

GEMURMEL:

Zwei Schelme sind's - Verstehn sich schon -

Narr und Phantast - So nah dem Thron -

Ein mattgesungen - Alt Gedicht -

Der Tor blast ein - Der Weise spricht -

ASTROLOG:

Die Sonne selbst, sie ist ein lautres Gold,

Merkur, der Bote, dient um Gunst und Sold,

Frau Venus hat's euch allen angetan,

So fruh als spat blickt sie euch lieblich an;

Die keusche Luna launet grillenhaft;

Mars, trifft er nicht, so draut euch seine Kraft.

Und Jupiter bleibt doch der schonste Schein,

Saturn ist gro?, dem Auge fern undklein.

Ihn als Metall verehren wir nicht sehr,

An Wert gering, doch im Gewichte schwer.

Ja! wenn zu Sol sich Luna fein gesellt,

Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt;

Das ubrige ist alles zu erlangen:

Palaste, Garten, brustlein, rote Wangen,

Das alles schafft der hochgelahrte Mann,

Der das vermag, was unser keiner kann.

KAISER:

Ich hore doppelt, was er spricht,

Und dennoch uberzeugt's mich nicht.

GEMURMEL:

Was soll uns das? - Gedroschner Spa? -

Kalenderei - Chymisterei -

Das hort' ich oft - Und falsch gehofft -

Und kommt er auch - So ist's ein Gauch -

MEPHISTOPHELES:

Da stehen sie umher und staunen,

Vertrauen nicht dem hohen Fund,

Der eine faselt von Alraunen,

Der andre von dem schwarzen Hund.

Was soll es, da? der eine witzelt,

Ein andrer Zauberei verklagt,

Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt,

Wenn ihm der sichre Schritt versagt.

Ihr alle fuhlt geheimes Wirken

Der ewig waltenden Natur,

Und aus den untersten Bezirken

Schmiegt sich herauf lebend'ge Spur.

Wenn es in allen Gliedern zwackt,

Wenn es unheimlich wird am Platz,

Nur gleich entschlossen grabt und hackt,

Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz!


GEMURMEL:

Mir liegt's im Fu? wie Bleigewicht -

Mir krampft's im Arme - Das ist Gicht -

Mir krabbelt's an der gro?en Zeh' -

Mir tut der ganze Rucken weh -

Nach solchen Zeichen ware hier

Das allerreichste Schatzrevier.

KAISER:

Nur eilig! du entschlupfst nicht wieder,

Erprobe deine Lugenschaume

Und zeig uns gleich die edlen Raume.

Ich lege Schwert und Zepter nieder

Und will mit eignen hohen Handen,

Wenn du nicht lugst, das Werk vollenden,

Dich, wenn du lugst, zur Holle senden!

MEPHISTOPHELES:

Den Weg dahin wu?t' allenfalls zu finden -

Doch kann ich nicht genug verkunden,

Was uberall besitzlos harrend liegt.


Der Bauer, der die Furche pflugt,

Hebt einen Goldtopf mit der Scholle,

Salpeter hofft er von der Leimenwand

Und findet golden-goldne Rolle

Erschreckt, erfreut in kummerlicher Hand.

Was fur Gewolbe sind zu sprengen,

In welchen Kluften, welchen Gangen

Mu? sich der Schatzbewu?te drangen,

Zur Nachbarschaft der Unterwelt!

In weiten, altverwahrten Kellern

Von goldnen Humpen, Schusseln, Tellern

Sieht er sich Reihen aufgestellt;

Pokale stehen aus Rubinen,

Und will er deren sich bedienen,

Daneben liegt uraltes Na?.

Doch - werdet ihr dem Kundigen glauben -

Verfault ist langst das Holz der Dauben,

Der Weinstein schuf dem Wein ein Fa?.

Essenzen solcher edlen Weine,

Gold und Juwelen nicht alleine

Umhullen sich mit Nacht und Graus.

Der Weise forscht hier unverdrossen;

Am Tag erkennen, das sind Possen,

Im Finstern sind Mysterien zu Haus.

KAISER:

Die lass' ich dir! Was will das Dustre frommen?

Hat etwas Wert, es mu? zu Tage kommen.

Wer kennt den Schelm in tiefer Nacht genau?

Schwarz sind die Kuhe, so die Katzen grau.

Die Topfe drunten, voll von Goldgewicht -

Zieh deinen Pflug und ackre sie ans Licht.

MEPHISTOPHELES:

Nimm Hack' und Spaten, grabe selber,

Die Bauernarbeit macht dich gro?,

Und eine Herde goldner Kalber,

Sie rei?en sich vom Boden los.

Dann ohne Zaudern, mit Entzucken

Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmucken;

Ein leuchtend Farb - und Glanzgestein erhoht

Die Schonheit wie die Majestat.

KAISER:

Nur gleich, nur gleich! Wie lange soll es wahren!

ASTROLOG:

Herr, ma?ige solch dringendes Begehren,

La? erst vorbei das bunte Freudenspiel;

Zerstreutes Wesen fuhrt uns nicht zum Ziel.

Erst mussen wir in Fassung uns versuhnen,

Das Untre durch das Obere berdienen.

Wer Gutes will, der sei erst gut;

Wer Freude will, besanftige sein Blut;

Wer Wein verlangt, der keltre reife Trauben;

Wer Wunder hofft, der starke seinen Glauben.

KAISER:

So sei die Zeit in Frohlichkeit vertan!

Und ganz erwunscht kommt Aschermittwoch an.

Indessen feiern wir, auf jeden Fall,

Nur lustiger das wilde Karneval.

MEPHISTOPHELES:

Wie sich Verdienst und Gluck verketten,

Das fallt den Toren niemals ein;

Wenn sie den Stein der Weisen hatten,

Der Weise mangelte dem Stein.

Weitlaufiger Saal mit Nebengemachern

HEROLD:

Denkt nicht, ihr seid in deutschen Grenzen

Von Teufels-, Narren- und Totentanzen;

Ein heitres Fest erwartet euch.

Der Herr, auf seinen Romerzugen,

Hat, sich zu Nutz, euchzum Vergnugen,

Die hohen Alpen uberstiegen,

Gewonnen sich ein heitres Reich.

Der Kaiser, er, an heiligen Sohlen

Erbat sich erst das Recht zur Macht,

Und als er ging, die Krone sich zu holen,

Hat er uns auch die Kappe mitgebracht.

Nun sind wir alle neugeboren;

Ein jeder weltgewandte Mann


Zieht sie behaglich uber Kopf und Ohren;

Sie ahnelt ihn verruckten Toren,

Er ist darunter weise, wie er kann.

Ich sehe schon, wie sie sich scharen,

Sich schwankend sondern, traulich paaren;

Zudringlich schlie?t sich Chor an Chor.

Herein, hinaus, nur unverdrossen;

Es bleibt doch endlich nach wie vor

Mit ihren hunderttausend Possen

Die Welt ein einzig gro?er Tor.

GARTNERINNEN:

Euren Beifall zu gewinnen,

Schmuckten wir uns diese Nacht,

Junge Florentinerinnen

Folgten deutschen Hofes Pracht;

Tragen wir in braunen Locken

Mancher heitern Blume Zier;

Seidenfaden, Seidenflocken

Spielen ihre Rolle hier.

Denn wir halten es verdienstlich,

Lobenswurdig ganz und gar,

Unsere Blumen, glanzend kunstlich,

Bluhen fort das ganze Jahr.

Allerlei gefarbten Schnitzeln

Ward symmetrisch Recht getan;

Mogt ihr Stuck fur Stuck bewitzeln,

Doch das Ganze zieht euch an.

Niedlich sind wir anzuschauen,

Gartnerinnen und galant;

Denn das Naturell der Frauen

Ist so nah mit Kunst verwandt.

HEROLD:

La?t die reichen Korbe sehen,

Die ihr auf den Haupten traget,

Die sich bunt am Arme blahen,

Jeder wahle, was behaget.

Eilig, da? in Laub und Gangen

Sich ein Garten offenbare!

Wurdig sind sie zu umdrangen,


Kramerinnen wie die Ware.

GARTNERINNEN:

Feilschet nun am heitern Orte,

Doch kein Markten finde statt!

Und mit sinnig kurzem Worte

Wisse jeder, was er hat.

OLIVENZWEIG MIT FRUCHTEN:

Keinen Blumenflor beneid' ich,

Allen Widerstreit vermeid' ich;

Mir ist's gegen die Natur:

Bin ich doch das Mark der Lande

Und, zum sichern Unterpfande,

Friedenszeichen jeder Flur.

Heute, hoff' ich, soll mir's glucken,

Wurdig schones Haupt zu schmucken.

AHRENKRANZ:

Ceres' Gaben, euch zu putzen,

Werden hold und lieblich stehn:

Das Erwunschteste dem Nutzen


Sei als eure Zierde schon.

PHANTASIEKRANZ:

Bunte Blumen, Malven ahnlich,

Aus dem Moos ein Wunderflor!

Der Natur ist'snicht gewohnlich,

Doch die Mode bringt's hervor.

PHANTASIESTRAUSS:

Meinen Namen euch zu sagen,

Wurde Theophrast nicht wagen;

Und doch hoff' ich, wo nicht allen,

Aber mancher zu gefallen,

Der ich mich wohl eignen mochte,

Wenn sie mich ins Haar verflochte,

Wenn sie sich entschlie?en konnte,

Mir am Herzen Platz vergonnte.

ROSENKNOSPEN:

Mogen bunte Phantasieen

Fur des Tages Mode bluhen,

Wunderseltsam sein gestaltet,


Wie Natur sich nie entfaltet;

Grune Stiele, goldne Glocken,

Blickt hervor aus reichen Locken! -

Doch wir - halten uns versteckt:

Glucklich, wer uns frisch entdeckt.

Wenn der Sommer sich verkundet,

Rosenknospe sich entzundet,

Wer mag solches Gluck entbehren?

Das Versprechen, das Gewahren,

Das beherrscht in Florens Reich

Blick und Sinn und Herz zugleich.

GARTNER:

Blumen sehet ruhig sprie?en,

Reizend euer Haupt umzieren;

Fruchte wollen nicht verfuhren,

Kostend mag man sie genie?en.

Bieten braunliche Gesichter

Kirschen, Pfirschen, Konigspflaumen,

Kauft! denn gegen Zung' und Gaumen

Halt sich Auge schlecht als Richter.

Kommt, von allerreifsten Fruchten

Mit Geschmack und Lust zu speisen!

uber Rosen la?t sich dichten,

In die apfel mu? man bei?en.

Sei's erlaubt, uns anzupaaren

Eurem reichen Jugendflor,

Und wir putzen reifer Waren

Fulle nachbarlich empor.

Unter lustigen Gewinden,

In geschmuckter Lauben Bucht,

Alles ist zugleich zu finden:

Knospe, Blatter, Blume, Frucht.

MUTTER:

Madchen, als du kamst ans Licht,

Schmuckt' ich dich im Haubchen;

Warst so lieblich von Gesicht

Und so zart am Leibchen.

Dachte dich sogleich als Braut,

Gleich dem Reichsten angetraut,


Dachte dich als Weibchen.

Ach! Nun ist schon manches Jahr

Ungenutzt verflogen,

Der Sponsierer bunte Schar

Schnell vorbeigezogen;

Tanztest mit dem einen flink,

Gabst dem andern feinen Wink

Mit dem Ellenbogen.

Welches Fest man auch ersann,

Ward umsonst begangen,

Pfanderspiel und dritter Mann

Wollten nicht verfangen;

Heute sind die Narren los,

Liebchen, offne deinen Scho?,

Bleibt wohl einer hangen.

HOLZHAUER:

Nur Platz! nur Blo?e!

Wir brauchen Raume,

Wir fallen Baume,

Die krachen, schlagen;

Und wenn wir tragen,

Da gibt es Sto?e.

Zu unserm Lobe

Bringt dies insreine;

Denn wirkten Grobe

Nicht auch im Lande,

Wie kamen Feine

Fur sich zustande,

So sehr sie witzten?

Des seid belehret!

Denn ihr erfroret,

Wenn wir nicht schwitzten.

PULCINELLE:

Ihr seid die Toren,

Gebuckt geboren.

Wir sind die Klugen,

Die nie was trugen;

Denn unsre Kappen,

Jacken und Lappen


Sind leicht zu tragen;

Und mit Behagen

Wir immer mu?ig,

Pantoffelfu?ig,

Durch Markt und Haufen

Einherzulaufen,

Gaffend zu stehen,

Uns anzukrahen;

Auf solche Klange

Durch Drang und Menge

Aalgleich zu schlupfen,

Gesamt zu hupfen,

Vereint zu toben.

Ihr mogt uns loben,

Ihr mogt uns schelten,

Wir lassen's gelten.

PARASITEN:

Ihr wackern Trager

Und eure Schwager,

Die Kohlenbrenner,

Sind unsre Manner.

Denn alles Bucken,

Bejahndes Nicken,

Gewundne Phrasen,

Das Doppelblasen,

Das warmt und kuhlet,

Wie's einer fuhlet,

Was konnt' es frommen?

Es mochte Feuer

Selbst ungeheuer

Vom Himmel kommen,

Gab' es nicht Scheite

Und Kohlentrachten,

Die Herdesbreite

Zur Glut entfachten.

Da brat's und prudelt's,

Da kocht's und strudelt's.

Der wahre Schmecker,

Der Tellerlecker,


Er riecht den Braten,

Er ahnet Fische;

Das regt zu Taten

An Gonners Tische.

TRUNKNER:

Sei mir heute nichts zuwider!

Fuhle mich so frank und frei;

Frische Lust und heitre Lieder,

Holt' ich selbst sie doch herbei.

Und so trink' ich! Trinke, trinke!

Sto?et an, ihr! Tinke, Tinke!

Du dorthinten, komm heran!

Sto?et an, so ist's getan.

Schrie mein Weibchen doch entrustet,

Rumpfte diesem bunten Rock,

Und, wie sehr ich mich gebrustet,

Schalt mich einen Maskenstock.

Doch ich trinke! Trinke, trinke!

Angeklungen! Tinke, Tinke!

Maskenstocke, sto?et an!

Wenn es klingt, so ist's getan.

Saget nicht, da? ich verirrt bin,

Bin ich doch, wo mir's behagt.

Borgt der Wirt nicht, borgt die Wirtin,

Und am Ende borgt die Magd.

Immer trink' ich! Trinke, trinke!

Auf, ihr andern! Tinke, Tinke!

Jeder jedem! so fortan!

Dunkt mich's doch, es sei getan.

Wie und wo ich mich vergnuge,

Mag es immerhin geschehn;

La? mich liegen, wo ichliege,

Denn ich mag nicht langer stehn.

CHOR:

Jeder Bruder trinke, trinke!

Toastet frisch ein Tinke, Tinke!

Sitzet fest auf Bank und Span!

Unterm Tisch dem ist's getan.

SATIRIKER:

Wi?t ihr, was mich Poeten

Erst recht erfreuen sollte?

Durft' ich singen und reden,

Was niemand horen wollte.

AGLAIA:

Anmut bringen wir ins Leben;

Leget Anmut in das Geben.

HEGEMONE:

Leget Anmut ins Empfangen,

Lieblich ist's, den Wunsch erlangen.

EUPHRASYNE:

Und in stiller Tage Schranken

Hochst anmutig sei das Danken.

ATROPOS:

Mich, die alteste, zum Spinnen

Hat man diesmal eingeladen;

Viel zu denken, viel zu sinnen

Gibt's beim zarten Lebensfaden.

Da? er euch gelenk und weich sei,

Wu?t' ich feinsten Flachs zu sichten;

Da? er glatt und schlank und gleich sei,

Wird der kluge Finger schlichten.

Wolltet ihr bei Lust und Tanzen

Allzu uppig euch erweisen,

Denkt an dieses Fadens Grenzen,

Hutet euch! Er mochte rei?en.

KLOTHO:

Wi?t, in diesen letzten Tagen

Ward die Schere mir vertraut;

Denn man war von dem Betragen

Unsrer Alten nicht erbaut.

Zerrt unnutzeste Gespinste

Lange sie an Licht und Luft,

Hoffnung herrlichster Gewinste

Schleppt sie schneidend zu der Gruft.

Doch auch ich im Jugendwalten

Irrte mich schon hundertmal;

Heute mich im Zaum zu halten,


Schere steckt im Futteral.

Und so bin ich gern gebunden,

Blicke freundlich diesem Ort;

Ihr in diesen freien Stunden

Schwarmt nur immer fort und fort.

LACHESIS:

Mir, die ich allein verstandig,

Blieb das Ordnen zugeteilt;

Meine Weife, stets lebendig,

Hat noch nie sich ubereilt.

Faden kommen, Faden weifen,

Jeden lenk' ich seine Bahn,

Keinen lass' ich uberschweifen,

Fug' er sich im Kreis heran.

Konnt' ich einmal mich vergessen,

War' es um die Welt mir bang;

Stunden zahlen, Jahre messen,

Und der Weber nimmt den Strang.

HEROLD:


Die jetzo kommen, werdet ihr nicht kennen,

Wart ihr noch so gelehrt in alten Schriften;

Sie anzusehn, die so viel ubel stiften,

Ihr wurdet sie willkommne Gaste nennen.

Die Furien sind es, niemand wird uns glauben,

Hubsch, wohlgestaltet, freundlich, jung von Jahren;

La?t euchmit ihnen ein, ihr sollt erfahren,

Wie schlangenhaft verletzen solche Tauben.

Zwar sind sie tuckisch, doch am heutigen Tage,

Wo jeder Narr sich ruhmet seiner Mangel,

Auch sie verlangen nicht den Ruhm als Engel,

Bekennen sich als Stadt- und Landesplage.

ALEKTO:

Was hilft es euch? ihr werdet uns vertrauen,

Denn wir sind hubsch und jung und Schmeichelkatzchen;

Hat einer unter euch ein Liebeschatzchen,

Wir werden ihm so lang die Ohren krauen,

Bis wir ihm sagen durfen, Aug' in Auge:

Da? sie zugleich auch dem und jenem winke,

Im Kopfe dumm, im Rucken krumm, und hinke

Und, wenn sie seine Braut ist, gar nichts tauge.

So wissen wir die Braut auch zu bedrangen:

Es hat sogar der Freund, vor wenig Wochen,

Verachtliches von ihr zu der gesprochen! -

Versohnt man sich, so bleibt doch etwas hangen.

MEGARA:

Das ist nur Spa?! denn, sind sie erst verbunden,

Ich nehm' es auf und wei?; in allen Fallen,

Das schonste Gluck durch Grille zu vergallen;

Der Mensch ist ungleich, ungleich sind die Stunden.

Und niemand hat Erwunschtes fest in Armen,

Der sich nicht nach Erwunschterem torig sehnte,

Vom hochsten Gluck, woran er sich gewohnte;

Die Sonne flieht er, will den Frost erwarmen.

Mit diesem allen wei? ich zu gebaren

Und fuhre her Asmodi, den Getreuen,

Zu rechter Zeit Unseliges auszustreuen,

Verderbe so das Menschenvolk in Paaren.

TISIPHONE:

Gift und Dolch statt boser Zungen

Misch' ich, scharf' ich dem Verrater;

Liebst du andre, fruher, spater

Hat Verderben dich durchdrungen.

Mu? der Augenblicke Su?tes

Sich zu Gischt und Galle wandeln!

Hier kein Markten, hier kein Handeln -

Wie er es beging', er bu?t es.

Singe keiner vom Vergeben!

Felsen klag' ich meine Sache,

Echo! horch! erwidert: Rache!

Und wer wechselt, soll nicht leben.

HEROLD:

Belieb' es euch, zur Seite wegzuweichen,

Denn was jetzt kommt, ist nicht von euresgleichen.

Ihr seht, wie sich ein Berg herangedrangt,

Mit bunten Teppichen die Weichen stolz behangt,

Ein Haupt mit langen Zahnen, Schlangenrussel,

Geheimnisvoll, doch zeig' ich euch den Schlussel.


Im Nacken sitzt ihm zierlich-zarte Frau,

Mit feinem Stabchen lenkt sie ihn genau;

Die andre,droben stehend herrlich-hehr,

Umgibt ein Glanz, der blendet mich zu sehr.

Zur Seite gehn gekettet edle Frauen,

Die eine bang, die andre froh zu schauen;

Die eine wunscht, die andre fuhlt sich frei.

Verkunde jede, wer sie sei.

FURCHT:

Dunstige Fackeln, Lampen, Lichter

Dammern durchs verworrne Fest;

Zwischen diese Truggesichter

Bannt mich, ach! die Kette fest.

Fort, ihr lacherlichen Lacher!

Euer Grinsen gibt Verdacht;

Alle meine Widersacher

Drangen mich in dieser Nacht.

Hier! ein Freund ist Feind geworden,

Seine Maske kenn' ich schon;

Jener wollte mich ermorden,

Nun entdeckt schleicht er davon.

Ach wie gern in jeder Richtung

Floh' ich zu der Welt hinaus;

Doch von druben droht Vernichtung,

Halt mich zwischen Dunst und Graus.

HOFFNUNG:

Seid gegru?t, ihr lieben Schwestern!

Habt ihr euch schon heut' und gestern

In Vermummungen gefallen,

Wei? ich doch gewi? von allen:

Morgen wollt ihr euch enthullen.

Und wenn wir bei Fackelscheine

Uns nicht sonderlich behagen,

Werden wir in heitern Tagen

Ganz nach unserm eignen Willen

Bald gesellig, bald alleine

Frei durch schone Fluren wandeln,

Nach Belieben ruhn und handeln

Und in sorgenfreiem Leben


Nie entbehren, stets erstreben;

uberall willkommne Gaste,

Treten wir getrost hinein:

Sicherlich, es mu? das Beste

Irgendwo zu finden sein.

KLUGHEIT:

Zwei der gro?ten Menschenfeinde,

Furcht und Hoffnung, angekettet,

Halt' ich ab von der Gemeinde;

Platz gemacht! ihr seid gerettet.

Den lebendigen Kolossen

Fuhr' ich, seht ihr, turmbeladen,

Und er wandelt unverdrossen

Schritt vor Schritt auf steilen Pfaden.

Droben aber auf der Zinne

Jene Gottin, mit behenden

Breiten Flugeln, zum Gewinne

Allerseits sich hinzuwenden.

Rings umgibt sie Glanz und Glorie,

Leuchtend fern nach allen Seiten;

Und sie nennet sich Viktorie,

Gottin aller Tatigkeiten.

ZOILO-THERSITES:

Hu! Hu! da komm' ich eben recht,

Ich schelt' euch allzusammen schlecht!

Doch was ich mir zum Ziel ersah,

Ist oben Frau Viktoria.

Mit ihrem wei?en Flugelpaar

Sie dunkt sich wohl, sie sei ein Aar,

Und wo sie sich nur hingewandt,

Gehor' ihr alles Volk und Land;

Doch, wo was Ruhmliches gelingt,

Es mich sogleich in Harnisch bringt.

Das Tiefe hoch, das Hohe tief,

Das Schiefe grad, das Grade schief,

Das ganz allein macht mich gesund,

So will ich's auf dem Erdenrund.

HEROLD:

So treffe dich, du Lumpenhund,

Des frommen Stabes Meisterstreich!

Da krumm und winde dich sogleich! -

Wie sich die Doppelzwerggestalt

So schnell zum eklen Klumpen ballt! -

- Doch Wunder! - Klumpen wird zum Ei,

Das blaht sich auf und platzt entzwei.

Nun fallt ein Zwillingspaar heraus,

Die Otter und die Fledermaus;

Die eine fort im Staube kriecht,

Die andre schwarz zur Decke fliegt.

Sie eilen drau?en zum Verein;

Da mocht' ich nicht der dritte sein.

GEMURMEL:

Frisch! dahinten tanzt man schon -

Nein! Ich wollt', ich war' davon -

Fuhlst du, wie uns das umflicht,

Das gespenstische Gezucht? -

Saust es mir doch ubers Haar -

Ward ich's doch am Fu? gewahr -


Keiner ist von uns verletzt -

Alle doch in Furcht gesetzt -

Ganz verdorben ist der Spa? -

Und die Bestien wollten das.

HEROLD:

Seit mir sind bei Maskeraden

Heroldspflichten aufgeladen,

Wach' ich ernstlich an der Pforte,

Da? euch hier am lustigen Orte

Nichts Verderbliches erschleiche,

Weder wanke, weder weiche.

Doch ich furchte, durch die Fenster

Ziehen luftige Gespenster,

Und von Spuk und Zaubereien

Wu?t' ich euch nicht zu befreien.

Machte sich der Zwerg verdachtig,

Nun! dort hinten stromt es machtig.

Die Bedeutung der Gestalten

Mocht' ich amtsgema? entfalten.

Aber was nicht zu begreifen,

Wu?t' ich auch nicht zu erklaren;

Helfet alle mich belehren! -

Seht ihr's durch die Menge schweifen?

Vierbespannt ein prachtiger Wagen

Wird durch alles durchgetragen;

Doch er teilet nicht die Menge,

Nirgend seh' ich ein Gedrange.

Farbig glitzert's in der Ferne,

Irrend leuchten bunte Sterne

Wie von magischer Laterne,

Schnaubt heran mit Sturmgewalt.

Platz gemacht! Mich schaudert's! +

KNABE WAGENLENKER:

Halt!

Rosse, hemmet eure Flugel,

Fuhlet den gewohnten Zugel,

Meistert euch, wie ich euch meistre,

Rauschet hin, wenn ich begeistre -

Diese Raume la?t uns ehren!


Schaut umher, wiesie sich mehren,

Die Bewundrer, Kreis um Kreise.

Herold auf! nach deiner Weise,

Ehe wir von euch entfliehen,

Uns zu schildern, uns zu nennen;

Denn wir sind Allegorien,

Und so solltest du uns kennen.

HEROLD:

Wu?te nicht, dich zu benennen;

Eher konnt' ich dich beschreiben.

KNABE LENKER:

So probier's! +

HEROLD:

Man mu? gestehn:

Erstlich bist du jung und schon.

Halbwuchsiger Knabe bist du; doch die Frauen,

Sie mochten dich ganz ausgewachsen schauen.

Du scheinest mir ein kunftiger Sponsierer,

Recht so von Haus aus ein Verfuhrer.


KNABE LENKER:

Das la?t sich horen! fahre fort,

Erfinde dir des Ratsels heitres Wort.

HEROLD:

Der Augen schwarzer Blitz, die Nacht der Locken,

Erheitert von juwelnem Band!

Und welch ein zierliches Gewand

Flie?t dir von Schultern zu den Socken,

Mit Purpursaum und Glitzertand!

Man konnte dich ein Madchen schelten;

Doch wurdest du, zu Wohl und Weh,

Auch jetzo schon bei Madchen gelten,

Sie lehrten dich das ABC.

KNABE LENKER:

Und dieser, der als Prachtgebilde

Hier auf dem Wagenthrone prangt?

HEROLD:

Er scheint ein Konig reich und milde,

Wohl dem, der seine Gunst erlangt!


Er hat nichts weiter zu erstreben,

Wo's irgend fehlte, spaht sein Blick,

Und seine reine Lust zu geben

Ist gro?er als Besitz und Gluck.

KNABE LENKER:

Hiebei darfst du nicht stehen bleiben,

Du mu?t ihn recht genau beschreiben.

HEROLD:

Das Wurdige beschreibt sich nicht.

Doch das gesunde Mondgesicht,

Ein voller Mund, erbluhte Wangen,

Die unterm Schmuck des Turbans prangen;

Im Faltenkleid ein reich Behagen!

Was soll ich von dem Anstand sagen?

Als Herrscher scheint er mir bekannt.

KNABE LENKER:

Plutus, des Reichtums Gott genannt!

Derselbe kommt in Prunk daher,

Der hohe Kaiser wunscht ihn sehr.


HEROLD:

Sag von dir selber auch das Was und Wie!

KNABE LENKER:

Bin die Verschwendung, bin die Poesie;

Bin der Poet, der sich vollendet,

Wenn er sein eigenst Gut verschwendet.

Auch ich bin unerme?lich reich

Und schatze mich dem Plutus gleich,

Beleb' und schmuck' ihm Tanz und Schmaus,

Das, was ihm fehlt, das teil' ich aus.

HEROLD:

DasPrahlen steht dir gar zu schon,

Doch la? uns deine Kunste sehn.

KNABE LENKER:

Hier seht mich nur ein Schnippchen schlagen,

Schon glanzt's und glitzert's um den Wagen.

Da springt eine Perlenschnur hervor!

Nehmt goldne Spange fur Hals und Ohr;

Auch Kamm und Kronchen ohne Fehl,


In Ringen kostlichstes Juwel;

Auch Flammchen spend' ich dann und wann,

Erwartend, wo es zunden kann.

HEROLD:

Wie greift und hascht die liebe Menge!

Fast kommt der Geber ins Gedrange.

Kleinode schnippt er wie ein Traum,

Und alles hascht im weiten Raum.

Doch da erleb' ich neue Pfiffe:

Was einer noch so emsig griffe,

Des hat er wirklich schlechten Lohn,

Die Gabe flattert ihm davon.

Es lost sich auf das Perlenband,

Ihm krabbeln Kafer in der Hand,

Er wirft sie weg, der arme Tropf,

Und sie umsummen ihm den Kopf.

Die andern statt solider Dinge

Erhaschen frevle Schmetterlinge.

Wie doch der Schelm so viel verhei?t

Und nur verleiht, was golden glei?t!

KNABE LENKER:

Zwar Masken, merk' ich, wei?t du zu verkunden,

Allein der Schale Wesen zu ergrunden,

Sind Herolds Hofgeschafte nicht;

Das fordert scharferes Gesicht.

Doch hut' ich mich vor jeder Fehde;

An dich, Gebieter, wend' ich Frag' und Rede.

Hast du mir nicht die Windesbraut

Des Viergespannes anvertraut?

Lenk' ich nicht glucklich, wie du leitest?

Bin ich nicht da, wohin du deutest?

Und wu?t' ich nicht auf kuhnen Schwingen

Fur dich die Palme zu erringen?

Wie oft ich auch fur dich gefochten,

Mir ist es jederzeit gegluckt:

Wenn Lorbeer deine Stirne schmuckt,

Hab' ich ihn nicht mit Sinn und Hand geflochten?

PLUTUS:

Wenn's notig ist, da? ich dir Zeugnis leiste,

So sag' ich gern: Bist Geist von meinem Geiste.

Du handelst stets nach meinem Sinn,

Bist reicher, als ich selber bin.

Ich schatze, deinen Dienst zu lohnen,

Den grunen Zweig vor allen meinen Kronen.

Ein wahres Wort verkund' ich allen:

Mein lieber Sohn, an dir hab' ich Gefallen.

KNABE LENKER:

Die gro?ten Gaben meiner Hand,

Seht! hab' ich rings umher gesandt.

Auf dem und jenem Kopfe gluht

Ein Flammchen, das ich angespruht;

Von einemzu dem andern hupft's,

An diesem halt sich's, dem entschlupft's,

Gar selten aber flammt's empor,

Und leuchtet rasch in kurzem Flor;

Doch vielen, eh' man's noch erkannt,

Verlischt es, traurig ausgebrannt.

WEIBERGEKLATSCH:

Da droben auf dem Viergespann

Das ist gewi? ein Scharlatan;

Gekauzt da hintendrauf Hanswurst,

Doch abgezehrt von Hunger und Durst,

Wie man ihn niemals noch erblickt;

Er fuhlt wohl nicht, wenn man ihn zwickt.

DER ABGEMAGERTE:

Vom Leibe mir, ekles Weibsgeschlecht!

Ich wei?, dir komm' ich niemals recht. -

Wie noch die Frau den Herd versah,

Da hie? ich Avaritia;

Da stand es gut um unser Haus:

Nur viel herein und nichts hinaus!

Ich eiferte fur Kist' und Schrein;

Das sollte wohl gar ein Laster sein.

Doch als in allerneusten Jahren

Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen,

Und, wie ein jeder boser Zahler,

Weit mehr Begierden hat als Taler,


Da bleibt dem Manne viel zu dulden,

Wo er nur hinsieht, da sind Schulden.

Sie wendet's, kann sie was erspulen,

An ihren Leib, an ihren Buhlen;

Auch speist sie besser, trinkt noch mehr

Mit der Sponsierer leidigem Heer;

Das steigert mir des Goldes Reiz:

Bin mannlichen Geschlechts, der Geiz!

HAUPTWEIB:

Mit Drachen mag der Drache geizen;

Ist's doch am Ende Lug und Trug!

Er kommt, die Manner aufzureizen,

Sie sind schon unbequem genug.

WEIBER IN MASSE:

Der Strohmann! Reich ihm eine Schlappe!

Was will das Marterholz uns draun?

Wir sollen seine Fratze scheun!

Die Drachen sind von Holz und Pappe,

Frisch an und dringt auf ihn hinein!


HEROLD:

Bei meinem Stabe! Ruh gehalten! -

Doch braucht es meiner Hulfe kaum;

Seht, wie die grimmen Ungestalten,

Bewegt im rasch gewonnenen Raum,

Das Doppel-Flugelpaar entfalten.

Entrustet schutteln sich der Drachen

Umschuppte, feuerspeiende Rachen;

Die Menge flieht, rein ist der Platz.

HEROLD:

Er tritt herab, wie koniglich!

Er winkt, die Drachen ruhren sich,

Die Kiste haben sie vom Wagen

Mit Gold und Geiz herangetragen,

Sie steht zu seinen Fu?en da:

Ein Wunder ist es, wie's geschah.

PLUTUS:

Nun bist du los der allzulastigen Schwere,

Bist freiund frank, nun frisch zu deiner Sphare!


Hier ist sie nicht! Verworren, scheckig, wild

Umdrangt uns hier ein fratzenhaft Gebild.

Nur wo du klar ins holde Klare schaust,

Dir angehorst und dir allein vertraust,

Dorthin, wo Schones, Gutes nur gefallt,

Zur Einsamkeit! - Da schaffe deine Welt.

KNABE LENKER:

So acht' ich mich als werten Abgesandten,

So lieb' ich dich als nachsten Anverwandten.

Wo du verweilst, ist Fulle; wo ich bin,

Fuhlt jeder sich im herrlichsten Gewinn.

Auch schwankt er oft im widersinnigen Leben:

Soll er sich dir? soll er sich mir ergeben?

Die Deinen freilich konnen mu?ig ruhn,

Doch wer mir folgt, hat immer was zu tun.

Nicht insgeheim vollfuhr' ich meine Taten,

Ich atme nur, und schon bin ich verraten.

So lebe wohl! Du gonnst mir ja mein Gluck;

Doch lisple leis', und gleich bin ich zuruck.

PLUTUS:

Nun ist es Zeit, die Schatze zu entfesseln!

Die Schlosser treff' ich mit des Herolds Rute.

Es tut sich auf! schaut her! in ehrnen Kesseln

Entwickelt sich's und wallt von goldnem Blute,

Zunachst der Schmuck von Kronen, Ketten, Ringen;

Es schwillt und droht, ihn schmelzend zu verschlingen.

WECHSELGESCHREI DER MENGE:

Seht hier, o hin! wie's reichlich quillt,

Die Kiste bis zum Rande fullt. -

Gefa?e, goldne, schmelzen sich,

Gemunzte Rollen walzen sich. -

Dukaten hupfen wie gepragt,

O wie mir das den Busen regt -

Wie schau' ich alle mein Begehr!

Da kollern sie am Boden her. -

Man bietet's euch, benutzt's nur gleich

Und buckt euch nur und werdet reich. -

Wir andern, rustig wie der Blitz,

Wir nehmen den Koffer in Besitz.


HEROLD:

Was soll's, ihr Toren? soll mir das?

Es ist ja nur ein Maskenspa?.

Heut abend wird nicht mehr begehrt;

Glaubt ihr, man geb' euch Gold und Wert?

Sind doch fur euch in diesem Spiel

Selbst Rechenpfennige zuviel.

Ihr Tappischen! ein artiger Schein

Soll gleich die plumpe Wahrheit sein.

Was soll euch Wahrheit? - Dumpfen Wahn

Packt ihr an allen Zipfeln an. -

Vermummter Plutus, Maskenheld,

Schlag dieses Volk mir aus dem Feld.

PLUTUS:

Dein Stabist wohl dazu bereit,

Verleih ihn mir auf kurze Zeit. -

Ich tauch' ihn rasch in Sud und Glut. -

Nun, Masken, seid auf eurer Hut!

Wie's blitzt und platzt, in Funken spruht!


Der Stab, schon ist er angegluht.

Wer sich zu nah herangedrangt,

Ist unbarmherzig gleich versengt. -

Jetzt fang' ich meinen Umgang an.

GESCHREI UND GEDRANG:

O weh! Es ist um uns getan. -

Entfliehe, wer entfliehen kann! -

Zuruck, zuruck, du Hintermann! -

Mir spruht er hei? ins Angesicht. -

Mich druckt des gluhenden Stabs Gewicht -

Verloren sind wir all' und all'. -

Zuruck, zuruck, du Maskenschwall!

Zuruck, zuruck, unsinniger Hauf'! -

O hatt' ich Flugel, flog' ich auf. -

PLUTUS:

Schon ist der Kreis zuruckgedrangt,

Und niemand, glaub' ich, ist versengt.

Die Menge weicht,

Sie ist verscheucht. -


Doch solcher Ordnung Unterpfand

Zieh' ich ein unsichtbares Band.

HEROLD:

Du hast ein herrlich Werk vollbracht,

Wie dank' ich deiner klugen Macht!

PLUTUS:

Noch braucht es, edler Freund, Geduld:

Es droht noch mancherlei Tumult.

GEIZ:

So kann man doch, wenn es beliebt,

Vergnuglich diesen Kreis beschauen;

Denn immerfort sind vornenan die Frauen,

Wo's was zu gaffen, was zu naschen gibt.

Noch bin ich nicht so vollig eingerostet!

Ein schones Weib ist immer schon;

Und heute, weil es mich nichts kostet,

So wollen wir getrost sponsieren gehn.

Doch weil am uberfullten Orte

Nicht jedem Ohr vernehmlich alle Worte,


Versuch' ich klug und hoff', es soll mir glucken,

Mich pantomimisch deutlich auszudrucken.

Hand, Fu?, Gebarde reicht mir da nicht hin,

Da mu? ich mich um einen Schwank bemuhn.

Wie feuchten Ton will ich das Gold behandeln,

Denn dies Metall la?t sich in alles wandeln.

HEROLD:

Was fangt der an, der magre Tor!

Hat so ein Hungermann Humor?

Er knetet alles Gold zu Teig,

Ihm wird es untern Handen weich;

Wie er es druckt und wie es ballt,

Bleibt's immer doch nur ungestalt.

Er wendet sich zu den Weibern dort,

Sie schreien alle, mochten fort,

Gebarden sich gar widerwartig;

Der Schalk erweist sich ubelfertig.

Ich furchte, da? er sich ergetzt,

Wenn er die Sittlichkeit verletzt.

Dazu darf ich nicht schweigsam bleiben,

Gib meinen Stab, ihn zu vertreiben.

PLUTUS:

Er ahnet nicht, was uns von au?en droht;

La? ihn die Narrenteidung treiben!

Ihm wird kein Raum fur seine Possen bleiben;

Gesetz ist machtig, machtiger ist die Not.

GETUMMEL UND GESANG:

Das wilde Heer, es kommt zumal

Von Bergeshoh' und Waldestal,

Unwiderstehlich schreitet's an:

Sie feiren ihren gro?en Pan.

Sie wissen doch, was keiner wei?,

Und drangen in den leeren Kreis.

PLUTUS:

Ich kenn' euch wohl und euren gro?en Pan!

Zusammen habt ihr kuhnen Schritt getan.

Ich wei? recht gut, was nicht ein jeder wei?,

Und offne schuldig diesen engen Kreis.

Mag sie ein gut Geschick begleiten!

Das Wunderlichste kann geschehn;

Sie wissen nicht, wohin sie schreiten,

Sie haben sich nicht vorgesehn.

WILDGESANG:

Geputztes Volk du, Flitterschau!

Sie kommen roh, sie kommen rauh,

In hohem Sprung, in raschem Lauf,

Sie treten derb und tuchtig auf.

FAUNEN:

Die Faunenschar

Im lustigen Tanz,

Den Eichenkranz

Im krausen Haar,

Ein feines zugespitztes Ohr

Dringt an dem Lockenkopf hervor,

Ein stumpfes Naschen, ein breit Gesicht,

Das schadet alles bei Frauen nicht:

Dem Faun, wenn er die Patsche reicht,

Versagt die Schonste den Tanz nicht leicht.

SATYR:

Der Satyr hupft nun hinterdrein

Mit Ziegenfu? und durrem Bein,

Ihm sollen sie mager und sehnig sein,

Und gemsenartig auf Bergeshohn

Belustigt er sich, umherzusehn.

In Freiheitsluft erquickt alsdann,

Verhohnt er Kind und Weib und Mann,

Die tief in Tales Dampf und Rauch

Behaglich meinen, sie lebten auch,

Da ihm doch rein und ungestort

Die Welt dort oben allein gehort.

GNOMEN:

Da trippelt ein die kleine Schar,

Sie halt nicht gern sich Paar und Paar;

Im moosigen Kleid mit Lamplein hell

Bewegt sich's durcheinander schnell,

Wo jedes fur sich selber schafft,

Wie Leucht-Ameisen wimmelhaft;

Und wuselt emsig hin und her,

Beschaftigt in die Kreuz und Quer.

Den frommen Gutchen nah verwandt,

Als Felschirurgen wohlbekannt;

Die hohen Berge schropfen wir,

Aus vollen Adern schopfenwir;

Metalle sturzen wir zuhauf,

Mit Gru? getrost: Gluck auf! Gluck auf!

Das ist von Grund aus wohlgemeint:

Wir sind der guten Menschen Freund.

Doch bringen wir das Gold zu Tag,

Damit man stehlen und kuppeln mag,

Nicht Eisen fehle dem stolzen Mann,

Der allgemeinen Mord ersann.

Und wer die drei Gebot' veracht't,

Sich auch nichts aus den andern macht.

Das alles ist nicht unsre Schuld;

Drum habt so fort, wie wir, Geduld.

RIESEN:


Die wilden Manner sind s' genannt,

Am Harzgebirge wohlbekannt;

Naturlich nackt in aller Kraft,

Sie kommen samtlich riesenhaft.

Den Fichtenstamm in rechter Hand

Und um den Leib ein wulstig Band,

Den derbsten Schurz von Zweig und Blatt,

Leibwacht, wie der Papst nicht hat.

NYMPHEN IM CHOR:

Auch kommt er an! -

Das All der Welt

Wird vorgestellt

Im gro?en Pan.

Ihr Heitersten, umgebet ihn,

Im Gaukeltanz umschwebet ihn:

Denn weil er ernst und gut dabei,

So will er, da? man frohlich sei.

Auch unterm blauen Wolbedach

Verhielt' er sich bestandig wach;

Doch rieseln ihm die Bache zu,

Und Luftlein wiegen ihn mild in Ruh.

Und wenn er zu Mittage schlaft,

Sich nicht das Blatt am Zweige regt;

Gesunder Pflanzen Balsamduft

Erfullt die schweigsam stille Luft;

Die Nymphe darf nicht munter sein,

Und wo sie stand, da schlaft sie ein.

Wenn unerwartet mit Gewalt

Dann aber seine Stimm' erschallt,

Wie Blitzes Knattern, Meergebraus,

Dann niemand wei?, wo ein noch aus,

Zerstreut sich tapfres Heer im Feld,

Und im Getummel bebt der Held.

So Ehre dem, dem Ehre gebuhrt,

Und Heil ihm, der uns hergefuhrt!

DEPUTATION DER GNOMEN:

Wenn das glanzend reiche Gute

Fadenweis durch Klufte streicht,

Nur der klugen Wunschelrute


Seine Labyrinthe zeigt,

Wolben wir in dunklen Gruften

Troglodytisch unser Haus,

Und an reinen Tagesluften

Teilst du Schatze gnadig aus.

Nun entdecken wir hieneben

Eine Quelle wunderbar,

Die bequem verspricht zu geben,

Was kaum zu erreichen war.

Dies vermagst du zu vollenden,

Nimm es, Herr, in deine Hut:

Jeder Schatz in deinen Handen

Kommt der ganzen Welt zugut.

PLUTUS:

Wir mussen uns im hohen Sinne fassen

Und, was geschieht, getrost geschehen lassen,

Du bist ja sonst des starksten Mutes voll.

Nun wird sich gleich ein Greulichstes eraugnen,

Hartnackig wird es Welt und Nachwelt leugnen:

Du schreib es treulich in dein Protokoll.

HEROLD:

Die Zwerge fuhren den gro?en Pan

Zur Feuerquelle sacht heran;

Sie siedet auf vom tiefsten Schlund,

Dann sinkt sie wieder hinab zum Grund,

Und finster steht der offne Mund;

Wallt wieder auf in Glut und Sud,

Der gro?e Pan steht wohlgemut,

Freut sich des wundersamen Dings,

Und Perlenschaum spruht rechts und links.

Wie mag er solchem Wesen traun?

Er buckt sich tief hineinzuschaun. -

Nun aber fallt sein Bart hinein! -

Wer mag das glatte Kinn wohl sein?

Die Hand verbirgt es unserm Blick. -

Nun folgt ein gro?es Ungeschick:

Der Bart entflammt und fliegt zuruck,

Entzundet Kranz und Haupt und Brust,

Zu Leiden wandelt sich die Lust. -


Zu loschen lauft die Schar herbei,

Doch keiner bleibt von Flammen frei,

Und wie es patscht und wie es schlagt,

Wird neues Flammen aufgeregt;

Verflochten in das Element,

Ein ganzer Maskenklump verbrennt.

Was aber, hor' ich wird uns kund

Von Ohr zu Ohr, von Mund zu Mund!

O ewig unglucksel'ge Nacht,

Was hast du uns fur Leid gebracht!

Verkunden wird der nachste Tag,

Was niemand willig horen mag;

Doch hor' ich aller Orten schrein:

"Der Kaiser leidet solche Pein."

O ware doch ein andres wahr!

Der Kaiser brennt und seine Schar.

Sie sei verflucht, die ihn verfuhrt,

In harzig Reis sich eingeschnurt,

Zu toben her mit Brullgesang

Zu allerseitigem Untergang.

O Jugend, Jugend, wirst du nie

Der Freude reines Ma? bezirken?

O Hoheit, Hoheit, wirst du nie

Vernunftig wie allmachtig wirken?

Schon geht der Wald in Flammen auf,

Sie zungeln leckend spitz hinauf

Zum holzverschrankten Deckenband;

Uns droht ein allgemeiner Brand.

Des Jammers Ma? ist ubervoll,

Ich wei? nicht, wer uns retten soll.

Ein Aschenhaufen einer Nacht

Liegt morgen reiche Kaiserpracht.

PLUTUS:

Schrecken ist genug verbreitet,

Hilfe sei nun eingeleitet! -

Schlage, heil'genStabs Gewalt,

Da? der Boden bebt und schallt!

Du, geraumig weite Luft,

Fulle dich mit kuhlem Duft!


Zieht heran, umherzuschweifen,

Nebeldunste, schwangre Streifen,

Deckt ein flammendes Gewuhl!

Rieselt, sauselt, Wolkchen krauselt,

Schlupfet wallend, leise dampfet,

Loschend uberall bekampfet,

Ihr, die lindernden, die feuchten,

Wandelt in ein Wetterleuchten

Solcher eitlen Flamme Spiel! -

Drohen Geister, uns zu schadigen,

Soll sich die Magie betatigen.

Lustgarten

FAUST:

Verzeihst du, Herr, das Flammengaukelspiel?

KAISER:

Ich wunsche mir dergleichen Scherze viel. -

Auf einmal sah ich mich in gluhnder Sphare,

Es schien mir fast, als ob ich Pluto ware.

Aus Nacht und Kohlen lag ein Felsengrund,

Von Flammchen gluhend. Dem und jenem Schlund

Aufwirbelten viel tausend wilde Flammen

Und flackerten in ein Gewolb' zusammen.

Zum hochsten Dome zungelt' es empor,

Der immer ward und immer sich verlor.

Durch fernen Raum gewundner Feuersaulen

Sah ich bewegt der Volker lange Zeilen,

Sie drangten sich im weiten Kreis heran

Und huldigten, wie sie es stets getan.

Vom meinem Hof erkannt' ich ein und andern,

Ich schien ein Furst von tausend Salamandern.

MEPHISTOPHELES:

Das bist du, Herr! weil jedes Element

Die Majestat als unbedingt erkennt.

Gehorsam Feuer hast du nun erprobt;

Wirf dich ins Meer, wo es am wildsten tobt,

Und kaum betrittst du perlenreichen Grund,

So bildet wallend sich ein herrlich Rund;

Siehst auf und ab lichtgrune schwanke Wellen,

Mit Purpursaum, zur schonsten Wohnung schwellen


Um dich, den Mittelpunkt. Bei jedem Schritt,

Wohin du gehst, gehn die Palaste mit.

Die Wande selbst erfreuen sich des Lebens,

Pfeilschnellen Wimmlens, Hin- und Widerstrebens.

Meerwunder drangen sich zum neuen milden Schein,

Sie schie?en an, und keines darf herein.

Da spielen farbig goldbeschuppte Drachen,

Der Haifisch klafft, du lachst ihm in den Rachen.

Wie sich auch jetzt der Hof um dich entzuckt,

Hast du doch nie ein solch Gedrang' erblickt.

Doch bleibst du nicht vom Lieblichsten geschieden:

Es nahen sich neugierige Nereiden

Der pracht'gen Wohnung in der ew'gen Frische,

Die jungsten scheu und lustern wie die Fische,

Die spatern klug. Schon wird es Thetis kund,

Dem zweiten Peleus reicht sie Hand und Mund. -

Den Sitz alsdann auf des Olymps Revier...

KAISER:

Die luft'gen Raume, die erlass' ich dir:

Noch fruh genug besteigt man jenen Thron.

MEPHISTOPHELES:

Und, hochster Herr! die Erde hast du schon.

KAISER:

Welch gut Geschick hat dich hieher gebracht,

Unmittelbar aus Tausend Einer Nacht?

Gleichst du an Fruchtbarkeit Scheherazaden,

Versichr' ich dich der hochsten aller Gnaden.

Sei stets bereit, wenn eure Tageswelt,

Wie's oft geschieht, mir widerlichst mi?fallt.

MARSCHALK:

Durchlauchtigster, ich dacht' in meinem Leben

Vom schonsten Gluck Verkundung nicht zu geben

Als diese, die mich hoch begluckt,

In deiner Gegenwart entzuckt:

Rechnung fur Rechnung ist berichtigt,

Die Wucherklauen sind beschwichtigt,

Los bin ich solcher Hollenpein;

Im Himmel kann's nicht heitrer sein.

HEERMEISTER:

Abschlaglich ist der Sold entrichtet,

Das ganze Heer aufs neu' verpflichtet,

Der Landsknecht fuhlt sich frisches Blut,

Und Wirt und Dirnen haben's gut.

KAISER:

Wie atmet eure Brust erweitert!

Das faltige Gesicht erheitert!

Wie eilig tretet ihr heran!

SCHATZMEISTER:

Befrage diese, die das Werk getan.

FAUST:

Dem Kanzler ziemt's, die Sache vorzutragen.

KANZLER:

Begluckt genug in meinen alten Tagen. -

So hort und schaut das schicksalschwere Blatt,

Das alles Weh in Wohl verwandelt hat.

"Zu wissen sei es jedem, der's begehrt:

Der Zettel hier ist tausend Kronen wert.

Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand,

Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland.

Nun ist gesorgt, damit der reiche Schatz,

Sogleich gehoben, diene zum Ersatz."

KAISER:

Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug!

Wer falschte hier des Kaisers Namenszug?

Ist solch Verbrechen ungestraft geblieben?

SCHATZMEISTER:

Erinnre dich! hast selbst es unterschrieben;

Erst heute nacht. Du standst als gro?er Pan,

Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran:

"Gewahre dir das hohe Festvergnugen,

Des Volkes Heil, mit wenig Federzugen."

Du zogst sie rein, dann ward's in dieser Nacht

Durch Tausendkunstler schnell vertausendfacht.

Damit die Wohltat allen gleich gedeihe,

So stempelten wir gleich die ganze Reihe,

Zehn, Drei?ig, Funfzig, Hundert sind parat.

Ihr denkt euch nicht, wie wohl's dem Volke tat.

Seht eure Stadt, sonst halb im Tod verschimmelt,

Wie alles lebt und lustgenie?end wimmelt!

Obschon dein Name langstdie Welt begluckt,

Man hat ihn nie so freundlich angeblickt.

Das Alphabet ist nun erst uberzahlig,

In diesem Zeichen wird nun jeder selig.

KAISER:

Und meinen Leuten gilt's fur gutes Gold?

Dem Heer, dem Hofe gnugt's zu vollem Sold?

So sehr mich's wundert, mu? ich's gelten lassen.

MARSCHALK:

Unmoglich war's, die Fluchtigen einzufassen;

Mit Blitzeswink zerstreute sich's im Lauf.

Die Wechslerbanke stehen sperrig auf:

Man honoriert daselbst ein jedes Blatt

Durch Gold und Silber, freilich mit Rabatt.

Nun geht's von da zum Fleischer, Backer, Schenken;

Die halbe Welt scheint nur an Schmaus zu denken,

Wenn sich die andre neu in Kleidern blaht.

Der Kramer schneidet aus, der Schneider naht.

Bei "Hoch dem Kaiser!" sprudelt's in den Kellern,

Dort kocht's und brat's und klappert mit den Tellern.

MEPHISTOPHELES:

Wer die Terrassen einsam abspaziert,

Gewahrt die Schonste, herrlich aufgeziert,

Ein Aug' verdeckt vom stolzen Pfauenwedel,

Sie schmunzelt uns und blickt nach solcher Schedel;

Und hurt'ger als durch Witz und Redekunst

Vermittelt sich die reichste Liebesgunst.

Man wird sich nicht mit Bors' und Beutel plagen,

Ein Blattchen ist im Busen leicht zu tragen,

Mit Liebesbrieflein paart's bequem sich hier.

Der Priester tragt's andachtig im Brevier,

Und der Soldat, um rascher sich zu wenden,

Erleichtert schnell den Gurtel seiner Lenden.

Die Majestat verzeihe, wenn ins Kleine

Das hohe Werk ich zu erniedern scheine.

FAUST:

Das uberma? der Schatze, das, erstarrt,

In deinen Landen tief im Boden harrt,

Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke

Ist solchen Reichtums kummerlichste Schranke;

Die Phantasie, in ihrem hochsten Flug,

Sie strengt sich an und tut sich nie genug.

Doch fassen Geister, wurdig, tief zu schauen,

Zum Grenzenlosen grenzenlos Vertrauen.

MEPHISTOPHELES:

Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt,

Ist so bequem, man wei? doch, was man hat;

Man braucht nicht erst zu markten, noch zu tauschen,

Kann sich nach Lust in Lieb' und Wein berauschen.

Will man Metall, ein Wechsler ist bereit,

Und fehlt es da, so grabt man eine Zeit.

Pokal und Kette wird verauktioniert,

Und das Papier, sogleich amortisiert,

Beschamt den Zweifler, der uns frech verhohnt.

Man will nichts anders, ist daran gewohnt.


So bleibt von nun an allen Kaiserlanden

An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden.

KAISER:

Das hohe Wohl verdankt euch unser Reich;

Wo moglich sei der Lohn dem Dienste gleich.

Vertraut sei euch des Reiches innrer Boden,

Ihr seid der Schatze wurdigste Kustoden.

Ihr kennt den weiten, wohlverwahrten Hort,

Und wenn man grabt, so sei's auf euer Wort.

Vereint euch nun, ihr Meister unsres Schatzes,

Erfullt mit Lust die Wurden eures Platzes,

Wo mit der obern sich die Unterwelt,

In Einigkeit begluckt, zusammenstellt.

SCHATZMEISTER:

Soll zwischen uns kein fernster Zwist sich regen,

Ich liebe mir den Zaubrer zum Kollegen.

KAISER:

Beschenk' ich nun bei Hofe Mann fur Mann,

Gesteh' er mir, wozu er's brauchen kann.


PAGE:

Ich lebe lustig, heiter, guter Dinge.

EIN ANDRER:

Ich schaffe gleich dem Liebchen Kett' und Ringe.

KAMMERER:

Von nun an trink' ich doppelt be?re Flasche.

EIN ANDRER:

Die Wurfel jucken mich schon in der Tasche.

BANNERHERR:

Mein Schlo? und Feld, ich mach' es schuldenfrei.

EIN ANDRER:

Es ist ein Schatz, den leg' ich Schatzen bei.

KAISER:

Ich hoffte Lust und Mut zu neuen Taten;

Doch wer euch kennt, der wird euch leicht erraten.

Ich merk' es wohl: bei aller Schatze Flor,

Wie ihr gewesen, bleibt ihr nach wie vor.

NARR:

Ihr spendet Gnaden, gonnt auch mir davon!

KAISER:

Und lebst du wieder, du vertrinkst sie schon.

NARR:

Die Zauberblatter! ich versteh's nicht recht.

KAISER:

Das glaub' ich wohl, denn du gebrauchst sie schlecht.

NARR:

Da fallen andere; wei? nicht, was ich tu'.

KAISER:

Nimm sie nur hin, sie fielen dir ja zu.

NARR:

Funftausend Kronen waren mir zu Handen!

MEPHISTOPHELES:

Zweibeiniger Schlauch, bist wieder auferstanden?

NARR:

Geschieht mir oft, doch nicht so gut als jetzt.

MEPHISTOPHELES:

Du freust dich so, da? dich's in Schwei? versetzt.


NARR:

Da seht nur her, ist das wohl Geldes wert?

MEPHISTOPHELES:

Du hast dafur, was Schlund und Bauch begehrt.

NARR:

Und kaufen kann ich Acker, Haus und Vieh?

MEPHISTOPHELES:

Versteht sich! Biete nur, das fehlt dir nie.

NARR:

Und Schlo?, mit Wald und Jagd undFischbach? +

MEPHISTOPHELES:

Traun!

Ich mochte dich gestrengen Herrn wohl schaun!

NARR:

Heut abend wieg' ich mich im Grundbesitz! -

MEPHISTOPHELES:

Wer zweifelt noch an unsres Narren Witz!

Finstere Galerie

MEPHISTOPHELES:


Was ziehst du mich in diese dustern Gange?

Ist nicht da drinnen Lust genug,

Im dichten, bunten Hofgedrange

Gelegenheit zu Spa? und Trug?

FAUST:

Sag mir das nicht, du hast's in alten Tagen

Langst an den Sohlen abgetragen;

Doch jetzt dein Hin- und Widergehn

Ist nur, um mir nicht Wort zu stehn.

Ich aber bin gequalt zu tun:

Der Marschalk und der Kammrer treibt mich nun.

Der Kaiser will, es mu? sogleich geschehn,

Will Helena und Paris vor sich sehn;

Das Musterbild der Manner so der Frauen

In deutlichen Gestalten will er schauen.

Geschwind ans Werk! ich darf mein Wort nicht brechen.

MEPHISTOPHELES:

Unsinnig war's, leichtsinnig zu versprechen.

FAUST:


Du hast, Geselle, nicht bedacht,

Wohin uns deine Kunste fuhren;

Erst haben wir ihn reich gemacht,

Nun sollen wir ihn amusieren.

MEPHISTOPHELES:

Du wahnst, es fuge sich sogleich;

Hier stehen wir vor steilern Stufen,

Greifst in ein fremdestes Bereich,

Machst frevelhaft am Ende neue Schulden,

Denkst Helenen so leicht hervorzurufen

Wie das Papiergespenst der Gulden. -

Mit Hexen-Fexen, mit Gespenst-Gespinsten,

Kielkropfigen Zwergen steh' ich gleich zu Diensten;

Doch Teufels-Liebchen, wenn auch nicht zu schelten,

Sie konnen nicht fur Heroinen gelten.

FAUST:

Da haben wir den alten Leierton!

Bei dir gerat man stets ins Ungewisse.

Der Vater bist du aller Hindernisse,


Fur jedes Mittel willst du neuen Lohn.

Mit wenig Murmeln, wei? ich, ist's getan;

Wie man sich umschaut, bringst du sie zur Stelle.

MEPHISTOPHELES:

Das Heidenvolk geht mich nichts an,

Es haust in seiner eignen Holle;

Doch gibt's ein Mittel. +

FAUST:

Sprich, und ohne Saumnis!

MEPHISTOPHELES:

Ungern entdeck' ich hoheres Geheimnis.

Gottinnen thronen hehr in Einsamkeit,

Um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit;

Von ihnen sprechen ist Verlegenheit.

Die Mutter sind es! +

FAUST:

Mutter! +

MEPHISTOPHELES:

Schaudert's dich?


FAUST:

Die Mutter! Mutter! - 's klingt so wunderlich!

MEPHISTOPHELES:

Das ist es auch. Gottinnen, ungekannt

Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt.

Nach ihrer Wohnung magst ins Tiefste schurfen;

Du selbst bist schuld, da? ihrer wir bedurfen.

FAUST:

Wohin der Weg? +

MEPHISTOPHELES:

Kein Weg! Ins Unbetretene,

Nicht zu Betretende; ein Weg ans Unerbetene,

Nicht zu Erbittende. Bist du bereit? -

Nicht Schlosser sind, nicht Riegel wegzuschieben,

Von Einsamkeiten wirst umhergetrieben.

Hast du Begriff von od' und Einsamkeit?

FAUST:

Du spartest, dacht' ich, solche Spruche;

Hier wittert's nach der Hexenkuche,


Nach einer langst vergangnen Zeit.

Mu?t' ich nicht mit der Welt verkehren?

Das Leere lernen, Leeres lehren? -

Sprach ich vernunftig, wie ich's angeschaut,

Erklang der Widerspruch gedoppelt laut;

Mu?t' ich sogar vor widerwartigen Streichen

Zur Einsamkeit, zur Wildernis entweichen

Und, um nicht ganz versaumt, allein zu leben,

Mich doch zuletzt dem Teufel ubergeben.

MEPHISTOPHELES:

Und hattest du den Ozean durchschwommen,

Das Grenzenlose dort geschaut,

So sahst du dort doch Well' auf Welle kommen,

Selbst wenn es dir vorm Untergange graut.

Du sahst doch etwas. Sahst wohl in der Grune

Gestillter Meere streichende Delphine;

Sahst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne -

Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne,

Den Schritt nicht horen, den du tust,

Nichts Festes finden, wo du ruhst.

FAUST:

Du sprichst als erster aller Mystagogen,

Die treue Neophyten je betrogen;

Nur umgekehrt. Du sendest mich ins Leere,

Damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre;

Behandelst mich, da? ich, wie jene Katze,

Dir die Kastanien aus den Gluten kratze.

Nur immer zu! wir wollen es ergrunden,

In deinem Nichts hoff' ich das All zu finden.

MEPHISTOPHELES:

Ich ruhme dich, eh' du dich von mir trennst,

Und sehe wohl, da? du den Teufel kennst;

Hier diesen Schlussel nimm. +

FAUST:

Das kleine Ding!

MEPHISTOPHELES:

Erst fa? ihn an und schatz ihn nicht gering.

FAUST:

Er wachst in meiner Hand! er leuchtet, blitzt!

MEPHISTOPHELES:

Merkst du nun bald, was man an ihm besitzt?

Der Schlussel wird die rechte Stelle wittern,

Folg ihm hinab, er fuhrt dich zu den Muttern.

FAUST:

Den Muttern!Trifft's mich immer wie ein Schlag!

Was ist das Wort, das ich nicht horen mag?

MEPHISTOPHELES:

Bist du beschrankt, da? neues Wort dich stort?

Willst du nur horen, was du schon gehort?

Dich store nichts, wie es auch weiter klinge,

Schon langst gewohnt der wunderbarsten Dinge.

FAUST:

Doch im Erstarren such' ich nicht mein Heil,

Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil;

Wie auch die Welt ihm das Gefuhl verteure,

Ergriffen, fuhlt er tief das Ungeheure.

MEPHISTOPHELES:

Versinke denn! Ich konnt' auch sagen: steige!

's ist einerlei. Entfliehe dem Entstandnen

In der Gebilde losgebundne Reiche!

Ergetze dich am langst nicht mehr Vorhandnen;

Wie Wolkenzuge schlingt sich das Getreibe,

Den Schlussel schwinge, halte sie vom Leibe!

FAUST:

Wohl! fest ihn fassend fuhl' ich neue Starke,

Die Brust erweitert, hin zum gro?en Werke.

MEPHISTOPHELES:

Ein gluhnder Dreifu? tut dir endlich kund,

Du seist im tiefsten, allertiefsten Grund.

Bei seinem Schein wirst du die Mutter sehn,

Die einen sitzen, andre stehn und gehn,

Wie's eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung,

Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung.

Umschwebt von Bildern aller Kreatur;

Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur.

Da fa? ein Herz, denn die Gefahr ist gro?,

Und gehe grad' auf jenen Dreifu? los,

Beruhr ihn mit dem Schlussel! +

MEPHISTOPHELES:

So ist's recht!

Er schlie?t sich an, er folgt als treuer Knecht;

Gelassen steigst du, dich erhebt das Gluck,

Und eh' sie's merken, bist mit ihm zuruck.

Und hast du ihn einmal hierher gebracht,

So rufst du Held und Heldin aus der Nacht,

Der erste, der sich jener Tat erdreistet;

Sie ist getan, und du hast es geleistet.

Dann mu? fortan, nach magischem Behandeln,

Der Weihrauchsnebel sich in Gotter wandeln.

FAUST:

Und nun was jetzt? +

MEPHISTOPHELES:

Dein Wesen strebe nieder;

Versinke stampfend, stampfend steigst du wieder.

MEPHISTOPHELES:

Wenn ihm der Schlussel nur zum besten frommt!

Neugierig bin ich, ob er wiederkommt.

Hell erleuchtete Sale

KAMMERER:

Ihr seid uns noch die Geisterszene schuldig;

Macht Euch daran! der Herr ist ungeduldig.

MARSCHALK:

Soeben fragt der Gnadigste darnach;

Ihr! zaudert nicht der Majestat zur Schmach.

MEPHISTOPHELES:

Ist mein Kumpan doch deshalb weggegangen;

Er wei? schon, wie es anzufangen,

Und laboriert verschlossen still,

Mu? ganz besonders sich beflei?en;

Denn wer den Schatz, das Schone, heben will,

Bedarf der hochsten Kunst, Magie der Weisen.

MARSCHALK:

Was ihr fur Kunste braucht, ist einerlei:

Der Kaiser will, da? alles fertig sei.

BLONDINE:


Ein Wort, mein Herr! Ihr seht ein klar Gesicht,

Jedoch so ist's im leidigen Sommer nicht!

Da sprossen hundert braunlich rote Flecken,

Die zum Verdru? die wei?e Haut bedecken.

Ein Mittel! +

MEPHISTOPHELES:

Schade! so ein leuchtend Schatzchen

Im Mai getupft wie eure Pantherkatzchen.

Nehmt Froschlaich, Krotenzungen, kohobiert,

Im vollsten Mondlicht sorglich distilliert

Und, wenn er abnimmt, reinlich aufgestrichen,

Der Fruhling kommt, die Tupfen sind entwichen.

BRAUNE:

Die Menge drangt heran, Euch zu umschranzen.

Ich bitt' um Mittel! Ein erfrorner Fu?

Verhindert mich am Wandeln wie am Tanzen,

Selbst ungeschickt beweg' ich mich zum Gru?.

MEPHISTOPHELES:

Erlaubet einen Tritt von meinem Fu?.


BRAUNE:

Nun, das geschieht wohl unter Liebesleuten.

MEPHISTOPHELES:

Mein Fu?tritt, Kind! hat Gro?res zu bedeuten.

Zu Gleichem Gleiches, was auch einer litt;

Fu? heilet Fu?, so ist's mit allen Gliedern.

Heran! Gebt acht! Ihr sollt es nicht erwidern.

BRAUNE:

Weh! Weh! das brennt! das war ein harter Tritt, +

Wie Pferdehuf.

MEPHISTOPHELES:

Die Heilung nehmt Ihr mit.

Du kannst nunmehr den Tanz nach Lust veruben,

Bei Tafel schwelgend fu?le mit dem Lieben.

DAME:

La?t mich hindurch! Zu gro? sind meine Schmerzen,

Sie wuhlen siedend mir im tiefsten Herzen;

Bis gestern sucht' Er Heil in meinen Blicken,

Er schwatzt mit ihr und wendet mir den Rucken.


MEPHISTOPHELES:

Bedenklich ist es, aber hore mich.

An ihn heran mu?t du dich leise druchen;

Nimm diese Kohle, streich ihm einen Strich

Auf armel, Mantel, Schulter, wie sich's macht;

Er fuhlt im Herzen holden Reuestich.

Die Kohle doch mu?t du sogleich verschlingen,

Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen;

Er seufzt vor deiner Tur noch heute nacht.

DAME:

Ist doch kein Gift? +

MEPHISTOPHELES:

Respekt, wo sich's gebuhrt!

Weit mu?tet Ihr nach solcher Kohle laufen;

Sie kommt voneinem Scheiterhaufen,

Den wir sonst emsiger angeschurt.

PAGE:

Ich bin verliebt, man halt mich nicht fur voll.

MEPHISTOPHELES:


Ich wei? nicht mehr, wohin ich horen soll.

Mu?t Euer Gluck nicht auf die Jungste setzen.

Die Angejahrten wissen Euch zu schatzen. -

Schon wieder Neue! Welch ein harter Strau?!

Ich helfe mir zuletzt mit Wahrheit aus;

Der schlechteste Behelf! Die Not ist gro?. -

O Mutter, Mutter! La?t nur Fausten los!

Die Lichter brennen trube schon im Saal,

Der ganze Hof bewegt sich auf einmal.

Anstandig seh' ich sie in Folge ziehn

Durch lange Gange, ferne Galerien.

Nun! sie versammeln sich im weiten Raum

Des alten Rittersaals, er fa?t sie kaum.

Auf breite Wande Teppiche spendiert,

Mit Rustung Eck' und Nischen ausgeziert.

Hier braucht es, dacht' ich, keine Zauberworte;

Die Geister finden sich von selbst zum Orte.

Rittersaal

HEROLD:

Mein alt Geschaft, das Schauspiel anzukunden,

Verkummert mir der Geister heimlich Walten;

Vergebens wagt man, aus verstandigen Grunden

Sich zu erklaren das verworrene Schalten.

Die Sessel sind, die Stuhle schon zur Hand;

Den Kaiser setzt man grade vor die Wand;

Auf den Tapeten mag er da die Schlachten

Der gro?en Zeit bequemlichstens betrachten.

Hier sitzt nun alles, Herr und Hof im Runde,

Die Banke drangen sich im Hintergrunde;

Auch Liebchen hat, in dustern Geisterstunden,

Zur Seite Liebchens lieblich Raum gefunden.

Und so, da alle schicklich Platz genommen,

Sind wir bereit; die Geister mogen kommen!

ASTROLOG:

Beginne gleich das Drama seinen Lauf,

Der Herr befiehlt's, ihr Wande tut euch auf!

Nichts hindert mehr, hier ist Magie zur Hand:

Die Teppiche schwinden, wie gerollt vom Brand;

Die Mauer spaltet sich, sie kehrt sich um,


Ein tief Theater scheint sich aufzustellen,

Geheimnisvoll ein Schein uns zu erhellen,

Und ich besteige das Proszenium.

MEPHISTOPHELES:

Von hier aus hoff' ich allgemeine Gunst,

Einblasereien sind des Teufels Redekunst.

Du kennst den Takt, in dem die Sterne gehn,

Und wirst mein Flustern meisterlich verstehn.

ASTROLOG:

Durch Wunderkraft erscheint allhier zur Schau,

Massiv genug, ein alter Tempelbau.

Dem Atlas gleich, der einst den Himmel trug,

Stehn reihenweis der Saulen hier genug;

Sie mogenwohl der Felsenlast genugen,

Da zweie schon ein gro? Gebaude trugen.

ARCHITEKT:

Das war' antik! Ich wu?t' es nicht zu preisen,

Es sollte plump und uberlastig hei?en.

Roh nennt man edel, unbehulflich gro?.


Schmalpfeiler lieb' ich, strebend, grenzenlos;

Spitzbogiger Zenit erhebt den Geist;

Solch ein Gebau erbaut uns allermeist.

ASTROLOG:

Empfangt mit Ehrfurcht sterngegonnte Stunden;

Durch magisch Wort sei die Vernunft gebunden;

Dagegen weit heran bewege frei

Sich herrliche verwegne Phantasei.

Mit Augen schaut nun, was ihr kuhn begehrt,

Unmoglich ist's, drum eben glaubenswert.

ASTROLOG:

Im Priesterkleid, bekranzt, ein Wundermann,

Der nun vollbringt, was er getrost begann.

Ein Dreifu? steigt mit ihm aus hohler Gruft,

Schon ahn' ich aus der Schale Weihrauchduft.

Er rustet sich, das hohe Werk zu segnen;

Es kann fortan nur Gluckliches begegnen.

FAUST:

In eurem Namen, Mutter, die ihr thront


Im Grenzenlosen, ewig einsam wohnt,

Und doch gesellig. Euer Haupt umschweben

Des Lebens Bilder, regsam, ohne Leben.

Was einmal war, in allem Glanz und Schein,

Es regt sich dort; denn es will ewig sein.

Und ihr verteilt es, allgewaltige Machte,

Zum Zelt des Tages, zum Gewolb der Nachte.

Die einen fa?t des Lebens holder Lauf,

Die andern sucht der kuhne Magier auf;

In reicher Spende la?t er, voll Vertrauen,

Was jeder wunscht, das Wunderwurdige schauen.

ASTROLOG:

Der gluhnde Schlussel ruhrt die Schale kaum,

Ein dunstiger Nebel deckt sogleich den Raum;

Er schleicht sich ein, er wogt nach Wolkenart,

Gedehnt, geballt, verschrankt, geteilt, gepaart.

Und nun erkennt ein Geister-Meisterstuck!

So wie sie wandeln, machen sie Musik.

Aus luft'gen Tonen quillt ein Wei?nichtwie,

Indem sie ziehn, wird alles Melodie.

Der Saulenschaft, auch die Triglyphe klingt,

Ich glaube gar, der ganze Tempel singt.

Das Dunstige senkt sich; aus dem leichten Flor

Ein schoner Jungling tritt im Takt hervor.

Hier schweigt mein Amt, ich brauch' ihn nicht zu nennen,

Wer sollte nicht den holden Paris kennen!

DAME:

O! welch ein Glanz aufbluhender Jugendkraft!

ZWEITE:

Wie eine Pfirsche frisch und voller Saft!

DRITTE:

Die fein gezognen, su? geschwollnen Lippen!

VIERTE:

Du mochtest wohl an solchem Becher nippen?

FUNFTE:

Er ist garhubsch, wenn auch nicht eben fein.

SECHSTE:

Ein bi?chen konnt' er doch gewandter sein.

RITTER:

Den Schaferknecht glaub' ich allhier zu spuren,

Vom Prinzen nichts und nichts von Hofmanieren.

ANDRER:

Eh nun! halb nackt ist wohl der Junge schon,

Doch mu?ten wir ihn erst im Harnisch sehn!

DAME:

Er setzt sich nieder, weichlich, angenehm.

ritter

Auf seinem Scho?e war' Euch wohl bequem?

ANDRE:

Er lehnt den Arm so zierlich ubers Haupt.

KAMMERER:

Die Flegelei! Das find' ich unerlaubt!

DAME:

Ihr Herren wi?t an allem was zu makeln.

DERSELBE:

In Kaisers Gegenwart sich hinzurakeln!

DAME:


Er stellt's nur vor! Er glaubt sich ganz allein.

DERSELBE:

Das Schauspiel selbst, hier sollt' es hoflich sein.

DAME:

Sanft hat der Schlaf den Holden ubernommen.

DERSELBE:

Er schnarcht nun gleich; naturlich ist's, vollkommen!

JUNGE DAME:

Zum Weihrauchsdampf was duftet so gemischt,

Das mir das Herz zum innigsten erfrischt?

ALTERE:

Furwahr! Es dringt ein Hauch tief ins Gemute,

Er kommt von ihm! +

ALTESTE:

Es ist des Wachstums Blute,

Im Jungling als Ambrosia bereitet

Und atmospharisch ringsumher verbreitet.

MEPHISTOPHELES:

Das war' sie denn! Vor dieser hatt' ich Ruh';

Hubsch ist sie wohl, doch sagt sie mir nicht zu.

ASTROLOG:

Fur mich ist diesmal weiter nichts zu tun,

Als Ehrenmann gesteh', bekenn' ich's nun.

Die Schone kommt, und hatt' ich Feuerzungen! -

Von Schonheit ward von jeher viel gesungen -

Wem sie erscheint, wird aus sich selbst entruckt,

Wem sie gehorte, ward zu hoch begluckt.

FAUST:

Hab' ich noch Augen? Zeigt sich tief im Sinn

Der Schonheit Quelle reichlichstens ergossen?

Mein Schreckensgang bringt seligsten Gewinn.

Wie war die Welt mir nichtig, unerschlossen!

Was ist sie nun seit meiner Priesterschaft?

Erst wunschenswert, gegrundet, dauerhaft!

Verschwinde mir des Lebens Atemkraft,

Wenn ich mich je von dir zuruckgewohne! -

Die Wohlgestalt, die mich voreinst entzuckte,

In Zauberspiegelung begluckte,

War nur ein Schaumbild solcher Schone! -

Du bist's, der ich die Regung aller Kraft,

Den Inbegriff der Leidenschaft,

Dir Neigung, Lieb', Anbetung, Wahnsinn zolle.

MEPHISTOPHELES:

So fa?t Euch doch und fallt nichtaus der Rolle!

ALTERE DAME:

Gro?, wohlgestaltet, nur der Kopf zu klein.

JUNGERE:

Seht nur den Fu?! Wie konnt' er plumper sein!

DIPLOMAT:

Furstinnen hab' ich dieser Art gesehn,

Mich deucht, sie ist vom Kopf zum Fu?e schon.

HOFMANN:

Sie nahert sich dem Schlafer listig mild.

DAME:

Wie ha?lich neben jugendreinem Bild!

POET:


Von ihrer Schonheit ist er angestrahlt.

DAME:

Endymion und Luna! wie gemalt!

DERSELBE:

Ganz recht! Die Gottin scheint herabzusinken,

Sie neigt sich uber, seinen Hauch zu trinken;

Beneidenswert! - Ein Ku?! - Das Ma? ist voll.

DUENNA:

Vor allen Leuten! Das ist doch zu toll!

FAUST:

Furchtbare Gunst dem Knaben! - +

MEPHISTOPHELES:

Ruhig! still!

La? das Gespenst doch machen was es will.

HOFMANN:

Sie schleicht sich weg, leichtfu?ig; er erwacht.

DAME:

Sie sieht sich um! Das hab' ich wohl gedacht.

HOFMANN:

Er staunt! Ein Wunder ist's, was ihm geschieht.

DAME:

Ihr ist kein Wunder, was sie vor sich sieht.

HOFMANN:

Mit Anstand kehrt sie sich zu ihm herum.

DAME:

Ich merke schon, sie nimmt ihn in die Lehre;

In solchem Fall sind alle Manner dumm,

Er glaubt wohl auch, da? er der erste ware.

RITTER:

La?t mir sie gelten! Majestatisch fein! -

DAME:

Die Buhlerin! Das nenn' ich doch gemein!

PAGE:

Ich mochte wohl an seiner Stelle sein!

HOFMANN:

Wer wurde nicht in solchem Netz gefangen?

DAME:


Das Kleinod ist durch manche Hand gegangen,

Auch die Verguldung ziemlich abgebraucht.

ANDRE:

Vom zehnten Jahr an hat sie nichts getaugt.

RITTER:

Gelegentlich nimmt jeder sich das Beste;

Ich hielte mich an diese schonen Reste.

GELAHRTER:

Ich seh' sie deutlich, doch gesteh' ich frei:

Zu zweiflen ist, ob sie die rechte sei.

Die Gegenwart verfuhrt ins ubertriebne,

Ich halte mich vor allem ans Geschriebne.

Da les' ich denn, sie habe wirklich allen

Graubarten Trojas sonderlich gefallen;

Und wie mich dunkt, vollkommen pa?t das hier:

Ich bin nicht jung, und doch gefallt sie mir.

ASTROLOG:

Nicht Knabe mehr! Ein kuhner Heldenmann,

Umfa?t er sie, die kaum sich wehren kann.


GestarktenArms hebt er sie hoch empor,

Entfuhrt er sie wohl gar? +

FAUST:

Verwegner Tor!

Du wagst! Du horst nicht! halt! das ist zu viel!

EMPHISTOPHELES:

Machst du's doch selbst, das Fratzengeisterspiel!

ASTROLOG:

Nur noch ein Wort! Nach allem, was geschah,

Nenn' ich das Stuck den Raub der Helena.

FAUST:

Was Raub! Bin ich fur nichts an dieser Stelle!

Ist dieser Schlussel nicht in meiner Hand!

Er fuhrte mich, durch Graus und Wog' und Welle

Der Einsamkeiten, her zum festen Strand.

Hier fass' ich Fu?! Hier sind es Wirklichkeiten,

Von hier aus darf der Geist mit Geistern streiten,

Das Doppelreich, das gro?e, sich bereiten.

So fern sie war, wie kann sie naher sein!


Ich rette sie, und sie ist doppelt mein.

Gewagt! Ihr Mutter! Mutter! mu?t's gewahren!

Wer sie erkannt, der darf sie nicht entbehren.

ASTROLOG:

Was tust du, Fauste! Fauste! - Mit Gewalt

Fa?t er sie an, schon trubt sich die Gestalt.

Den Schlussel kehrt er nach dem Jungling zu,

Beruhrt ihn! - Weh uns, Wehe! Nu! im Nu!

MEPHISTOPHELES:

Da habt ihr's nun! mit Narren sich beladen,

Das kommt zuletzt dem Teufel selbst zu Schaden.

2. Akt - Hochgewolbtes enges gotisches Zimmer

MEPHISTOPHELES:

Hier lieg, Unseliger! verfuhrt

Zu schwergelostem Liebesbande!

Wen Helena paralysiert,

Der kommt so leicht nicht zu Verstande.

Blick' ich hinauf, hierher, hinuber,

Allunverandert ist es, unversehrt;

Die bunten Scheiben sind, so dunkt mich, truber,

Die Spinneweben haben sich vermehrt;

Die Tinte starrt, vergilbt ist das Papier;

Doch alles ist am Platz geblieben;

Sogar die Feder liegt noch hier,

Mit welcher Faust dem Teufel sich verschrieben.

Ja! tiefer in dem Rohre stockt

Ein Tropflein Blut, wie ich's ihm abgelockt.

Zu einem solchen einzigen Stuck

Wunscht' ich dem gro?ten Sammler Gluck.

Auch hangt der alte Pelz am alten Haken,

Erinnert mich an jene Schnaken,

Wie ich den Knaben einst belehrt,

Woran er noch vielleicht als Jungling zehrt.

Es kommt mir wahrlich das Gelusten,

Rauchwarme Hulle, dir vereint

Mich als Dozent noch einmal zu erbrusten,

Wie man so vollig recht zu haben meint.

Gelehrte wissen's zu erlangen,

Dem Teufel ist es langst vergangen.


CHOR DER INSEKTEN:

Willkommen! willkommen,

Du alter Patron!

Wir schweben und summen

Und kennen dich schon.

Nur einzeln im stillen

Du hast uns gepflanzt;

Zu Tausenden kommen wir,

Vater, getanzt.

Der Schalk in dem Busen

Verbirgt sich so sehr,

Vom Pelze die Lauschen

Enthullen sich eh'r.

MEPHISTOPHELES:

Wie uberraschend mich die junge Schopfung freut!

Man sae nur, man erntet mit der Zeit.

Ich schuttle noch einmal den alten Flaus,

Noch eines flattert hier und dort hinaus. -

Hinauf! umher! in hunderttausend Ecken

Eilt euch, ihr Liebchen, zu verstecken.

Dort, wo die alten Schachteln stehn,

Hier im bebraunten Pergamen,

In staubigen Scherben alter Topfe,

Dem Hohlaug' jener Totenkopfe.

In solchem Wust und Moderleben

Mu? es fur ewig Grillen geben.

Komm, decke mir die Schultern noch einmal!

Heut bin ich wieder Prinzipal.

Doch hilft es nichts, mich so zu nennen;

Wo sind die Leute, die mich anerkennen?

FAMULUS:

Welch ein Tonen! welch ein Schauer!

Treppe schwankt, es bebt die Mauer;

Durch der Fenster buntes Zittern

Seh' ich wetterleuchtend Wittern.

Springt das Estrich, und von oben

Rieselt Kalk und Schutt verschoben.

Und die Ture, fest verriegelt,

Ist durch Wunderkraft entsiegelt. -


Dort! Wie furchterlich! Ein Riese

Steht in Faustens altem Vliese!

Seinen Blicken, seinem Winken

Mocht' ich in die Kniee sinken.

Soll ich fliehen? Soll ich stehn?

Ach, wie wird es mir ergehn!

MEPHISTOPHELES:

Heran, mein Freund! - Ihr hei?et Nikodemus.

FAMULUS:

Hochwurdiger Herr! so ist mein Nam' - Oremus.

MEPHISTOPHELES:

Das lassen wir! +

FAMULUS:

Wie froh, da? Ihr mich kennt!

MEPHISTOPHELES:

Ich wei? es wohl, bejahrt und noch Student,

Bemooster Herr! Auch ein gelehrter Mann

Studiert so fort, weil er nicht anders kann.

So baut man sich ein ma?ig Kartenhaus,


Der gro?te Geist baut's doch nicht vollig aus.

Doch Euer Meister, das ist ein Beschlagner:

Wer kennt ihn nicht, den edlen Doktor Wagner,

Den Ersten jetzt in der gelehrten Welt!

Er ist's allein, der sie zusammenhalt,

Der Weisheit taglicher Vermehrer.

Allwi?begierige Horcher, Horer

Versammeln sich um ihn zuhauf.

Er leuchtet einzig vomKatheder;

Die Schlussel ubt er wie Sankt Peter,

Das Untre so das Obre schlie?t er auf.

Wie er vor allen gluht und funkelt,

Kein Ruf, kein Ruhm halt weiter stand;

Selbst Faustus' Name wird verdunkelt,

Er ist es, der allein erfand.

FAMULUS:

Verzeiht, hochwurdiger Herr! wenn ich Euch sage,

Wenn ich zu widersprechen wage:

Von allem dem ist nicht die Frage;

Bescheidenheit ist sein beschieden Teil.

Ins unbegreifliche Verschwinden

Des hohen Manns wei? er sich nicht zu finden;

Von dessen Wiederkunft erfleht er Trost und Heil.

Das Zimmer, wie zu Doktor Faustus' Tagen,

Noch unberuhrt seitdem er fern,

Erwartet seinen alten Herrn.

Kaum wag' ich's, mich hereinzuwagen.

Was mu? die Sternenstunde sein? -

Gemauer scheint mir zu erbangen;

Turpfosten bebten, Riegel sprangen,

Sonst kamt Ihr selber nicht herein.

MEPHISTOPHELES:

Wo hat der Mann sich hingetan?

Fuhrt mich zu ihm, bringt ihn heran!

FAMULUS:

Ach! sein Verbot ist gar zu scharf,

Ich wei? nicht, ob ich's wagen darf.

Monatelang, des gro?en Werkes willen,

Lebt' er im allerstillsten Stillen.

Der zarteste gelehrter Manner,

Er sieht aus wie ein Kohlenbrenner,

Geschwarzt vom Ohre bis zur Nasen,

Die Augen rot vom Feuerblasen,

So lechzt er jedem Augenblick;

Geklirr der Zange gibt Musik.

MEPHISTOPHELES:

Sollt' er den Zutritt mir verneinen?

Ich bin der Mann, das Gluck ihm zu beschleunen.

Kaum hab' ich Posto hier gefa?t,

Regt sich dort hinten, mir bekannt, ein Gast.

Doch diesmal ist er von den Neusten,

Er wird sich grenzenlos erdreusten.

BACCALAUREUS:

Tor und Ture find' ich offen!

Nun, da la?t sich endlich hoffen,

Da? nicht, wie bisher, im Moder

Der Lebendige wie ein Toter

Sich verkummere, sich verderbe

Und am Leben selber sterbe.

Diese Mauern, diese Wande

Neigen, senken sich zum Ende,

Und wenn wir nicht bald entweichen,

Wird uns Fall und Sturz erreichen.

Bin verwegen, wie nicht einer,

Aber weiter bringt mich keiner.

Doch was soll ich heut erfahren!

War's nicht hier, vor so viel Jahren,

Wo ich, angstlich und beklommen,

War als guter Fuchs gekommen?

Wo ich diesen Bartigen traute,

Mich an ihrem Schnack erbaute?

Aus den alten Bucherkrusten

Logen sie mir, was sie wu?ten,

Was sie wu?ten, selbst nicht glaubten,

Sich und mir das Leben raubten.

Wie? - Dort hinten in der Zelle

Sitzt noch einer dunkel-helle!


Nahend seh' ich's mit Erstaunen,

Sitzt er noch im Pelz, dem braunen,

Wahrlich, wie ich ihn verlie?,

Noch gehullt im rauhen Vlies!

Damals schien er zwar gewandt,

Als ich ihn noch nicht verstand.

Heute wird es nichts verfangen,

Frisch an ihn herangegangen!

Wenn, alter Herr, nicht Lethes trube Fluten

Das schiefgesenkte, kahle Haupt durchschwommen,

Seht anerkennend hier den Schuler kommen,

Entwachsen akademischen Ruten.

Ich find' Euch noch, wie ich Euch sah;

Ein anderer bin ich wieder da.

MEPHISTOPHELES:

Mich freut, da? ich Euch hergelautet.

Ich schatzt' Euch damals nicht gering;

Die Raupe schon, die Chrysalide deutet

Den kunftigen bunten Schmetterling.

Am Lockenkopf und Spitzenkragen

Empfandet Ihr ein kindliches Behagen. -

Ihr trugt wohl niemals einen Zopf? -

Heut schau' ich Euch im Schwedenkopf.

Ganz resolut und wacker seht Ihr aus;

Kommt nur nicht absolut nach Haus.

BACCALAUREUS:

Mein alter Herr! Wir sind am alten Orte;

Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf

Und sparet doppelsinnige Worte;

Wir passen nun ganz anders auf.

Ihr hanseltet den guten treuen Jungen;

Das ist Euch ohne Kunst gelungen,

Was heutzutage niemand wagt.

MEPHISTOPHELES:

Wenn man der Jugend reine Wahrheit sagt,

Die gelben Schnabeln keineswegs behagt,

Sie aber hinterdrein nach Jahren

Das alles derb an eigner Haut erfahren,

Dann dunkeln sie, es kam' aus eignem Schopf;

Da hei?t es denn: der Meister war ein Tropf.

BACCALAUREUS:

Ein Schelm vielleicht! - denn welcher Lehrer spricht

Die Wahrheit uns direkt ins Angesicht?

Ein jeder wei? zu mehren wie zu mindern,

Bald ernst, bald heiter klug zu frommen Kindern.

MEPHISTOPHELES:

Zum Lernen gibt es freilich eine Zeit;

Zum Lehren seid Ihr, merk' ich, selbst bereit.

Seit manchen Monden, einigen Sonnen

Erfahrungsfulle habt Ihr wohl gewonnen.

BACCALAUREUS:

Erfahrungswesen! Schaum und Dust!

Und mit dem Geist nicht ebenburtig.

Gesteht! was man von je gewu?t,

Es ist durchaus nicht wissenswurdig.

MEPHISTOPHELES:

Mich deucht es langst.Ich war ein Tor,

Nun komm' ich mir recht schal und albern vor.

BACC:

Das freut mich sehr! Da hor' ich doch Verstand;

Der erste Greis, den ich vernunftig fand!

MEPHISTOPHELES:

Ich suchte nach verborgen-goldnem Schatze,

Und schauerliche Kohlen trug ich fort.

BACCALAUREUS:

Gesteht nur, Euer Schadel, Eure Glatze

Ist nicht mehr wert als jene hohlen dort?

MEPHISTOPHELES:

Du wei?t wohl nicht, mein Freund, wie grob du bist?

BACCALAUREUS:

Im Deutschen lugt man, wenn man hoflich ist.

MEPHISTOPHELES:

Hier oben wird mir Licht und Luft benommen;

Ich finde wohl bei euch ein Unterkommen?

BACCALAUREUS:

Anma?lich find' ich, da? zur schlechtsten Frist


Man etwas sein will, wo man nichts mehr ist.

Des Menschen Leben lebt im Blut, und wo

Bewegt das Blut sich wie im Jungling so?

Das ist lebendig Blut in frischer Kraft,

Das neues Leben sich aus Leben schafft.

Da regt sich alles, da wird was getan,

Das Schwache fallt, das Tuchtige tritt heran.

Indessen wir die halbe Welt gewonnen,

Was habt Ihr denn getan? genickt, gesonnen,

Getraumt, erwogen, Plan und immer Plan.

Gewi?! das Alter ist ein kaltes Fieber

Im Frost von grillenhafter Not.

Hat einer drei?ig Jahr voruber,

So ist er schon so gut wie tot.

Am besten war's, euch zeitig totzuschlagen.

MEPHISTOPHELES:

Der Teufel hat hier weiter nichts zu sagen.

BACC:

Wenn ich nicht will, so darf kein Teufel sein.


MEPHISTOPHELES:

Der Teufel stellt dir nachstens doch ein Bein.

BACCALAUREUS:

Dies ist der Jugend edelster Beruf!

Die Welt, sie war nicht, eh' ich sie erschuf;

Die Sonne fuhrt' ich aus dem Meer herauf;

Mit mir begann der Mond des Wechsels Lauf;

Da schmuckte sich der Tag auf meinen Wegen,

Die Erde grunte, bluhte mir entgegen.

Auf meinen Wink, in jener ersten Nacht,

Entfaltete sich aller Sterne Pracht.

Wer, au?er mir, entband euch aller Schranken

Philisterhaft einklemmender Gedanken?

Ich aber frei, wie mir's im Geiste spricht,

Verfolge froh mein innerliches Licht,

Und wandle rasch, im eigensten Entzucken,

Das Helle vor mir, Finsternis im Rucken.

MEPHISTOPHELES:

Original, fahr hin in deiner Pracht! -


Wie wurde dich die Einsicht kranken:

Wer kann was Dummes, wer was Kluges denken,

Das nicht die Vorwelt schon gedacht? -

Doch sind wir auch mit diesem nicht gefahrdet,

In wenig Jahren wird es anders sein:

Wenn sich der Most auch ganz absurd gebardet,

Es gibt zuletzt doch noch e' Wein.

[Ihr bleibt bei meinem Worte kalt,

[Euch guten Kindern la? ich's gehen;

Bedenkt: der Teufel, der ist alt,

So werdet alt, ihn zu verstehen!

Laboratorium

WAGNER:

Die Glocke tont, die furchterliche,

Durchschauert die beru?ten Mauern.

Nicht langer kann das Ungewisse

Der ernstesten Erwartung dauern.

Schon hellen sich die Finsternisse;

Schon in der innersten Phiole

Ergluht es wie lebendige Kohle,

Ja wie der herrlichste Karfunkel,

Verstrahlend Blitze durch das Dunkel.

Ein helles wei?es Licht erscheint!

O da? ich's diesmal nicht verliere! -

Ach Gott! was rasselt an der Ture?

MEPHISTOPHELES:

Willkommen! es ist gut gemeint.

WAGNER:

Willkommen zu dem Stern der Stunde!

Doch haltet Wort und Atem fest im Munde,

Ein herrlich Werk ist gleich zustand gebracht.

MEPHISTOPHELES:

Was gibt es denn? +

WAGNER:

Es wird ein Mensch gemacht.

MEPHISTOPHELES:

Ein Mensch? Und welch verliebtes Paar

Habt ihr ins Rauchloch eingeschlossen?

WAGNER:

Behute Gott! wie sonst das Zeugen Mode war,

Erklaren wir fur eitel Possen.

Der zarte Punkt, aus dem das Leben sprang,

Die holde Kraft, die aus dem Innern drang

Und nahm und gab, bestimmt sich selbst zu zeichnen,

Erst Nachstes, dann sich Fremdes anzueignen,

Die ist von ihrer Wurde nun entsetzt;

Wenn sich das Tier noch weiter dran ergetzt,

So mu? der Mensch mit seinen gro?en Gaben

Doch kunftig hohern, hohern Ursprung haben.

Es leuchtet! seht! - Nun la?t sich wirklich hoffen,

Da?, wenn wir aus viel hundert Stoffen

Durch Mischung - denn auf Mischung kommt es an -

Den Menschenstoff gemachlich komponieren,

In einen Kolben verlutieren

Und ihn gehorig kohobieren,

So ist das Werk im stillen abgetan.

Es wird! die Masse regt sich klarer!

Die uberzeugung wahrer, wahrer:


Was man an der Natur Geheimnisvolles pries,

Das wagen wir verstandig zu probieren,

Und was sie sonst organisieren lie?,

Das lassen wir kristallisieren.

MEPHISTOPHELES:

Wer lange lebt, hat viel erfahren,

[Nichts Neues kann fur ihn auf dieser Welt geschehn.

Ich habe schon in meinen Wanderjahren

Kristallisiertes Menschenvolk gesehn.

WAGNER:

Es steigt, es blitzt, es hauft sich an,

Im Augenblick ist es getan.

Ein gro?er Vorsatz scheint im Anfang toll;

Doch wollen wir des Zufalls kunftig lachen,

Und so ein Hirn, das trefflich denken soll,

Wird kunftig auch ein Denker machen.

Das Glas erklingt von lieblicher Gewalt,

Es trubt, es klart sich; also mu? es werden!

Ich seh' in zierlicher Gestalt

Ein artig Mannlein sich gebarden.

Was wollen wir, was will die Welt nun mehr?

Denn das Geheimnis liegt am Tage.

Gebt diesem Laute nur Gehor,

Er wird zur Stimme, wird zur Sprache.

HOMUNCULUS:

Nun Vaterchen! wie steht's? es war kein Scherz.

Komm, drucke mich recht zartlich an dein Herz!

Doch nicht zu fest, damit das Glas nicht springe.

Das ist die Eigenschaft der Dinge:

Naturlichem genugt das Weltall kaum,

Was kunstlich ist, verlangt geschlo?nen Raum.

Du aber, Schalk, Herr Vetter, bist du hier

Im rechten Augenblick? ich danke dir.

Ein gut Geschick fuhrt dich zu uns herein;

Dieweil ich bin, mu? ich auch tatig sein.

Ich mochte mich sogleich zur Arbeit schurzen.

Du bist gewandt, die Wege mir zu kurzen.

WAGNER:

Nur noch ein Wort! Bisher mu?t' ich mich schamen,

Denn alt und jung besturmt mich mit Problemen.

Zum Beispiel nur: noch niemand konnt' es fassen,

Wie Seel' und Leib so schon zusammenpassen,

So fest sich halten, als um nie zu scheiden,

Und doch den Tag sich immerfort verleiden.

Sodann - +

MEPHISTOPHELES:

Halt ein! ich wollte lieber fragen:

Warum sich Mann und Frau so schlecht vertragen?

Du kommst, mein Freund, hieruber nie ins reine.

Hier gibt's zu tun, das eben will der Kleine.

HOMUNCULUS:

Was gibt's zu tun? +

MEPHISTOPHELES:

Hier zeige deine Gabe!

WAGNER:

Furwahr, du bist ein allerliebster Knabe!

HOMUNCULUS:

Bedeutend! - +

Schon umgeben! - Klar Gewasser

Im dichten Haine! Fraun, die sich entkleiden,

Die allerliebsten! - Das wird immer besser.

Doch eine la?t sich glanzend unterscheiden,

Aus hochstem Helden-,wohl aus Gotterstamme.

Sie setzt den Fu? in das durchsichtige Helle;

Des edlen Korpers holde Lebensflamme

Kuhlt sich im schmiegsamen Kristall der Welle. -

Doch welch Getose rasch bewegter Flugel,

Welch Sausen, Platschern wuhlt im glatten Spiegel?

Die Madchen fliehn verschuchtert; doch allein

Die Konigin, sie blickt gelassen drein

Und sieht mit stolzem weiblichem Vergnugen

Der Schwane Fursten ihrem Knie sich schmiegen,

Zudringlich-zahm. Er scheint sich zu gewohnen. -

Auf einmal aber steigt ein Dunst empor

Und deckt mit dichtgewebtem Flor

Die lieblichste von allen Szenen.

MEPHISTOPHELES:


Was du nicht alles zu erzahlen hast!

So klein du bist, so gro? bist du Phantast.

Ich sehe nichts - +

HOMUNCULUS:

Das glaub' ich. Du aus Norden,

Im Nebelalter jung geworden,

Im Wust von Rittertum und Pfafferei,

Wo ware da dein Auge frei!

Im Dustern bist du nur zu Hause.

Verbraunt Gestein, bemodert, widrig,

Spitzbogig, schnorkelhaftest, niedrig! -

Erwacht uns dieser, gibt es neue Not,

Er bleibt gleich auf der Stelle tot.

Waldquellen, Schwane, nackte Schonen,

Das war sein ahnungsvoller Traum;

Wie wollt' er sich hierher gewohnen!

Ich, der Bequemste, duld' es kaum.

Nun fort mit ihm! +

MEPHISTOPHELES:


Der Ausweg soll mich freuen.

HOMUNCULUS:

Befiehl den Krieger in die Schlacht,

Das Madchen fuhre du zum Reihen,

So ist gleich alles abgemacht.

Jetzt eben, wie ich schnell bedacht,

Ist klassische Walpurgisnacht;

Das Beste, was begegnen konnte.

Bringt ihn zu seinem Elemente!

MEPHISTOPHELES:

Dergleichen hab' ich nie vernommen.

HOMUNCULUS:

Wie wollt' es auch zu euren Ohren kommen?

Romantische Gespenster kennt ihr nur allein;

Ein echt Gespenst, auch klassisch hat's zu sein.

MEPHISTOPHELES:

Wohin denn aber soll die Fahrt sich regen?

Mich widern schon antikische Kollegen.

HOMUNCULUS:


Nordwestlich, Satan, ist dein Lustrevier,

Sudostlich diesmal aber segeln wir -

An gro?er Flache flie?t Peneios frei,

Umbuscht, umbaumt, in still - und feuchten Buchten;

Die Ebne dehnt sich zu der Berge Schluchten,

Und oben liegt Pharsalus, alt und neu.

MEPHISTOPHELES:

O weh! hinweg! und la?t mir jene Streite

Von Tyrannei und Sklaverei beiseite.

Mich langeweilt's; denn kaum ist's abgetan,

So fangen sie von vorne wieder an;

Und keiner merkt: er ist doch nur geneckt

Vom Asmodeus, der dahinter steckt.

Sie streiten sich, so hei?t's, um Freiheitsrechte;

Genau besehn, sind's Knechte gegen Knechte.

HOMUNCULUS:

Den Menschen la? ihr widerspenstig Wesen,

Ein jeder mu? sich wehren, wie er kann,

Vom Knaben auf, so wird's zuletzt ein Mann.


Hier fragt sich's nur, wie dieser kann genesen.

Hast du ein Mittel, so erprob' es hier,

Vermagst du's nicht, so uberla? es mir.

MEPHISTOPHELES:

Manch Brockenstuckchen ware durchzuproben,

Doch Heidenriegel find' ich vorgeschoben.

Das Griechenvolk, es taugte nie recht viel!

Doch blendet's euch mit freiem Sinnenspiel,

Verlockt des Menschen Brust zu heitern Sunden;

Die unsern wird man immer duster finden.

Und nun, was soll's? +

HOMUNCULUS:

Du bist ja sonst nicht blode;

Und wenn ich von thessalischen Hexen rede,

So denk' ich, hab' ich was gesagt.

MEPHISTOPHELES:

Thessalische Hexen! Wohl! das sind Personen,

Nach denen hab' ich lang' gefragt.

Mit ihnen Nacht fur Nacht zu wohnen,


Ich glaube nicht, da? es behagt;

Doch zum Besuch, Versuch - +

HOMUNCULUS:

Den Mantel her,

Und um den Ritter umgeschlagen!

Der Lappen wird euch, wie bisher,

Den einen mit dem andern tragen;

Ich leuchte vor. +

WAGNER:

Und ich? +

HOMUNCULUS:

Eh nun,

Du bleibst zu Hause, Wichtigstes zu tun.

Entfalte du die alten Pergamente,

Nach Vorschrift sammle Lebenselemente

Und fuge sie mit Vorsicht eins ans andre.

Das Was bedenke, mehr bedenke Wie.

Indessen ich ein Stuckchen Welt durchwandre,

Entdeck' ich wohl das Tupfchen auf das i.


Dann ist der gro?e Zweck erreicht;

Solch einen Lohn verdient ein solches Streben:

Gold, Ehre, Ruhm, gesundes langes Leben,

Und Wissenschaft und Tugend - auch vielleicht.

Leb wohl! +

WAGNER:

Leb wohl! Das druckt das Herz mir nieder.

Ich furchte schon, ich seh' dich niemals wieder.

MEPHISTOPHELES:

Nun zum Peneios frisch hinab!

Herr Vetter ist nicht zu verachten.

Am Ende hangen wir doch ab

Von Kreaturen, die wir machten.

Klassische Walpurgisnacht. Pharsalische Felder

ERICHTHO:

Zum Schauderfeste dieser Nacht, wie ofter schon,

Tret' ich einher, Erichtho, ich, die dustere;

Nicht so abscheulich, wie die leidigen Dichter mich

Im uberma? verlastern... Endigen sie doch nie

In Lob und Tadel... uberbleicht erscheint mir schon

Von grauer Zelten Woge weit das Tal dahin,

Als Nachgesicht der sorg- und grauenvollsten Nacht.

Wie oft schon wiederholt' sich's! wird sich immerfort

Ins Ewige wiederholen... Keiner gonnt das Reich

Dem andern; dem gonnt's keiner, der's mit Kraft erwarb

Und kraftig herrscht. Denn jeder, der sein innres Selbst

Nicht zu regieren wei?, regierte gar zu gern

Des Nachbars Willen, eignem stolzem Sinn gema?...

Hier aber ward ein gro?es Beispiel durchgekampft:

Wie sich Gewalt Gewaltigerem entgegenstellt,

Der Freiheit holder, tausendblumiger Kranz zerrei?t,

Der starre Lorbeer sich ums Haupt des Herrschers biegt.

Hier traumte Magnus fruher Gro?e Blutentag,

Dem schwanken Zunglein lauschend wachte Casar dort!

Das wird sich messen. Wei? die Welt doch, wem's gelang.

Wachfeuer gluhen, rote Flammen spendende,

Der Boden haucht vergo?nen Blutes Widerschein,

Und angelockt von seltnem Wunderglanz der Nacht,

Versammelt sich hellenischer Sage Legion.


Um alle Feuer schwankt unsicher oder sitzt

Behaglich alter Tage fabelhaft Gebild...

Der Mond, zwar unvollkommen, aber leuchtend hell,

Erhebt sich, milden Glanz verbreitend uberall;

Der Zelten Trug verschwindet, Feuer brennen blau.

Doch uber mir! welch unerwartet Meteor?

Es leuchtet und beleuchtet korperlichen Ball.

Ich wittre Leben. Da geziemen will mir's nicht,

Lebendigem zu nahen, dem ich schadlich bin;

Das bringt mir bosen Ruf und frommt mir nicht.

Schon sinkt es nieder. Weich' ich aus mit Wohlbedacht!

HOMUNCULUS:

Schwebe noch einmal die Runde

uber Flamm- und Schaudergrauen;

Ist es doch in Tal und Grunde

Gar gespenstisch anzuschauen.

MEPHISTOPHELES:

Seh' ich, wie durchs alte Fenster

In des Nordens Wust und Graus,


Ganz abscheuliche Gespenster,

Bin ich hier wie dort zu Haus.

HOMUNCULUS:

Sieh! da schreitet eine Lange

Weiten Schrittes vor uns hin.

MEPHISTOPHELES:

Ist es doch, als war' ihr bange;

Sah uns durch die Lufte ziehn.

HOMUNCULUS:

La? sie schreiten! setz ihn nieder,

Deinen Ritter, und sogleich

Kehret ihm das Leben wieder,

Denn er sucht's im Fabelreich.

FAUST:

Wo ist sie? - +

HOMUNCULUS:

Wu?ten's nicht zu sagen,

Doch hier wahrscheinlich zu erfragen.

In Eile magst du, eh' es tagt,


Von Flamm' zu Flamme spurend gehen:

Wer zu den Muttern sich gewagt,

Hat weiter nichts zu uberstehen.

MEPHISTOPHELES:

Auch ich bin hier an meinem Teil;

Doch wu?t' ich Besseres nicht zu unserm Heil,

Als: jeder moge durch die Feuer

Versuchen sich sein eigen Abenteuer.

Dann, um uns wieder zu vereinen,

La? deine Leuchte, Kleiner, tonend scheinen.

HOMUNCULUS:

So soll es blitzen, soll es klingen.

Nun frisch zu neuen Wunderdingen!

FAUST:

Wo ist sie? - Frage jetzt nicht weiter nach...

War's nicht die Scholle, die sie trug,

Die Welle nicht, die ihr entgegenschlug,

So ist's die Luft, die ihre Sprache sprach.

Hier! durch ein Wunder, hier in Griechenland!


Ich fuhlte gleich den Boden, wo ich stand;

Wie mich, den Schlafer, frisch ein Geist durchgluhte,

So steh' ich, ein Antaus an Gemute.

Und find' ich hier das Seltsamste beisammen,

Durchforsch' ich ernst dies Labyrinth der Flammen.

Am oberen Peneios

MEPHISTOPHELES:

Und wie ich diese Feuerchen durchschweife,

So find' ich mich doch ganz und gar entfremdet,

Fast alles nackt, nur hie und da behemdet:

Die Sphinxe schamlos, unverschamt die Greife,

Und was nicht alles, lockig und beflugelt,

Von vorn und hinten sich im Auge spiegelt...

Zwar sind auch wir von Herzen unanstandig,

Doch das Antike find' ich zu lebendig;

Das mu?te man mit neustem Sinn bemeistern

Und mannigfaltig modisch uberkleistern...

Ein widrig Volk! Doch darf mich's nicht verdrie?en,

Als neuer Gast anstandig sie zu gru?en...

Gluchzu den schonen Fraun, den klugen Greisen!

GREIF:

Nicht Greisen! Greifen! - Niemand hort es gern,

Da? man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt

Der Ursprung nach, wo es sich her bedingt:

Grau, gramlich, griesgram, greulich, Graber, grimmig,

Etymologisch gleicherweise stimmig, +

Verstimmen uns.

MEPHISTOPHELES:

Und doch, nicht abzuschweifen,

Gefaallt das Grei im Ehrentitel Greifen.

GREIF:

Naturlich! Die Verwandtschaft ist erprobt,

Zwar oft gescholten, mehr jedoch gelobt;

Man greife nun nach Madchen, Kronen, Gold,

Dem Greifenden ist meist Fortuna hold.

AMEISEN:

Ihr sprecht von Gold, wir hatten viel gesammelt,

In Fels- und Hohlen heimlich eingerammelt;

Das Arimaspen-Volk hat's ausgespurt,

Sie lachen dort, wie weitsie's weggefuhrt.

GREIFE:

Wir wollen sie schon zum Gestandnis bringen.

ARIMASPEN:

Nur nicht zur freien Jubelnacht.

Bis morgen ist's alles durchgebracht,

Es wird uns diesmal wohl gelingen.

MEPHISTOPHELES:

Wie leicht und gern ich mich hierher gewohne,

Denn ich verstehe Mann fur Mann.

SPHINX:

Wir hauchen unsre Geistertone,

Und ihr verkorpert sie alsdann.

Jetzt nenne dich, bis wir dich weiter kennen.

MEPHISTOPHELES:

Mit vielen Namen glaubt man mich zu nennen -

Sind Briten hier? Sie reisen sonst so viel,

Schlachtfeldern nachzuspuren, Wasserfallen,

Gesturzten Mauern, klassisch dumpfen Stellen;

Das ware hier fur sie ein wurdig Ziel.

Sie zeugten auch: Im alten Buhnenspiel

Sah man mich dort als old Iniquity.

SPINX:

Wie kam man drauf? +

MEPHISTOPHELES:

Ich wei? es selbst nicht wie.

SPINX:

Mag sein! Hast du von Sternen einige Kunde?

Was sagst du zu der gegenwart'gen Stunde?

MEPHISTOPHELES:

Stern schie?t nach Stern, beschnittner Mond scheint helle,

Und mir ist wohl an dieser trauten Stelle,

Ich warme mich an deinem Lowenfelle.

Hinauf sich zu versteigen, war' zum Schaden;

Gib Ratsel auf, gib allenfalls Scharaden.

SPINX:

Sprich nur dich selbst aus, wird schon Ratsel sein.

Versuch einmal, dich innigst aufzulosen:

"Dem frommen Manne notig wie dem bosen,

Dem ein Plastron, aszetisch zu rapieren,

Kumpan dem andern, Tolles zu vollfuhren,

Und beides nur, um Zeus zu amusieren."

ERSTER GREIF:

Den mag ich nicht! +

ZWEITER GREIF:

Was will uns der?

BEIDE:

Der Garstige gehoret nicht hierher!

MEPHISTOPHELES:

Du glaubst vielleicht, des Gastes Nagel krauen

Nicht auch so gut wie deine scharfen Klauen?

Versuch's einmal! +

SPINX:

Du magst nur immer bleiben,

Wird dich's doch selbst aus unsrer Mitte treiben;

In deinem Lande tust dir was zugute,

Doch, irr' ich nicht, hier ist dir schlecht zumute.

MEPHISTOPHELES:

Du bist recht appetitlich oben anzuschauen,

Doch unten hin die Bestie macht mir Grauen.

SPINX:

Du Falscher kommst zu deiner bittern Bu?e,

Denn unsre Tatzen sind gesund;

Dir mit verschrumpftem Pferdefu?e

Behagt es nicht in unserem Bund.

MEPHISTOPHELES:

Wer sind die Vogel, in den asten

Des Pappelstromes hingewiegt?

SPINX:

Gewahrt euch nur! Die Allerbesten

Hat solch ein Singsang schon besiegt.

SIRENEN:

Ach was wollt ihr euch verwohnen

In dem Ha?lich-Wunderbaren!

Horcht, wir kommen hier zu Scharen

Und in wohlgestimmten Tonen;

So geziemet es Sirenen.

SPINXE:

Notigt sie, herabzusteigen!

Sie verbergen in den Zweigen

Ihre garstigen Habichtskrallen,

Euch verderblich anzufallen,

Wenn ihr euer Ohr verleiht.

SIRENEN:

Weg das Hassen! weg das Neiden!

Sammeln wir die klarsten Freuden,

Unterm Himmel ausgestreut!

Auf dem Wasser, auf der Erde

Sei's die heiterste Gebarde,

Die man dem Willkommnen beut.

MEPHISTOPHELES:

Das sind die saubern Neuigkeiten,

Wo aus der Kehle, von den Saiten

Ein Ton sich um den andern flicht.

Das Trallern ist bei mir verloren:

Es krabbelt wohl mir um die Ohren,

Allein zum Herzen dringt es nicht.

SPINXE:

Sprich nicht vom Herzen! das ist eitel;

Ein lederner verschrumpfter Beutel,

Das pa?t dir eher zu Gesicht.

FAUST:

Wie wunderbar! das Anschaun tut mir Gnuge,

Im Widerwartigen gro?e, tuchtige Zuge.

Ich ahne schon ein gunstiges Geschick;

Wohin versetzt mich dieser ernste Blick?

Vor solchen hat einst odipus gestanden;

Vor solchen krummte sich Uly? in hanfnen Banden;

Von solchen ward der hochste Schatz gespart,

Von diesen treu und ohne Fehl bewahrt.

Vom frischen Geiste fuhl' ich mich durchdrungen;

Gestalten gro?, gro? die Erinnerungen.

MEPHISTOPHELES:

Sonst hattest du dergleichen weggeflucht,

Doch jetzo scheint es dir zu frommen;

Denn wo man die Geliebte sucht,

Sind Ungeheuer selbst willkommen.

FAUST:

Ihr Frauenbilder mu?t mir Rede stehn:

Hat eins der Euren Helena gesehn?

SPHINXE:

Wir reichen nicht hinauf zu ihren Tagen,

Die letztesten hat Herkules erschlagen.

Von Chiron konntest du's erfragen;

Der sprengt herum in dieser Geisternacht;

Wenn er dir steht, so hast du's weit gebracht.

SIRENEN:

Sollte dir's doch auch nicht fehlen!...

Wie Uly? bei uns verweilte,

Schmahend nicht vorubereilte,

Wu?t' er vieles zu erzahlen;

Wurden alles dir vertrauen,

Wolltest du zu unsern Gauen

Dich ans grune Meer verfugen.

SPHINX:

La? dich, Elder, nicht betrugen.

Statt da? Uly? sich binden lie?,

La? unsern guten Rat dich binden;

Kannst duden hohen Chiron finden,

Erfahrst du, was ich dir verhie?.

MEPHISTOPHELES:

Was krachzt vorbei mit Flugelschlag?

So schnell, da? man's nicht sehen mag,

Und immer eins dem andern nach,

Den Jager wurden sie ermuden.

SPHINX:

Dem Sturm des Winterwinds vergleichbar,

Alcides' Pfeilen kaum erreichbar;

Es sind die raschen Stymphaliden,

Und wohlgemeint ihr Krachzegru?,

Mit Geierschnabel und Gansefu?.

Sie mochten gern in unsern Kreisen

Als Stammverwandte sich erweisen.

MEPHISTOPHELES:

Noch andres Zeug zischt zwischen drein.

SPHINX:

Vor diesen sei Euch ja nicht bange!

Es sind die Kopfe der lernaischen Schlange,

Vom Rumpf getrennt, und glauben was zu sein.

Doch sagt, was soll nur aus Euch werden?

Was fur unruhige Gebarden?

Wo wollt Ihr hin? Begebt Euch fort!...

Ich sehe, jener Chorus dort

Macht Euch zum Wendehals. Bezwingt Euch nicht,

Geht hin! begru?t manch reizendes Gesicht!

Die Lamien sind's, lustfeine Dirnen,

Mit Lachelmund und frechen Stirnen,

Wie sie dem Satyrvolk behagen;

Ein Bocksfu? darf dort alles wagen.

MEPHISTOPHELES:

Ihr bleibt doch hier? da? ich euch wiederfinde.

SPHINXE:

Ja! Mische dich zum luftigen Gesinde.

Wir, von agypten her, sind langst gewohnt,

Da? unsereins in tausend Jahre thront.

Und respektiert nur unsre Lage,

So regeln wir die Mond- und Sonnentage.

Sitzen vor den Pyramiden,

Zu der Volker Hochgericht;

uberschwemmung, Krieg und Frieden -

Und verziehen kein Gesicht.

Am untern Peneios

PENEIOS:

Rege dich, du Schilfgefluster!

Hauche leise, Rohregeschwister,

Sauselt, leichte Weidenstrauche,

Lispelt, Pappelzitterzweige,

Unterbrochnen Traumen zu!...

Weckt mich doch ein grauslich Wittern,

Heimlich allbewegend Zittern


Aus dem Wallestrom und Ruh'.

FAUST:

Hor' ich recht, so mu? ich glauben:

Hinter den verschrankten Lauben

Dieser Zweige, dieser Stauden

Tont ein menschenahnlichs Lauten.

Scheint die Welle doch ein Schwatzen,

Luftein wie - ein Scherzergetzen.

NYMPHEN:

Am besten geschah' dir,

Du legtest dich nieder,

Erholtest im Kuhlen

Ermudete Glieder,

Genossest der immer

Dich meidenden Ruh;

Wir sauseln, wir rieseln,

Wir flustern dir zu.

FAUST:

Ich wache ja! O la?t sie walten,


Die unvergleichlichen Gestalten,

Wie sie dorthin mein Auge schickt.

So wunderbar bin ich durchdrungen!

Sind'd Traume? Sind's Erinnerungen?

Schon einmal warst du so begluckt.

Gewasser schleichen durch die Frische

Der dichten, sanft bewegten Busche,

Nicht rauschen sie, sie rieseln kaum;

Von allen Seiten hundert Quellen

Vereinen sich im reinlich hellen,

Zum Bade flach vertieften Raum.

Gesunde junge Frauenglieder,

Vom feuchten Spiegel doppelt wieder

Ergetztem Auge zugebracht!

Gesellig dann und frohlich badend,

Erdreistet schwimmend, furchtsam watend;

Geschrei zuletzt und Wasserschlacht.

Begnugen sollt' ich mich an diesen,

Mein Auge sollte hier genie?en,

Doch immer weiter strebt mein Sinn.

Der Blick dringt scharf nach jener Hulle,

Das reiche Laub der grunen Fulle

Verbirgt die hohe Konigin.

Wundersam! auch Schwane kommen

Aus den Buchten hergeschwommen,

Majestatisch rein bewegt.

Ruhig schwebend, zart gesellig,

Aber stolz und selbstgefallig,

Wie sich Haupt und Schnabel regt...

Einer aber scheint vor allen

Brustend kuhn sich zu gefallen,

Segelnd rasch durch alle fort;

Sein Gefieder blaht sich schwellend,

Welle selbst, auf Wogen wellend,

Dringt er zu dem heiligen Ort....

Die andern schwimmen hin und wider

Mit ruhig glanzendem Gefieder,

Bald auch in regem prachtigen Streit,

Die scheuen Madchen abzulenken,


Da? sie an ihren Dienst nicht denken,

Nur an die eigne Sicherheit.

NYMPHEN:

Leget, Schwestern, euer Ohr

An des Ufers grune Stufe;

Hor' ich recht, so kommt mir's vor

Als der Schall von Pferdes Hufe.

Wu?t' ich nur, wer dieser Nacht

Schnelle Botschaft zugebracht.

FAUST:

Ist mir doch, als drohnt' die Erde,

Schallend unter eiligem Pferde.

Dorthin mein Blick!

Ein gunstiges Geschick,

Soll es mich schon erreichen?

O Wunder ohnegleichen!

Ein Reuter kommt herangetrabt,

Er scheint von Geist und Mut begabt,

Von blendend-wei?em Pferd getragen...


Ich irre nicht, ich kenn' ihn schon,

Der Philyra beruhmter Sohn! -

Halt, Chiron! halt! Ich habe dir zu sagen...

CHIRON:

Was gibt's? Was ist's? +

FAUST:

Bezahme deinen Schritt!

CHIRON:

Ich raste nicht. +

FAUST:

So bitte! nimm mich mit!

CHIRON:

Sitz auf! so kann ich nach Belieben fragen:

Wohin des Wegs? Du stehst am Ufer hier,

Ich bin bereit, dich durch den Flu? zu tragen.

FAUST:

Wohin du willst. Fur ewig dank' ich's dir...

Der gro?e Mann, der edle Padagog,

Der, sich zum Ruhm, ein Heldenvolk erzog,


Den schonen Kreis der edlen Argonauten

Und alle, die des Dichters Welt erbauten.

CHIRON:

Das lassen wir an seinem Ort!

Selbst Pallas kommt als Mentor nicht zu Ehren;

Am Ende treiben sie's nach ihrer Weise fort,

Als wenn sie nicht erzogen waren.

FAUST:

Den Arzt, der jede Pflanze nennt,

Die Wurzeln bis ins tiefste kennt,

Dem Kranken Heil, dem Wunden Linderung schafft,

Umarm' ich hier in Geist- und Korperkraft!

CHIRON:

Ward neben mir ein Held verletzt,

Da wu?t' ich Hulf' und Rat zu schaffen;

Doch lie? ich meine Kunst zuletzt

Den Wurzelweibern und den Pfaffen.

FAUST:

Du bist der wahre gro?e Mann,


Der Lobeswort nicht horen kann.

Er sucht bescheiden auszuweichen

Und tut, als gab' es seinesgleichen.

CHIRON:

Du scheinest mir geschickt zu heucheln,

Dem Fursten wie dem Volk zu schmeicheln.

FAUST:

So wirst du mir denn doch gestehn:

Du hast die Gro?ten deiner Zeit gesehn,

Dem Edelsten in Taten nachgestrebt,

Halbgottlich ernst die Tage durchgelebt.

Doch unter den heroischen Gestalten

Wen hast du fur den Tuchtigsten gehalten?

CHIRON:

Im hehren Argonautenkreise

War jeder brav nach seiner eignen Weise,

Und nach der Kraft, die ihn beseelte,

Konnt' er genugen, wo's den andern fehlte.

Die Dioskuren haben stets gesiegt,


Wo Jugendfull' und Schonheit uberwiegt.

Entschlu? und schnelle Tat zu andrer Heil,

Den Boreaden ward's zum schonsten Teil.

Nachsinnend, kraftig, klug, im Rat bequem,

So herrschte Jason, Frauen angenehm.

Dann Orpheus: zart und immer still bedachtig,

Schlug er die Leier allen ubermachtig.

Scharfsichtig Lynceus, der bei Tag und Nacht

Das heil'ge Schiff durch Klipp' und Strand gebracht...

Gesellig nur la?t sich Gefahr erproben:

Wenn einer wirkt, die andern alle loben...

FAUST:

Von Herkules willst nichts erwahnen?

CHIRON:

O weh! errege nicht mein Sehnen...

Ich hatte Phobus nie gesehn,

Noch Ares, Hermes, wie sie hei?en;

Da sah ich mir vor Augen stehn,

Was alle Menschen gottlich preisen.


So war er ein geborner Konig,

Als Jungling herrlichst anzuschaun;

Dem altern Bruderuntertanig

Und auch den allerliebsten Fraun.

Den zweiten zeugt nicht Gaa wieder,

Nicht fuhrt ihn Hebe himmelein;

Vergebens muhen sich die Lieder,

Vergebens qualen sie den Stein.

FAUST:

So sehr auch Bildner auf ihn pochen,

So herrlich kam er nie zur Schau.

Vom schonsten Mann hast du gesprochen,

Nun sprich auch von der schonsten Frau!

CHIRON:

Was!... Frauenschonheit will nichts hei?en,

Ist gar zu oft ein starres Bild;

Nur solch ein Wesen kann ich preisen,

Das froh und lebenslustig quillt.

Die Schone bleibt sich selber selig;


Die Anmut macht unwiderstehlich,

Wie Helena, da ich sie trug.

FAUST:

Du trugst sie? +

CHIRON:

Ja, auf diesem Rucken.

FAUST:

Bin ich nicht schon verwirrt genug?

Und solch ein Sitz mu? mich beglucken!

CHIRON:

Sie fa?te so mich in das Haar,

Wie du es tust. +

FAUST:

O ganz und gar

Verlier' ich mich! Erzahle, wie?

Sie ist mein einziges Begehren!

Woher, wohin, ach, trugst du sie?

CHIRON:

Die Frage la?t sich leicht gewahren.


Die Dioskuren hatten jener Zeit

Das Schwesterchen aus Rauberfaust befreit.

Doch diese, nicht gewohnt, besiegt zu sein,

Ermannten sich urd sturmten hintendrein.

Da hielten der Geschwister eiligen Lauf

Die Sumpfe bei Eleusis auf;

Die Bruder wateten, ich patschte, schwamm hinuber;

Da sprang sie ab und streichelte

Die feuchte Mahne, schmeichelte

Und dankte lieblich-klug und selbstbewu?t.

Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust!

FAUST:

Erst zehen Jahr!... +

CHIRON:

Ich seh', die Philologen,

Sie haben dich so wie sich selbst betrogen.

Ganz eigen ist's mit mythologischer Frau,

Der Dichter bringt sie, wie er's braucht, zur Schau:

Nie wird sie mundig, wird nicht alt,


Stets appetitlicher Gestalt,

Wird jung entfuhrt, im Alter noch umfreit;

Gnug, den Poeten bindet keine Zeit.

FAUST:

So sei auch sie durch keine Zeit gebunden!

Hat doch Achill auf Phera sie gefunden,

Selbst au?er aller Zeit. Welch seltnes Gluck:

Errungen Liebe gegen das Geschick!

Und sollt' ich nicht, sehnsuchtigster Gewalt,

Ins Leben ziehn die einzigste Gestalt?

Das ewige Wesen, Gottern ebenburtig,

So gro? als zart, so hehr als liebenswurdig?

Du sahst sie einst; heut hab' ich sie gesehn,

So schon wie reizend, wie ersehnt so schon.

Nun ist mein Sinn, mein Wesen streng umfangen;

Ich lebe nicht, kann ich sie nicht erlangen.

CHIRON:

Mein fremder Mann! als Mensch bist du entzuckt;

Doch unter Geistern scheinst du wohl verruckt.


Nun trifft sich's hier zu deinem Glucke;

Denn alle Jahr, nur wenig Augenblicke,

Pfleg' ich bei Manto vorzutreten,

Der Tochter askulaps; im stillen Beten

Fleht sie zum Vater, da?, zu seiner Ehre,

Er endlich doch der arzte Sinn verklare

Und vom verwegnen Totschlag sie bekehre...

Die liebste mir aus der Sibyllengilde,

Nicht fratzenhaft bewegt, wohltatig milde;

Ihr gluckt es wohl, bei einigem Verweilen,

Mit Wurzelkraften dich von Grund zu heilen.

FAUST:

Geheilt will ich nicht sein, mein Sinn ist machtig;

Da war' ich ja wie andre niedertrachtig.

CHIRON:

Versaume nicht das Heil der edlen Quelle!

Geschwind herab! Wir sind zur Stelle.

FAUST:

Sag an! Wohin hast du, in grauser Nacht,


Durch Kiesgewasser mich ans Land gebracht?

CHIRON:

Hier trotzten Rom und Griechenland im Streite,

Peneios rechts, links den Olymp zur Seite,

Das gro?te Reich, das sich im Sand verliert;

Der Konig flieht, der Burger triumphiert.

Blick auf! hier steht, bedeutend nah,

Im Mondenschein der ewige Tempel da.

MANTO:

Von Pferdes Hufe

Erklingt die heilige Stufe,

Halbgotter treten heran.

CHIRON:

Ganz recht!

Nur die Augen aufgetan!

MANTO:

Willkommen! ich seh', du bleibst nicht aus.

CHIRON:

Steht dir doch auch dein Tempelhaus!


MANTO:

Streiftst du noch immer unermudet?

CHIRON:

Wohnst du doch immer still umfriedet,

Indes zu kreisen mich erfreut.

MANTO:

Ich harre, mich umkreist die Zeit.

Und dieser? +

CHIRON:

Die verrufene Nacht

Hat strudelnd ihn hierher gebracht.

Helenen, mit verruckten Sinnen,

Helenen will er sich gewinnen

Und wei? nicht, wie und wo beginnen;

Asklepischer Kur vor andern wert.

MANTO:

Den lieb' ich, der Unmogliches begehrt.

MANTO:

Tritt ein, Verwegner, sollst dich freuen!


Der dunkle Gang fuhrt zu Persephoneien.

In des Olympus hohlem Fu?

Lauscht sie geheim verbotnem Gru?.

Hier hab' ich einst den Orpheuseingeschwarzt;

Benutz es besser! frisch! beherzt!

Am obern Peneios

SIRENEN:

Sturzt euch in Peneios' Flut!

Platschernd ziemt es da zu schwimmen,

Lied um Lieder anzustimmen,

Dem unseligen Volk zugut.

Ohne Wasser ist kein Heil!

Fuhren wir mit hellem Heere

Eilig zum agaischen Meere,

Wurd' uns jede Lust zuteil.

SIRENEN:

Schaumend kehrt die Welle wieder,

Flie?t nicht mehr im Bett darnieder;

Grund erbebt, das Wasser staucht,

Kies und Ufer berstend raucht.

Fluchten wir! Kommt alle, kommt!

Niemand, dem das Wunder frommt.

Fort! ihr edlen frohen Gaste,

Zu dem seeisch heitern Feste,

Blinkend, wo die Zitterwellen,

Ufernetzend, leise schwellen;

Da, wo Luna doppelt leuchtet,

Uns mit heil'gem Tau befeuchtet.

Dort ein freibewegtes Leben,

Hier ein angstlich Erdebeben;

Eile jeder Kluge fort!

Schauderhaft ist's um den Ort.

SEISMOS:

Einmal noch mit Kraft geschoben,

Mit den Schultern brav gehoben!

So gelangen wir nach oben,

Wo uns alles weichen mu?.

SPHINXE:

Welch ein widerwartig Zittern,

Ha?lich grausenhaftes Wittern!

Welch ein Schwanken, welches Beben,

Schaukelnd Hin- und Widerstreben!

Welch unleidlicher Verdru?!

Doch wir andern nicht die Stelle,

Brache los die ganze Holle.

Nun erhebt sich ein Gewolbe

Wundersam. Es ist derselbe,

Jener Alte, langst Ergraute,

Der die Insel Delos baute,

Einer Krei?enden zulieb'

Aus der Wog' empor sie trieb.

Er, mit Streben, Drangen, Drucken,

Arme straff, gekrummt den Rucken,

Wie ein Atlas an Gebarde,

Hebt er Boden, Rasen, Erde,

Kies und Grie? und Sand und Letten,

Unsres Ufers stille Betten.

So zerrei?t er eine Strecke


Quer des Tales ruhige Decke.

Angestrengtest, nimmer mude,

Kolossale Karyatide,

Tragt ein furchtbar Steingeruste,

Noch im Boden bis zur Buste;

Weiter aber soll's nicht kommen,

Sphinxe haben Platz genommen.

SEISMOS:

Das hab' ich ganz allein vermittelt,

Man wird mir's endlich zugestehn;

Und hatt' ich nicht geschuttelt und geruttelt,

Wie ware diese Welt so schon? -

Wie standen eure Berge droben

In prachtig-reinem atherblau,

Hatt' ich sie nicht hervorgeschoben

Zu malerisch-entzuckter Schau?

Als, angesichts der hochsten Ahnen,

Der Nacht, des Chaos, ich mich stark betrug

Und, in Gesellschaft von Titanen,


Mit Pelion und Ossa als mit Ballen schlug,

Wir tollten fort in jugendlicher Hitze,

Bis uberdrussig noch zuletzt

Wir dem Parna?, als eine Doppelmutze,

Die beiden Berge frevelnd aufgesetzt...

Apollen halt ein froh Verweilen

Dort nun mit seliger Musen Chor.

Selbst Jupitern und seinen Donnerkeilen

Hob ich den Sessel hoch empor.

Jetzt so, mit ungeheurem Streben,

Drang aus dem Abgrund ich herauf

Und fordre laut, zu neuem Leben,

Mir frohliche Bewohner auf.

SPHINXE:

Uralt, mu?te man gestehen,

Sei das hier Emporgeburgte,

Hatten wir nicht selbst gesehen,

Wie sich's aus dem Boden wurgte.

Bebuschter Wald verbreitet sich hinan,

Noch drangt sich Fels auf Fels bewegt heran;

Ein Sphinx wird sich daran nicht kehren:

Wir lassen uns im heiligen Sitz nicht storen.

GREIFE:

Gold in Blattchen, Gold in Flittern

Durch die Ritzen seh ich zittern.

La?t euch solchen Schatz nicht rauben,

Imsen, auf! es auszuklauben.

CHOR DER AMEISEN:

Wie ihn die Riesigen

Emporgehoben,

Ihr Zappelfu?igen,

Geschwind nach oben!

Behendest aus und ein!

In solchen Ritzen

Ist jedes Broselein

Wert zu besitzen.

Das Allermindeste

Mu?t ihr entdecken

Auf das geschwindeste

In allen Ecken.

Allemsig mu?t ihr sein,

Ihr Wimmelscharen;

Nur mit dem Gold herein!

Den Berg la?t fahren.

GREIFE:

Herein! Herein! Nur Gold zu Hauf!

Wir legen unsre Klauen drauf;

Sind Riegel von der besten Art,

Der gro?te Schatz ist wohlverwahrt.

PYGMAEN:

Haben wirklich Platz genommen,

Wissen nicht, wie es geschah.

Fraget nicht, woher wir kommen,

Denn wir sind nun einmal da!

Zu des Lebens lustigem Sitze

Eignet sich ein jedes Land;

Zeigt sich eine Felsenritze,

Ist auch schon der Zwerg zur Hand.

Zwerg und Zwergin, rasch zum Flei?e,

Musterhaft ein jedes Paar;

Wei? nicht, ob es gleicher Weise

Schon im Paradiese war.

Doch wir finden's hier zum besten,

Segnen dankbar unsern Stern;

Denn im Osten wie im Westen

Zeugt die Mutter Erde gern.

DAKTYLE:

Hat sie in einer Nacht

Die Kleinen hervorgebracht,

Sie wird die Kleinsten erzeugen;

Finden auch ihresgleichen.

PYGMAEN-ALTESTE:

Eilet, bequemen

Sitz einzunehmen!

Eilig zumWerke!

Schnelle fur Starke!

Noch ist es Friede;

Baut euch die Schmiede,

Harnisch und Waffen

Dem Heer zu schaffen.

Ihr Imsen alle,

Ruhrige im Schwalle,

Schafft uns Metalle!

Und ihr Daktyle,

Kleinste, so viele,

Euch sei befohlen,

Holzer zu holen!

Schlichtet zusammen

Heimliche Flammen,

Schaffet uns Kohlen.

GENERALISSIMUS:

Mit Pfeil und Bogen

Frisch ausgezogen!

An jenem Weiher

Schie?t mir die Reiher,

Unzahlig nistende,


Hochmutig brustende,

Auf einen Ruck,

Alle wie einen!

Da? wir erscheinen

Mit Helm und Schmuck.

IMSEN UND DAKTYLE:

Wer wird uns retten!

Wir schaffen 's Eisen,

Sie schmieden Ketten.

Uns loszurei?en,

Ist noch nicht zeitig,

Drum seid geschmeidig.

DIE KRANICHE DES IBYKUS:

Mordgeschrei und Sterbeklagen!

angstlich Flugelflatterschlagen!

Welch ein achzen, welch Gestohn

Dringt herauf zu unsern Hohn!

Alle sind sie schon ertotet,

See von ihrem Blut gerotet,


Mi?gestaltete Begierde

Raubt des Reihers edle Zierde.

Weht sie doch schon auf dem Helme

Dieser Fettbauch-Krummbein-Schelme.

Ihr Genossen unsres Heeres,

Reihenwanderer des Meeres,

Euch berufen wir zur Rache

In so nahverwandter Sache.

Keiner spare Kraft und Blut!

Ewige Feindschaft dieser Brut!

MEPHISTOPHELES:

Die nordischen Hexen wu?t' ich wohl zu meistern,

Mir wird's nicht just mit diesen fremden Geistern.

Der Blocksberg bleibt ein gar bequem Lokal,

Wo man auch sei, man findet sich zumal.

Frau Ilse wacht fur uns auf ihrem Stein,

Auf seiner Hoh' wird Heinrich munter sein,

Die Schnarcher schnauzen zwar das Elend an,

Doch alles ist fur tausend Jahr getan.

Wer wei? denn hier nur, wo er geht und steht,

Ob unter ihm sich nicht der Boden blaht?...

Ich wandle lustig durch ein glattes Tal,

Und hinter mir erhebt sich auf einmal

Ein Berg, zwar kaum ein Berg zu nennen,

Von meinen Sphinxen mich jedoch zu trennen

Schon hoch genug - hier zuckt noch manches Feuer

Das Tal hinab und flammt ums Abenteuer...

Noch tanzt und schwebt mir lockend, weichend vor,

Spitzbubisch gaukelnd, der galante Chor.

Nur sachte drauf! Allzugewohnt ans Naschen,

Wo es auch sei, man sucht was zu erhaschen.

LAMIEN:

Geschwind, geschwinder!

Und immer weiter!

Dann wieder zaudernd,

Geschwatzig plaudernd.

Es ist so heiter,

Den alten Sunder

Uns nachzuziehen,


Zu schwerer Bu?e.

Mit starrem Fu?e

Kommt er geholpert,

Einhergestolpert;

Er schleppt das Bein,

Wie wir ihn fliehen,

Uns hinterdrein!

MEPHISTOPHELES:

Verflucht Geschick! Betrogne Mannsen!

Von Adam her verfuhrte Hansen!

Alt wird man wohl, wer aber klug?

Warst du nicht schon vernarrt genug!

Man wei?, das Volk taugt aus dem Grunde nichts,

Geschnurten Leibs, geschminkten Angesichts.

Nichts haben sie Gesundes zu erwidern,

Wo man sie anfa?t, morsch in allen Gliedern.

Man wei?, man sieht's, man kann es greifen,

Und dennoch tanzt man, wenn die Luder pfeifen!

LAMIEN:


Halt! er besinnt sich, zaudert, steht;

Entgegnet ihm, da? er euch nicht entgeht!

MEPHISTOPHELES:

Nur zu! und la? dich ins Gewebe

Der Zweifelei nicht torig ein;

Denn wenn es keine Hexen gabe,

Wer Teufel mochte Teufel sein!

LAMIEN:

Kreisen wir um diesen Helden!

Liebe wird in seinem Herzen

Sich gewi? fur eine melden.

MEPHISTOPHELES:

Zwar bei ungewissem Schimmer

Scheint ihr hubsche Frauenzimmer,

Und so mocht' ich euch nicht schelten.

EMPUSE:

Auch nicht mich! als eine solche

La?t mich ein in eure Folge.

LAMIEN:


Die ist in unserm Kreis zuviel,

Verdirbt doch immer unser Spiel.

EMPUSE:

Begru?t von Muhmichen Empuse,

Der Trauten mit dem Eselsfu?e!

Du hast nur einen Pferdefu?,

Und doch, Herr Vetter, schonsten Gru?!

MEPHISTOPHELES:

Hier dacht' ich lauter Unbekannte

Und finde leider Nahverwandte;

Es ist ein altes Buch zu blattern:

Vom Harz bis Hellas immer Vettern!

EMPUSE:

Entschieden wei? ich gleich zu handeln,

In vieles konnt' ich mich verwandeln;

Doch Euch zu Ehren hab' ich jetzt

Das Eselskopfchen aufgesetzt.

MEPHISTOPHELES:

Ich merk', es hat bei diesen Leuten


Verwandtschaft Gro?es zu bedeuten;

Doch mag sich, was auch will, eraugnen,

Den Eselskopf mocht' ich verleugnen.

LAMIEN:

Da? diese Garstige, sie verscheucht,

Was irgend schon und lieblich deucht;

Was irgend schon und lieblich war' -

Sie kommt heran, es ist nicht mehr!

MEPHISTOPHELES:

Auch diese Muhmchen zart und schmachtig,

Sie sind mir allesamtverdachtig;

Und hinter solcher Wanglein Rosen

Furcht' ich doch auch Metamorphosen.

LAMIEN:

Versuch es doch! sind unsrer viele.

Greif zu! Und hast du Gluck im Spiele,

Erhasche dir das beste Los.

Was soll das lusterne Geleier?

Du bist ein miserabler Freier,


Stolzierst einher und tust so gro?! -

Nun mischt er sich in unsre Scharen;

La?t nach und nach die Masken fahren

Und gebt ihm euer Wesen blo?.

MEPHISTOPHELES:

Die Schonste hab' ich mir erlesen...

O weh mir! welch ein durrer Besen!

Und diese?... Schmahliches Gesicht!

LAMIEN:

Verdienst du's besser? dunkt es nicht.

MEPHISTOPHELES:

Die Kleine mocht' ich mir verpfanden...

Lacerte schlupft mir aus den Handen!

Und schlangenhaft der glatte Zopf.

Dagegen fass' ich mir die Lange...

Da pack' ich eine Thyrsusstange,

Den Pinienapfel als den Kopf!

Wo will's hinaus?... Noch eine Dicke,

An der ich mich vielleicht erquicke;


Zum letztenmal gewagt! Es sei!

Recht quammig, quappig, das bezahlen

Mit hohem Preis Orientalen...

Doch ach! der Bovist platzt entzwei!

LAMIEN:

Fahrt auseinander, schwankt und schwebet

Blitzartig, schwarzen Flugs umgebet

Den eingedrungnen Hexensohn!

Unsichre, schauderhafte Kreise!

Schweigsamen Fittichs, Fledermause!

Zu wohlfeil kommt er doch davon.

MEPHISTOPHELES:

Viel kluger, scheint es, bin ich nicht geworden;

Absurd ist's hier, absurd im Norden,

Gespenster hier wie dort vertrackt,

Volk und Poeten abgeschmackt.

Ist eben hier eine Mummenschanz

Wie uberall, ein Sinnentanz.

Ich griff nach holden Maskenzugen


Und fa?te Wesen, da? mich's schauerte...

Ich mochte gerne mich betrugen,

Wenn es nur langer dauerte.

Wo bin ich denn? Wo will's hinaus?

Das war ein Pfad, nun ist's ein Graus.

Ich kam daher auf glatten Wegen,

Und jetzt steht mir Geroll entgegen.

Vergebens klettr' ich auf und nieder,

Wo find' ich meine Sphinxe wieder?

So toll hatt' ich mir's nicht gedacht,

Ein solch Gebirge in einer Nacht!

Das hei?' ich frischen Hexenritt,

Die bringen ihren Blocksberg mit.

OREAS:

Herauf hier! Mein Gebirg ist alt,

Steht in ursprunglicher Gestalt.

Verehre schroffe Felsensteige,

Des Pindus letztgedehnte Zweige!

Schon stand ich unerschuttert so,

Als uber mich Pompejus floh.

Daneben das Gebild desWahns

Verschwindet schon beim Krahn des Hahns.

Dergleichen Marchen seh' ich oft entstehn

Und plotzlich wieder untergehn.

MEPHISTOPHELES:

Sei Ehre dir, ehrwurdiges Haupt,

Von hoher Eichenkraft umlaubt!

Der allerklarste Mondenschein

Dringt nicht zur Finsternis herein. -

Doch neben am Gebusche zieht

Ein Licht, das gar bescheiden gluht.

Wie sich das alles fugen mu?!

Furwahr, es ist Homunculus!

Woher des Wegs, du Kleingeselle?

HOMUNCULUS:

Ich schwebe so von Stell' zu Stelle

Und mochte gern im besten Sinn entstehn,

Voll Ungeduld, mein Glas entzweizuschlagen;

Allein, was ich bisher gesehn,

Hinein da mocht' ich mich nicht wagen.

Nur, um dir's im Vertraun zu sagen:

Zwei Philosophen bin ich auf der Spur,

Ich horchte zu, es hie?: Natur, Natur!

Von diesen will ich mich nicht trennen,

Sie mussen doch das irdische Wesen kennen;

Und ich erfahre wohl am Ende,

Wohin ich mich am allerklugsten wende.

MEPHISTOPHELES:

Das tu auf deine eigne Hand.

Denn wo Gespenster Platz genommen,

Ist auch der Philosoph willkommen.

Damit man seiner Kunst und Gunst sich freue,

Erschafft er gleich ein Dutzend neue.

Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand.

Willst du entstehn, entsteh auf eigne Hand!

HOMUNCULUS:

Ein guter Rat ist auch nicht zu verschmahn.

MEPHISTOPHELES:

So fahre hin! Wir wollen's weiter sehn.

ANAXAGORAS:

Dein starrer Sinn will sich nicht beugen;

Bedarf es Weitres, dich zu uberzeugen?

THALES:

Die Welle beugt sich jedem Winde gern,

Doch halt sie sich vom schroffen Felsen fern.

ANAXAGORAS:

Durch Feuerdunst ist dieser Fels zu Handen.

THALES:

Im Feuchten ist Lebendiges erstanden.

HOMUNCULUS:

La?t mich an eurer Seite gehn.

Mir selbst gelustet's, zu entstehn!

ANAXAGORAS:

Hast du, o Thales, je in einer Nacht

Solch einen Berg aus Schlamm hervorgebracht?

THALES:


Nie war Natur und ihr lebendiges Flie?en

Auf Tag und Nacht und Stunden angewiesen.

Sie bildet regelnd jegliche Gestalt,

Und selbst im Gro?en ist es nicht Gewalt.

ANAXAGORAS:

Hier aber war's! Plutonisch grimmig Feuer,

aolischer Dunste Knallkraft, ungeheuer,

Durchbrach des flachen Bodens alte Kruste,

Da? neu ein Berg sogleich entstehen mu?te.

THALES:

Was wird dadurch nunweiter fortgesetzt?

Er ist auch da, und das ist gut zuletzt.

Mit solchem Streit verliert man Zeit und Weile

Und fuhrt doch nur geduldig Volk am Seile.

ANAXAGORAS:

Schnell quillt der Berg von Myrmidonen,

Die Felsenspalten zu bewohnen;

Pygmaen, Imsen, Daumerlinge

Und andre tatig kleine Dinge.


Nie hast du Gro?em nachgestrebt,

Einsiedlerisch-beschrankt gelebt;

Kannst du zur Herrschaft dich gewohnen,

So la? ich dich als Konig kronen.

HOMUNCULUS:

Was sagt mein Thales? +

THALES:

Will's nicht raten;

Mit Kleinen tut man kleine Taten,

Mit Gro?en wird der Kleine gro?.

Sieh hin! die schwarze Kranichwolke!

Sie droht dem aufgeregten Volke

Und wurde so dem Konig drohn.

Mit scharfen Schnabeln, krallen Beinen,

Sie stechen nieder auf die Kleinen;

Verhangnis wetterleuchtet schon.

Ein Frevel totete die Reiher,

Umstellend ruhigen Friedensweiher.

Doch jener Mordgeschosse Regen


Schafft grausam-blut'gen Rachesegen,

Erregt der Nahverwandten Wut

Nach der Pygmaen frevlem Blut.

Was nutzt nun Schild und Helm und Speer?

Was hilft der Reiherstrahl den Zwergen?

Wie sich Daktyl und Imse bergen!

Schon wankt, es flieht, es sturzt das Heer.

ANAXAGORAS:

Konnt' ich bisher die Unterirdischen loben,

So wend' ich mich in diesem Fall nach oben...

Du! droben ewig Unveraltete,

Dreinamig-Dreigestaltete,

Dich ruf' ich an bei meines Volkes Weh,

Diana, Luna, Hekate!

Du Brusterweiternde, im Tiefsten Sinnige,

Du Ruhigscheinende, Gewaltsam-Innige,

Eroffne deiner Schatten grausen Schlund,

Die alte Macht sei ohne Zauber kund!

Bin ich zu schnell erhort?

Hat mein Flehn

Nach jenen Hohn

Die Ordnung der Natur gestort?

Und gro?er, immer gro?er nahet schon

Der Gottin rundumschriebner Thron,

Dem Auge furchtbar, ungeheuer!

Ins Dustre rotet sich sein Feuer...

Nicht naher, drohend-machtige Runde!

Du richtest uns und Land und Meer zugrunde!

So war' es wahr, da? dich thessalische Frauen

In frevlend magischem Vertrauen

Von deinem Pfad herabgesungen,

Verderblichstes dir abgerungen?...

Das lichte Schild hat sich umdunkelt,

Auf einmal rei?t's und blitzt und funkelt!

Welch ein Geprassel! Welch ein Zischen!

Ein Donnern, Windgetum dazwischen! -

Demutig zu des Thrones Stufen! -

Verzeiht! Ich hab' es hergerufen.

THALES:


Was dieser Mann nicht alles hort'und sah!

Ich wei? nicht recht, wie uns geschah,

Auch hab' ich's nicht mit ihm empfunden.

Gestehen wir, es sind verruckte Stunden,

Und Luna wiegt sich ganz bequem

An ihrem Platz, so wie vordem.

HOMUNCULUS:

Schaut hin nach der Pygmaen Sitz!

Der Berg war rund, jetzt ist er spitz.

Ich spurt' ein ungeheures Prallen,

Der Fels war aus dem Mond gefallen;

Gleich hat er, ohne nachzufragen,

So Freund als Feind gequetscht, erschlagen.

Doch mu? ich solche Kunste loben,

Die schopferisch, in einer Nacht,

Zugleich von unten und von oben,

Dies Berggebau zustand gebracht.

THALES:

Sei ruhig! Es war nur gedacht.


Sie fahre hin, die garstige Brut!

Da? du nicht Konig warst, ist gut.

Nun fort zum heitern Meeresfeste,

Dort hofft und ehrt man Wundergaste.

MEPHISTOPHELES:

Da mu? ich mich durch steile Felsentreppen,

Durch alter Eichen starre Wurzeln schleppen!

Auf meinem Harz der harzige Dunst

Hat was vom Pech, und das hat meine Gunst,

Zunachst dem Schwefel... Hier, bei diesen Griechen

Ist von dergleichen kaum die Spur zu riechen;

Neugierig aber war' ich, nachzuspuren,

Womit sie Hollenqual und - flamme schuren.

DRYAS:

In deinem Lande sei einheimisch klug,

Im fremden bist du nicht gewandt genug.

Du solltest nicht den Sinn zur Heimat kehren,

Der heiligen Eichen Wurde hier verehren.

MEPHISTOPHELES:


Man denkt an das, was man verlie?;

Was man gewohnt war, bleibt ein Paradies.

Doch sagt: was in der Hohle dort,

Bei schwachem Licht, sich dreifach hingekauert?

DRYAS:

Die Phorkyaden! Wage dich zum Ort

Und sprich sie sie an, wenn dich nicht schauert.

MEPHISTOPHELES:

Warum denn nicht! - Ich sehe was, und staune!

So stolz ich bin, mu? ich mir selbst gestehn:

Dergleichen hab' ich nie gesehn,

Die sind ja schlimmer als Alraune...

Wird man die urverworfnen Sunden

Im mindesten noch ha?lich finden,

Wenn man dies Dreigetum erblickt?

Wir litten sie nicht auf den Schwellen

Der grauenvollsten unsrer Hollen.

Hier wurzelt's in der Schonheit Land,

Das wird mit Ruhm antik genannt...


Sie regen sich, sie scheinen mich zu spuren,

Sie zwitschern pfeifend, Fledermaus-Vampyren.

PHORKYAS:

Gebt mir das Auge, Schwestern, da? esfrage,

Wer sich so nah an unsre Tempel wage.

MEPHISTOPHELES:

Verehrteste! Erlaubt mir, euch zu nahen

Und euren Segen dreifach zu empfahen.

Ich trete vor, zwar noch als Unbekannter,

Doch, irr' ich nicht, weitlaufiger Verwandter.

Altwurdige Gotter hab' ich schon erblickt,

Vor Ops und Rhea tiefstens mich gebuckt;

Die Parzen selbst, des Chaos, eure Schwestern,

Ich sah sie gestern - oder ehegestern;

Doch euresgleichen hab' ich nie erblickt.

Ich schweige nun und fuhle mich entzuckt.

PHORKYADEN:

Er scheint Verstand zu haben, dieser Geist.

MEPHISTOPHELES:


Nur wundert's mich, da? euch kein Dichter preist.

Und sagt: wie kam's, wie konnte das geschehn?

Im Bilde hab' ich nie euch Wurdigste gesehn;

Versuch's der Mei?el doch, euch zu erreichen,

Nicht Juno, Pallas, Venus und dergleichen.

PHORKYADEN:

Versenkt in Einsamkeit und stillste Nacht,

Hat unser Drei noch nie daran gedacht!

MEPHISTOPHELES:

Wie sollt' es auch? da ihr, der Welt entruckt,

Hier niemand seht und niemand euch erblickt.

Da mu?tet ihr an solchen Orten wohnen,

Wo Pracht und Kunst auf gleichem Sitze thronen,

Wo jeden Tag, behend, im Doppelschritt,

Ein Marmorblock als Held ins Leben tritt.

Wo - +

PHORKYADEN:

Schweige still und gib uns kein Gelusten!

Was hulf' es uns, und wenn wir's besser wu?ten?


In Nacht geboren, Nachtlichem verwandt,

Beinah uns selbst, ganz allen unbekannt.

MEPHISTOPHELES:

In solchem Fall hat es nicht viel zu sagen,

Man kann sich selbst auch andern ubertragen.

Euch dreien gnugt ein Auge, gnugt ein Zahn;

Da ging' es wohl auch mythologisch an,

In zwei die Wesenheit der drei zu fassen,

Der Dritten Bildnis mir zu uberlassen,

Auf kurze Zeit. +

EINE:

Wie dunkt's euch? ging' es an?

DIE ANDERN:

Versuchen wir's! - doch ohne Aug' und Zahn.

MEPHISTOPHELES:

Nun habt ihr grad das Beste weggenommen;

Wie wurde da das strengste Bild vollkommen!

EINE:

Druck du ein Auge zu, 's ist leicht geschehn,


La? alsofort den einen Raffzahn sehn,

Und im Profil wirst du sogleich erreichen,

Geschwisterlich vollkommen uns zu gleichen.

MEPHISTOPHELES:

Viel Ehr'! Es sei! +

PHORKYADEN:

Es sei! +

MEPHISTOPHELES:

Da steh' ich schon,

DesChaos vielgeliebter Sohn!

PHORKYADEN:

Des Chaos Tochter sind wir unbestritten.

MEPHISTOPHELES:

Man schilt mich nun, o Schmach, Hermaphroditen.

PHORKYADEN:

Im neuen Drei der Schwestern welche Schone!

Wir haben zwei der Augen, zwei der Zahne.

MEPHISTOPHELES:

Vor aller Augen mu? ich mich verstecken,

Im Hollenpfuhl die Teufel zu erschrecken.

Felsbuchten des agaischen Meers

SIRENEN:

Haben sonst bei nachtigem Grauen

Dich thessalische Zauberfrauen

Frevelhaft herabgezogen,

Blicke ruhig von dem Bogen

Deiner Nacht auf Zitterwogen

Mildeblitzend Glanzgewimmel

Und erleuchte das Getummel,

Das sich aus den Wogen hebt!

Dir zu jedem Dienst erbotig,

Schone Luna, sei uns gnadig!

NEREIDEN UND TRITONEN:

Tonet laut in scharfern Tonen,

Die das breite Meer durchdrohnen,

Volk der Tiefe ruft fortan!

Vor des Sturmes grausen Schlunden

Wichen wir zu stillsten Grunden,


Holder Sang zieht uns heran.

Seht, wie wir im Hochentzucken

Uns mit goldenen Ketten schmucken,

Auch zu Kron' und Edelsteinen

Spang- und Gurtelschmuck vereinen!

Alles das ist eure Frucht.

Schatze, scheiternd hier verschlungen,

Habt ihr uns herangesungen,

Ihr Damonen unsrer Bucht.

SIRENEN:

Wissen's wohl, in Meeresfrische

Glatt behagen sich die Fische,

Schwanken Lebens ohne Leid;

Doch, ihr festlich regen Scharen,

Heute mochten wir erfahren,

Da? ihr mehr als Fische seid.

NEREIDEN UND TRITONEN:

Ehe wir hieher gekommen,

Haben wir's zu Sinn genommen;


Schwestern, Bur*der, jetzt geschwind!

Heut bedarf's der kleinsten Reise

Zum vollgultigsten Beweise,

Da? wir mehr als Fische sind.

SIRENEN:

Fort sind sie im Nu!

Nach Samothrace grade zu,

Verschwunden mit gunstigem Wind.

Was denken sie zu vollfuhren

Im Reiche der hohen Kabiren?

Sind Gotter! Wundersam eigen,

Die sich immerfort selbst erzeugen

Und niemals wissen, was sie sind.

Bleibe auf deinen Hohn,

Holde Luna, gnadig stehn,

Da? es nachtig verbleibe,

Uns der Tag nicht vertreibe!

THALES:

Ich fuhrte dich zum alten Nereus gern;


Zwar sind wir nicht von seiner Hohle fern,

Doch hat er einen harten Kopf,

Der widerwartige Sauertopf.

Das ganze menschliche Geschlecht

Macht's ihm, dem Griesgram, nimmer recht.

Doch ist die Zukunft ihm entdeckt,

Dafur hat jedermann Respekt

Und ehret ihn auf seinemPosten;

Auch hat er manchem wohlgetan.

HOMUNCULUS:

Probieren wir's und klopfen an!

Nicht gleich wird's Glas und Flamme kosten.

NEREUS:

Sind's Menschenstimmen, die mein Ohr vernimmt?

Wie es mir gleich im tiefsten Herzen grimmt!

Gebilde, strebsam, Gotter zu erreichen,

Und doch verdammt, sich immer selbst zu gleichen.

Seit alten Jahren konnt' ich gottlich ruhn,

Doch trieb mich's an, den Besten wohlzutun;


Und schaut' ich dann zuletzt vollbrachte Taten,

So war es ganz, als hatt' ich nicht geraten.

THALES:

Und doch, o Greis des Meers, vertraut man dir;

Du bist der Weise, treib uns nicht von hier!

Schau diese Flamme, menschenahnlich zwar,

Sie deinem Rat ergibt sich ganz und gar.

NEREUS:

Was Rat! Hat Rat bei Menschen je gegolten?

Ein kluges Wort erstarrt im harten Ohr.

So oft auch Tat sich grimmig selbst gescholten,

Bleibt doch das Volk selbstwillig wie zuvor.

Wie hab' ich Paris vaterlich gewarnt,

Eh sein Gelust ein fremdes Weib umgarnt.

Am griechischen Ufer stand er kuhnlich da,

Ihm kundet' ich, was ich im Geiste sah:

Die Lufte qualmend, uberstromend Rot,

Gebalke gluhend, unten Mord und Tod:

Trojas Gerichtstag, rhythmisch festgebannt,


Jahrtausenden so schrecklich als gekannt.

Des Alten Wort, dem Frechen schien's ein Spiel,

Er folgte seiner Lust, und Ilios fiel -

Ein Riesenleichnam, starr nach langer Qual,

Des Pindus Adlern gar willkommnes Mahl.

Ulyssen auch! sagt' ich ihm nicht voraus

Der Circe Listen, des Zyklopen Graus?

Das Zaudern sein, der Seinen leichten Sinn,

Und was nicht alles! Bracht' ihm das Gewinn?

Bis vielgeschaukelt ihn, doch spat genug,

Der Woge Gunst an gastlich Ufer trug.

THALES:

Dem weisen Mann gibt solch Betragen Qual;

Der gute doch versucht es noch einmal.

Ein Quentchen Danks wird, hoch ihn zu vergnugen,

Die Zentner Undanks vollig uberwiegen.

Denn nichts Geringes haben wir zu flehn:

Der Knabe da wunscht weislich zu entstehn.

NEREUS:


Verderbt mir nicht den seltensten Humor!

Ganz andres steht mir heute noch bevor:

Die Tochter hab' ich alle herbeschieden,

Die Grazien des Meeres, die Doriden.

Nicht der Olymp, nicht euer Boden tragt

Ein schon Gebild, das sich so zierlich regt.

Sie werfen sich,anmutigster Gebarde,

Vom Wasserdrachen auf Neptunus' Pferde,

Dem Element aufs zarteste vereint,

Da? selbst der Schaum sie noch zu heben scheint.

Im Farbenspiel von Venus' Muschelwagen

Kommt Galatee, die Schonste, nun getragen,

Die, seit sich Kypris von uns abgekehrt,

In Paphos wird als Gottin selbst verehrt.

Und so besitzt die Holde lange schon,

Als Erbin, Tempelstadt und Wagenthron.

Hinweg! Es ziemt in Vaterfreudenstunde

Nicht Ha? dem Herzen, Scheltwort nicht dem Munde.

Hinweg zu Proteus! Fragt den Wundermann:

Wie man entstehn und sich verwandlen kann.

THALES:

Wir haben nichts durch siesen Schritt gewonnen,

Trifft man auch Proteus, gleich ist er zerronnen;

Und steht er euch, so sagt er nur zuletzt,

Was staunen macht und in Verwirrung setzt.

Du bist einmal bedurftig solchen Rats,

Versuchen wir's und wandlen unsres Pfads!

SIRENEN:

Was sehen wir von weiten

Das Wellenreich durchgleiten?

Als wie nach Windes Regel

Anzogen wei?e Segel,

So hell sind sie zu schauen,

Verklarte Meeresfrauen.

La?t uns herunterklimmen,

Vernehmt ihr doch die Stimmen.

NEREIDEN UND TRITONEN:

Was wir auf Handen tragen,

Soll allen euch behagen.

Chelonens Riesenschilde

Entglanzt ein streng Gebilde:

Sind Gotter, die wir bringen;

Mu?t hohe Lieder singen.

SIRENEN:

Klein von Gestalt,

Gro? von Gewalt,

Der Scheiternden Retter,

Uralt verehrte Gotter.

NEREIDEN UND TRITONEN:

Wir bringen die Kabiren,

Ein friedlich Fest zu fuhren;

Denn wo sie heilig walten,

Neptun wird freundlich schalten.

SIRENEN:

Wir stehen euch nach;

Wenn ein Schiff zerbrach,

Unwiderstehbar an Kraft

Schutzt ihr die Mannschaft.

NEREIDEN UND TRITONEN:

Drei haben wir mitgenommen,

Der vierte wollte nicht kommen;

Er sagte, er sei der Rechte,

Der fur sie alle dachte.

SIRENEN:

Ein Gott den andern Gott

Macht wohl zu Spott.

Ehrt ihr alle Gnaden,

Furchtet jeden Schaden.

NEREIDEN UND TRITONEN:

Sind eigentlich ihrer sieben.

SIRENEN:

Wo sind die drei geblieben?

NEREIDEN UND TRITONEN:

Wir wu?ten's nicht zu sagen,

Sind im Olymp zu erfragen;

Dort west auch wohl der achte,

An den noch niemand dachte!

In Gnaden uns gewartig,

Doch alle noch nicht fertig.

Diese Unvergleichlichen

Wollen immer weiter,

Sehnsuchtsvolle Hungerleider

Nach dem Unerreichlichen.

SIRENEN:

Wir sind gewohnt,

Wo es auch thront,

In Sonn' und Mond

Hinzubeten; es lohnt.

NEREIDEN UND TRITONEN:

Wie unser Ruhm zum hochsten prangt,

Dieses Fest anzufuhren!

SIRENEN:

Die Helden des Altertums

Ermangeln des Ruhms,

Wo und wie er auch prangt,

Wenn sie das goldne Vlies erlangt,

Ihr die Kabiren.

Wenn sie das goldne Vlies erlangt,

Wir die Kabiren. +

Ihr

HOMUNCULUS:

Die Ungestalten seh' ich an

Als irden-schlechte Topfe,

Nun sto?en sich die Weisen dran

Und brechen harte Kopfe.

THALES:

Das ist es ja, was man begehrt:

Der rost macht erst die Munze wert.

PROTEUS:

So etwas freut mich alten Fabler!

Je wunderlicher, desto respektabler.

THALES:

Wo bist du, Proteus? +

PROTEUS:

Hier! und hier!

THALES:

Den alten Scherz verzeih' ich dir;

Doch einem Freund nicht eitle Worte!

Ich wei?, du sprichst vom falschen Orte.

PROTEUS:

Leb' wohl! +

THALES:

Er ist ganz nah. Nun leuchte frisch!

Er ist neugierig wie ein Fisch;

Und wo er auch gestaltet stockt,

Durch Flammen wird er hergelockt.

HOMUNCULUS:

Ergie?'ich gleich des Lichtes Menge,

Bescheiden doch, da? ich das Glas nicht sprenge.

PROTEUS:

Was leuchtet so anmutig schon?

THALES:

Gut! Wenn du Lust hast, kannst du's naher sehn.

Die kleine Muhe la? dich nicht verdrie?en

Und zeige dich auf menschlich beiden Fu?en.

Mit unsern Gunsten sei's, mit unserm Willen,

Wer schauen will, was wir verhullen.

PROTEUS:

Weltweise Kniffe sind dir noch bewu?t.

THALES:

Gestalt zu wechseln, bleibt noch deine Lust.

PROTEUS:

Ein leuchtend Zwerglein! Niemals noch gesehn!

THALES:

Es fragt um Rat und mochte gern entstehn.

Er ist, wie ich von ihm vernommen,

Gar wundersam nur halb zur Welt gekommen.

Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften,

Doch gar zu sehr am greiflich Tuchtighaften.

Bis jetzt gibt ihm das Glas allein Gewicht,

Doch war' er gern zunachst verkorperlicht.

PROTEUS:

Du bist ein wahrer Jungfernsohn,

Eh' du sein solltest, bist du schon!

THALES:

Auch scheint es mir von andrer Seite kritisch:

Er ist, mich dunkt, hermaphroditisch.

PROTEUS:

Da mu? es desto eher glucken;

So wie er anlangt, wird sich's schicken.

Doch gilt es hier nicht viel Besinnen:

Im weiten Meere mu?t du anbeginnen!

Da fangt man erst im kleinen an

Und freut sich, Kleinste zu verschlingen,

Man wachst so nach und nach heran

Und bildet sich zu hoherem Vollbringen.

HOMUNCULUS:

Hier weht gar eine weiche Luft,

Es grunelt so, und mir behagt der Duft!

PROTEUS:

Das glaub' ich, allerliebster Junge!

Und weiter hin wird's viel behaglicher,

Auf dieser schmalen Strandeszunge

Der Dunstkreis noch unsaglicher;

Da vorne sehen wir den Zug,

Der eben herschwebt, nah genug.

Kommt mit dahin! +

THALES:

Ich gehe mit.

HOMUNCULUS:

Dreifach merkwurd'ger Geisterschritt!

CHOR:

Wir haben den Dreizack Neptunen geschmiedet,

Womit er die regesten Wellen begutet.

Entfaltet der Donnrer die Wolken, die vollen,

Entgegnet Neptunus dem greulichen Rollen;

Und wie auch von oben es zackig erblitzt,

Wird Woge nach Woge von unten gespritzt;

Und was auch dazwischen in angsten gerungen,

Wird, lange geschleudert, vom Tiefsten verschlungen;

Weshalb er uns heute den Zepter gereicht -

Nun schweben wir festlich, beruhigt und leicht.

SIRENEN:

Euch, dem Helios Geweihten,

Heitern Tags Gebenedeiten,

Gru? zur Stunde, die bewegt

Lunas Hochverehrung regt!

TELCHINEN:

Allieblichste Gottin am Bogen da droben!

Du horst mit Entzucken den Bruder beloben.

Der seligen Rhodus verleihst du ein Ohr,

Dort steigt ihm ein ewiger Paan hervor.

Beginnt er den Tagslauf und ist es getan,

Er blickt uns mit feurigem Strahlenblick an.

Die Berge, die Stadte, die Ufer, die Welle

Gefallen dem Gotte, sind lieblich und helle.

Kein Nebel umschwebt uns, und schleicht er sich ein,

Ein Strahl und ein Luftchen, die Insel ist rein!

Da schaut sich der Hohe in hundert Gebilden,

Als Jungling, als Riesen, den gro?en, den milden.

Wir ersten, wir waren's, die Gottergewalt

Aufstellten in wurdiger Menschengestalt.

PROTEUS:

La? du sie singen, la? sie prahlen!

Der Sonne heiligen Lebestrahlen

Sind tote Werke nur ein Spa?.

Das bildet, schmelzend, unverdrossen;

Und haben sie's in Erz gegossen,

Dann denken sie, es ware was.

Was ist's zuletzt mit diesen Stolzen?

Die Gotterbilder standen gro? -

Zerstorte sie ein Erdesto?;

Langst sind sie wieder eingeschmolzen.

Das Erdetreiben, wie's auch sei,

Ist immer doch nur Plackerei;

Dem Leben frommt die Welle besser;

Dich tragt ins ewige Gewasser

PROTEUS-DELPHIN:

Schon ist's getan!

Da soll es dir zum schonsten glucken:

Ich nehme dich auf meinen Rucken,

Vermahle dich dem Ozean.

THALES:

Gib nach dem loblichen Verlangen,

Von vorn die Schopfung anzufangen!

Zu raschem Wirken sei bereit!

Da regst du dich nach ewigen Normen,

Durch tausend, abertausend Formen,

Und bis zum Menschen hast du Zeit.

PROTEUS:

Komm geistig mit in feuchte Weite,

Da lebst du gleich in Lang' und Breite,

Beliebig regest du dich hier;

Nur strebe nicht nach hoheren Orden:

Denn bist du erst ein Mensch geworden,

Dann ist es vollig aus mit dir.

THALES:

Nachdem es kommt; 's ist auch wohl fein,

Ein wackrer Mann zu seiner Zeit zu sein.

PROTEUS:

So einer wohl von deinem Schlag!

Das halt noch eine Weile nach;

Denn unter bleichen Geisterscharen

Seh' ich dich schon seit vielen hundret Jahern.

SIRENEN:

Welch ein Ring von Wolkchen rundet

Um den Mond so reichen Kreis?

Tauben sind es, liebentzundet,

Fittiche, wie Licht so wei?.

Paphos hat sie hergesendet,

Ihre brunstige Vogelschar;

Unser Fest, es ist vollendet,

Heitre Wonne voll und klar!

NEREUS:

Nennte wohl ein nachtiger Wanderer

Diesen Mondhof Lufterscheinung;

Doch wir Geister sind ganz anderer

Und der einzig richtigen Meinung:

Tauben sind es, die begleiten

Meiner Tochter Muschelfahrt,

Wunderflugs besondrer Art,

Angelernt vor alten Zeiten.

THALES:

Auch ich halte das furs Beste,

Was dem wackern Mann gefallt,

Wenn im stillen, warmen Neste

Sich ein Heiliges lebend halt.

PSYLLEN UND MARSEN:

In Cyperns rauhen Hohlegruften,

Vom Meergott nicht verschuttet,

Vom Seismos nicht zerruttet,

Umweht von ewigen Luften,

Und, wie in den altesten Tagen,

In stillbewu?tem Behagen

Bewahren wir Cypriens Wagen

Und fuhren, beim Sauseln der Nachte,

Durch liebliches Wellengeflechte,

Unsichtbar dem neuen Geschlechte,

Die lieblichste Tochter heran.

Wir leise Geschaftigen scheuen

Weder Adler noch geflugelten Leuen,

Weder Kreuz noch Mond,

Wie es oben wohnt und thront,

Sich wechselnd wegt und regt,

Sich vertreibt und totschlagt,

Saaten und Stadte niederlegt.

Wir, so fortan,

Bringen die lieblichste Herrin heran.

SIRENEN:

Leicht bewegt, in ma?iger Eile,

Um den Wagen, Kreis um Kreis,

Bald verschlungen Zeil' an Zeile,

Schlangenartig reihenweis,

Naht euch, rustige Nereiden,

Derbe Fraun, gefallig wild,


Bringet, zartliche Doriden,

Galateen, der Mutter Bild:

Ernst, den Gottern gleich zu schauen,

Wurdiger Unsterblichkeit,

Doch wie holde Menschenfrauen

Lockender Anmutigkeit.

DORIDEN:

Leih uns, Luna, Licht und Schatten,

Klarheit diesem Jugendflor!

Denn wir zeigen liebe Gatten

Unserm Vater bittend vor.

Knaben sind's, die wir gerettet

Aus der Brandung grimmem Zahn,

Sie, auf Schilf und Moos gebettet,

Aufgewarmt zum Licht heran,

Die es nun mit hei?en Kussen

Treulich uns verdanken mussen;

Schau die Holden gunstig an!

NEREUS:


Hoch ist der Doppelgewinn zu schatzen:

Barmherzig sein, und sich zugleich ergetzen.

DORIDEN:

Lobst du, Vater, unser Walten,

Gonnst uns wohlerworbene Lust,

La? uns fest, unsterblich halten

Sie an ewiger Jungendbrust.

NEREUS:

Mogt euch des schonen Fanges freuen,

Den Jungling bildet euch als Mann;

Allein ich konnte nicht verleihen,

Was Zeus allein gewahren kann.

Die Welle, die euch wogt und schaukelt,

La?t auch der Liebe nicht Bestand,

Und hat die Neigung ausgegaukelt,

So setzt gemachlich sie ans Land.

DORIDEN:

Ihr, holde Knaben, seid uns wert,

Doch mussen wir traurig scheiden;


Wir haben ewige Treue begehrt,

Die Gotter wollen's nicht leiden.

DIE JUNGLINGE:

Wenn ihr uns nur so ferner labt,

Uns wackre Schifferknaben;

Wir haben's nie so gut gehabt

Und wollen's nicht besser haben.

NEREUS:

Du bist es, mein Liebchen! +

GALATEE:

O Vater! das Gluck!

Delphine, verweilet! mich fesselt der Blick.

NEREUS:

Voruber schon, sie ziehen voruber

In kreisenden Schwunges Bewegung;

Was kummert sie die innre herzliche Regung!

Ach, nahmen sie mich mit hinuber!

Doch ein einziger Blick ergetzt,

Da? er das ganze Jahr ersetzt,


THALES:

Heil! Heil! aufs neue!

Wie ich mich bluhend freue,

VomSchonen, Wahren durchdrungen...

Alles ist aus dem Wasser entsprungen!!

Alles wird durch das Wasser erhalten!

Ozean, gonn uns dein ewiges Walten.

Wenn du nicht Wolken sendetest,

Nicht reiche Bache spendetest,

Hin und her nicht Flusse wendetest,

Die Strome nicht vollendetest,

Was waren Gebirge, was Ebnen und Welt?

Du bist's der das frischeste Leben erhalt.

ECHO:

Du bist's, dem das frischeste Leben entquellt.

NEREUS:

Sie kehren schwankend fern zuruck,

Bringen nicht mehr Blick zu Blick;

In gedehnten Kettenkreisen,


Sich festgema? zu erweisen,

Windet sich die unzahlige Schar.

Aber Galateas Muschelthron

Seh' ich schon und aber schon.

Er glanzt wie ein stern

Durch die Menge.

Geliebtes leuchtet durchs Gedrange!

Auch noch so fern

Schimmert's hell und klar,

Immer nah und wahr.

HOMUNCULUS:

In dieser holden Feuchte

Was ich auch hier beleuchte,

Ist alles reizend schon.

PROTEUS:

In dieser Lebensfeuchte

Erglanzt erst deine Leuchte

Mit herrlichem Geton.

NEREUS:


Welch neues Geheimnis in Mitte der Scharen

Will unseren Augen sich offengebaren?

Was flammt um die Muschel, um Galatees Fu?e?

Bald lodert es machtig, bald lieblich, bald su?e,

Als war' es von Pulsen der Liebe geruhrt.

THALES:

Homunculus ist es, von Proteus verfuhrt...

Es sind die Symptome des herrischen Sehnens,

Mir ahnet das achzen beangsteten Drohnens;

Er wird sich zerschellen am glanzenden Thron;

Jetzt flammt es, nun blitzt es, ergie?et sich schon.

SIRENEN:

Welch feuriges Wunder verklart uns die Wellen,

Die gegeneinander sich funkelnd zerschellen?

So leuchtet's und schwanket und hellet hinan:

Die Korper, sie gluhen auf nachtlicher Bahn,

Und ringsum ist alles vom Feuer umronnen;

So herrsche denn Eros, der alles begonnen!

Heil dem Meere! Heil den Wogen,


Von dem heilgen Feuer umzogen!

Heil dem Wasser! Heil dem Feuer!

Heil dem seltnen Abenteuer!

ALL-ALLE:

Heil den mildgewogenen Luften!

Heil geheimnisreichen Gruften!

Hochgefeiert seid allhier,

Element' ihr alle vier!

3. Akt - Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta

HELENA:

Bewundert viel und viel gescholten, Helena,

Vom Strande komm' ich, wo wir erst gelandet sind,

Noch immer trunken von des Gewoges regsamem

Geschaukel, das vom phrygischen Blachgefild uns her

Auf straubig-hohem Rucken, durch Poseidons Gunst

Und Euros' Kraft, in vaterlandische Buchten trug.

Dort unten freuet nun der Konig Menelas

Der Ruckkehr samt den tapfersten seiner Krieger sich.

Du aber hei?e mich willkommen, hohes Haus,

Das Tyndareos, mein Vater, nah dem Hange sich

Von Pallas' Hugel wiederkehrend aufgebaut

Und, als ich hier mit Klytamnestren schwesterlich,

Mit Kastor auch und Pollux frohlich spielend wuchs,

Vor allen Hausern Spartas herrlich ausgeschmuckt.

Gegru?et seid mir, der ehrnen Pforte Flugel ihr!

Durch euer gastlich ladendes Weit-Eroffnen einst

Geschah's, da? mir, erwahlt aus vielen, Menelas

In Brautigamsgestalt entgegenleuchtete.

Eroffnet mir sie wieder, da? ich ein Eilgebot

Des Konigs treu erfulle, wie der Gattin ziemt.

La?t mich hinein! und alles bleibe hinter mir,

Was mich umstrurmte bis hieher, verhangnisvoll.

Denn seit ich diese Schwelle sorgenlos verlie?,

Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gema?,

Mich aber dort ein Rauber griff, der phrygische,

Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit

So gern erzahlen, aber der nicht gerne hort,

Von dem die Sage wachsend sich zum Marchen spann.

CHOR:


Verschmahe nicht, o herrliche Frau,

Des hochsten Gutes Ehrenbesitz!

Denn das gro?te Gluck ist dir einzig beschert,

Der Schonheit Ruhm, der vor allen sich hebt.

Dem Helden tont sein Name voran,

Drum schreitet er stolz;

Doch beugt sogleich hartnackigster Mann

Vor der allbezwingenden Schone den Sinn.

HELENA:

Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft

Und nun von ihm zu seiner Stadt voraugesandt;

Doch welchen Sinn er hegen mag, errat' ich nicht.

Komm' ich als Gattin? komm' ich eine Konigin?

Komm' ich ein Opfer fur des Fursten bittern Schmerz

Und fur der Griechen lang' erduldetes Mi?geschick?

Erobert bin ich; ob gefangen, wei? ich nicht!

Denn Ruf und Schicksal bestimmten fuwahr die Unsterblichen

Zweideutig mir, der Schongestalt bedenkliche

Begleiter, die an dieser Schwelle mir sogar

Mit duster drohender Gegenwart zur Seite stehn.

Denn schon im hohlen Schiffe blickte mich der Gemahl

Nur selten an, auch sprach er kein erquicklich Wort.

Als wenn er Unheil sanne, sa? er gegen mir.

Nun aber, als des Eurotas tiefem Buchtgestad

Hinangefahren der vordern Schiffe Schnabel kaum

Das Land begru?ten, sprach er, wie vom Gott bewegt:

"Hier steigen meine Krieger nach der Ordnung aus,

Ich mustere sie, am Strand des Meeres hingereiht;

Du aber ziehe weiter, ziehe des heiligen

Eurotas fruchtbegabtem Ufer immer auf,

Die Rosse lenkend auf der feuchten Wiese Schmuck,

Bis da? zur schonen Ebene du gelangen magst,

Wo Lakedamon, einst ein fruchtbar weites Feld,

Von ernsten Bergen nah umgeben, angebaut.

Betrete dann das hochgeturmte Furstenhaus

Und mustere mir die Magde, die ich dort zuruck

Gelassen, samt der klugen alten Schaffnerin.

Die zeige dir der Schatze reiche Sammlung vor,

Wie sie dein Vater hinterlie? und die ich selbst


In Krieg und Frieden, stets vermehrend, aufgehauft.

Du findest alles nach der Ordnung stehen; denn

Das ist des Fursten Vorrecht, da? er alles treu

In seinem Hause, wiederkehrend, finde, noch

An seinem Platze jedes, wie er's dort verlie?.

Denn nichts zu andern hat fur sich der Knecht Gewalt."

CHOR:

Erquicke nun am herrlichen Schatz,

Dem stets vermehrten, Augen und Brust!

Denn der Kette Zier, der Krone Geschmuck,

Da ruhn sie stolz, und sie dunken sich was;

Doch tritt nur ein und fordre sie auf,

Sie rusten sich schnell.

Mich freuet, zu sehn Schonheit in dem Kampf

Gegen Gold und Perlen und Edelgestein.

HELENA:

Sodann erfolgte des Herren ferneres Herrscherwort:

"Wenn du nun alles nach der Ordnung durchgesehn,

Dann nimm so manchen Dreifu?, als du notig glaubst,


Und mancherlei Gefa?e, die der Opfer sich

Zur Hand verlangt, vollziehend heiligen Festgebrauch.

Die Kessel, auch die Schalen, wie das flache Rund;

Das reinste Wasser aus der heiligen Quelle sei

In hohen Krugen; ferner auch das trockne Holz,

Der Flammen schnell empfanglich, halte da bereit;

Ein wohlgeschliffnes Messer fehle nicht zuletzt;

Doch alles andre geb' ich deiner Sorge hin."

So sprach er, mich zum Scheiden drangend; aber nichts

Lebendigen Atems zeichnet mir der Ordnende,

Das er, die Olympier zu verehren, schlachten will.

Bedenklich ist es; doch ich sorge weiter nicht,

Und alles bleibe hohen Gottern heimgestellt,

Die das vollenden, was in ihrem Sinn sie deucht,

Es moge gut von Menschen oder moge bos

Geachtet sein; die Sterblichen, wir ertragen das.

Schon manchmal hob das schwere Beil der Opfernde

Zu deserdgebeugten Tieres Nacken weihend auf

Und konnt' es nicht vollbringen, denn ihn hinderte

Des nahen Feindes oder Gottes Zwischenkunft.

CHOR:

Was geschehen werde, sinnst du nicht aus;

Konigin, schreite dahin

Guten Muts!

Gutes und Boses kommt

Unerwartet dem Menschen;

Auch verkundet, glauben wir's nicht.

Brannte doch Troja, sahen wir doch

Tod vor Augen, schmahlichen Tod;

Und sind wir nicht hier

Dir gesellt, dienstbar freudig,

Schauen des Himmels blendende Sonne

Und das Schonste der Erde

Huldvoll, dich, uns Glucklichen?

HELENA:

Sei's wie es sei! Was auch bevorsteht, mir geziemt,

Hinaufzusteigen ungesaumt in das Konigshaus,

Das, lang' entbehrt und viel ersehnt und fast verscherzt,

Mir abermals vor Augen steht, ich wei? nicht wie.

Die Fu?e tragen mich so mutig nicht empor

Die hohen Stufen, die ich kindisch ubersprang.

CHOR:

Werfet, o Schwestern, ihr

Traurig gefangenen,

Alle Schmerzen ins Weite;

Teilet der Herrin Gluck,

Teilet Helenens Gluck,

Welche zu Vaterhauses Herd,

Zwar mit spat zuruckkehrendem,

Aber mit desto festerem

Fu?e freudig herannaht.

Preiset die heiligen,

Glucklich herstellenden

Und heimfuhrenden Gotter!

Schwebt der Entbundene

Doch wie auf Fittichen

uber das Rauhste, wenn umsonst

Der Gefangene sehnsuchtsvoll


uber die Zinne des Kerkers hin

Armausbreitend sich abharmt.

Aber sie ergriff ein Gott,

Die Entfernte;

Und aus Ilios' Schutt

Trug er hierher sie zuruck

In das alte, das neugeschmuckte

Vaterhaus,

Nach unsaglichen

Freuden und Qualen,

Fruher Jugendzeit

Angefrischt zu gedenken.

PANTHALIS:

Verlasset nun des Gesanges freudumgebnen Pfad

Und wendet nach der Ture Flugeln euren Blick!

Was seh' ich, Schwestern? Kehret nicht die Konigin

Mit heftigen Schrittes Regung wieder zu uns her?

Was ist es, gro?e Konigin, was konnte dir

In deines Hauses Hallen, statt der Deinen Gru?,

Erschutterndes begegnen? Du verbirgst es nicht;

Denn Widerwillen seh' ich an der Stirne dir,

Ein edles Zurnen, das mit uberraschung kampft.

HELENA:

Der Tochter Zeus' geziemet nicht gemeine Furcht,

Und fluchtig-leise Schreckenshand beruhrt sie nicht;

Doch das Entsetzen, das, dem Scho? der alten Nacht

Von Urbeginn entsteigend, vielgestaltet noch

Wie gluhende Wolken aus des Berges Feuerschlund

Herauf sich walzt, erschuttert auchdes Helden Brust.

So haben heute grauenvoll die Stygischen

Ins Haus den Eintritt mir bezeichnet, da? ich gern

Von oft betretner, langersehnter Schwelle mich,

Entla?nem Gaste gleich, entfernend scheiden mag.

Doch nein! gewichen bin ich her ans Licht, und sollt

Ihr weiter nicht mich treiben, Machte, wer ihr seid.

Auf Weihe will ich sinnen, dann gereinigt mag

Des Herdes Glut die Frau begru?en wie den Herrn.

CHORFUHRERIN:

Entdecke deinen Dienerinnen, edle Frau,

Die dir verehrend beistehn, was begegnet ist.

HELENA:

Was ich gesehen, sollt ihr selbst mit Augen sehn,

Wenn ihr Gebilde nicht die alte Nacht sogleich

Zuruckgeschlungen in ihrer Tiefe Wunderscho?.

Doch da? ihr's wisset, sag' ich's euch mit Worten an:

Als ich des Konigshauses ernsten Binnenraum,

Der nachsten Pflicht gedenkend, feierlich betrat,

Erstaunt' ich ob der oden Gange Schweigsamkeit,

Nicht Schall der emsig Wandelnden begegnete

Dem Ohr, nicht raschgeschaftiges Eiligtun dem Blick,

Und keine Magd erschien mir, keine Schaffnerin,

Die jeden Fremden freundlich sonst begru?enden.

Als aber ich dem Scho?e des Herdes mich genaht,

Da sah ich, bei verglommner Asche lauem Rest,

Am Boden sitzen welch verhulltes gro?es Weib,

Der Schlafenden nicht vergleichbar, wohl der Sinnenden.

Mit Herrscherworten ruf' ich sie zur Arbeit auf,

Die Schaffnerin mir vermutend, die indes vielleicht


Des Gatten Vorsicht hinterlassend angestellt;

Doch eingefaltet sitzt die Unbewegliche;

Nur endlich ruhrt sie auf mein Draun den rechten Arm,

Als wiese sie von Herd und Halle mich hinweg.

Ich wende zurnend mich ab von ihr und eile gleich

Den Stufen zu, worauf empor der Thalamos

Geschmuckt sich hebt und nah daran das Schatzgemach;

Allein das Wunder rei?t sich schnell vom Boden auf,

Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich

In hagrer Gro?e, hohlen, blutig-truben Blicks,

Seltsamer Bildung, wie sie Aug' und Geist verwirrt.

Doch red' ich in die Lufte; denn das Wort bemuht

Sich nur umsonst, Gestalten schopferisch aufzubaun.

Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich ans Licht hervor!

Hier sind wir Meister, bis der Herr und Konig kommt.

Die grausen Nachtgeburten drangt der Schonheitsfreund

Phobus hinweg in Hohlen, oder bandigt sie.

CHOR:

Vieles erlebt' ich, obgleich die Locke

Jugendlich wallet mir um die Schlafe!

Schreckliches hab' ich vieles gesehen,

Kriegrischen Jammer, Ilios' Nacht,

Als es fiel.

Durch das umwolkte, staubende Tosen

Drangender Krieger hort' ich die Gotter

Furchterlich rufen, hort' ich der Zwietracht

Eherne Stimme schallen durchs Feld,

Mauerwarts.

Ach! sie standen noch, Ilios'

Mauern, aber die Flammenglut

Zog vom Nachbar zum Nachbar schon,

Sich verbreitend von hier und dort

Mit des eignen Sturmes Wehn

uber die nachtliche Stadt hin.

Fluchtend sah ich durch Rauch und Glut

Und der zungelnden Flamme Loh'n

Gra?lich zurnender Gotter Nahn,

Schreitend Wundergestalten

Riesengro?, durch dusteren


Feuerumleuchteten Qualm hin.

Sah ich's, oder bildete

Mir der angstumschlungene Geist

Solches Verworrene? sagen kann

Nimmer ich's, doch da? ich dies

Gra?liche hier mit Augen schau',

Solches gewi? ja wei? ich;

Konnt' es mit Handen fassen gar,

Hielte von dem Gefahrlichen

Nicht zurucke die Furcht mich.

Welche von Phorkys'

Tochtern nur bist du?

Denn ich vergleiche dich

Diesem Geschlechte.

Bist du vielleicht der graugebornen,

Eines Auges und eines Zahns

Wechselsweis teilhaftigen

Graien eine gekommen?

Wagest du Scheusal

Neben der Schonheit

Dich vor dem Kennerblick

Phobus' zu zeigen?

Tritt du dennoch hervor nur immer;

Denn das Ha?liche schaut er nicht,

Wie sein heilig Auge noch

Nie erblickte den Schatten.

Doch uns Sterbliche notigt, ach,

Leider trauriges Mi?geschick

Zu dem unsaglichen Augenschmerz,

Den das Verwerfliche, Ewig-Unselige

Schonheitliebenden rege macht.

Ja, so hore denn, wenn du frech

Uns entgegenest, hore Fluch,

Hore jeglicher Schelte Drohn

Aus dem verwunschenden Munde der Glucklichen,

Die von Gottern gebildet sind.

PHORKYAS:

Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn,

Da? Scham und Schonheit nie zusammen, Hand in Hand,


Den Weg verfolgen uber der Erde grunen Pfad.

Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Ha?,

Da?, wo sie immer irgend auch des Weges sich

Begegnen, jede der Gernerin den Rucken kehrt.

Dann eilet jede wieder heftiger, weiter fort,

Die Scham betrubt, die Schonheit aber frech gesinnt,

Bis sie zuletzt des Orkus hohle Nacht umfangt,

Wenn nicht das Alter sie vorher gebandigt hat.

Euch find' ich nun, ihr Frechen, aus der Fremde her

Mit ubermut ergossen, gleich der Kraniche

Laut-heiser klingendem Zug, der uber unser Haupt,

In langer Wolke, krachzend sein Geton herab

Schickt, das den stillen Wandrer uber sich hinauf

Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin,

Er geht den seinen; also wird's mit uns geschehn.

Wer seid denn ihr, da? ihr des Koniges Hochpalast

Manadisch wild, Betrunknen gleich, umtoben durft?

Wer seid ihr denn, da? ihr des Hauses Schaffnerin

Entgegenheulet, wie dem Mond der Hunde Schar?

Wahnt ihr, verborgen sei mir, welch Geschlecht ihr seid,

Du kriegerzeugte, schlachterzogne junge Brut?

Mannlustige du, so wie verfuhrt verfuhrende,

Entnervend beide, Kriegers auch und Burgers Kraft!

Zu Hauf euch sehend, scheint mir ein Zikadenschwarm

Herabzusturzen, deckend grune Feldersaat.

Verzehrerinnen fremden Flei?es! Naschende

Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr!

Erobert', marktverkauft', vertauschte Ware du!

HELENA:

Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt,

Der Gebietrin Hausrecht tastet er vermessen an;

Denn ihr gebuhrt allein, das Lobenswurdige

Zu ruhmen, wie zu strafen, was verwerflich ist.

Auch bin des Dienstes ich wohl zufrieden, den sie mir

Geleistet, als die hohe Kraft von Ilios

Umlagert stand und fiel und lag; nicht weniger,

Als wir der Irrfahrt kummervolle Wechselnot

Ertrugen, wo sonst jeder sich der Nachste bleibt.

Auch hier erwart' ich Gleiches von der muntern Schar;


Nicht, was der Knecht sei, fragt der Herr, nur, wie er dient.

Drum schweige du und grinse sie nicht langer an.

Hast du das Haus des Konigs wohl verwahrt bisher

Anstatt der Hausfrau, solches dient zum Ruhme dir;

Doch jetzo kommt sie selber, tritt nun du zuruck,

Damit nicht Strafe werde statt verdienten Lohns.

PHORKYAS:

Den Hausgenossen drohen bleibt ein gro?es Recht,

Das gottbegluckten Herrschers hohe Gattin sich

Durch langer Jahre weise Leitung wohl verdient.

Da du, nun Anerkannte, neu den alten Platz

Der Konigin und Hausfrau wiederum betrittst,

So fasse langst erschlaffte Zugel, herrsche nun,

Nimm in Besitz den Schatz und samtlich uns dazu.

Vor allem aber schutze mich, die altere,

Vor dieser Schar, die neben deiner Schonheit Schwan

Nur schlecht befitticht', schnatterhafte Ganse sind.

CHORFUHRERIN:

Wie ha?lich neben Schonheit zeigt sich Ha?lichkeit.


PHORKYAS:

Wie unverstandig neben Klugheit Unverstand.

CHORETIDE 1:

Von Vater Erebus melde, melde von Mutter Nacht.

PHORKYAS:

So sprich von Scylla, leiblich dir Geschwisterkind.

CHORETIDE 2:

An deinem Stammbaum steigt manch Ungeheur empor.

PHORKYAS:

Zum Orkus hin! da suche deine Sippschaft auf.

CHORETIDE 3:

Die dorten wohnen, sind dir alle viel zu jung.

PHORKYAS:

Tiresias, den Alten, gehe buhlend an.

CHORETIDE 4:

Orions Amme war dir Ur-Urenkelin.

PHORKYAS:

Harpyen, wahn' ich, futterten dich im Unflat auf.

CHORETIDE 5:

Mit was ernahrst du so gepflegte Magerkeit?

PHORKYAS:

Mit Blute nicht, wonach du allzulustern bist.

CHORETIDE 6:

Begierig du auf Leichen, ekle Leiche selbst!

PHORKYAS:

Vampyren-Zahne glanzen dir im frechen Maul.

CHORFUHRERIN:

Das deine stopf' ich, wenn ich sage, wer du seist.

PHORKYAS:

So nenne dich zuerst; das Ratsel hebt sich auf.

HELENA:

Nicht zurnend, aber traurend schreit' ich zwischen euch,

Verbietend solchen Wechselstreites Ungestum!

Denn Schadlicheres begegnet nichts dem Herrscherherrn

Als treuer Diener heimlich unterschworner Zwist.

Das Echo seiner Befehle kehrt alsdann nicht mehr

In schnell vollbrachter Tat wohlstimmig ihm zuruck,

Nein, eigenwillig brausend tost es um ihn her,

Den selbstverirrten, ins Vergebne scheltenden.

Dies nicht allein. Ihr habt in sittelosem Zorn

Unsel'ger Bilder Schreckgestalten hergebannt,

Die mich umdrangen, da? ich selbst zum Orkus mich

Gerissen fuhle, vaterland'scher Flur zum Trutz.

Ist's wohl Gedachtnis? war es Wahn, der mich ergreift?

War ich das alles? Bin ich's? Werd' ich's kunftig sein,

Das Traum- und Schreckbild jener Stadteverwustenden?

Die Madchen schaudern, aber du, die alteste,

Du stehst gelassen; rede mir verstandig Wort.

PHORKYAS:

Wer langer Jahre mannigfaltigen Glucks gedenkt,

Ihm scheint zuletzt die hochste Gottergunst ein Traum.

Du aber, hochbegunstigt sonder Ma? und Ziel,

In Lebensreihe sahst nur Liebesbrunstige,

Entzundet rasch zum kuhnsten Wagstuck jeder Art.

Schon Theseus haschte fruh dich, gierig aufgeregt,

Wie Herakles stark, ein herrlich schon geformter Mann.

HELENA:

Entfuhrte mich, ein zehenjahrig schlankes Reh,

Und mich umschlo? Aphidnus' Burg in Attika.

PHORKYAS:

Durch Kastor und durch Pollux aber bald befreit,

Umworben standst du ausgesuchter Heldenschar.

HELENA:

Doch stille Gunst vor allen, wie ich gern gesteh',

Gewann Patroklus, er, des Peliden Ebenbild.

PHORKYAS:

DochVaterwille traute dich an Menelas,

Den kuhnen Seedurchstreicher, Hausbewahrer auch.

HELENA:

Die Tochter gab er, gab des Reichs Bestellung ihm.

Aus ehlichem Beisein spro?te dann Hermione.

PHORKYAS:

Doch als er fern sich Kretas Erbe kuhn erstritt,

Dir Einsamen da erschien ein allzuschoner Gast.

HELENA:

Warum gedenkst du jener halben Witwenschaft,

Und welch Verderben gra?lich mir daraus erwuchs?

PHORKYAS:

Auch jene Fahrt, mir freigebornen Kreterin

Gefangenschaft erschuf sie, lange Sklaverei.

HELENA:

Als Schaffnerin bestellt' er dich sogleich hieher,

Vertrauend vieles, Burg und kuhn erworbnen Schatz.

PHORKYAS:

Die du verlie?est, Ilios' umturmter Stadt

Und unerschopften Liebesfreuden zugewandt.

HELENA:

Gedenke nicht der Freuden! allzuherben Leids

Unendlichkeit ergo? sich uber Brust und Haupt.

PHORKYAS:

Doch sagt man, du erschienst ein doppelhaft Gebild,

In Ilios gesehen und in agypten auch.

HELENA:

Verwirre wusten Sinnes Aberwitz nicht gar.

Selbst jetzo, welche denn ich sei, ich wei? es nicht.

PHORKYAS:

Dann sagen sie: aus hohlem Schattenreich herauf

Gesellte sich inbrunstig noch Achill zu dir!

Dich fruher liebend gegen allen Geschicks Beschlu?.

HELENA:

Ich als Idol, ihm dem Idol verband ich mich.

Es war ein Traum, so sagen ja die Worte selbst.

Ich schwinde hin und werde selbst mir ein Idol.

CHOR:

Schweige, schweige!

Mi?blickende, Mi?redende du!

Aus so gra?lichen einzahnigen

Lippen, was enthaucht wohl

Solchem furchtbaren Greuelschlund!

Denn der Bosartige, wohltatig erscheinend,

Wolfesgrimm unter schafwolligem Vlies,

Mir ist er weit schrecklicher als des drei-+

kopfigen/ Hundes Rachen.

angstlich lauschend stehn wir da:

Wann? wie? wo nur bricht's hervor,

Solcher Tucke

Tiefauflauerndes Ungetum?

Nun denn, statt freundlich mit Trost reich begabten,

Letheschenkenden, holdmildesten Worts

Regest du auf aller Vergangenheit

Bosestes mehr denn Gutes

Und verdusterst allzugleich

Mit dem Glanz der Gegenwart

Auch der Zukunft

Mild aufschimmerndes Hoffnungslicht.

Schweige, schweige!

Da? der Konigin Seele,

Schon zu entfliehen bereit,

Sich noch halte, festhalte

Die Gestalt aller Gestalten,

Welche die Sonne jemals beschien.

PHORKYAS:

Tritt hervor aus fluchtigen Wolken, hohe Sonne dieses Tags,


Die verschleiert schon entzuckte, blendend nun im Glanze herrscht.

Wie die Welt sich dir entfaltet, schaust du selbst mit holdem Blick.

Schelten sie mich auch fur ha?lich, kenn' ich doch das Schone wohl.

HELENA:

Tret' ich schwankend aus der ode, die im Schwindel mich umgab,

Pflegt' ich gern der Ruhe wieder, denn so mud' ist mein Gebein:

Doch es ziemet Koniginnen, allen Menschen ziemt es wohl,

Sich zu fassen, zu ermannen, was auch drohend uberrascht.

PHORKYAS:

Stehst du nun in deiner Gro?heit, deiner Schone vor uns da,

Sagt dein Blick, da? du befiehlest; was befiehlst du? sprich es aus.

HELENA:

Eures Haders frech Versaumnis auszugleichen, seid bereit;

Eilt, ein Opfer zu bestellen, wie der Konig mir gebot.

PHORKYAS:

Alles ist bereit im Hause, Schale, Dreifu?, scharfes Beil,

Zum Besprengen, zum Berauchern; das zu Opfernde zeig' an!

HELENA:

Nicht bezeichnet' es der Konig. +


PHORKYAS:

Sprach's nicht aus? O Jammerwort!

HELENA:

Welch ein Jammer uberfallt dich? +

PHORKYAS:

Konigin, du bist gemeint!

HELENA:

Ich? +

PHORKYAS:

Und diese. +

CHOR:

Weh und Jammer! +

PHORKYAS:

Fallen wirst du durch das Beil.

HELENA:

Gra?lich doch geahnt; ich Arme! +

PHORKYAS:

Unvermeidlich scheint es mir.

CHOR:

Ach! Und uns? + was wird begegnen?

PHORKYAS:

Sie stirbt einen edlen Tod;

Doch am hohen Balken drinnen, der des Daches Giebel tragt,

Wie im Vogelfang die Drosseln, zappelt ihr der Reihe nach.

PHORKYAS:

Gespenster! - Gleich erstarrten Bildern steht ihr da,

Geschreckt, vom Tag zu scheiden, der euch nicht gehort.

Die Menschen, die Gespenster samtlich gleich wie ihr,

Entsagen auch nicht willig hehrem Sonnenschein;

Doch bittet oder rettet niemand sie vom Schlu?;

Sie wissen's alle, wenigen doch gefallt es nur.

Genug, ihr seid verloren! Also frisch ans Werk.

Herbei, du dustres, kugelrundes Ungetum!

Walzt euch hieher, zu schaden gibt es hier nach Lust.

Dem Tragaltar, dem goldgehornten, gebet Platz,

Das Beil, es liege blinkend uber dem Silberrand,

Die Wasserkruge fullet, abzuwaschen gibt's

Des schwarzen Blutes greuelvolle Besudelung.

Den Teppich breitet kostlich hier am Staube hin,

Damit das Opfer niederkniee koniglich

Und eingewickelt, zwar getrennten Haupts sogleich,

Anstandig wurdig aber doch bestattet sei.

CHORFUHRERIN:

Die Konigin stehet sinnend an der Seite hier,

Die Madchen welken gleich gemahtem Wiesengras;

Mir aber deucht, der altesten, heiliger Pflicht gema?,

Mit dir das Wort zu wechseln, Ur-Uralteste.

Du bist erfahren, weise, scheinst uns gut gesinnt,

Obschon verkennend hirnlos diese Schar dich traf.

Drum sage, was du moglich noch von Rettung wei?t.

PHORKYAS:

Ist leicht gesagt: von der Konigin hangt allein es ab,

Sich selbst zu erhalten, euch Zugaben auch mit ihr.

Entschlossenheit ist notig und die behendeste.

CHOR:

Ehrenwurdigste der Parzen, weiseste Sibylle du,

Halte gesperrt die goldene Schere, dann verkund' uns Tag und Heil;

Denn wir fuhlen schon im Schweben, Schwanken, Bammeln unergetzlich

Unsere Gliederchen, die lieber erst im Tanze sich ergetzten,

Ruhten drauf an Liebchens Brust.

HELENA:

La? diese bangen! Schmerz empfind' ich, keine Furcht;

Doch kennst du Rettung, dankbar sei sie anerkannt.

Dem Klungen, Weitumsichtigen zeigt furwahr sich oft

Unmogliches noch als moglich. Sprich und sag' es an.

CHOR:

Sprich und sage, sag uns eilig: wie entrinnen wir den grausen,

Garstigen Schlingen, die bedrohlich, als die schlechtesten Geschmeide,

Sich um unsre Halse ziehen? Vorempfinden wir's, die Armen,

Zum Entatmen, zum Ersticken, wenn du, Rhea, aller Gotter

Hohe Mutter, dich nicht erbarmst.

PHORKYAS:

Habt ihr Geduld, des Vortrags langgedehnten Zug

Still anzuhoren? Mancherlei Geschichten sind's.

CHOR:

Geduld genug! Zuhorend leben wir indes.

PHORKYAS:

Dem, der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt

Und hoher Wohnung Mauern auszukitten wei?,

Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang,

Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch;

Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht

Mit fluchtigen Sohlen uberschreitet freventlich,

Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz,

Doch umgeandert alles, wo nicht gar zerstort.

HELENA:

Wozu dergleichen wohlbekannte Spruche hier?

Du willst erzahlen; rege nicht an Verdrie?liches.

PHORKYAS:

Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs.

Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht,

Gestad' und Inseln, alles streift' er feindlich an,

Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt.

Vor Ilios verbracht' er langer Jahre zehn;

Zur Heimfahrt aber wei? ich nicht wie viel es war.

Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos'

Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher?

HELENA:

Ist dir denn so das Schelten ganzlich einverleibt,

Da? ohneTadeln du keine Lippe regen kannst?

PHORKYAS:

So viele Jahre stand verlassen das Talgebrig,

Das hinter Sparta nordwarts in die Hohe steigt,

Taygetos im Rucken, wo als muntrer Bach

Herab Eurotas rollt und dann, durch unser Tal

An Rohren breit hinflie?end, eure sChwane nahrt.

Dort hinten still im Gebirgtal hat ein kuhn Geschlecht

Sich angesiedelt, dringend aus cimmerischer Nacht,

Und unersteiglich feste Burg sich aufgeturmt,

Von da sie Land und Leute placken, wie's behagt.

HELENA:

Das konnten sie vollfuhren? Ganz unmoglich scheint's.

PHORKYAS:

Sie hatten Zeit, vielleicht an zwanzig Jahre sind's.

HELENA:

Ist einer Herr? sind's Rauber viel, verbundete?

PHORKYAS:

Nicht Rauber sind es, einer aber ist der Herr.

Ich schelt' ihn nicht, und wenn er schon mich heimgesucht.

Wohl konnt' er alles nehmen, doch begnugt' er sich

Mit wenigen Freigeschenken, nannt' er's, nicht Tribut.

HELENA:

Wie sieht er aus? +

PHORKYAS:

Nicht ubel! mir gefallt er schon.

Es ist ein munterer, kecker, wohlgebildeter,

Wie unter Griechen wenig', ein verstand'ger Mann.

Man schilt das Volk Barbaren, doch ich dachte nicht,

Da? grausam einer ware, wie vor Ilios

Gar mancher Held sich menschenfresserisch erwies.

Ich acht' auf seine Gro?heit, ihm vertraut' ich mich.

Und seine Burg! die solltet ihr mit Augen sehn!

Das ist was anderes gegen plumpes Mauerwerk,

Das eure Vater, mir nichts dir nichts, aufgewalzt,

Zyklopisch wie Zyklopen, rohen Stein sogleich

Auf rohe Steine sturzend; dort hingegen, dort

Ist alles senk- und waagerecht und regelhaft.

Von au?en schaut sie! himmelan sie strebt empor,

So starr, so wohl in Fugen, spiegelglatt wie Stahl.

Zu klettern hier - ja selbst der Gedanke gleitet ab.

Und innen gro?er Hofe Raumgelasse, rings

Mit Baulichkeit umgeben, aller Art und Zweck.

Da seht ihr Saulen, Saulchen, Bogen, Bogelchen,

Altane, Galerien, zu schauen aus und ein,

Und Wappen. +

CHOR:

Was sind Wappen? +

PHORKYAS:

Ajax fuhrte ja

Geschlungene Schlang' im Schilde, wie ihr selbst gesehn.

Die Sieben dort vor Theben trugen Bildnerein

Ein jeder auf seinem Schilde, reich bedeutungsvoll.

Da sah man Mond und Stern' am nachtigen Himmelsraum,

Auch Gottin, Held und Leiter, Schwerter, Fackeln auch,

Und was Bedrangliches gutenStadten grimmig droht.

Ein solch Gebilde fuhrt auch unsre Heldenschar

Von seinen Ur-Urahnen her in Farbenglanz.

Da seht ihr Lowen, Adler, Klau' und Schnabel auch,

Dann Buffelhorner, Flugel, Rosen, Pfauenschweif,

Auch Streifen, gold und schwarz und silbern, blau und rot.

Dergleichen hangt in Salen Reih' an Reihe fort.

In Salen, grenzenlosen, wie die Welt so weit;

Da konnt ihr tanzen! +

CHOR:

Sage, gibt's auch Tanzer da?

PHORKYAS:

Die besten! goldgelockte, frische Bubenschar.

Die duften Jugend! Paris duftete einzig so,

Als er der Konigin zu nahe kam. +

HELENA:

Du fallst

Ganz aus der Rolle; sage mir das letzte Wort!

PHORKYAS:

Du sprichst das letzte, sagst mit Ernst vernehmlich Ja!

Sogleich umgeb' ich dich mit jener Burg. +

CHOR:

O sprich

Das kurze Wort und rette dich und uns zugleich!

HELENA:

Wie? sollt' ich furchten, da? der Konig Menelas

So grausam sich verginge, mich zu schadigen?

PHORKYAS:

Hast du vergessen, wie er deinen Deiphobus,

Des totgekampften = paris Bruder, unerhort

Verstummelte, der starrsinnig Witwe dich erstritt

Und glucklich kebste? Nas' und Ohren schnitt er ab

Und stummelte mehr so: Greuel war es anzuschaun.

HELENA:

Das tat er jenem, meinetwegen tat er das.

PHORKYAS:

Um jenes willen wird er dir das gleiche tun.

Unteilbar ist die Schonheit; der sie ganz besa?,

Zerstort sie lieber, fluchend jedem Teilbesitz.

Wie scharf der Trompete Schmettern Ohr und Eingeweid'

Zerrei?end anfa?t, also krallt sich Eifersucht

Im Busen fest des Mannes, der das nie vergi?t,

Was einst er besa? und nun verlor, nicht mehr besitzt.

CHOR:

Horst du nicht die Horner schallen? siehst der Waffen Blitze nicht?

PHORKYAS:

Sei willkommen, Herr und Konig, gerne geb' ich Rechenschaft.

CHOR:

Aber wir? +

PHORKYAS:

Ihr wi?t es deutlich, seht vor Augen ihren Tod,

Merkt den eurigen da drinne: nein, zu helfen ist euch nicht.

HELENA:

Ich sann mir aus das Nachste, was ich wagen darf.

Ein Widerdamon bist du, das empfind' ich wohl

Und furchte, Gutes wendest du zum Bosen um.

Vor allem aber folgen will ich dir zur Burg;

Das andre wei? ich; was die Konigin dabei

Im tiefen Busengeheimnisvoll verbergen mag,

Sei jedem unzuganglich. Alte, geh voran!

CHOR:

O wie gern gehen wir hin,

Eilenden Fu?es;

Hinter uns Tod,

Vor uns abermals

Ragender Feste

Unzugangliche Mauer.

Schutze sie ebenso gut,

Eben wie Ilios' Burg,

Die doch endlich nur

Niedertrachtiger List erlag.

Wie? aber wie?

Schwestern, schaut euch um!

Was es nicht heiterer Tag?


Nebel schwanken streifig empor

Aus Eurotas' heil'ger Flut;

Schon entschwand das liebliche

Schilfumkranzte Gestade dem Blick;

Auch die frei, zierlich-stolz

Sanfthingleitenden Schwane

In gesell'ger Schwimmlust

Seh' ich, ach, nicht mehr!

Doch, aber doch

Tonen hor' ich sie,

Tonen fern heiseren Ton!

Tod verkundenden, sagen sie.

Ach da? uns er nur nicht auch,

Statt verhei?ener Rettung Heil,

Untergang verkunde zuletzt;

Uns, den Schwangleichen, Lang-+

Schon-Wei?halsigen,/ und ach!

Unsrer Schwanerzeugten.

Weh uns, weh, weh!

Alles deckte sich schon

Rings mit Nebel umher.

Sehen wir doch einander nicht!

Was geschieht? gehen wir?

Schweben wir nur

Trippelnden Schrittes am Boden hin?

Siehst du nichts? Schwebt nicht etwa gar

Hermes voran? Blinkt nicht der goldne Stab

Heischend, gebietend uns wieder zuruck

Zu dem unerfreulichen, grautagenden,

Ungreifbarer Gebilde vollen,

uberfullten, ewig leeren Hades?

Ja auf einmal wird es duster, ohne Glanz entschwebt der Nebel

Dunkelgraulich, mauerbraunlich. Mauern stellen sich dem Blicke,

Freiem Blicke starr entgegen. Ist's ein Hof? ist's tiefe Grube?

Schauerlich in jedem Falle! Schwestern, ach! wir sind gefangen,

So gefangen wie nur je.

Innerer Burghof

CHORFUHRERIN:

Vorschnell und toricht, echt wahrhaftes Weibsgebild!


Vom Augenblick abhangig, Spiel der Witterung,

Des Glucks und Unglucks! Keins von beiden wi?t ihr je

Zu bestehn mit Gleichmut. Eine widerspricht ja stets

Der andern heftig, uberquer die andern ihr;

In Freud' und Schmerz nur heult und lacht ihr gleichen Tons.

Nun schweigt! und wartet horchend, was die Herrscherin

Hochsinnig hier beschlie?en mag fur sich und uns.

HELENA:

Wo bist du, Pythonissa? hei?e, wie du magst;

Aus diesen Gewolben tritt hervor der dustern Burg.

Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn

Mich anzukundigen, Wohlempfang bereitend mir,

So habe Dank und fuhre schnell mich ein zu ihm;

Beschlu? der Irrfahrt wunsch' ich.Ruhe wunsch' ich nur.

CHORFUHRERIN:

Vergebens blickst du, Konigin, allseits um dich her;

Verschwunden ist das leidige Bild, verblieb vielleicht

Im Nebel dort, aus dessen Busen wir hieher,

Ich wei? nicht wie, gekommen, schnell und sonder Schritt.


Vielleicht auch irrt sie zweifelhaft im Labyrinth

Der wundersam aus vielen einsgewordnen Burg,

Den Herrn erfragend furstlicher Hochbegru?ung halb.

Doch sieh, dort oben regt in Menge sich allbereits,

In Galerien, am Fenster, in Portalen rasch

Sich hin und her bewegend, viele Dienerschaft;

Vornehm-willkommnen Gastempfang verkundet es.

CHOR:

Aufgeht mir das Herz! o, seht nur dahin,

Wie so sittig herab mit verweilendem Tritt

Jungholdeste Schar anstandig bewegt

Den geregelten Zug. Wie! auf wessen Befehl

Nur erscheinen, gereiht und gebildet so fruh,

Von Junglingsknaben das herrliche Volk?

Was bewundr' ich zumeist? Ist es zierlicher Gang,

Etwa des Haupts Lockhaar um die blendende Stirn,

Etwa der Wanglein Paar, wie die Pfirsiche rot

Und eben auch so weichwollig beflaumt?

Gern biss' ich hinein, doch ich schaudre davor;

Denn in ahnlichem Fall, da erfullte der Mund

Sich, gra?lich zu sagen! mit Asche.

Aber die schonsten,

Sie kommen daher;

Was tragen sie nur?

Stufen zum Thron,

Teppich und Sitz,

Umhang und zelt-+

Artigen/ Schmuck;

uber uberwallt er,

Wolkenkranze bildend,

Unsrer Konigin Haupt;

Denn schon bestieg sie

Eingeladen herrlichen Pfuhl.

Tretet heran,

Stufe fur Stufe

Reihet euch ernst.

Wurdig, o wurdig, dreifach wurdig

Sei gesegnet ein solcher Empfang!

CHORFUHRERIN:


Wenn diesem nicht die Gotter, wie sie ofter tun,

Fur wenige Zeit nur wundernswurdige Gestalt,

Erhabnen Anstand, liebenswerte Gegenwart

Voruberganglich liehen, wird ihm jedesmal,

Was er beginnt, gelingen, sei's in Mannerschlacht,

So auch im kleinen Kriege mit den schonsten Fraun.

Er ist furwahr gar vielen andern vorzuziehn,

Die ich doch auch als hochgeschatzt mit Augen sah.

Mit langsam-ernstem, ehrfurchtsvoll gehaltnem Schritt

Seh' ich den Fursten; wende dich, o Konigin!

FAUST:

Statt feierlichsten Gru?es, wie sich ziemte,

Statt ehrfurchtsvollem Willkomm bring' ich dir

In Ketten hart geschlossen solchen Knecht,

Der, Pflicht verfehlend, mir die Pflicht entwand.

Hier kniee nieder, dieser hochsten Frau

Bekenntnis abzulegen deiner Schuld.

Dies ist, erhabne Herrscherin,der Mann,

Mit seltnem Augenblitz vom hohen Turm

Umherzuschaun bestellt, dort Himmelsraum

Und Erdenbreite scharf zu uberspahn,

Was etwa da und dort sich melden mag,

Vom Hugelkreis ins Tal zur festen Burg

Sich regen mag, der Herden Woge sei's,

Ein Heereszug vielleicht; wir schutzen jene,

Begegnen diesem. Heute, welch Versaumnis!

Du kommst heran, er meldet's nicht; verfehlt

Ist ehrenvoller, schuldigster Empfang

So hohen Gastes. Freventlich verwirkt

Das Leben hat er, lage schon im Blut

Verdienten Todes; doch nur du allein

Bestrafst, begnadigst, wie dir's wohlgefallt.

HELENA:

So hohe Wurde, wie du sie vergonnst,

Als Richterin, als Herrscherin, und war's

Versuchend nur, wie ich vermuten darf -

So ub' nun des Richters erste Pflicht,

Beschuldigte zu horen. Rede denn.

TURMWARTER LYNKEUS:

La? mich knieen, la? mich schauen,

La? mich sterben, la? mich leben,

Denn schon bin ich hingegeben

Dieser gottgegebnen Frauen.

Harrend auf des Morgens Wonne,

ostlich spahend ihren Lauf,

Ging auf einmal mir die Sonne

Wunderbar im Suden auf.

Zog den Blick nach jener Seite,

Statt der Schluchten, statt der Hohn,

Statt der Erd- und Himmelsweite

Sie, die Einzige, zu spahn.

Augenstrahl ist mir verliehen

Wie dem Luchs auf hochstem Baum;

Doch nun mu?t' ich mich bemuhen

Wie aus tiefem, dusterm Traum.

Wu?t' ich irgend mich zu finden?

Zinne? Turm? geschlo?nes Tor?

Nebel schwanken, Nebel schwinden,


Solche Gottin tritt hervor!

Aug' und Brust ihr zugewendet,

Sog ich an den milden Glanz;

Diese Schonheit, wie sie blendet,

Blendete mich Armen ganz.

Ich verga? des Wachters Pflichten,

Vollig das beschworne Horn;

Drohe nur, mich zu vernichten -

Schonheit bandigt allen Zorn.

HELENA:

Das ubel, das ich brachte, darf ich nicht

Bestrafen. Wehe mir! Welch streng Geschick

Verfolgt mich, uberall der Manner Busen

So zu betoren, da? sie weder sich

Noch sonst ein Wurdiges verschonten. Raubend jetzt,

Verfuhrend, fechtend, hin und her entruckend,

Halbgotter, Helden, Gotter, ja Damonen,

Sie fuhrten mich im Irren her und hin.

Einfach die Welt verwirrt' ich, dopplet mehr;

Nun dreifach, vierfach bring' ich Not auf Not.

Entferne diesen Guten, la? ihn frei;

Den Gottbetortentreffe keine Schmach.

FAUST:

Erstaunt, o Konigin, seh' ich zugleich

Die sicher Treffende, hier den Getroffnen;

Ich seh' den Bogen, der den Pfeil entsandt,

Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen,

Mich treffend. Allwarts ahn' ich uberquer

Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum.

Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir

Rebellisch die Getreusten, meine Mauern

Unsicher. Also furcht' ich schon, mein Heer

Gehorcht der siegend unbesiegten Frau.

Was bleibt mir ubrig, als mich selbst und alles,

Im Wahn des Meine, dir anheimzugeben?

Zu deinen Fu?en la? mich, frei und treu,

Dich Herrin anerkennen, die sogleich

Auftretend sich Besitz und Thron erwarb.

LYNKEUS:

Du siehst mich, Konigin, zuruck!

Der Reiche bettelt einen Blick,

Er sieht dich an und fuhlt sogleich

Sich bettelarm und furstenreich.

Was war ich erst? was bin ich nun?

Was ist zu wollen? was zu tun?

Was hilft der Augen scharfster Blitz!

Er prallt zuruck an deinem Sitz.

Von Osten kamen wir heran,

Und um den Westen war's getan;

Ein lang und breites Volksgewicht,

Der erste wu?te vom letzten nicht.

Der erste fiel, der zweite stand,

Des dritten Lanze war zur Hand;

Ein jeder hundertfach gestarkt,

Erschlagne Tausend unbemerkt.

Wir drangten fort, wir sturmten fort,

Wir waren Herrn von Ort zu Ort;

Und wo ich herrisch heut befahl,


Ein andrer morgen raubt' und stahl.

Wir schauten - elig war die Schau;

Der griff die allerschonste Frau,

Der griff den Stier von festem Tritt,

Die Pferde mu?ten alle mit.

Ich aber liebte, zu erspahn

Das Seltenste, was man gesehn;

Und was ein andrer auch besa?,

Das war fur mich gedorrtes Gras.

Den Schatzen war ich auf der Spur,

Den scharfen Blicken folgt' ich nur,

In alle Taschen blickt' ich ein,

Durchsichtig war mir jeder Schrein.

Und Haufen Goldes waren mein,

Am herrlichsten der Edelstein:

Nun der Smaragd allein verdient,

Da? er an deinem Herzen grunt.

Nun schwanke zwischen Ohr und Mund

Das Tropfenei aus Meeresgrund;

Rubinen werden gar verscheucht,

Das Wangenrot sie niederbleicht.

Und so den allergro?ten Schatz

Versetz' ich hier auf deinen Platz;

Zu deinen Fu?en seigebracht

Die Ernte mancher blut'gen Schlacht.

So viele Kisten schlepp' ich her,

Der Eisenkisten hab' ich mehr;

Erlaube mich auf deiner Bahn,

Und Schatzgewolbe full' ich an.

Denn du bestiegest kaum den Thron,

So neigen schon, so beugen schon

Verstand und Reichtum und Gewalt

Sich vor der einzigen Gestalt.

Das alles hielt ich fest und mein,

Nun aber, lose, wird es dein.

Ich glaubt' es wurdig, hoch und bar,

Nun seh' ich, da? es nichtig war.

Verschwunden ist, was ich besa?,

Ein abgemahtes, welkes Gras.


O gib mit einem heitern Blick

Ihm seinen ganzen Wert zuruck!

FAUST:

Entferne schnell die kuhn erworbne Last,

Zwar nicht getadelt, aber unbelohnt.

Schon ist Ihr alles eigen, was die Burg

Im Scho? verbirgt; Besondres Ihr zu bieten,

Ist unnutz. Geh und haufe Schatz auf Schatz

Geordnet an. Der ungesehnen Pracht

Erhabnes Bild stell' auf! La? die Gewolbe

Wie frische Himmel blinken, Paradiese

Von lebelosem Leben richte zu.

Voreilend ihren Tritten la? beblumt

An Teppich Teppiche sich walzen; ihrem Tritt

Begegne sanfter Boden; ihrem Blick,

Nur Gottliche nicht blendend, hochster Glanz.

LYNKEUS:

Schwach ist, was der Herr befiehlt,

Tut's der Diener, es ist gespielt:


Herrscht doch uber Gut und Blut

Dieser Schonheit ubermut.

Schon das ganze Heer ist zahm,

Alle Schwerter stumpf und lahm,

Vor der herrlichen Gestalt

Selbst die Sonne matt und kalt,

Vor dem Reichtum des Gesichts

Alles leer und alles nichts.

HELENA:

Ich wunsche dich zu sprechen, doch herauf

An meine Seite komm! Der leere Platz

Beruft den Herrn und sichert mir den meinen.

FAUST:

Erst knieend la? die treue Widmung dir

Gefallen, hohe Frau; die Hand, die mich

An deine Seite hebt, la? mich sie kussen.

Bestarke mich als Mitregenten deines

Grenzunbewu?ten Reichs, gewinne dir

Verehrer, Diener, Wachter all' in einem!


HELENA:

Vielfache Wunder seh' ich, hor' ich an,

Erstaunen trifft mich, fragen mocht' ich viel.

Doch wunscht' ich Unterricht, warum die Rede

Des Manns mir seltsam klang, seltsam und freundlich.

Ein Ton scheint sich dem andern zu bequemen,

Und hat ein Wort zum Ohre sich gesellt,

Ein andres kommt,dem ersten liebzukosen.

FAUST:

Gefallt dir schon die Sprechart unsrer Volker,

O so gewi? entzuckt auch der Gesang,

Befriedigt Ohr und Sinn im tiefsten Grunde.

Doch ist am sichersten, wir uben's gleich;

Die Wechselrede lockt es, ruft's hervor.

HELENA:

So sage denn, wie sprech' ich auch so schon?

FAUST:

Das ist gar leicht, es mu? von Herzen gehn.

Und wenn die Brust von Sehnsucht uberflie?t,


Man sieht sich um und fragt - +

HELENA:

Wer mitgenie?t.

FAUST:

Nun schaut der Geist nicht vorwarts, nicht zuruck,

Die Gegenwart allein - +

HELENA:

ist unser Gluck.

FAUST:

Schatz ist sie, Hochgewinn, Besitz und Pfand;

Bestatigung, wer gibt sie? +

HELENA:

Meine Hand.

CHOR:

Wer verdacht' es unsrer Furstin,

Gonnet sie dem Herrn der Burg

Freundliches Erzeigen?

Denn gesteht, samtliche sind wir

Ja Gefangene, wie schon ofter


Seit dem schmahlichen Untergang

Ilios' und der angstlich-+

labyrinthischen/ Kummerfahrt.

Fraun, gewohnt an Mannerliebe,

Wahlerinnen sind sie nicht,

Aber Kennerinnen.

Und wie goldlockigen Hirten

Vielleicht schwarzborstigen Faunen,

Wie es bringt die Gelegenheit,

uber die schwellenden Glieder

Vollerteilen sie gleiches Recht.

Nah und naher sitzen sie schon

An einander gelehnet,

Schulter an Schulter, Knie an Knie,

Hand in Hand wiegen sie sich

uber des Throns

Aufgepolsterter Herrlichkeit.

Nicht versagt sich die Majestat

Heimlicher Freuden

Vor den Augen des Volkes

ubermutiges Offenbarsein.

HELENA:

Ich fuhle mich so fern und doch so nah,

Und sage nur zu gern: Da bin ich! da!

FAUST:

Ich atme kaum, mir zittert, stockt das Wort;

Es ist ein Traum, verschwunden Tag und Ort.

HELENA:

Ich scheine mir verlebt und doch so neu,

In dich verwebt, dem Unbekannten treu.

FAUST:

Durchgruble nicht das einzigste Geschick!

Dasein ist Pflicht, und war's ein Augenblick.

PHORKYAS:

Buchstabiert in Liebesfibeln,

Tandelnd grubelt nur am Liebeln,

Mu?ig liebelt fort im Grubeln,

Doch dazu ist keine Zeit.

Fuhlt ihr nicht ein dumpfes Wettern?

Hort nur die Trompete schmettern,

Das Verderben ist nicht weit.

Menelas mit Volkeswogen

Kommt auf euch herangezogen;

Rustet euch zu herbem Streit!

Von der Siegerschar umwimmelt,

Wie Deiphobus verstummelt,

Bu?est du das Fraungeleit.

Bammelt erst die leichte Ware,

Dieser gleich ist am Altare

Neugeschliffnes Beil bereit.

FAUST:

Verwegne Storung! widerwartig dringt sie ein;

Auch nicht in Gefahren mag ich sinnlos Ungestum.

Den schonsten Boten, Unglucksbotschaft ha?licht ihn;

Du Ha?lichste gar, nur schlimme Botschaft bringst du gern.

Doch diesmal soll dir's nicht geraten: leeren Hauchs

Erschuttere du die Lufte. Hier ist nicht Gefahr,

Und selbst Gefahr erschiene nur als eitles Draun.


FAUST:

Nein, gleich sollst du versammelt schauen

Der Helden ungetrennten Kreis:

Nur der verdient die Gunst der Frauen,

Der kraftigst sie zu schutzen wei?.

Mit angehaltnem stillen Wuten,

Das euch gewi? den Sieg verschafft,

Ihr, Nordens jugendliche Bluten,

Ihr, Ostens blumenreiche Kraft.

In Stahl gehullt, vom Strahl umwittert,

Die Schar, die Reich um Reich zerbrach,

Sie treten auf, die Erde schuttert,

Sie schreiten fort, es donnert nach.

An Pylos traten wir zu Lande,

Der alte Nestor ist nicht mehr,

Und alle kleinen Konigsbande

Zersprengt das ungebundne Heer.

Drangt ungesaumt von diesen Mauern

Jetzt Menelas dem Meer zuruck;

Dort irren mag er, rauben, lauern,

Ihm war es Neigung und Geschick.

Herzoge soll ich euch begru?en,

Gebietet Spartas Konigin;

Nun legt ihr Berg und Tal zu Fu?en,

Und euer sei des Reichs Gewinn.

Germane du! Korinthus' Buchten

Verteidige mit Wall und Schutz!

Achaia dann mit hundert Schluchten

Empfehl' ich, Gote, deinem Trutz.

Nach Elis ziehn der Franken Heere,

Messene sei der Sachsen Los,

Normanne reinige die Meere

Und Argolis erschaff' er gro?.

Dann wird ein jeder hauslich wohnen,

Nach au?en richten Kraft und Blitz;

Doch Sparta soll euch uberthronen,

Der Konigin verjahrter Sitz.

All-einzeln sieht sie euch genie?en

Des Landes, dem kein Wohl gebricht;


Ihr sucht getrost zu ihren Fu?en

Bestatigung und Recht und Licht.

CHOR:

Wer die Schonste fur sich begehrt,

Tuchtig vor allen Dingen

Seh' er nach Waffen weise sich um;

Schmeichelnd wohl gewann er sich,

Was auf Erden das Hochste;

Aber ruhig besitzt er's nicht:

Schleicher listig entschmeicheln sie ihm,

Rauber kuhnlich entrei?en sie ihm;

Dieses zuhinderen, sei er bedacht.

Unsern Fursten lob' ich drum,

Schatz' ihn hoher vor andern,

Wie er so tapfer klug sich verband,

Da? die Starken gehorchend stehn,

Jedes Winkes gewartig.

Seinen Befehl vollziehn sie treu,

Jeder sich selbst zu eignem Nutz

Wie dem Herrscher zu lohnendem Dank,

Beiden zu hochlichem Ruhmesgewinn.

Denn wer entrei?et sie jetzt

Dem gewalt'gen Besitzer?

Ihm gehort sie, ihm sei sie gegonnt,

Doppelt von uns gegonnt, die er

Samt ihr zugleich innen mit sicherster Mauer,

Au?en mit machtigstem Heer umgab.

FAUST:

Die Gaben, diesen hier verliehen -

An jeglichen ein reiches Land - ,

Sind gro? und herrlich; la? sie ziehen!

Wir halten in der Mitte stand.

Und sie beschutzen um die Wette,

Ringsum von Wellen angehupft,

Nichtinsel dich, mit leichter Hugelkette

Europens letztem Bergast angeknupft.

Das Land, vor aller Lander Sonnen,

Sei ewig jedem Stamm begluckt,

Nun meiner Konigin gewonnen,


Das fruh an ihr hinaufgeblickt,

Als mit Eurotas' Schilfgefluster

Sie leuchtend aus der Schale brach,

Der hohen Mutter, dem Geschwister

Das Licht der Augen uberstach.

Dies Land, allein zu dir gekehret,

Entbietet seinen hochsten Flor;

Dem Erdkreis, der dir angehoret,

Dein Vaterland, o zieh es vor!

Und duldet auch auf seiner Berge Rucken

Das Zackenhaupt der Sonne kalten Pfeil,

La?t nun der Fels sich angegrunt erblicken,

Die Ziege nimmt genaschig kargen Teil.

Die Quelle springt, vereinigt sturzen Bache,

Und schon sind Schluchten, Hange, Matten grun.

Auf hundert Hugeln unterbrochner Flache

Siehst Wollenherden ausgebreitet ziehn.

Verteilt, vorsichtig abgemessen schreitet

Gehorntes Rind hinan zum jahen Rand;

Doch Obdach ist den samtlichen bereitet,

Zu hundert Hohlen wolbt sich Felsenwand.

Pan schutzt sie dort, und Lebensnymphen wohnen

In buschiger Klufte feucht erfrischtem Raum,

Und sehnsuchtsvoll nach hohern Regionen

Erhebt sich zweighaft Baum gedrangt an Baum.

Alt-Walder sind's! Die Eiche starret machtig,

Und eigensinnig zackt sich Ast an Ast;

Der Ahorn mild, von su?em Safte trachtig,

Steigt rein empor und spielt mit seiner Last.

Und mutterlich im stillen Schattenkreise

Quillt laue Milch bereit fur Kind und Lamm;

Obst ist nicht weit, der Ebnen reife Speise,

Und Honig trieft vom ausgehohltenStamm.

Hier ist das Wohlbehagen erblich,

Die Wange heitert wie der Mund,

Ein jeder ist an seinem Platz unsterblich:

Sie sind zufrieden und gesund.

Und so entwickelt sich am reinen Tage

Zu Vaterkraft das holde Kind.


Wir staunen drob; noch immer bleibt die Frage:

Ob's Gotter, ob es Menschen sind?

So war Apoll den Hirten zugestaltet,

Da? ihm der schonsten einer glich;

Denn wo Natur im reinen Kreise waltet,

Ergreifen alle Welten sich.

So ist es mir, so ist es dir gelungen;

Vergangeheit sei hinter uns getan!

O fuhle dich vom hochsten Gott entsprungen,

Der ersten Welt gehorst du einzig an.

Nicht feste Burg soll dich umschreiben!

Noch zirkt in ewiger Jugendkraft

Fur uns, zu wonnevollem Bleiben,

Arkadien in Spartas Nachbarschaft.

Gelockt, auf sel'gem Grund zu wohnen,

Du fluchtetest ins heiterste Geschick!

Zur Laube wandeln sich die Thronen,

Arkadisch frei sei unser Gluck!

Szene 42

PHORKYAS:

Wie lange Zeit die Madchen schlafen, wei? ich nicht;

Ob sie sich traumen lie?en, was ich hell und klar

Vor Augen sah, ist ebenfalls mir unbekannt.

Drum weck' ich sie. Erstaunen soll das junge Volk;

Ihr Bartigen auch, die ihr da drunten sitzend harrt,

Glaubhafter Wunder Losung endlich anzuschaun.

Hervor! hervor! Und schuttelt eure Locken rasch!

Schlaf aus den Augen! Blinzt nicht so und hort mich an!

CHOR:

Rede nur, erzahl', erzahle, was sich Wunderlichs begeben!

Horen mochten wir am liebsten, was wir gar nicht glauben konnen;

Denn wir haben Langeweile, diese Felsen anzusehn.

PHORKYAS:

Kaum die Augen ausgerieben, Kinder, langeweilt ihr schon?

So vernehmt: in diesen Hohlen, diesen Grotten, diesen Lauben

Schutz und Schirmung war verliehen, wie idyllischem Liebespaare,

Unserm Herrn und unsrer Frauen. +

CHOR:

Wie, da drinnen? +

PHORKYAS:

Abgesondert

Von der Welt, nur mich, die eine, riefen sie zu stillem Dienste.

Hochgeehrt stand ich zur Seite, doch, wie es Vertrauten ziemet,

Schaut' ich um nach etwas andrem. Wendete mich hier- und dorthin,

Suchte Wurzeln, Moos und Rinden, kundig aller Wirksamkeiten,

Und so blieben sie allein.

CHOR:

Tust du doch, als ob da drinnen ganze Weltenraume waren,

Wald und Wiese, Bache, Seen; welche Marchen spinnst du ab!

PHORKYAS:

Allerdings, ihr Unerfahrnen! das sind unerforschte Tiefen:

Saal an Salen, Hof an Hofen, diese spurt' ich sinnend aus.

Doch auf einmal ein Gelachter echot in den Hohlenraumen;

Schau' ich hin, da springt ein Knabe von der Frauen Scho? zum Manne,

Von dem Vater zu der Mutter; das Gekose, das Getandel,

Toriger Liebe Neckereien, Scherzgeschrei und Lustgejauchze

Wechselnd ubertauben mich.

Nackt, ein Genius ohne Flugel, faunenartig ohne Tierheit,

Springt er auf den festen Boden; doch der Boden gegenwirkend

Schnellt ihn zu der luft'gen Hohe, und im zweiten, dritten Sprunge

Ruhrt er an das Hochgewolb.

angstlich ruft die Mutter: Springe wiederholt und nach Belieben,

Aber hute dich, zu fliegen, freier Flug ist dir versagt.

Und so mahnt der treue Vater: In der Erde liegt die Schnellkraft,

Die dich aufwarts treibt; beruhre mit der Zehe nur den Boden,

Wie der Erdensohn Antaus bist du alsobald gestarkt.

Und so hupft er auf die Masse dieses Felsens, von der Kante

Zu dem andern und umher, so wie ein Ball geschlagen springt.

Doch auf einmal in der Spalte rauher Schlucht ist er verschwunden,

Und nun scheint er uns verloren. Mutter jammert, Vater trostet,

Achselzuckend steh' ich angstlich. Doch nun wieder welch Erscheinen!

Liegen Schatze dort verborgen? Blumenstreifige Gewande

Hat er wurdig angetan.

Quasten schwanken von den Armen, Binden flattern um den Busen,

In der Hand die goldne Leier, vollig wie ein kleiner Phobus,

Tritt er wohlgemut zur Kante, zu dem uberhang; wir staunen.

Und die Eltern vor Entzucken werfen wechselnd sich ans Herz.


Denn wie leuchtet's ihm zu Haupten? Was erglanzt, ist schwer zu sagen,

Ist es Goldschmuck, ist es Flamme ubermachtiger Geisteskraft?

Und so regt er sich gebardend, sich als Knabe schon verkundend

Kunftigen Meister alles Schonen, dem die ewigen Melodien

Durch die Glieder sich bewegen; und so werdet ihr ihn horen,

Und so werdet ihr ihn sehn zu einzigster Bewunderung.

CHOR:

Nennst du ein Wunder dies,

Kretas Erzeugte?

Dichtend belehrendem Wort

Hast du gelauscht wohl nimmer?

Niemals noch gehort Ioniens,

Nie vernommen auch Hellas'

Urvaterlicher Sagen

Gottlich-heldenhaften Reichtum?

Alles, was je geschieht

Heutigen Tages,

Trauriger Nachklang ist's

Herrlicher Ahnherrntage;

Nicht vergleicht sich dein Erzahlen

Dem, was liebliche Luge,

Glaubhaftiger als Wahrheit,

Von dem Sohne sang der Maja.

Diesen zierlich und kraftig doch

Kaum geborenen Saugling

Faltet in reinster Windeln Flaum,

Strenget in kostlicher Wickeln Schmuck

Klatschender Warterinnen Schar

Unvernunftigen Wahnens.

Kraftig und zierlich aber zieht

Schon der Schalk die geschmeidigen

Doch elastischen Glieder

Listig heraus, die purpurne,

angstlich druckende Schale

Lassend ruhig an seiner Statt;

Gleich dem fertigen Schmetterling,

Der aus starrem Puppenzwang

Flugel entfaltend behendig schlupft,

Sonnedurchstrahlten ather kuhn


Und mutwillig durchflatternd.

So auch er, der Behendeste,

Da? er Dieben und Schalken,

Vorteilsuchenden allen auch

Ewig gunstiger Damon sei,

Dies betatigt er alsobald

Durch gewandteste Kunste.

Schnell des Meeres Beherrscher stiehlt

Er den Trident, ja dem Ares selbst

Schlau das Schwert aus der Scheide;

Bogen und Pfeil dem Phobus auch,

Wie dem Hephastos die Zange;

Selber Zeus', des Vaters, Blitz

Nahm' er, schreckt' ihn das Feuer nicht;

Doch dem Eros siegt er ob

In beinstellendem Ringerspiel;

Raubt auch Cyprien, wie sie ihm kost,

Noch vom Busen den Gurtel.

PHORKYAS:

Horet allerliebste Klange,

Macht euch schnell von Fabeln frei!

Eurer Gotter alt Gemenge,

La?t es hin, es ist vorbei.

Niemand will euch mehr verstehen,

Fordern wir doch hohern Zoll:

Denn es mu? von Herzen gehen,

Was auf Herzen wirken soll.

CHOR:

Bist du, furchterliches Wesen,

Diesem Schmeichelton geneigt,

Fuhlen wir, als frisch genesen,

Uns zur Tranenlust erweicht.

La? der Sonne Glanz verschwinden,

Wenn es in der Seele tagt,

Wir im eignen Herzen finden,

Was die ganze Welt versagt.

EUPHORION:

Hort ihr Kindeslieder singen,

Gleich ist's euer eigner Scherz;

Seht ihr mich im Takte springen,

Hupft euch elterlich das Herz.

HELENA:

Liebe, menschlich zu beglucken,

Nahert sie ein edles Zwei,

Doch zu gottlichem Entzucken

Bildet sie ein kostlich Drei.

FAUST:

Alles ist sodann gefunden:

Ich bin dein, und du bist mein;

Und so stehen wir verbunden,

Durft' es doch nicht anders sein!

CHOR:

Wohlgefallen vieler Jahre

In des Knaben mildem Schein

Sammelt sich auf diesem Paare.

O, wie ruhrt mich der Verein!

EUPHORION:

Nun la?t mich hupfen,

Nun la?t mich springen!

Zu allen Luften

Hinaufzudringen,

Ist mir Begierde,

Sie fa?t mich schon.

FAUST:

Nur ma?ig! ma?ig!

Nicht ins Verwegne,

Da? Sturz und Unfall

Dir nicht begegne,

Zugrund uns richte

Der teure Sohn!

EUPHORION:

Ich will nicht langer

Am Boden stocken;

La?t meine Hande,

La?t meine Locken,

La?t meine Kleider!

Sie sind ja mein.

HELENA:

O denk! o denke,

Wem du gehorest!

Wie es uns kranke,

Wie du zerstorest

Das schon errungene

Mein, Dein und Sein.

CHOR:

Bald lost, ich furchte,

Sich der Verein!

HELENA UND FAUST:

Bandige! bandige

Eltern zuliebe

uberlebendige,

Heftige Triebe!

Landlich im stillen

Ziere den Plan.

EUPHORION:

Nur euch zu Willen

Halt' ich mich an.

Leichter umschweb' ich hie

Muntres Geschlecht.

Ist nun die Melodie,

Ist die Bewegung recht?

HELENA:

Ja, das ist wohlgetan;

Fuhre die Schonen an

Kunstlichem Reihn.

FAUST:

Ware das doch vorbei!

Mich kann die Gaukelei

Gar nicht erfreun.

CHOR:

Wenn du der Arme Paar

Lieblich bewegest,

Im Glanz dein lockig Haar

Schuttelnd erregest,

Wenn dir der Fu? so leicht

uber die Erde schleicht,

Dort und da wieder hin

Glieder um Glied sich ziehn,

Hast du dein Ziel erreicht,

Liebliches Kind;

All' unsre Herzen sind

All' dir geneigt.

EUPHORION:

Ihr seid so viele

Leichtfu?ige Rehe;

Zu neuem Spiele

Frisch aus der Nahe!

Ich bin der Jager,

ihr seid das Wild.

CHOR:

Willst du uns fangen,

Sei nicht behende,

Denn wir verlangen

Doch nur am Ende,

Dich zu umarmen,

Du schones Bild!

EUPHORION:

Nur durch die Haine!

Zu Stock und Steine!

Das leicht Errungene,

Das widert mir,

Nur das Erzwungene

Ergetzt mich schier.

HELENA UND FAUST:

Welch ein Mutwill'! welch ein Rasen!

Keine Ma?igung ist zu hoffen.

Klingt es doch wie Hornerblasen

uber Tal und Walder drohnend;

Welch ein Unfug! welch Geschrei!

CHOR:

Uns ist er vorbeigelaufen;

Mit Verachtung uns verhohnend,

schleppt er von dem ganzen Haufen

Nun die Wildeste herbei.

EUPHORION:

Schlepp' ich her die derbe Kleine

Zu erzwungenem Genusse;

Mir zur Wonne, mir zur Lust

Druck' ich widerspenstige Brust,

Kuss' ich widerwartigen Mund,

Tue Kraft und Willen kund.

MADCHEN:

La? mich los! In dieser Hulle

Ist auch Geistes Mut und Kraft;

Deinem gleich ist unser Wille

Nicht so leicht hinweggerafft.

Glaubst du wohl mich im Gedrange?

Deinem Arm vertraust du viel!

Halte fest, und ich versenge

Dich, den Toren, mir zum Spiel.

Folge mir in leichte Lufte,

Folge mir in starre Grufte,

Hasche das verschwundne Ziel!

EUPHORION:

Felsengedrange hier

Zwischen dem Waldgebusch,

Was soll die Enge mir,

Bin ich doch jung und frisch.

Winde, sie sausen ja,

Wellen, sie brausen da;

Hor' ich doch beides fern,

Nah war' ich gern.

HELENA, FAUST UND CHOR:

Wolltest du den Gemsen gleichen?

Vor dem Falle mu? uns graun.

EUPHORION:

Immer hoher mu? ich steigen,

Immer weiter mu? ich schaun.

Wei? ich nun, wo ich bin!

Mitten der Insel drin,

Mitten in Pelops' Land,

Erde - wie seeverwandt.

CHOR:

Magst nicht in Berg und Wald

Friedlich verweilen?

Suchen wir alsobald

Reben in Zeilen,

Reben am Hugelrand,

Feigen und Apfelgold.

Ach in dem holden Land

Bleibe du hold!

EUPHORION:

Traumt ihr den Friedenstag?

Traume, wer traumen mag.

Krieg! ist das Losungswort.

Sieg! und so klingt es fort.

CHOR:

Wer im Frieden

Wunschet sich Krieg zuruck,

Der ist geschieden

Vom Hoffnungsgluck.

EUPHORION:

Welche dies Land gebar

Aus Gefahr in Gefahr,

Frei, unbegrenzten Muts,

Verschwendrisch eignen Bluts,

Den nicht zu dampfenden

Heiligen Sinn -

Alle den Kampfenden

Bring' es Gewinn!

CHOR:

Seht hinauf, wie hoch gestiegen!

Und er scheint uns doch nicht klein:

Wie im Harnisch, wie zum Siegen,

Wie von Erz und Stahl der Schein.

EUPHORION:

Keine Walle, keine Mauern,

Jeder nur sich selbst bewu?t;

Feste Burg, um auszudauern,

Ist des Mannes ehrne Brust.

Wollt ihr unerobert wohnen,

Leicht bewaffnet rasch ins Feld;

Frauen werden Amazonen

Und ein jedesKind ein Held.

CHOR:

Heilige Poesie,

Himmelan steige sie!

Glanze, der schonste Stern,

Fern und so weiter fern!

Und sie erreicht uns doch

Immer, man hort sie noch,

Vernimmt sie gern.

EUPHORION:

Nein, nicht ein Kind bin ich erschienen,

In Waffen kommt der Jungling an;

Gesellt zu Starken, Freien, Kuhnen,

Hat er im Geiste schon getan.

Nun fort!

Nun dort

Eroffnet sich zum Ruhm die Bahn.

HELENA UND FAUST:

Kaum ins Leben eingerufen,

Heitrem Tag gegeben kaum,

Sehnest du von Schwindelstufen

Dich zu schmerzenvollem Raum.

Sind denn wir

Gar nichts dir?

Ist der holde Bund ein Traum?

EUPHORION:

Und hort ihr donnern auf dem Meere?

Dort widerdonnern Tal um Tal,

In Staub und Wellen, Heer dem Heere,

In Drang um Drang, zu Schmerz und Qual.

Und der Tod

Ist Gebot,

Das versteht sich nun einmal.

HELENA, FAUST UND CHOR:

Welch Entsetzen! welches Grauen!

Ist der Tod denn dir Gebot?

EUPHORION:

Sollt' ich aus der Ferne schauen?

Nein! ich teile Sorg' und Not.

DIE VORIGEN:

Ubermut und Gefahr,

Todliches Los!

EUPHORION:

Doch! - und ein Flugelpaar

Faltet sich los!

Dorthin! Ich mu?! ich mu?!

Gonnt mir den Flug!

CHOR:

Ikarus! Ikarus!

Jammer genug.

HELENA UND FAUST:

Der Freude folgt sogleich

Grimmige Pein.

EUPHORIONS STIMME:

La? mich im dustern Reich,

Mutter, mich nicht allein!

CHOR:

Nicht allein! - wo du auch weilest,

Denn wir glauben dich zu kennen;

Ach! wenn du dem Tag enteilest,

Wird kein Herz von dir sich trennen.

Wu?ten wir doch kaum zu klagen,

Neidend singen wir dein Los:

Dir in klar- und truben Tagen

Lied und Mut war schon und gro?.

Ach! zum Erdengluck geboren,

Hoher Ahnen, gro?er Kraft,

Leider fruh dir selbst verloren,

Jugendblute weggerafft!

Scharfer Blick, die Welt zu schauen,

Mitsinn jedem Herzensdrang,

Liebesglut der besten Frauen

Und ein eigenster Gesang.

Doch du ranntest unaufhaltsam

Frei ins willenlose Netz,

So entzweitest du gewaltsam

dich mit Sitte, mit Gesetz;

Doch zuletzt das hochste Sinnen

Gab dem reinen Mut Gewicht,

Wolltest Herrliches gewinnen,

Aber es gelang dir nicht.

Wem gelingt es? - Trube Frage,

Der das Schicksal sich vermummt,

Wenn am ungluckseligsten Tage

Blutend alles Volk verstummt.

Doch erfrischet neue Lieder,

Steht nicht langer tief gebeugt:

Denn der Boden zeugt sie wieder,

Wie von je er sie gezeugt.

HELENA:

Ein altes Wort bewahrt sich leider auch an mir:


Da? Gluck und Schonheit dauerhaft sich nicht vereint.

Zerrissen ist des Lebens wie der Liebe Band;

Bejammernd beide, sag' ich schmerzlich Lebewohl

Und werfe mich noch einmal in die Arme dir.

Persephoneia, nimm den Knaben auf und mich!

PHORKYAS:

Halte fest, was dir von allem ubrigblieb.

Das Kleid, la? es nicht los. Da zupfen schon

Damonen an den Zipfeln, mochten gern

Zur Unterwelt es rei?en. Halte fest!

Die Gottin ist's nicht mehr, die du verlorst,

Doch gottlich ist's. Bediene dich der hohen,

Unschatzbaren Gunst und hebe dich empor:

Es tragt dich uber alles Gemeine rasch

Am ather hin, so lange du dauern kannst.

Wir sehn uns wieder, weit, gar weit von hier.

PHORKYAS:

Noch immer glucklich aufgefunden!

Die Flamme freilich ist verschwunden,


Doch ist mir um die Welt nicht leid.

Hier bleibt genug, Poeten einzuweihen,

Zu stiften Gild- und Handwerksneid;

Und kann ich die Talente nicht verleihen,

Verborg' ich wenigstens das Kleid.

PANTHALIS:

Nun eilig, Madchen! Sind wir doch den Zauber los,

Der alt-thessalischen Vettel wusten Geisteszwang,

So des Geklimpers vielverworrner Tone Rausch,

Das Ohr verwirrend, schlimmer noch den innern Sinn.

Hinab zum Hades! Eilte doch die Konigin

Mit ernstem Gang hinunter. Ihrer Sohle sei

Unmittelbar getreuer Magde Schritt gefugt.

Wir finden sie am Throne der Unerforschlichen.

CHOR:

Koniginnen freilich, uberall sind sie gern;

Auch im Hades stehen sie obenan,

Stolz zu ihresgleichen gesellt,

Mit Persephonen innigst vertraut;


Aber wir im Hintergrunde

Tiefer Asphodelos-Wiesen,

Langgestreckten Pappeln,

Unfruchtbaren Weiden zugesellt,

Welchen Zeitvertreib haben wir?

Fledermausgleich zu piepsen,

Gefluster, unerfreulich, gespenstig.

PANTHALIS:

Wer keinen Namen sich erwarb noch Edles will,

Gehort den Elementen an; so fahret hin!

Mit meiner Konigin zu sein, verlangt mich hei?;

Nicht nur Verdienst, auch Treue wahrt unsdie Person.

ALLE:

Zuruckgegeben sind wir dem Tageslicht,

Zwar Personen nicht mehr,

Das fuhlen, das wissen wir,

Aber zum Hades kehren wir nimmer.

Ewig lebendige Natur

Macht auf uns Geister,


Wir auf sie vollgultigen Anspruch.

EIN TEIL DES CHORES:

Wir in dieser tausend aste Flusterzittern, Sauselschweben

Reizen tandelnd, locken leise wurzelauf des Lebens Quellen

Nach den Zweigen; bald mit Blattern, bald mit Bluten uberschwenglich

Zieren wir die Flatterhaare frei zu luftigem Gedeihn.

Fallt die Frucht, sogleich versammeln lebenslustig Volk und Herden

Sich zum Greifen, sich zum Naschen, eilig kommend, emsig drangend;

Und wie vor den ersten Gottern buckt sich alles um uns her.

EIN ANDRER TEIL:

Wir, an dieser Felsenwande weithinleuchtend glatten Spiegel

Schmiegen wir, in sanften Wellen uns bewegend, schmeichelnd an;

Horchen, lauschen jedem Laute, Vogelsangen, Rohrigfloten,

Sei es Pans furchtbarer Stimme, Antwort ist sogleich bereit;

Sauselt's, sauseln wir erwidernd, donnert's, rollen unsre Donner

In erschutterndem Verdoppeln, dreifach, zehnfach hintennach.

EIN DRITTER TEIL:

Schwestern! Wir, bewegtern Sinnes, eilen mit den Bachen weiter;

Denn es reizen jener Ferne reichgeschmuckte Hugelzuge.


Immer abwarts, immer tiefer wassern wir, maandrisch wallend,

Jetzt die Wiese, dann die Matten, gleich den Garten um das Haus.

Dort bezeichnen's der Zypressen schlanke Wipfel, uber Landschaft,

Uferzug und Wellenspiegel nach dem ather steigende.

EIN VIERTER TEIL:

Wallt ihr andern, wo's beliebet; wir umzingeln, wir umrauschen

Den durchaus bepflanzten Hugel, wo am Stab die Rebe grunt;

Dort zu aller Tage Stunden la?t die Leidenschaft des Winzers

Uns des liebevollsten Flei?es zweifelhaft Gelingen sehn.

Bald mit Hacke, bald mit Spaten, bald mit Haufeln, Schneiden, Binden

Betet er zu allen Gottern, fordersamst zum Sonnengott.

Bacchus kummert sich, der Weichling, wenig um den treuen Diener,

Ruht in Lauben, lehnt in Hohlen, faselnd mit dem jungsten Faun.

Was zu seiner Traumereien halbem Rausch er je bedurfte,

Immer bleibt es ihm in Schlauchen, ihm in Krugen und Gefa?en,

Rechts und links der kuhlen Grufte, ewige Zeiten aufbewahrt.

Haben aber alle Gotter, hat nun Helios vor allen,

Luftend, feuchtend, warmend, glutend, Beeren-Fullhorn aufgehauft,

Wo der stille Winzer wirkte, dort auf einmal wird's lebendig,

Und es rauscht in jedem Laube, raschelt um von Stock zu Stock.

Korbe knarren, Eimer klappern, Tragebutten achzen hin,

Allesnach der gro?en Kufe zu der Keltrer kraft'gem Tanz;

Und so wird die heilige Fulle reingeborner saftiger Beeren

Frech zertreten, schaumend, spruhend mischt sich's, widerlich zerquetscht.

Und nun gellt ins Ohr der Zimbeln mit der Becken Erzgetone,

Denn es hat sich Dionysos aus Mysterien enthullt;

Kommt hervor mit Ziegenfu?lern, schwenkend Ziegenfu?lerinnen,

Und dazwischen schreit unbandig grell Silenus' ohrig Tier.

Nichts geschont! Gespaltne Klauen treten alle Sitte nieder,

Alle Sinne wirbeln taumlich, gra?lich ubertaubt das Ohr.

Nach der Schale tappen Trunkne, uberfullt sind Kopf und Wanste,

Sorglich ist noch ein und andrer, doch vermehrt er die Tumulte,

Denn um neuen Most zu bergen, leert man rasch den alten Schlauch!

4. Akt - Hochgebirg

FAUST:

Der Einsamkeiten tiefste schauend unter meinem Fu?,

Betret' ich wohlbedachtig dieser Gipfel Saum,

Entlassend meiner Wolke Tragewerk, die mich sanft

An klaren Tagen uber Land und Meer gefuhrt.

Sie lost sich langsam, nicht zerstiebend, von mir ab.

Nach Osten strebt die Masse mit geballtem Zug,

Ihr strebt das Auge staunend in Bewundrung nach.

Sie teilt sich wandelnd, wogenhaft, veranderlich.

Doch will sich's modeln. - Ja! das Auge trugt mich nicht! -

Auf sonnbeglanzten Pfuhlen herrlich hingestreckt,

Zwar riesenhaft, ein gottergleiches Fraungebild,

Ich seh's! Junonen ahnlich, Leda'n, Helenen,

Wie majestatisch lieblich mir's im Auge schwankt.

Ach! schon verruckt sich's! Formlos breit und aufgeturmt

Ruht es in Osten, fernen Eisgebirgen gleich,

Und spiegelt blendend flucht'ger Tage gro?en Sinn.

Doch mir umschwebt ein zarter lichter Nebelstreif

Noch Brust und Stirn, erheiternd, kuhl und schmeichelhaft.

Nun steigt es leicht und zaudernd hoch und hoher auf,

Fugt sich zusammen. - Tauscht mich ein entzuckend Bild,

Als jugenderstes, langstentbehrtes hochstes Gut?

Des tiefsten Herzens fruhste Schatze quellen auf:

Aurorens Liebe, leichten Schwung bezeichnet's mir,


Den schnellempfundnen, ersten, kaum verstandnen Blick,

Der, festgehalten, uberglanzte jeden Schatz.

Wie Seelenschonheit steigert sich die holde Form,

Lost sich nicht auf, erhebt sich in den ather hin

Und zieht das Beste meines Innern mit sich fort.

MEPHISTOPHELES:

Das hei?' ich endlich vorgeschritten!

Nun aber sag, was fallt dir ein?

Steigst ab in solcher Greuel Mitten,

Im gra?lich gahnenden Gestein?

Ich kenn' es wohl, doch nicht an dieser Stelle,

Denn eigentlich war das derGrund der Holle.

FAUST:

Es fehlt dir nie an narrischen Legenden;

Fangst wieder an, dergleichen auszuspenden.

MEPHISTOPHELES:

Als Gott der Herr - ich wei? auch wohl, warum -

Uns aus der Luft in tiefste Tiefen bannte,

Da, wo zentralisch gluhend, um und um,


Ein ewig Feuer flammend sich durchbrannte,

Wir fanden uns bei allzugro?er Hellung

In sehr gedrangter, unbequemer Stellung.

Die Teufel fingen samtlich an zu husten,

Von oben und von unten auszupusten;

Die Holle schwoll von Schwefelstank und - saure,

Das gab ein Gas! Das ging ins Ungeheure,

So da? gar bald der Lander flache Kruste,

So dick sie war, zerkrachend bersten mu?te.

Nun haben wir's an einem andern Zipfel,

Was ehmals Grund war, ist nun Gipfel.

Sie grunden auch hierauf die rechten Lehren,

Das Unterste ins Oberste zu kehren.

Denn wir entrannen knechtisch-hei?er Gruft

Ins uberma? der Herrschaft freier Luft.

Ein offenbar Geheimnis, wohl verwahrt,

Und wird nur spat den Volkern offenbart.((ephes. 6,12) )

FAUST:

Gebirgesmasse bleibt mir edel-stumm,

Ich frage nicht woher und nicht warum.

Als die Natur sich in sich selbst gegrundet,

Da hat sie rein den Erdball abgerundet,

Der Gipfel sich, der Schluchten sich erfreut

Und Fels an Fels und Berg an Berg gereiht,

Die Hugel dann bequem hinabgebildet,

Mit sanftem Zug sie in das Tal gemildet.

Da grunt's und wachst's, und um sich zu erfreuen,

Bedarf sie nicht der tollen Strudeleien.

MEPHISTOPHELES:

Das sprecht Ihr so! Das scheint Euch sonnenklar;

Doch wei? es anders, der zugegen war.

Ich war dabei, als noch da drunten siedend

Der Abgrund schwoll und stromend Flammen trug;

Als Molochs Hammer, Fels an Felsen schmiedend,

Gebirgestrummer in die Ferne schlug.

Noch starrt das Land von fremden Zentnermassen;

Wer gibt Erklarung solcher Schleudermacht?

Der Philosoph, er wei? es nicht zu fassen,

Da liegt der Fels, man mu? ihn liegen lassen,


Zuschanden haben wir uns schon gedacht. -

Das treu-gemeine Volk allein begreift

Und la?t sich im Begriff nicht storen;

Ihm ist die Weisheit langst gereift:

Ein Wunder ist's, der Satan kommt zu Ehren.

Mein Wandrer hinkt an seiner Glaubenskrucke

Zum Teufelsstein, zur Teufelsbrucke.

FAUST:

Es ist doch auch bemerkenswert zu achten,

Zu sehn, wie Teufel die Natur betrachten.

MEPHISTOPHELES:

Was geht mich's an! Natur sei, wie sie sei!

's ist Ehrenpunkt: der Teufel war dabei!

Wir sind die Leute, Gro?es zu erreichen;

Tumult, Gewalt und Unsinn! sieh das Zeichen! -

Doch, da? ich endlich ganz verstandlich spreche,

Gefiel dir nichts an unsrer Oberflache?

Du ubersahst, in ungeme?nen Weiten,

Die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten.((matth. 4) )


Doch, ungenugsam, wie du bist,

Empfandest du wohl kein Gelust?

FAUST:

Und doch! ein Gro?es zog mich an.

Errate! +

MEPHISTOPHELES:

Das ist bald getan.

Ich suchte mir so eine Hauptstadt aus,

Im Kerne Burger-Nahrungs-Graus,

Krummenge Ga?chen, spitze Giebeln,

Beschrankten Markt, Kohl, Ruben, Zwiebeln;

Fleischbanke, wo die Schmei?en hausen,

Die fetten Braten anzuschmausen;

Da findest du zu jeder Zeit

Gewi? Gestank und Tatigkeit.

Dann weite Platze, breite Stra?en,

Vornehmen Schein sich anzuma?en;

Und endlich, wo kein Tor beschrankt,

Vorstadte grenzenlos verlangt.


Da freut' ich mich an Rollekutschen,

Am larmigen Hin- und Widerrutschen,

Am ewigen Hin- und Widerlaufen

Zerstreuter Ameis-Wimmelhaufen.

Und wenn ich fuhre, wenn ich ritte,

Erschien' ich immer ihre Mitte,

Von Hunderttausenden verehrt.

FAUST:

Das kann mich nicht zufriedenstellen.

Man freut sich, da? das Volk sich mehrt,

Nach seiner Art behaglich nahrt,

Sogar sich bildet, sich belehrt -

Und man erzieht sich nur Rebellen.

MEPHISTOPHELES:

Dann baut' ich, grandios, mir selbst bewu?t,

Am lustigen Ort ein Schlo? zur Lust.

Wald, Hugel, Flachen, Wiesen, Feld

Zum Garten prachtig umbestellt.

Vor grunen Wanden Sammetmatten,


Schnurwege, kunstgerechte Schatten,

Kaskadensturz, durch Fels zu Fels gepaart,

Und Wasserstrahlen aller Art;

Ehrwurdig steigt es dort, doch an den Seiten

Da zischt's und pi?t's in tausend Kleinigkeiten.

Dann aber lie? ich allerschonsten Frauen

Vertraut-bequeme Hauslein bauen;

Verbrachte da grenzenlose Zeit

In allerliebst-geselliger Einsamkeit.

Ich sage Fraun; denn ein fur allemal

Denk' ich die Schonen im Plural.

FAUST:

Schlecht und modern! Sardanapal!

MEPHISTOPHELES:

Errat man wohl, wornach du strebtest?

Es war gewi? erhaben kuhn.

Der du dem Mond um so viel naher schwebtest,

Dichzog wohl deine Sucht dahin?

FAUST:


Mit nichten! dieser Erdenkreis

Gewahrt noch Raum zu gro?en Taten.

Erstaunenswurdiges soll geraten,

Ich fuhle Kraft zu kuhnem Flei?.

MEPHISTOPHELES:

Und also willst du Ruhm verdienen?

Man merkt's, du kommst von Heroinen.

FAUST:

Herrschaft gewinn' ich, Eigentum!

Die Tat ist alles, nichts der Ruhm.

MEPHISTOPHELES:

Doch werden sich Poeten finden,

Der Nachwelt deinen Glanz zu kunden,

Durch Torheit Torheit zu entzunden.

FAUST:

Von allem ist dir nichts gewahrt.

Was wei?t du, was der Mensch begehrt?

Dein widrig Wesen, bitter, scharf,

Was wei? es, was der Mensch bedarf?


MEPHISTOPHELES:

Geschehe denn nach deinem Willen!

Vertraue mir den Umfang deiner Grillen.

FAUST:

Mein Auge war aufs hohe Meer gezogen;

Es schwoll empor, sich in sich selbst zu turmen,

Dann lie? es nach und schuttete die Wogen,

Des flachen Ufers Breite zu besturmen.

Und das verdro? mich; wie der ubermut

Den freien Geist, der alle Rechte schatzt,

Durch leidenschaftlich aufgeregtes Blut

Ins Mi?behagen des Gefuhls versetzt.

Ich hielt's fur Zufall, scharfte meinen Blick:

Die Woge stand und rollte dann zuruck,

Entfernte sich vom stolz erreichten Ziel;

Die Stunde kommt, sie wiederholt das Spiel.

MEPHISTOPHELES:

Da ist fur mich nichts Neues zu erfahren,

Das kenn' ich schon seit hunderttausend Jahren.


FAUST:

Sie schleicht heran, an abertausend Enden,

Unfruchtbar selbst, Unfruchtbarkeit zu spenden;

Nun schwillt's und wachst und rollt und uberzieht

Der wusten Strecke widerlich Gebiet.

Da herrschet Well' auf Welle kraftbegeistet,

Zieht sich zuruck, und es ist nichts geleistet,

Was zur Verzweiflung mich beangstigen konnte!

Zwecklose Kraft unbandiger Elemente!

Da wagt mein Geist, sich selbst zu uberfliegen;

Hier mocht' ich kampfen, dies mocht' ich besiegen.

Und es ist moglich! - Flutend wie sie sei,

An jedem Hugel schmiegt sie sich vorbei;

Sie mag sich noch so ubermutig regen,

Geringe Hohe ragt ihr stolz entgegen,

Geringe Tiefe zieht sie machtig an.

Da fa?t' ich schnell im Geiste Plan auf Plan:

Erlange dir das kostliche Genie?en,

Das herrische Meer vom Ufer auszuschlie?en,

Der feuchten Breite Grenzen zu verengen

Und, weit hinein, sie in sich selbst zu drangen.

Von Schrittzu Schritt wu?t' ich mir's zu erortern;

Das ist mein Wunsch, den wage zu befordern!

MEPHISTOPHELES:

Wie leicht ist das! Horst du die Trommeln fern?

FAUST:

Schon wieder Krieg! der Kluge hort's nicht gern.

MEPHISTOPHELES:

Krieg oder Frieden. Klug ist das Bemuhen,

Zu seinem Vorteil etwas auszuziehen.

Man pa?t, man merkt auf jedes gunstige Nu.

Gelegenheit ist da, nun, Fauste, greife zu!

FAUST:

Mit solchem Ratselkram verschone mich!

Und kurz und gut, was soll's? Erklare dich.

MEPHISTOPHELES:

Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen:

Der gute Kaiser schwebt in gro?en Sorgen.

Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten,

Ihm falschen Reichtum in die Hande spielten,

Da war die ganze Welt ihm feil.

Denn jung ward ihm der Thron zuteil,

Und ihm beliebt' es, falsch zu schlie?en,

Es konne wohl zusammengehn

Und sei recht wunschenswert und schon:

Regieren und zugleich genie?en.

FAUST:

Ein gro?er Irrtum. Wer befehlen soll,

Mu? im Befehlen Seligkeit empfinden.

Ihm ist die Brust von hohem Willen voll,

Doch was er will, es darf's kein Mensch ergrunden.

Was er den Treusten in das Ohr geraunt,

Es ist getan, und alle Welt erstaunt.

So wird er stets der Allerhochste sein,

Der Wurdigste -; Genie?en macht gemein.

MEPHISTOPHELES:

So ist er nicht. Er selbst geno?, und wie!

Indes zerfiel das Reich in Anarchie,

Wo gro? und klein sich kreuz und quer befehdeten

Und Bruder sich vertrieben, toteten,

Burg gegen Burg, Stadt gegen Stadt,

Zunft gegen Adel Fehde hat,

Der Bischof mit Kapitel und Gemeinde;

Was sich nur ansah, waren Feinde.

In Kirchen Mord und Totschlag, vor den Toren

Ist jeder Kauf- und Wandersmann verloren.

Und allen wuchs die Kuhnheit nicht gering;

Denn leben hie? sich wehren. - Nun, das ging.

FAUST:

Es ging - es hinkte, fiel, stand wieder auf,

Dann uberschlug sich's, rollte plump zuhauf.

MEPHISTOPHELES:

Und solchen Zustand durfte niemand schelten,

Ein jeder konnte, jeder wollte gelten.

Der Kleinste selbst, er galt fur voll.

Doch war's zuletzt den Besten allzutoll.

Die Tuchtigen, sie standen auf mit Kraft

Und sagten: Herr ist, der uns Ruhe schafft.

Der Kaiser kann's nicht,will's nicht - la?t uns wahlen,

Den neuen Kaiser neu das Reich beseelen,

Indem er jeden sicher stellt,

In einer frisch geschaffnen Welt

Fried' und Gerechtigkeit vermahlen.

FAUST:

Das klingt sehr pfaffisch. +

MEPHISTOPHELES:

Pfaffen waren's auch,

Sie sicherten den wohlgenahrten Bauch.

Sie waren mehr als andere beteiligt.

Der Aufruhr schwoll, der Aufruhr ward geheiligt;

Und unser Kaiser, den wir froh gemacht,

Zieht sich hieher, vielleicht zur letzten Schlacht.

FAUST:

Er jammert mich; er war so gut und offen.

MEPHISTOPHELES:

Komm, sehn wir zu! der Lebende soll hoffen.

Befrein wir ihn aus diesem engen Tale!

Einmal gerettet, ist's fur tausend Male.

Wer wei?, wie noch die Wurfel fallen?

Und hat er Gluck, so hat er auch Vasallen.

MEPHISTOPHELES:

Die Stellung, seh' ich, gut ist sie genommen;

Wir treten zu, dann ist der Sieg vollkommen.

FAUST:

Was kann da zu erwarten sein?

Trug! Zauberblendwerk! Hohler Schein.

MEPHISTOPHELES:

Kriegslist, um Schlachten zu gewinnen!

Befestige dich bei gro?en Sinnen,

Indem du deinen Zweck bedenkst.

Erhalten wir dem Kaiser Thron und Lande,

So kniest du nieder und empfangst

Die Lehn von grenzenlosem Strande.

FAUST:

Schon manches hast du durchgemacht,

Nun, so gewinn auch eine Schlacht!

MEPHISTOPHELES:

Nein, du gewinnst sie! Diesesmal

Bist du der Obergeneral.

FAUST:

Das ware mir die rechte Hohe,

Da zu befehlen, wo ich nichts verstehe!

MEPHISTOPHELES:

La? du den Generalstab sorgen,

Und der Feldmarschall ist geborgen.

Kriegsunrat hab' ich langst verspurt,

Den Kriegsrat gleich voraus formiert

Aus Urgebirgs Urmenschenkraft;

Wohl dem, der sie zusammenrafft.

FAUST:

Was seh' ich dort, was Waffen tragt?

Hast du das Bergvolk aufgeregt?

MEPHISTOPHELES:

Nein! aber, gleich Herrn Peter Squenz,

Vom ganzen Pra? die Quintessenz.

MEPHISTOPHELES:

Da kommen meine Bursche ja!

Du siehst, von sehr verschiednen Jahren,

Verschiednem Kleid und Rustung sind sie da;

Du wirst nicht schlecht mit ihnen fahren.

Es liebt sich jetzt ein jedes Kind

Den Harnisch und den Ritterkragen;

Und, allegorisch wie die Lumpe sind,

Sie werden nur um desto mehr behagen.

RAUFEBOLD:

Wenn einer mir ins Auge sieht,

Werd' ich ihm mit derFaust gleich in die Fresse fahren,

Und eine Memme, wenn sie flieht,

Fass' ich bei ihren letzten Haaren.

HABEBALD:

So leere Handel, das sind Possen,

Damit verdirbt man seinen Tag;

Im Nehmen sei nur unverdrossen,

Nach allem andern frag' hernach.

HALTEFEST:

Damit ist auch nicht viel gewonnen!

Bald ist ein gro?es Gut zerronnen,

Es rauscht im Lebensstrom hinab.

Zwar nehmen ist recht gut, doch besser ist's, behalten;

La? du den grauen Kerl nur walten,

Und niemand nimmt dir etwas ab.

Auf dem Vorgebirg

obergeneral

Noch immer scheint der Vorsatz wohlerwogen,

Da? wir in dies gelegene Tal

Das ganze Heer gedrangt zuruckgezogen;

Ich hoffe fest, uns gluckt die Wahl.

KAISER:

Wie es nun geht, es mu? sich zeigen;

Doch mich verdrie?t die halbe Flucht, das Weichen.

OBERGENERAL:

Schau hier, mein Furst, auf unsre rechte Flanke!


Solch ein Terrain wunscht sich der Kriegsgedanke:

Nicht steil die Hugel, doch nicht allzu ganglich,

Den Unsern vorteilhaft, dem Feind verfanglich;

Wir, halb versteckt, auf wellenformigem Plan;

Die Reiterei, sie wagt sich nicht heran.

KAISER:

Mir bleibt nichts ubrig, als zu loben;

Hier kann sich Arm und Brust erproben.

OBERGENERAL:

Hier, auf der Mittelwiese flachen Raumlichkeiten,

Siehst du den Phalanx, wohlgemut zu streiten.

Die Piken blinken flimmernd in der Luft,

Im Sonnenglanz, durch Morgennebelduft.

Wie dunkel wogt das machtige Quadrat!

Zu Tausenden gluht's hier auf gro?e Tat.

Du kannst daran die Masse Kraft erkennen,

Ich trau' ihr zu, der Feinde Kraft zu trennen.

KAISER:

Den schonen Blick hab' ich zum erstenmal.


Ein solches Heer gilt fur die Doppelzahl.

OBERGENERAL:

Von unsrer Linken hab' ich nichts zu melden,

Den starren Fels besetzen wackere Helden,

Das Steingeklipp, das jetzt von Waffen blitzt,

Den wichtigen Pa? der engen Klause schutzt.

Ich ahne schon, hier scheitern Feindeskrafte

Unvorgesehn im blutigen Geschafte.

KAISER:

Dort ziehn sie her, die falschen Anverwandten,

Wie sie mich Oheim, Vetter, Bruder nannten,

Sich immer mehr und wieder mehr erlaubten,

Dem Zepter Kraft, dem Thron Verehrung raubten,

Dann, unter sich entzweit, das Reich verheerten

Und nun gesamt sich gegen mich emporten.

Die Menge schwankt im ungewissen Geist,

Dannstromt sie nach, wohin der Strom sie rei?t.

OBERGENERAL:

Ein treuer Mann, auf Kundschaft ausgeschickt,


Kommt eilig felsenab; sei's ihm gegluckt!

ERSTER KUNDSCHAFTER:

Glucklich ist sie uns gelungen,

Listig, mutig, unsre Kunst,

Da? wir hin und her gedrungen;

Doch wir bringen wenig Gunst.

Viele schworen reine Huldigung

Dir, wie manche treue Schar;

Doch Untatigkeits-Entschuldigung:

Innere Garung, Volksgefahr.

KAISER:

Sich selbst erhalten bleibt der Selbstsucht Lehre,

Nicht Dankbarkeit und Neigung, Pflicht und Ehre.

Bedenkt ihr nicht, wenn eure Rechnung voll,

Da? Nachbars Hausbrand euch verzehren soll?

OBERGENERAL:

Der zweite kommt, nur langsam steigt er nieder,

Dem muden Manne zittern alle Glieder.

ZWEITER KUNDSCHAFTER:


Erst gewahrten wir vergnuglich

Wilden Wesens irren Lauf;

Unerwartet, unverzuglich

Trat ein neuer Kaiser auf.

Und auf vorgeschriebnen Bahnen

Zieht die Menge durch die Flur;

Den entrollten Lugenfahnen

Folgen alle. - Schafsnatur!

KAISER:

Ein Gegenkaiser kommt mir zum Gewinn:

Nun fuhl' ich erst, da? ich der Kaiser bin.

Nur als Soldat legt' ich den Harnisch an,

Zu hoherm Zweck ist er nun umgetan.

Bei jedem Fest, wenn's noch so glanzend war,

Nichts ward vermi?t, mir fehlte die Gefahr.

Wie ihr auch seid, zum Ringspiel rietet ihr,

Mir schlug das Herz, ich atmete Turnier;

Und hattet ihr mir nicht vom Kriegen abgeraten,

Jetzt glanzt' ich schon in lichten Heldentaten.

Selbstandig fuhlt' ich meine Brust besiegelt,

Als ich mich dort im Feuerreich bespiegelt;

Das Element drang gra?lich auf mich los,

Es war nur Schein, allein der Schein war gro?.

Von Sieg und Ruhm hab' ich verwirrt getraumt;

Ich bringe nach, was frevelhaft versaumt.

FAUST:

Wir treten auf und hoffen, ungescholten;

Auch ohne Not hat Vorsicht wohl gegolten.

Du wei?t, das Bergvolk denkt und simuliert,

Ist in Natur- und Felsenschrift studiert.

Die Geister, langst dem flachen Land entzogen,

Sind mehr als sonst dem Felsgebirg gewogen.

Sie wirken still durch labyrinthische Klufte

Im edlen Gas metallisch reicher Dufte;

In stetem Sondern, Prufen und Verbinden

Ihr einziger Trieb ist, Neues zu erfinden.

Mit leisem Finger geistiger Gewalten

Erbauen sie durchsichtige Gestalten;

Dann im Kristall und seiner ewigen Schweignis


Erblicken sie der OberweltEreignis.

KAISER:

Vernommen hab' ich's, und ich glaube dir;

Doch, wackrer Mann, sag an: was soll das hier?

FAUST:

Der Nekromant von Norcia, der Sabiner,

Ist dein getreuer, ehrenhafter Diener.

Welch greulich Schicksal droht' ihm ungeheuer!

Das Reisig prasselte, schon zungelte das Feuer;

Die trocknen Scheite, ringsumher verschrankt,

Mit Pech und Schwefelruten untermengt;

Nicht Mensch, noch Gott, noch Teufel konnte retten,

Die Majestat zersprengte gluhende Ketten.

Dort war's in Rom. Er bleibt dir hoch verpflichtet,

Auf deinen Gang in Sorge stets gerichtet.

Von jener Stund' an ganz verga? er sich,

Er fragt den Stern, die Tiefe nur fur dich.

Er trug uns auf, als eiligstes Geschafte,

Bei dir zu stehn. Gro? sind des Berges Krafte;


Da wirkt Natur so ubermachtig frei,

Der Pfaffen Stumpfsinn schilt es Zauberei.

KAISER:

Am Freudentag, wenn wir die Gaste gru?en,

Die heiter kommen, heiter zu genie?en,

Da freut uns jeder, wie er schiebt und drangt

Und, Mann fur Mann, der Sale Raum verengt.

Doch hochst willkommen mu? der Biedre sein,

Tritt er als Beistand kraftig zu uns ein

Zur Morgenstunde, die bedenklich waltet,

Weil uber ihr des Schicksals Waage schaltet.

Doch lenket hier im hohen Augenblick

Die starke Hand vom willigen Schwert zuruck,

Ehrt den Moment, wo manche Tausend schreiten,

Fur oder wider mich zu streiten.

Selbst ist der Mann! Wer Thron und Kron' begehrt,

Personlich sei er solcher Ehren wert.

Sei das Gespenst, das, gegen uns erstanden,

Sich Kaiser nennt und Herr von unsern Landen,

Des Heeres Herzog, Lehnherr unsrer Gro?en,

Mit eigner Faust ins Totenreich gesto?en!

FAUST:

Wie es auch sei, das Gro?e zu vollenden,

Du tust nicht wohl, dein Haupt so zu verpfanden.

Ist nicht der Helm mit Kamm und Busch geschmuckt?

Er schutzt das Haupt, das unsern Mut entzuckt.

Was, ohne Haupt, was forderten die Glieder?

Denn schlafert jenes, alle sinken nieder;

Wird es verletzt, gleich alle sind verwundet,

Erstehen frisch, wenn jenes rasch gesundet.

Schnell wei? der Arm sein starkes Recht zu nutzen;

Er hebt den Schild, den Schadel zu beschutzen;

Das Schwert gewahret seiner Pflicht sogleich,

Lenkt kraftig ab und wiederholt den Streich;

Der tuchtige Fu?nimmt teil an ihrem Gluck,

Setzt dem Erschlagnen frisch sich ins Genick.

KAISER:

Das ist mein Zorn, so mocht' ich ihn behandeln,

Das stolze Haupt in Schemeltritt verwandeln!

HEROLDE:

Wenig Ehre, wenig Geltung

Haben wir daselbst genossen,

Unsrer kraftig edlen Meldung

Lachten sie als schaler Possen:

"Euer Kaiser ist verschollen,

Echo dort im engen Tal;

Wenn wir sein gedenken sollen,

Marchen sagt: - Es war einmal."

FAUST:

Dem Wunsch gema? der Besten ist's geschehn,

Die fest und treu an deiner Seite stehn.

Dort naht der Feind, die Deinen harren brunstig;

Befiehl den Angriff, der Moment ist gunstig.

KAISER:

Auf das Kommando leist' ich hier Verzicht.

In deinen Handen, Furst, sei deine Pflicht.

OBERGENERAL:

So trete denn der rechte Flugel an!

Des Feindes Linke, eben jetzt im Steigen,

Soll, eh' sie noch den letzten Schritt getan,

Der Jungendkraft geprufter Treue weichen.

FAUST:

Erlaube denn, da? dieser muntre Held

Sich ungesaumt in deine Reihen stellt,

Sich deinen Reihen innigst einverleibt

Und, so gesellt, sein kraftig Wesen treibt.

RAUFEBOLD:

Wer das Gesicht mir zeigt, der kehrt's nicht ab

Als mit zerschlagnen Unter- und Oberbacken;

Wer mir den Rucken kehrt, gleich liegt ihm schlapp

Hals, Kopf und Schopf hinschlotternd gra? im Nacken.

Und schlagen deine Manner dann

Mit Schwert und Kolben, wie ich wute,

So sturzt der Feind, Mann uber Mann,

Ersauft im eigenen Geblute.

OBERGENERAL:

Der Phalanx unsrer Mitte folge sacht,

Dem Feind begegn' er, klug mit aller Macht;

Ein wenig rechts, dort hat bereits, erbittert,

Der Unsern Streitkraft ihren Plan erschuttert.

FAUST:

So folge denn auch dieser deinem Wort!

Er ist behend, rei?t alles mit sich fort.

HABEBALD:

Dem Heldenmut der Kaiserscharen

Soll sich der Durst nach Beute paaren;

Und allen sei das Ziel gestellt:

Des Gegenkaisers reiches Zelt.

Er prahlt nicht lang auf seinem Sitze,

Ich ordne mich dem Phalanx an die Spitze.

EILEBEUTE:

Bin ich auch ihm nicht angeweibt,

Er mir der liebste Buhle bleibt.

Fur uns ist solch ein Herbst gereift!

Die Frau ist grimmig, wenn sie greift,

Ist ohne Schonung, wenn sie raubt;

Im Sieg voran!und alles ist erlaubt.

OBERGENERAL:

Auf unsre Linke, wie vorauszusehn,

Sturzt ihre Rechte, kraftig. Widerstehn

Wird Mann fur Mann dem wutenden Beginnen,

Den engen Pa? des Felswegs zu gewinnen.

FAUST:

So bitte, Herr, auch diesen zu bemerken;

Es schadet nichts, wenn Starke sich verstarken.

HALTEFEST:

Dem linken Flugel keine Sorgen!

Da, wo ich bin, ist der Besitz geborgen;

In ihm bewahret sich der Alte,

Kein Strahlblitz spaltet, was ich halte.

MEPHISTOPHELES:

Nun schauet, wie im Hintergrunde

Aus jedem zackigen Felsenschlunde

Bewaffnete hervor sich drangen,

Die schmalen Pfade zu verengen,

Mit Helm und Harnisch, Schwertern, Schilden

In unserm Rucken eine Mauer bilden,

Den Wink erwartend, zuzuschlagen.

Woher das kommt, mu?t ihr nicht fragen.

Ich habe freilich nicht gesaumt,

Die Waffensale ringsum ausgeraumt;

Da standen sie zu Fu?, zu Pferde,

Als waren sie noch Herrn der Erde;

Sonst waren's Ritter, Konig, Kaiser,

Jetzt sind es nichts als leere Schneckenhauser;

Gar manch Gespenst hat sich darein geputzt,

Das Mittelalter lebhaft aufgestutzt.

Welch Teufelchen auch drinne steckt,

Fur diesmal macht es doch Effekt.

Hort, wie sie sich voraus erbosen,

Blechklappernd aneinander sto?en!

Auch flattern Fahnenfetzen bei Standarten,

Die frischer Luftchen ungeduldig harrten.

Bedenkt, hier ist ein altes Volk bereit


Und mischte gern sich auch zum neuen Streit.

FAUST:

Der Horizont hat sich verdunkelt,

Nur hie und da bedeutend funkelt

Ein roter ahnungsvoller Schein;

Schon blutig blinken die Gewehre;

Der Fels, der Wald, die Atmosphare,

Der ganze Himmel mischt sich ein.

MEPHISTOPHELES:

Die rechte Flanke halt sich kraftig;

Doch seh' ich ragend unter diesen

Hans Raufbold, den behenden Riesen,

Auf seine Weise rasch geschaftig.

KAISER:

Erst sah ich einen Arm erhoben,

Jetzt seh' ich schon ein Dutzend toben;

Naturgema? geschieht es nicht.

FAUST:

Vernahmst du nichts von Nebelstreifen,


Die auf Siziliens Kusten schweifen?

Dort, schwankend klar, im Tageslicht,

Erhoben zu den Mittelluften,

Gespiegelt in besondern Duften,

Erscheint ein seltsames Gesicht:

Da schwanken Stadte hin und wider,

Da steigen Garten auf und nieder,

Wie Bild um Bild den ather bricht.

KAISER:

Doch wie bedenklich! Alle Spitzen

Der hohen Speereseh' ich blitzen;

Auf unsres Phalanx blanken Lanzen

Seh' ich behende Flammchen tanzen.

Das scheint mir gar zu geisterhaft.

FAUST:

Verzeih, o Herr, das sind die Spuren

Verschollner geistiger Naturen,

Ein Widerschein der Dioskuren,

Bei denen alle Schiffer schwuren;


Sie sammeln hier die letzte Kraft.

KAISER:

Doch sage: wem sind wir verpflichtet,

Da? die Natur, auf uns gerichtet,

Das Seltenste zusammenrafft?

MEPHISTOPHELES:

Wem als dem Meister, jenem hohen,

Der dein Geschick im Busen tragt?

Durch deiner Feinde starkes Drohen

Ist er im Tiefsten aufgeregt.

Sein Dank will dich gerettet sehen,

Und sollt' er selbst daran vergehen.

KAISER:

Sie jubelten, mich pomphaft umzufuhren;

Ich war nun was, das wollt' ich auch probieren

Und fand's gelegen, ohne viel zu denken,

Dem wei?en Barte kuhle Luft zu schenken.

Dem Klerus hab' ich eine Lust verdorben,

Und ihre Gunst mir freilich nicht erworben.


Nun sollt' ich, seit so manchen Jahren,

Die Wirkung frohen Tuns erfahren?

FAUST:

Freiherzige Wohltat wuchert reich;

La? deinen Blick sich aufwarts wenden!

Mich deucht, er will ein Zeichen senden,

Gib acht, es deutet sich sogleich.

KAISER:

Ein Adler schwebt im Himmelhohen,

Ein Greif ihm nach mit wildem Drohen.

FAUST:

Gib acht: gar gunstig scheint es mir.

Greif ist ein fabelhaftes Tier;

Wie kann es sich so weit vergessen,

Mit echtem Adler sich zu messen?

KAISER:

Nunmehr, in weitgedehnten Kreisen,

Umziehn sie sich; - in gleichem Nu

Sie fahren aufeinander zu,


Sich Brust und Halse zu zerrei?en.

FAUST:

Nun merke, wie der leidige Greif,

Zerzerrt, zerzaust, nur Schaden findet

Und mit gesenktem Lowenschweif,

Zum Gipfelwald gesturzt, verschwindet.

KAISER:

Sei's, wie gedeutet, so getan!

Ich nehm' es mit Verwundrung an.

MEPHISTOPHELES:

Dringend wiederholten Streichen

Mussen unsre Feinde weichen,

Und mit ungewissem Fechten

Drangen sie nach ihrer Rechten

Und verwirren so im Streite

Ihrer Hauptmacht linke Seite.

Unsers Phalanx feste Spitze

Zieht sich rechts, und gleich dem Blitze

Fahrt sie in die schwache Stelle. -


Nun, wie sturmerregte Welle

Spruhend, wuten gleiche Machte

Wild in doppeltem Gefechte;

Herrlichers ist nichts ersonnen,

Unsist diese Schlacht gewonnen!

KAISER:

Schau! Mir scheint es dort bedenklich,

Unser Posten steht verfanglich.

Keine Steine seh' ich fliegen,

Niedre Felsen sind erstiegen,

Obre stehen schon verlassen.

Jetzt! - Der Feind, zu ganzen Massen

Immer naher angedrungen,

Hat vielleicht den Pa? errungen,

Schlu?erfolg unheiligen Strebens!

Eure Kunste sind vergebens.

MEPHISTOPHELES:

Da kommen meine beiden Raben,

Was mogen die fur Botschaft haben?


Ich furchte gar, es geht uns schlecht.

KAISER:

Was sollen diese leidigen Vogel?

Sie richten ihre schwarzen Segel

Hierher vom hei?en Felsgefecht.

MEPHISTOPHELES:

Setzt euch ganz nah zu meinen Ohren.

Wen ihr beschutzt, ist nicht verloren,

Denn euer Rat ist folgerecht.

FAUST:

Von Tauben hast du ja vernommen,

Die aus den fernsten Landen kommen

Zu ihres Nestes Brut und Kost.

Hier ist's mit wichtigen Unterschieden:

Die Taubenpost bedient den Frieden,

Der Krieg befiehlt die Rabenpost.

MEPHISTOPHELES:

Es meldet sich ein schwer Verhangnis:

Seht hin! gewahret die Bedrangnis


Um unsrer Helden Felsenrand!

Die nachsten Hohen sind erstiegen,

Und wurden sie den Pa? besiegen,

Wir hatten einen schweren Stand.

KAISER:

So bin ich endlich doch betrogen!

Ihr habt mich in das Netz gezogen;

Mir graut, seitdem es mich umstrickt.

MEPHISTOPHELES:

Nur Mut! Noch ist es nicht mi?gluckt.

Geduld und Pfiff zum letzten Knoten!

Gewohnlich geht's am Ende scharf.

Ich habe meine sichern Boten;

Befehlt, da? ich befehlen darf!

OBERGENERAL:

Mit diesen hast du dich vereinigt,

Mich hat's die ganze Zeit gepeinigt,

Das Gaukeln schafft kein festes Gluck.

Ich wei? nichts an der Schlacht zu wenden;


Begannen sie's, sie mogen's enden,

Ich gebe meinen Stab zuruck.

KAISER:

Behalt ihn bis zu bessern Stunden,

Die uns vielleicht das Gluck verleiht.

Mir schaudert vor dem garstigen Kunden

Und seiner Rabentraulichkeit.

Den Stab kann ich dir nicht verleihen,

Du scheinst mir nicht der rechte Mann;

Befiehl und such uns zu befreien!

Geschehe, was geschehen kann.

MEPHISTOPHELES:

Mag ihn der stumpfe Stab beschutzen!

Uns andern konnt' er wenig nutzen,

Es war so was vom Kreuz daran.

FAUST:

Was ist zu tun? +

MEPHISTOPHELES:

Esist getan! -


Nun, schwarze Vettern, rasch im Dienen,

Zum gro?en Bergsee! gru?t mir die Undinen

Und bittet sie um ihrer Fluten Schein.

Durch Weiberkunste, schwer zu kennen,

Verstehen sie vom Sein den Schein zu trennen,

Und jeder schwort, das sei das Sein.

FAUST:

Den Wasserfraulein mussen unsre Raben

Recht aus dem Grund geschmeichelt haben;

Dort fangt es schon zu rieseln an.

An mancher trocknen, kahlen Felsenstelle

Entwickelt sich die volle, rasche Quelle;

Um jener Sieg ist es getan.

MEPHISTOPHELES:

Das ist ein wunderbarer Gru?,

Die kuhnsten Klettrer sind konfus.

FAUST:

Schon rauscht ein Bach zu Bachen machtig nieder,

Aus Schluchten kehren sie gedoppelt wieder,


Ein Strom nun wirft den Bogenstrahl;

Auf einmal legt er sich in flache Felsenbreite

Und rauscht und schaumt nach der und jener Seite,

Und stufenweise wirft er sich ins Tal.

Was hilft ein tapfres, heldenma?iges Stemmen?

Die machtige Woge stromt, sie wegzuschwemmen.

Mir schaudert selbst vor solchem wilden Schwall.

MEPHISTOPHELES:

Ich sehe nichts von diesen Wasserlugen,

Nur Menschenaugen lassen sich betrugen,

Und mich ergetzt der wunderliche Fall.

Sie sturzen fort zu ganzen Haufen,

Die Narren wahnen zu ersaufen,

Indem sie frei auf festem Lande schnaufen

Und lacherlich mit Schwimmgebarden laufen.

Nun ist Verwirrung uberall.

Ich werd' euch bei dem hohen Meister loben;

Wollt ihr euch nun als Meister selbst erproben,

So eilet zu der gluhnden Schmiede,

Wo das Gezwergvolk, nimmer mude,

Metall und Stein zu Funken schlagt.

Verlangt, weitlaufig sie beschwatzend,

Ein Feuer, leuchtend, blinkend, platzend,

Wie man's im hohen Sinne hegt.

Zwar Wetterleuchten in der weiten Ferne,

Blickschnelles Fallen allerhochster Sterne

Mag jede Sommernacht geschehn;

Doch Wetterleuchten in verworrnen Buschen

Und Sterne, die am feuchten Boden zischen,

Das hat man nicht so leicht gesehn.

So mu?t ihr, ohn' euch viel zu qualen,

Zuvorderst bitten, dann befehlen.

MEPHISTOPHELES:

Den Feinden dichte Finsternisse!

Und Tritt und Schritt ins Ungewisse!

Irrfunkenblick an allen Enden,

Ein Leuchten, plotzlich zu verblenden!

Das alles ware wunderschon,

Nun aber braucht's noch Schreckgeton.


FAUST:

Die hohlen Waffen aus der Sale Gruften

Empfinden sich erstarkt in freien Luften;

Da drobenklappert's, rasselt's lange schon,

Ein wunderbarer falscher Ton.

MEPHISTOPHELES:

Ganz recht! Sie sind nicht mehr zu zugeln;

Schon schallt's von ritterlichen Prugeln,

Wie in der holden alten Zeit.

Armschienen wie der Beine Schienen,

Als Guelfen und als Ghibellinen,

Erneuen rasch den ewigen Streit.

Fest, im ererbten Sinne wohnlich,

Erweisen sie sich unversohnlich;

Schon klingt das Tosen weit und breit.

Zuletzt, bei allen Teufelsfesten,

Wirkt der Parteiha? doch zum besten,

Bis in den allerletzten Graus;

Schallt wider-widerwartig panisch,


Mitunter grell und scharf satanisch,

Erschreckend in das Tal hinaus.

Des Gegenkaisers Zelt

EILEBEUTE:

So sind wir doch die ersten hier!

HABEBALD:

Kein Rabe fliegt so schnell als wir.

EILEBEUTE:

O! welch ein Schatz liegt hier zuhauf!

Wo fang' ich an? Wo hor' ich auf?

HABEBALD:

Steht doch der ganze Raum so voll!

Wei? nicht, wozu ich greifen soll.

EILEBEUTE:

Der Teppich war' mir eben recht,

Mein Lager ist oft gar zu schlecht.

HABEBALD:

Hier hangt von Stahl ein Morgenstern,

Dergleichen hatt' ich lange gern.


EILEBEUTE:

Den roten Mantel goldgesaumt,

So etwas hatt' ich mir getraumt.

HABEBALD:

Damit ist es gar bald getan,

Man schlagt ihn tot und geht voran.

Du hast so viel schon aufgepackt

Und doch nichts Rechtes eingesackt.

Den Plunder la? an seinem Ort,

Nehm' eines dieser Kistchen fort!

Dies ist des Heers beschiedner Sold,

In seinem Bauche lauter Gold.

EILEBEUTE:

Das hat ein morderisch Gewicht!

Ich heb' es nicht, ich trag' es nicht.

HABEBALD:

Geschwinde duck' dich! Mu?t dich bucken!

Ich hucke dir's auf den starken Rucken.

EILEBEUTE:


O weh! O weh, nun ist's vorbei!

Die Last bricht mir das Kreuz entzwei.

HABEBALD:

Da liegt das rote Gold zuhauf -

Geschwinde zu und raff es auf!

EILEBEUTE:

Geschwinde nur zum Scho? hinein!

Noch immer wird's zur Gnuge sein.

HABEBALD:

Und so genug! und eile doch!

O weh, die Schurze hat ein Loch!

Wohin du gehst und wo du stehst,

Verschwenderisch die Schatze sast.

TRABANTEN USERS KAISERS:

Was schafft ihr hier am heiligen Platz?

Was kramt ihr in dem Kaiserschatz?

HABEBALD:

Wir trugen unsre Glieder feil

Und holen unser Beuteteil.


In Feindeszelten ist's der Brauch,

Und wir, Soldaten sind wir auch.

TRABANTEN:

Das passet nicht in unsern Kreis:

Zugleich Soldat und Diebsgeschmei?;

Und wer sich unserm Kaiser naht,

Der sei ein redlicher Soldat.

HABEBALD:

Die Redlichkeit, die kennt man schon,

Sie hei?et: Kontribution.

Ihr alle seid auf gleichem Fu?:

Gib her! das ist der Handwerksgru?.

Mach fort und schleppe, was du hast,

Hier sind wir nicht willkommner Gast.

ERSTER TRABANT:

Sag, warum gabst du nicht sogleich

Dem frechen Kerl einen Backenstreich?

ZWEITER:

Ich wei? nicht, mir verging die Kraft,


Sie waren so gespensterhaft.

DRITTER:

Mir ward es vor den Augen schlecht,

Da flimmert' es, ich sah nicht recht.

VIERTER:

Wie ich es nicht zu sagen wei?:

Es war den ganzen Tag so hei?,

So banglich, so beklommen schwul,

Der eine stand, der andre fiel,

Man tappte hin und schlug zugleich,

Der Gegner fiel vor jedem Streich,

Vor Augen schwebt' es wie ein Flor,

Dann summt's und saust's und zischt' im Ohr;

Das ging so fort, nun sind wir da

Und wissen selbst nicht, wie's geschah.

KAISER:

Es sei nun, wie ihm sei! uns ist die Schlacht gewonnen,

Des Feinds zerstreute Flucht im flachen Feld zerronnen.

Hier steht der leere Thron, verraterischer Schatz,


Von Teppichen umhullt, verengt umher den Platz.

Wir, ehrenvoll geschutzt von eigenen Trabanten,

Erwarten kaiserlich der Volker Abgesandten;

Von allen Seiten her kommt frohe Botschaft an:

Beruhigt sei das Reich, uns freudig zugetan.

Hat sich in unsern Kampf auch Gaukelei geflochten,

Am Ende haben wir uns nur allein gefochten.

Zufalle kommen ja dem Streitenden zugut:

Vom Himmel fallt ein Stein, dem Feinde regnet's Blut,

Aus Felsenhohlen tont's von machtigen Wunderklangen,

Die unsre Brust erhohn, des Feindes Brust verengen.

Der uberwundne fiel, zu stets erneutem Spott,

Der Sieger, wie er prangt, preist den gewognen Gott.

Und alles stimmt mit ein, er braucht nicht zu befehlen,

Herr Gott, dich loben wir! aus Millionen Kehlen.

Jedoch zum hochsten Preis wend' ich den frommen Blick,

Das selten sonst geschah, zur eignen Brust zuruck.

Ein junger,muntrer Furst mag seinen Tag vergeuden,

Die Jahre lehren ihn des Augenblicks Bedeuten.

Deshalb denn ungesaumt verbind' ich mich sogleich

Mit euch vier Wurdigen, fur Haus und Hof und Reich.

Dein war, o Furst! des Heers geordnet kluge Schichtung,

Sodann im Hauptmoment heroisch kuhne Richtung;

Im Frieden wirke nun, wie es die Zeit begehrt,

Erzmarschall nenn' ich dich, verleihe dir das Schwert.

ERZMARSCHALL:

Dein treues Heer, bis jetzt im Inneren beschaftigt,

Wenn's an der Grenze dich und deinen Thron bekraftigt,

Dann sei es uns vergonnt, bei Festesdrang im Saal

Geraumiger Vaterburg zu rusten dir das Mahl.

Blank trag' ich's dir dann vor, blank halt' ich dir's zur Seite,

Der hochsten Majestat zu ewigem Geleite.

KAISER:

Der sich als tapfrer Mann auch zart gefallig zeigt,

Du! sei Erzkammerer; der Auftrag ist nicht leicht.

Du bist der Oberste von allem Hausgesinde,

Bei deren innerm Streit ich schlechte Diener finde;

Dein Beispiel sei fortan in Ehren aufgestellt,

Wie man dem Herrn, dem Hof und allen wohlgefallt.

ERZKAMMERER:

Des Herren gro?en Sinn zu fordern, bringt zu Gnaden:

Den Besten hulfreich sein, den Schlechten selbst nicht schaden,

Dann klar sein ohne List und ruhig ohne Trug!

Wenn du mich, Herr, durchschaust, geschieht mir schon genug.

Darf sich die Phantasie auf jenes Fest erstrecken?

Wenn du zur Tafel gehst, reich' ich das goldne Becken,

Die Ringe halt' ich dir, damit zur Wonnezeit

Sich deine Hand erfrischt, wie mich dein Blick erfreut.

KAISER:

Zwar fuhl' ich mich zu ernst, auf Festlichkeit zu sinnen,

Doch sei's! Es fordert auch frohmutiges Beginnen.

Dich wahl' ich zum Erztruchse?! Also sei fortan

Dir Jagd, Geflugelhof und Vorwerk untertan;

Der Lieblingsspeisen Wahl la? mir zu allen Zeiten,

Wie sie der Monat bringt, und sorgsam zubereiten.

ERZTRUCHSESS:

Streng Fasten sei fur mich die angenehmste Pflicht,

Bis, vor dich hingestellt, dich freut ein Wohlgericht.

Der Kuche Dienerschaft soll sich mit mir vereinigen,

Das Ferne beizuziehn, die Jahrszeit zu beschleunigen.

Dich reizt nicht Fern und Fruh, womit die Tafel prangt,

Einfach und kraftig ist's, wornach dein Sinn verlangt.

KAISER:

Weil unausweichlich hier sich's nur von Festen handelt,

So sei mir, junger Held, zum Schenken umgewandelt.

Erzschenke, sorgenun, da? unsre Kellerei

Aufs reichlichste versorgt mit gutem Weine sei.

Du selbst sei ma?ig, la? nicht uber Heiterkeiten

Durch der Gelegenheit Verlocken dich verleiten!

ERZSCHENK:

Mein Furst, die Jugend selbst, wenn man ihr nur vertraut,

Steht, eh' man sich's versieht, zu Mannern auferbaut.

Auch ich versetze mich zu jenem gro?en Feste;

Ein kaiserlich Bufett schmuck' ich aufs allerbeste

Mit Prachtgefa?en, gulden, silbern allzumal,

Doch wahl' ich dir voraus den lieblichsten Pokal:

Ein blank venedisch Glas, worin Behagen lauschet,

Des Weins Geschmack sich starkt und nimmermehr berauschet.

Auf solchen Wunderschatz vertraut man oft zu sehr;

Doch deine Ma?igkeit, du Hochster, schutzt noch mehr.

KAISER:

Was ich euch zugedacht in dieser ernsten Stunde,

Vernahmt ihr mit Vertraun aus zuverlassigem Munde.

Des Kaisers Wort ist gro? und sichert jede Gift,

Doch zur Bekraftigung bedarf's der edlen Schrift,

Bedarf's der Signatur. Die formlich zu bereiten,

Seh' ich den rechten Mann zu rechter Stunde schreiten.

KAISER:

Wenn ein Gewolbe sich dem Schlu?stein anvertraut,

Dann ist's mit Sicherheit fur ewige Zeit erbaut.

Du siehst vier Fursten da! Wir haben erst erortert,

Was den Bestand zunachst von Haus und Hof befordert.

Nun aber, was das Reich in seinem Ganzen hegt,

Sei, mit Gewicht und Kraft, der Funfzahl auferlegt.

An Landern sollen sie vor allen andern glanzen;

Deshalb erweitr' ich gleich jetzt des Besitztums Grenzen

Vom Erbteil jener, die sich von uns abgewandt.

Euch Treuen sprech' ich zu so manches schone Land,

Zugleich das hohe Recht, euch nach Gelegenheiten

Durch Anfall, Kauf und Tausch ins Weitre zu verbreiten;

Dann sei bestimmt - vergonnt, zu uben ungestort - ,

Was von Gerechtsamen euch Landesherrn gehort.

Als Richter werdet ihr die Endurteile fallen,

Berufung gelte nicht von euern hochsten Stellen.

Dann Steuer, Zins und Beth', Lehn und Geleit und Zoll,

Berg-, Salz- und Munzregal euch angehoren soll.

Denn meine Dankbarkeit vollgultig zu erproben,

Hab ich euch ganz zunachst der Majestat erhoben.

ERZBISCHOF:

Im Namen aller sei dir tiefster Dank gebracht!

Du machst uns stark und fest und starkest deine Macht.

KAISER:

Euch funfen will ich noch erhohtere Wurde geben.

Noch leb' ich meinem Reich und habe Lust, zu leben;

Dochhoher Ahnen Kette zieht bedachtigen Blick

Aus rascher Strebsamkeit ins Drohende zuruck.

Auch werd' ich seinerzeit mich von den Teuren trennen,

Dann sei es eure Pflicht, den Folger zu ernennen.

Gekront erhebt ihn hoch auf heiligem Altar,

Und friedlich ende dann, was jetzt so sturmisch war.

ERZKANZLER:

Mit Stolz in tiefster Brust, mit Demut an Gebarde,

Stehn Fursten dir gebeugt, die ersten auf der Erde.

Solang das treue Blut die vollen Adern regt,

Sind wir der Korper, den dein Wille leicht bewegt.

KAISER:

Und also sei, zum Schlu?, was wir bisher betatigt,

Fur alle Folgezeit durch Schrift und Zug bestatigt.

Zwar habt ihr den Besitz als Herren vollig frei,

Mit dem Beding jedoch, da? er unteilbar sei.

Und wie ihr auch vermehrt, was ihr von uns empfangen,

Es soll's der altste Sohn in gleichem Ma? erlangen.

ERZKANZLER:

Dem Pergament alsbald vertrau' ich wohlgemut,

Zum Gluck dem Reich und uns, das wichtigste Statut;

Reinschrift und Sieglung soll die Kanzelei beschaftigen,

Mit heiliger Signatur wirst du's, der Herr, bekraftigen.

KAISER:

Und so entlass' ich euch, damit den gro?en Tag

Gesammelt jedermann sich uberlegen mag.

DER GEISTLICHE:

Der Kanzler ging hinweg, der Bischof ist geblieben,

Vom ernsten Warnegeist zu deinem Ohr getrieben!

Sein vaterliches Herz, von Sorge bangt's um dich.

KAISER:

Was hast du Bangliches zur frohen Stunde? sprich!

ERZBISCHOF:

Mit welchem bittern Schmerz find' ich, in dieser Stunde,

Dein hochgeheiligt Haupt mit Satanas im Bunde!

Zwar, wie es scheinen will, gesichert auf dem Thron,

Doch leider! Gott dem Herrn, dem Vater Papst zum Hohn.

Wenn dieser es erfahrt, schnell wird er straflich richten,

Mit heiligem Strahl dein Reich, das sundige, zu vernichten.

Denn noch verga? er nicht, wie du, zur hochsten Zeit,

An deinem Kronungstag, den Zauberer befreit.

Von deinem Diadem, der Christenheit zum Schaden,

Traf das verfluchte Haupt der erste Strahl der Gnaden.

Doch schlag an deine Brust und gib vom frevlen Gluck

Ein ma?ig Scherflein gleich dem Heiligtum zuruck:

Den breiten Hugelraum, da, wo dein Zelt gestanden,

Wo bose Geister sich zu deinem Schutz verbanden,

Dem Lugenfursten du ein horchsam Ohr geliehn,

Den stifte, fromm belehrt, zu heiligem Bemuhn;

Mit Bergund dichtem Wald, so weit sie sich erstrecken,

Mit Hohen, die sich grun zu fetter Weide decken,

Fischreichen, klaren Seen, dann Bachlein ohne Zahl,

Wie sie sich, eilig schlangelnd, sturzen ab zu Tal;

Das breite Tal dann selbst, mit Wiesen, Gauen, Grunden:

Die Reue spricht sich aus, und du wirst Gnade finden.

KAISER:

Durch meinen schweren Fehl bin ich so tief erschreckt;

Die Grenze sei von dir nach eignem Ma? gesteckt.


ERZBISCHOF:

Erst! der entweihte Raum, wo man sich so versundigt,

Sei alsobald zum Dienst des Hochsten angekundigt.

Behende steigt im Geist Gemauer stark empor,

Der Morgensonne Blick erleuchtet schon das Chor,

Zum Kreuz erweitert sich das wachsende Gebaude,

Das Schiff erlangt, erhoht sich zu der Glaubigen Freude;

Sie stromen brunstig schon durchs wurdige Portal,

Der erste Glockenruf erscholl durch Berg und Tal,

Von hohen Turmen tont's, wie sie zum Himmel streben,

Der Bu?er kommt heran zu neugeschaffnem Leben.

Dem hohen Weihetag - er trete bald herein! -

Wird deine Gegenwart die hochste Zierde sein.

KAISER:

Mag ein so gro?es Werk den frommen Sinn verkundigen,

Zu preisen Gott den Herrn, so wie mich zu entsundigen.

Genug! Ich fuhle schon, wie sich mein Sinn erhoht.

ERZBISCHOF:

Als Kanzler fordr' ich nun Schlu? und Formalitat.


KAISER:

Ein formlich Dokument, der Kirche das zu eignen,

Du legst es vor, ich will's mit Freuden unterzeichnen.

ERZBISCHOF:

Dann widmest du zugleich dem Werke, wie's entsteht,

Gesamte Landsgefalle: Zehnten, Zinsen, Beth',

Fur ewig. Viel bedarf's zu wurdiger Unterhaltung,

Und schwere Kosten macht die sorgliche Verwaltung.

Zum schnellen Aufbau selbst auf solchem wusten Platz

Reichst du uns einiges Gold, aus deinem Beuteschatz.

Daneben braucht man auch, ich kann es nicht verschweigen,

Entferntes Holz und Kalk und Schiefer und dergleichen.

Die Fuhren tut das Volk, vom Predigtstuhl belehrt,

Die Kirche segnet den, der ihr zu Diensten fahrt.

KAISER:

Die Sund' ist gro? und schwer, womit ich mich beladen;

Das leidige Zaubervolk bringt mich in harten Schaden.

ERZBISCHOF:

Verzeih, o Herr! Es ward dem sehr verrufnen Mann


Des Reiches Strand verliehn; doch diesen trifft der Bann,

Verleihst du reuig nicht der hohen Kirchenstelle

Auch dort den Zehnten, Zins undGaben und Gefalle.

KAISER:

Das Land ist noch nicht da, im Meer liegt es breit.

ERZBISCHOF:

Wer 's Recht hat und Geduld, fur den kommt auch die Zeit.

Fur uns mog' Euer Wort in seinen Kraften bleiben!

KAISER:

So konnt' ich wohl zunachst das ganze Reich verschreiben.

5. Akt - Offene Gegend

WANDRER:

Ja! sie sind's, die dunkeln Linden,

Dort, in ihres Alters Kraft.

Und ich soll sie wiederfinden,

Nach so langer Wanderschaft!

Ist es doch die alte Stelle,

Jene Hutte, die mich barg,

Als die sturmerregte Welle

Mich an jene Dunen warf!

Meine Wirte mocht' ich segnen,

Hilfsbereit, ein wackres Paar,

Das, um heut mir zu begegnen,

Alt schon jener Tage war.

Ach! das waren fromme Leute!

Poch' ich? ruf' ich? - Seid gegru?t,

Wenn gastfreundlich auch noch heute

Ihr des Wohltuns Gluck genie?t!

BAUCIS:

Lieber Kommling! Leise! Leise!

Ruhe! la? den Gatten ruhn!

Langer Schlaf verleiht dem Greise

Kurzen Wachens rasches Tun.

WANDRER:

Sage, Mutter: bist du's eben,

Meinen Dank noch zu empfahn,

Was du fur des Junglings Leben

Mit dem Gatten einst getan?

Bist du Baucis, die geschaftig

Halberstorbnen Mund erquickt?

Du Philemon, der so kraftig

Meinen Schatz der Flut entruckt?

Eure Flammen raschen Feuers,

Eures Glockchens Silberlaut,

Jenes grausen Abenteuers

Losung war euch anvertraut.

Und nun la?t hervor mich treten,

Schaun das grenzenlose Meer;

La?t mich knieen, la?t mich beten,

Mich bedrangt die Brust so sehr.

PHILEMON:

Eile nur, den Tisch zu decken,

Wo's im Gartchen munter bluht.

La? ihn rennen, ihn erschrecken,

Denn er glaubt nicht, was er sieht.

Das Euch grimmig mi?gehandelt,

Wog' auf Woge, schaumend wild,

Seht als Garten Ihr behandelt,


Seht ein paradiesisch Bild.

alter, war ich nicht zuhanden,

Hulfreich nicht wie sonst bereit;

Und wie meine Krafte schwanden,

War auch schon die Woge weit.

Kluger Herren kuhne Knechte

Gruben Graben, dammten ein,

Schmalerten des Meeres Rechte,

Herrn an seiner Statt zu sein.

Schaue grunend Wies' an Wiese,

Anger, Garten, Dorf und Wald. -

Komm nun aber und genie?e,

Denn die Sonne scheidet bald. -

Dort im Fernsten ziehen Segel,

Suchen nachtlich sichern Port.

Kennen doch ihr Nest die Vogel;

Denn jetzt ist der Hafen dort.

So erblickst du in der Weite

Erst des Meeres blauen Saum,

Rechts und links, in aller Breite,

Dichtgedrangt bewohnten Raum.

BAUCIS:

Bleibst du stumm? und keinen Bissen

Bringst du zum verlechzten Mund?

PHILEMON:

Mocht' er doch vom Wunder wissen;

Sprichst so gerne, tu's ihm kund.

BAUCIS:

Wohl! ein Wunder ist's gewesen!

La?t mich heut noch nicht in Ruh;

Denn es ging das ganze Wesen

Nicht mit rechten Dingen zu.

PHILEMON:

Kann der Kaiser sich versund'gen,

Der das Ufer ihm verliehn?

Tat's ein Herold nicht verkund'gen

Schmetternd im Voruberziehn?

Nicht entfernt von unsern Dunen

Ward der erste Fu? gefa?t,

Zelte, Hutten! - Doch im Grunen

Richtet bald sich ein Palast.

BAUCIS:

Tags umsonst die Knechte larmten,

Hack' und Schaufel, Schlag um Schlag;

Wo die Flammchen nachtig schwarmten,

Stand ein Damm den andern Tag.

Menschenopfer mu?ten bluten,

Nachts erscholl des Jammers Qual;

Meerab flossen Feuergluten,

Morgens war es ein Kanal.

Gottlos ist er, ihn gelustet

Unsre Hutte, unser Hain;

Wie er sich als Nachbar brustet,

Soll man untertanig sein.

PHILEMON:

Hat er uns doch angeboten

Schones Gut im neuen Land!

BAUCIS:

Traue nicht dem Wasserboden,

Halt auf deiner Hohe stand!

PHILEMON:

La?t uns zur Kapelle treten,

Letzten Sonnenblick zu schaun!

La?t uns lauten, knieen, beten

Und dem alten Gott vertraun!

Palast

LYNKEUS DER TURMER:

Die Sonne sinkt, die letzten Schiffe,

Sie ziehen munter hafenein.

Ein gro?er Kahn ist im Begriffe,

Auf dem Kanale hier zu sein.

Die bunten Wimpel wehen frohlich,

Die starren Masten stehn bereit;

In dir preist sich der Bootsmann selig,

Dich gru?t das Gluck zur hochsten Zeit.

FAUST:

Verdammtes Lauten! Allzuschandlich


Verwundet's, wie ein tuckischer Schu?;

Vor Augen ist mein Reich unendlich,

Im Rucken neckt mich der Verdru?,

Erinnert mich durch neidische Laute:

Mein Hochbesitz, er ist nicht rein,

Der Lindenraum, die braune Baute,

Das morsche Kirchlein ist nicht mein.

Und wunscht' ich, dort mich zu erholen,

Vor fremdem Schatten schaudert mir,

Ist Dorn den Augen, Dorn den Sohlen;

O! war' ich weit hinweg von hier!

TURMER:

Wie segelt froh der bunte Kahn

Mit frischem Abendwind heran!

Wie turmt sich sein behender Lauf

In Kisten, Kasten, Sacken auf!

CHORUS:

Da landen wir,

Da sind wir schon.


Gluckan dem Herren,

Dem Patron!

MEPHISTOPHELES:

So haben wir uns wohl erprobt,

Vergnugt, wenn der Patron es lobt.

Nur mit zwei Schiffen ging es fort,

Mit zwanzig sind wir nun im Port.

Was gro?e Dinge wir getan,

Das sieht man unsrer Ladung an.

Das freie Meer befreit den Geist,

Wer wei? da, was Besinnen hei?t!

Da fordert nur ein rascher Griff,

Man fangt den Fisch, man fangt ein Schiff,

Und ist man erst der Herr zu drei,

Dann hakelt man das vierte bei;

Da geht es denn dem funften schlecht,

Man hat Gewalt, so hat man Recht.

Man fragt ums Was, und nicht ums Wie.

Ich mu?te keine Schiffahrt kennen:

Krieg, Handel und Piraterie,

Dreieinig sind sie, nicht zu trennen.

DIE DREI GEWALTIGEN GESELLEN:

Nicht Dank und Gru?!

Nicht Gru? und Dank!

Als brachten wir

Dem Herrn Gestank.

Er macht ein

Widerlich Gesicht;

Das Konigsgut

Gefallt ihm nicht.

MEPHISTOPHELES:

Erwartet weiter

Keinen Lohn!

Nahmt ihr doch

Euren Teil davon.

DIE GESELLEN:

Das ist nur fur

Die Langeweil';

Wir alle fordern

Gleichen Teil.

MEPHISTOPHELES:

Erst ordnet oben

Saal an Saal

Die Kostbarkeiten

Allzumal!

Und tritt er zu

Der reichen Schau,

Berechnet er alles

Mehr genau,

Er sich gewi?

Nicht lumpen la?t

Und gibt der Flotte

Fest nach Fest.

Die bunten Vogel kommen morgen,

Fur die werd' ich zum besten sorgen.

MEPHISTOPHELES:

Mit ernster Stirn, mit dustrem Blick

Vernimmst du dein erhaben Gluck.

Die hohe Weisheit wird gekront,

Das Ufer ist dem Meer versohnt;

Vom Ufer nimmt, zu rascher Bahn,

Das Meer die Schiffe willig an;

So sprich, da? hier, hier vom Palast

Dein Arm die ganze Welt umfa?t.

Von dieser Stelle ging es aus,

Hierstand das erste Bretterhaus;

Ein Grabchen ward hinabgeritzt,

Wo jetzt das Ruder emsig spritzt.

Dein hoher Sinn, der Deinen Flei?

Erwarb des Meers, der Erde Preis.

Von hier aus - +

FAUST:

Das verfluchte Hier!

Das eben, leidig lastet's mir.

Dir Vielgewandtem mu? ich's sagen,

Mir gibt's im Herzen Stich um Stich,

Mir ist's unmoglich zu ertragen!


Und wie ich's sage, scham' ich mich.

Die Alten droben sollten weichen,

Die Linden wunscht' ich mir zum Sitz,

Die wenig Baume, nicht mein eigen,

Verderben mir den Weltbesitz.

Dort wollt' ich, weit umherzuschauen,

Von Ast zu Ast Geruste bauen,

Dem Blick eroffnen weite Bahn,

Zu sehn, was alles ich getan,

Zu uberschaun mit einem Blick

Des Menschengeistes Meisterstuck,

Betatigend mit klugem Sinn

Der Volker breiten Wohngewinn.

So sind am hartsten wir gequalt,

Im Reichtum fuhlend, was uns fehlt.

Des Glockchens Klang, der Linden Duft

Umfangt mich wie in Kirch' und Gruft.

Des allgewaltigen Willens Kur

Bricht sich an diesem Sande hier.

Wie schaff' ich mir es vom Gemute!

Das Glocklein lautet, und ich wute.

MEPHISTOPHELES:

Naturlich! da? ein Hauptverdru?

Das Leben dir vergallen mu?.

Wer leugnet's! Jedem edlen Ohr

Kommt das Geklingel widrig vor.

Und das verfluchte Bim-Baum-Bimmel,

Umnebelnd heitern Abendhimmel,

Mischt sich in jegliches Begebnis,

Vom ersten Bad bis zum Begrabnis,

Als ware zwischen Bim und Baum

Das Leben ein verschollner Traum.

FAUST:

Das Widerstehn, der Eigensinn

Verkummern herrlichsten Gewinn,

Da? man, zu tiefer, grimmiger Pein,

Ermuden mu?, gerecht zu sein.

MEPHISTOPHELES:

Was willst du dich denn hier genieren?

Mu?t du nicht langst kolonisieren?

FAUST:

So geht und schafft sie mir zur Seite! -

Das schone Gutchen kennst du ja,

Das ich den Alten ausersah.

MEPHISTOPHELES:

Man tragt sie fort und setzt sie nieder,

Eh' man sich umsieht, stehn sie wieder;

Nach uberstandener Gewalt

Versohnt ein schoner Aufenthalt.

MEPHISTOPHELES:

Kommt, wie der Herr gebieten la?t!

Und morgen gibt's ein Flottenfest.

DIE DREI:

Der alte Herr empfing uns schlecht,

Ein flottes Fest ist uns zu Recht.

MEPHISTOPHELES:

Auch hier geschieht, was langst geschah,


Denn Naboths Weinberg war schon da.((regum i,21) )

Tiefe Nacht

LYNKEUS DER TURMER:

Zum Sehen geboren,

Zum Schauen bestellt,

Dem Turme geschworen,

Gefallt mir die Welt.

Ich blick' in die Ferne,

Ich seh' in der Nah'

Den Mond und die Sterne,

Den Wald und das Reh.

So seh' ich in allen

Die ewige Zier,

Und wie mir's gefallen,

Gefall' ich auch mir.

Ihr glucklichen Augen,

Was je ihr gesehn,

Es sei wie es wolle,

Es war doch so schon!

Nicht allein mich zu ergetzen,

Bin ich hier so hoch gestellt;

Welch ein greuliches Entsetzen

Droht mir aus der finstern Welt!

Funkenblicke seh' ich spruhen

Durch der Linden Doppelnacht,

Immer starker wuhlt ein Gluhen,

Von der Zugluft angefacht.

Ach! die innre Hutte lodert,

Die bemoost und feucht gestanden;

Schnelle Hulfe wird gefordert,

Keine Rettung ist vorhanden.

Ach! die guten alten Leute,

Sonst so sorglich um das Feuer,

Werden sie dem Qualm zur Beute!

Welch ein schrecklich Abenteuer!

Flamme flammet, rot in Gluten

Steht das schwarze Moosgestelle;

Retteten sich nur die Guten

Aus der wildentbrannten Holle!


Zungelnd lichte Blitze steigen

Zwischen Blattern, zwischen Zweigen;

aste durr, die flackernd brennen,

Gluhen schnell und sturzen ein.

Sollt ihr Augen dies erkennen!

Mu? ich so weitsichtig sein!

Das Kapellchen bricht zusammen

Von der aste Sturz und Last.

Schlangelnd sind, mit spitzen Flammen,

Schon die Gipfel angefa?t.

Bis zur Wurzel gluhn die hohlen

Stamme, purpurrot im Gluhn. -

Was sich sonst dem Blick empfohlen,

Mit Jahrhunderten ist hin.

FAUST:

Von oben welch ein singend Wimmern?

Das Wort ist hier, der Ton zu spat.

Mein Turmer jammert; mich, im Innern,

Verdrie?t die ungeduld'ge Tat.

Doch sei der Lindenwuchs vernichtet

Zu halbverkohlter Stamme Graun,

Ein Luginsland ist bald errichtet,

Um ins Unendliche zu schaun.

Da seh' ich auch die neue Wohnung,

Die jenes alte Paar umschlie?t,

Das, im Gefuhl gro?mutiger Schonung,

Der spaten Tage froh genie?t.

MEPHISTOPHELES UND DIE DREIE:

Da kommen wir mit vollem Trab;

Verzeiht! es ging nicht gutlich ab.

Wir klopften an, wir pochten an,

Und immer ward nicht aufgetan;

Wir ruttelten, wir pochten fort,

Da lag die morsche Ture dort;

Wir riefen laut und drohten schwer,

Allein wir fanden kein Gehor.

Und wie's in solchem Fall geschicht,

Sie horten nicht, sie wollten nicht;

Wir aber haben nicht gesaumt,


Behende dir sie weggeraumt.

Das Paar hat sich nicht viel gequalt,

Vor Schrecken fielen sie entseelt.

Ein Fremder, der sich dort versteckt

Und fechten wollte, ward gestreckt.

In wilden Kampfes kurzer Zeit

Von Kohlen, ringsumher gestreut,

Entflammte Stroh. Nun lodert's frei,

Als Scheiterhaufen dieser drei.

FAUST:

Ward ihr fur meine Worte taub?

Tausch wollt' ich, wollte keinen Raub.

Dem unbesonnenen wilden Streich,

Ihm fluch' ich; teilt es unter euch!

CHORUS:

Das alte Wort, das Wort erschallt:

Gehorche willig der Gewalt!

Und bist du kuhn und halst du Stich,

So wage Haus und Hof und - dich.


FAUST:

Die Sterne bergen Blick und Schein,

Das Feuer sinkt und lodert klein;

Ein Schauerwindchen fachelt's an,

Bringt Rauch und Dunst zu mir heran.

Geboten schnell, zu schnell getan! -

Was schwebet schattenhaft heran?

Mitternacht

ERSTE:

Ich hei?e der Mangel. +

ZWEITE:

Ich hei?e die Schuld.

DRITTE:

Ich hei?e die Sorge. +

VIERTE:

Ich hei?e die Not.

ZU DREI:

Die Tur ist verschlossen, wir konnen nicht ein;

Drin wohnet ein Reicher, wir mogen nicht 'nein.


MANGEL:

Da werd' ich zum Schatten. +

SCHULD:

Da werd' ich zunicht.

NOT:

Man wendet von mir das verwohnte Gesicht.

SORGE:

Ihr Schwestern, ihr konnt nicht und durft nicht hinein.

Die Sorge, sie schleicht sich durchs Schlusselloch ein.

MANGEL:

Ihr, graue Geschwister, entfernt euch von hier.

SCHULD:

Ganz nah an der Seite verbind' ich mich dir.

NOT:

Ganz nah an der Ferse begleitet die Not.

ZU DREI:

Es ziehen die Wolken, es schwinden die Sterne!

Dahinten, dahinten! von ferne, von ferne,

Da kommt er, der Bruder, da kommt er, der - - - Tod.

FAUST:

Vier sah ich kommen, drei nur gehn;

Den Sinn der Rede konnt' ich nicht verstehn.

Es klang so nach, als hie?' es- Not,

Ein dustres Reimwort folgte - Tod.

Es tonte hohl, gespensterhaft gedampft.

Noch hab' ich mich ins Freie nicht gekampft.

Konnt' ich Magie von meinem Pfad entfernen,

Die Zauberspruche ganz und gar verlernen,

Stund' ich, Natur, vor dir ein Mann allein,

Da war's der Muhe wert, ein Mensch zu sein.

Das war ich sonst, eh' ich's im Dustern suchte,

Mit Frevelwort mich und die Welt verfluchte.

Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll,

Da? niemand wei?, wie er ihn meiden soll.

Wenn auch ein Tag uns klar vernunftig lacht,

In Traumgespinst verwickelt uns die Nacht;

Wir kehren froh von junger Flur zuruck,

Ein Vogel krachzt; was krachzt er? Mi?geschick.


Von Aberglauben fruh und spat umgarnt:

Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt.

Und so verschuchtert, stehen wir allein.

Die Pforte knarrt, und niemand kommt herein.

Ist jemand hier? +

SORGE:

Die Frage fordert Ja!

FAUST:

Und du, wer bist denn du? +

SORGE:

Bin einmal da.

FAUST:

Entferne dich! +

SORGE:

Ich bin am rechten Ort.

FAUST:

Nimm dich in acht und sprich kein Zauberwort.

SORGE:

Wurde mich kein Ohr vernehmen,

Mu?t' es doch im Herzen drohnen;

In verwandelter Gestalt

ub' ich grimmige Gewalt.

Auf den Pfaden, auf der Welle,

Ewig angstlicher Geselle,

Stets gefunden, nie gesucht,

So geschmeichelt wie verflucht. -

Hast du die Sorge nie gekannt?

FAUST:

Ich bin nur durch die Welt gerannt;

Ein jed' Gelust ergriff ich bei den Haaren,

Was nicht genugte, lie? ich fahren,

Was mir entwischte, lie? ich ziehn.

Ich habe nur begehrt und nur vollbracht

Und abermals gewunscht und so mit Macht

Mein Leben durchgesturmt; erst gro? und machtig,

Nun aber geht es weise, geht bedachtig.

Der Erdenkreis ist mir genug bekannt,

Nach druben ist die Aussicht uns verrannt;


Tor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet,

Sich uber Wolken seinesgleichen dichtet!

Er stehe fest und sehe hier sich um;

Dem Tuchtigen ist diese Welt nicht stumm.

Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen!

Was er erkennt, la?t sich ergreifen.

Er wandle so den Erdentag entlang;

Wenn Geister spuken, geh' er seinen Gang,

Im Weiterschreiten find' er Qual und Gluck,

Er, unbefriedigt jeden Augenblick!

SORGE:

Wen ich einmal besitze,

Dem ist alle Welt nichts nutze;

Ewiges Dustre steigt herunter,

Sonne geht nicht auf noch unter,

Bei vollkommnen au?ern Sinnen

Wohnen Finsternisse drinnen,

Und er wei? von allen Schatzen

Sich nicht in Besitz zu setzen.

Gluck und Ungluck wird zur Grille,

Er verhungert in der Fulle;

Sei es Wonne, sei es Plage,

Schieb er's zu dem andern Tage,

Ist der Zukunft nur gewartig,

Und so wird er niemals fertig.

FAUST:

Hor auf! so kommst du mir nicht bei!

Ich mag nicht solchen Unsinn horen.

Fahr hin! die schlechte Litanei,

Sie konnte selbst den klugsten Mann betoren.

SORGE:

Soll er gehen, soll er kommen?

Der Entschlu? ist ihm genommen;

Auf gebahnten Weges Mitte

Wankt er tastend halbe Schritte.

Er verliert sich immer tiefer,

Siehet alle Dinge schiefer,

Sich und andre lastig druckend;

Atemholend und erstickend;

Nicht erstickt und ohne Leben,

Nicht verzweiflend, nicht ergeben.

So ein unaufhaltsam Rollen,

Schmerzlich Lassen, widrig Sollen,

Bald Befreien, bald Erdrucken,

Halber Schlaf und schlecht Erquicken

Heftet ihn an seine Stelle

Und bereitet ihn zur Holle.

FAUST:

Unselige Gespenster! so behandelt ihr

Das menschliche Geschlecht zu tausend Malen;

Gleichgultige Tage selbst verwandelt ihr

In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Qualen.

Damonen, wei? ich, wird man schwerlich los,

Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen;

Doch deine Macht, Sorge, schleichend gro?,

Ich werde sie nicht anerkennen.

SORGE:

Erfahre sie, wie ich geschwind

Mich mit Verwunschung von dir wende!

Die Menschen sind im ganzen Leben blind,

Nun, Fauste, werde du's am Ende!

FAUST:

Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen,

Allein im Innern leuchtet helles Licht;

Was ich gedacht, ich eil' es zu vollbringen;

Des Herren Wort, es gibt allein Gewicht.

Vom Lager auf, ihr Knechte! Mann fur Mann!

La?t glucklich schauen, was ich kuhn ersann.

Ergreift das Werkzeug, Schaufel ruhrt und Spaten!

Das Abgesteckte mu? sogleich geraten.

Auf strenges Ordnen, raschen Flei?

Erfolgt der allerschonste Preis;

Da? sich das gro?te Werkvollende,

Genugt ein Geist fur tausend Hande.

Grosser Vorhof des Palasts

MEPHISTOPHELES:

Herbei, herbei! Herein, herein!


Ihr schlotternden Lemuren,

Aus Bandern, Sehnen und Gebein

Geflickte Halbnaturen.

LEMUREN:

Wir treten dir sogleich zur Hand,

Und wie wir halb vernommen,

Es gilt wohl gar ein weites Land,

Das sollen wir bekommen.

Gespitzte Pfahle, die sind da,

Die Kette lang zum Messen;

Warum an uns den Ruf geschah,

Das haben wir vergessen.

MEPHISTOPHELES:

Hier gilt kein kunstlerisch Bemuhn;

Verfahret nur nach eignen Ma?en!

Der Langste lege langelang sich hin,

Ihr andern luftet ringsumher den Rasen;

Wie man's fur unsre Vater tat,

Vertieft ein langliches Quadrat!


Aus dem Palast ins enge Haus,

So dumm lauft es am Ende doch hinaus.

LEMUREN:

Wie jung ich war und lebt' und liebt',

Mich deucht, das war wohl su?e;

Wo's frohlich klang und lustig ging,

Da ruhrten sich meine Fu?e.

Nun hat das tuckische Alter mich

Mit seiner Krucke getroffen;

Ich stolpert' uber Grabes Tur,

Warum stand sie just offen!

FAUST:

Wie das Geklirr der Spaten mich ergetzt!

Es ist die Menge, die mir fronet,

Die Erde mit sich selbst versohnet,

Den Wellen ihre Grenze setzt,

Das Meer mit strengem Band umzieht.

MEPHISTOPHELES:

Du bist doch nur fur uns bemuht


Mit deinen Dammen, deinen Buhnen;

Denn du bereitest schon Neptunen,

Dem Wasserteufel, gro?en Schmaus.

In jeder Art seid ihr verloren; -

Die Elemente sind mit uns verschworen,

Und auf Vernichtung lauft's hinaus.

FAUST:

Aufseher! +

MEPHISTOPHELES:

Hier! +

FAUST:

Wie es auch moglich sei,

Arbeiter schaffe Meng' auf Menge,

Ermuntere durch Genu? und Strenge,

Bezahle, locke, presse bei!

Mit jedem Tage will ich Nachricht haben,

Wie sich verlangt der unternommene Graben.

MEPHISTOPHELES:

Man spricht, wie man mir Nachricht gab,


Von keinem Graben, doch vom Grab.

FAUST:

Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,

Verpestet alles schon Errungene;

Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,

Das Letzte war' das Hochsterrungene.

Eroffn' ich Raume vielen Millionen,

Nicht sicher zwar, doch tatig-frei zu wohnen.

Grun das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Herde

Sogleich behaglich aufder neusten Erde,

Gleich angesiedelt an des Hugels Kraft,

Den aufgewalzt kuhn-emsige Volkerschaft.

Im Innern hier ein paradiesisch Land,

Da rase drau?en Flut bis auf zum Rand,

Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschie?en,

Gemeindrang eilt, die Lucke zu verschlie?en.

Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,

Das ist der Weisheit letzter Schlu?:

Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,

Der taglich sie erobern mu?.

Und so verbringt, umrungen von Gefahr,

Hier Kindheit, Mann und Greis sein tuchtig Jahr.

Solch ein Gewimmel mocht' ich sehn,

Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.

Zum Augenblicke durft' ich sagen:

Verweile doch, du bist so schon!

Es kann die Spur von meinen Erdetagen

Nicht in aonen untergehn. -

Im Vorgefuhl von solchem hohen Gluck

Genie?' ich jetzt den hochsten Augenblick.

MEPHISTOPHELES:

Ihn sattigt keine Lust, ihm gnugt kein Gluck,

So buhlt er fort nach wechselnden Gestalten;

Den letzten, schlechten, leeren Augenblick,

Der Arme wunscht ihn festzuhalten.

Der mir so kraftig widerstand,

Die Zeit wird Herr, der Greis hier liegt im Sand.

Die Uhr steht still - +

CHOR:

Steht still! Sie schweigt wie Mitternacht.

Der Zeiger fallt. +

MEPHISTOPHELES:

Er fallt, es ist vollbracht.

CHOR:

Es ist vorbei. +

MEPHISTOPHELES:

Vorbei! ein dummes Wort.

Warum vorbei?

Vorbei und reines Nicht, vollkommnes Einerlei!

Was soll uns denn das ew'ge Schaffen!

Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen!

"Da ist's vorbei!" Was ist daran zu lesen?

Es ist so gut, als war' es nicht gewesen,

Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es ware.

Ich liebte mir dafur das Ewig-Leere.

Grablegung

LEMUR - SOLO:

Wer hat das Haus so schlecht gebaut,


Mit Schaufeln und mit Spaten?

LEMUREN - CHOR:

Dir, dumpfer Gast im hanfnen Gewand,

Ist's viel zu gut geraten.

LEMUR - SOLO:

Wer hat den Saal so schlecht versorgt?

Wo blieben Tisch und Stuhle?

LEMUREN - CHOR:

Es war auf kurze Zeit geborgt;

Der Glaubiger sind so viele.

MEPHISTOPHELES:

Der Korper liegt, und will der Geist entfliehn,

Ich zeig' ihm rasch den blutgeschriebnen Titel; -

Doch leider hat man jetzt so viele Mittel,

Dem Teufel Seelen zu entziehn.

Auf altem Wege sto?t man an,

Auf neuem sind wir nicht empfohlen;

Sonst hatt' ich es allein getan,

Jetzt mu? ich Helfershelfer holen.


Uns geht's in allen Dingen schlecht!

Herkommliche Gewohnheit, altes Recht,

Man kann auf gar nichts mehr vertrauen.

Sonst mit dem letzten Atem fuhr sie aus,

Ich pa?t' ihr auf und, wie die schnellste Maus,

Schnapps! hielt ich sie in fest verschlo?nen Klauen.

Nun zaudert sie und will den dustern Ort,

Des schlechten Leichnams ekles Haus nicht lassen;

Die Elemente, die sich hassen,

Die treiben sie am Ende schmahlich fort.

Und wenn ich Tag' und Stunden mich zerplage,

Wann? wie? und wo? das ist die leidige Frage;

Der alte Tod verlor die rasche Kraft,

Das Ob? sogar ist lange zweifelhaft;

Oft sah ich lustern auf die starren Glieder -

Es war nur Schein, das ruhrte, das regte sich wieder.

Nur frisch heran! verdoppelt euren Schritt,

Ihr Herrn vom graden, Herrn vom krummen Horne,

Von altem Teufelsschrot und - korne,

Bringt ihr zugleich den Hollenrachen mit.

Zwar hat die Holle Rachen viele! viele!

Nach Standsgebuhr und Wurden schlingt sie ein;

Doch wird man auch bei diesem letzten Spiele

Ins kunftige nicht so bedenklich sein.

Eckzahne klaffen; dem Gewolb des Schlundes

Entquillt der Feuerstrom in Wut,

Und in dem Siedequalm des Hintergrundes

Seh' ich die Flammenstadt in ewiger Glut.

Die rote Brandung schlagt hervor bis an die Zahne,

Verdammte, Rettung hoffend, schwimmen an;

Doch kolossal zerknirscht sie die Hyane,

Und sie erneuen angstlich hei?e Bahn.

In Winkeln bleibt noch vieles zu entdecken,

So viel Erschrecklichstes im engsten Raum!

Ihr tut sehr wohl, die Sunder zu erschrecken;

Sie halten's doch fur Lug und Trug und Traum.

Nun, wanstige Schuften mit den Feuerbacken!

Ihr gluht so recht vom Hollenschwefel feist;

Klotzartige, kurze, nie bewegte Nacken!


Hier unten lauert, ob's wie Phosphor glei?t:

Das ist das Seelchen, Psyche mit den Flugeln,

Die rupft ihr aus, so ist's ein garstiger Wurm;

Mit meinem Stempel will ich sie besiegeln,

Dann fort mit ihr im Feuerwirbelsturm!

Pa?t auf die niedern Regionen,

Ihr Schlauche, das ist eure Pflicht;

Ob's ihrbeliebte, da zu wohnen,

So akkurat wei? man das nicht.

Im Nabel ist sie gern zu Haus -

Nehmt es in acht, sie wischt euch dort heraus.

Ihr Firlefanze, flugelmannische Riesen,

Greift in die Luft, versucht euch ohne Rast!

Die Arme strack, die Klauen scharf gewiesen,

Da? ihr die Flatternde, die Fluchtige fa?t.

Es ist ihr sicher schlecht im alten Haus,

Und das Genie, es will gleich obenaus.

HIMMLISCHE HEERSCHAR:

Folget, Gesandte,

Himmelsverwandte,

Gemachlichen Flugs:

Sundern vergeben,

Staub zu beleben;

Allen Naturen

Freundliche Spuren

Wirket im Schweben

Des weilenden Zugs!

MEPHISTOPHELES:

Mi?tone hor' ich, garstiges Geklimper,

Von oben kommt's mit unwillkommnem Tag;

Es ist das bubisch-madchenhafte Gestumper,

Wie frommelnder Geschmack sich's lieben mag.

Ihr wi?t, wie wir in tiefverruchten Stunden

Vernichtung sannen menschlichem Geschlecht;

Das Schandlichste, was wir erfunden,

Ist ihrer Andacht eben recht.

Sie kommen gleisnerisch, die Laffen!

So haben sie uns manchen weggeschnappt,

Bekriegen uns mit unsern eignen Waffen;


Es sind auch Teufel, doch verkappt.

Hier zu verlieren, war' euch ew'ge Schande;

Ans Grab heran und haltet fest am Rande!

CHOR DER ENGEL:

Rosen, ihr blendenden,

Balsam versendenden!

Flatternde, schwebende,

Heimlich belebende,

Zweigleinbeflugelte,

Knospenentsiegelte,

Eilet zu bluhn.

Fruhling entsprie?e,

Purpur und Grun!

Tragt Paradiese

Dem Ruhenden hin.

MEPHISTOPHELES:

Was duckt und zuckt ihr? ist das Hollenbrauch?

So haltet stand und la?t sie streuen.

An seinen Platz ein jeder Gauch!


Sie denken wohl, mit solchen Blumeleien

Die hei?en Teufel einzuschneien;

Das schmilzt und schrumpft vor eurem Hauch.

Nun pustet, Pustriche! - Genug, genug!

Vor eurem Broden bleicht der ganze Flug. -

Nicht so gewaltsam! schlie?et Maul und Nasen!

Furwahr, ihr habt zu stark geblasen.

Da? ihr doch nie die rechten Ma?e kennt!

Das schrumpft nicht nur, es braunt sich, dorrt, es brennt!

Schon schwebt's heran mit giftig klaren Flammen;

Stemmt euch dagegen, drangt euch fest zusammen! -

Die Kraft erlischt! dahin ist aller Mut!

Die Teufel wittern fremde Schmeichelglut.

CHOR DER ENGEL:

Bluten, die seligen,

Flammen, die frohlichen,

Liebe verbreiten sie,

Wonne bereiten sie,

Herz wie esmag.

Worte, die wahren,

ather im Klaren,

Ewigen Scharen

uberall Tag!

MEPHISTOPHELES:

O Fluch! o Schande solchen Tropfen!

Satane stehen auf den Kopfen,

Die Plumpen schlagen Rad auf Rad

Und sturzen arschlings in die Holle.

Gesegn' euch das verdiente hei?e Bad!

Ich aber bleib' auf meiner Stelle. -

Irrlichter, fort! Du, leuchte noch so stark,

Du bleibst, gehascht, ein ekler Gallert-Quark.

Was flatterst du? Willst du dich packen! -

Es klemmt wie Pech und Schwefel mir im Nacken.

CHOR DER ENGEL:

Was euch nicht angehort,

Musset ihr meiden,

Was euch das Innre stort,

Durft ihr nicht leiden.

Dringt es gewaltig ein,

Mussen wir tuchtig sein.

Liebe nur Liebende

Fuhret herein!

MEPHISTOPHELES:

Mir brennt der Kopf, das Herz, die Leber brennt,

Ein uberteuflisch Element!

Weit spitziger als Hollenfeuer! -

Drum jammert ihr so ungeheuer,

Ungluckliche Verliebte! die, verschmaht,

Verdrehten Halses nach der Liebsten spaht.

Auch mir! Was zieht den Kopf auf jene Seite?

Bin ich mit ihr doch in geschwornem Streite!

Der Anblick war mir sonst so feindlich scharf.

Hat mich ein Fremdes durch und durch gedrungen?

Ich mag sie gerne sehn, die allerliebsten Jungen;

Was halt mich ab, da? ich nicht fluchen darf? -

Und wenn ich mich betoren lasse,

Wer hei?t denn kunftighin der Tor?


Die Wetterbuben, die ich hasse,

Sie kommen mir doch gar zu lieblich vor! -

Ihr schonen Kinder, la?t mich wissen:

Seid ihr nicht auch von Luzifers Geschlecht?

Ihr seid so hubsch, furwahr ich mocht' euch kussen,

Mir ist's, als kamt ihr eben recht.

Es ist mir so behaglich, so naturlich,

Als hatt' ich euch schon tausendmal gesehn;

So heimlich-katzchenhaft begierlich;

Mit jedem Blick aufs neue schoner schon.

O nahert euch, o gonnt mir einen Blick!

ENGEL:

Wir kommen schon, warum weichst du zuruck?

Wir nahern uns, und wenn du kannst, so bleib!

MEPHISTOPHELES:

Ihr scheltet uns verdammte Geister

Und seid die wahren Hexenmeister;

Denn ihr verfuhret Mann und Weib. -

Welch ein verfluchtes Abenteuer!


Ist dies das Liebeselement?

Der ganze Korper steht in Feuer,

Ich fuhle kaum,da? es im Nacken brennt. -

Ihr schwanket hin und her, so senkt euch nieder,

Ein bi?chen weltlicher bewegt die holden Glieder;

Furwahr, der Ernst steht euch recht schon;

Doch mocht' ich euch nur einmal lacheln sehn!

Das ware mir ein ewiges Entzucken.

Ich meine so, wie wenn Verliebte blicken:

Ein kleiner Zug am Mund, so ist's getan.

Dich, langer Bursche, dich mag ich am liebsten leiden,

Die Pfaffenmiene will dich gar nicht kleiden,

So sieh mich doch ein wenig lustern an!

Auch konntet ihr anstandig-nackter gehen,

Das lange Faltenhemd ist ubersittlich -

Sie wenden sich - von hinten anzusehen! -

Die Racker sind doch gar zu appetitlich!

CHOR DER ENGEL:

Wendet zur Klarheit

Euch, liebende Flammen!

Die sich verdammen,

Heile die Wahrheit;

Da? sie vom Bosen

Froh sich erlosen,

Um in dem Allverein

Selig zu sein.

MEPHISTOPHELES:

Wie wird mir! - Hiobsartig, Beul' an Beule

Der ganze Kerl, dem's vor sich selber graut,

Und triumphiert zugleich, wenn er sich ganz durchschaut,

Wenn er auf sich und seinen Stamm vertraut;

Gerettet sind die edlen Teufelsteile,

Der Liebespuk, er wirft sich auf die Haut;

Schon ausgebrannt sind die verruchten Flammen,

Und wie es sich gehort, fluch' ich euch allzusammen!

CHOR DER ENGEL:

Heilige Gluten!

Wen sie umschweben,

Fuhlt sich im Leben

Selig mit Guten.

Alle vereinigt

Hebt euch und preist!

Luft ist gereinigt,

Atme der Geist!

MEPHISTOPHELES:

Doch wie? - wo sind sie hingezogen?

Unmundiges Volk, du hast mich uberrascht,

Sind mit der Beute himmelwarts entflogen;

Drum haben sie an dieser Gruft genascht!

Mir ist ein gro?er, einziger Schatz entwendet:

Die hohe Seele, die sich mir verpfandet,

Die haben sie mir pfiffig weggepascht.

Bei wem soll ich mich nun beklagen?

Wer schafft mir mein erworbenes Recht?

Du bist getauscht in deinen alten Tagen,

Du hast's verdient, es geht dir grimmig schlecht.

Ich habe schimpflich mi?gehandelt,

Ein gro?er Aufwand, schmahlich! ist vertan;


Gemein Gelust, absurde Liebschaft wandelt

Den ausgepichten Teufel an.

Und hat mit diesem kindisch-tollen Ding

Der Klugerfahrne sich beschaftigt,

So ist furwahr die Torheit nicht gering,

Die seiner sich am Schlu? bemachtigt.

Bergschluchten

CHOR UN ECHO:

Waldung, sie schwankt heran,

Felsen, sie lasten dran,

Wurzeln, sie klammern an,

Stamm dicht an Stamm hinan,

Woge nach Woge spritzt,

Hohle, die tiefste, schutzt.

Lowen, sie schleichen stumm-+

freundlich/ um uns herum,

Ehren geweihten Ort,

Heiligen Liebeshort.

PATER ECSTATICUS:

Ewiger Wonnebrand,

Gluhendes Liebeband,

Siedender Schmerz der Brust,

Schaumende Gotteslust.

Pfeile, durchdringet mich,

Lanzen, bezwinget mich,

Keulen, zerschmettert mich,

Blitze, durchwettert mich!

Da? ja das Nichtige

Alles verfluchtige,

Glanze der Dauerstern,

Ewiger Liebe Kern.

PATER PROFUNDUS:

Wie Felsenabgrund mir zu Fu?en

Auf tiefem Abgrund lastend ruht,

Wie tausend Bache strahlend flie?en

Zum grausen Sturz des Schaums der Flut,

Wie strack mit eignem kraftigen Triebe

Der Stamm sich in die Lufte tragt:

So ist es die allmachtige Liebe,


Die alles bildet, alles hegt.

Ist um mich her ein wildes Brausen,

Als wogte Wald und Felsengrund,

Und doch sturzt, liebevoll im Sausen,

Die Wasserfulle sich zum Schlund,

Berufen, gleich das Tal zu wassern;

Der Blitz, der flammend niederschlug,

Die Atmosphare zu verbessern,

Die Gift und Dunst im Busen trug -

Sind Liebesboten, sie verkunden,

Was ewig schaffend uns umwallt.

Mein Innres mog' es auch entzunden,

Wo sich der Geist, verworren, kalt,

Verqualt in stumpfer Sinne Schranken,

Scharfangeschlo?nem Kettenschmerz.

O Gott! beschwichtige die Gedanken,

Erleuchte mein bedurftig Herz!

PATER SERAPHICUS:

Welch ein Morgenwolkchen schwebet

Durch der Tannen schwankend Haar!

Ahn' ich, was im Innern lebet?

Es ist junge Geisterschar.

CHOR SELIGER KNABEN:

Sag uns, Vater, wo wir wallen,

Sag uns, Guter, wer wir sind?

Glucklich sind wir: allen, allen

Ist das Dasein so gelind.

PATER SERAPHICUS:

Knaben! Mitternachts-Geborne,

Halb erschlossen Geist und Sinn,

Fur die Eltern gleich Verlorne,

Fur die Engel zum Gewinn.

Da? ein Liebender zugegen,

Fuhlt ihr wohl, so naht euch nur;

Doch von schroffen Erdewegen,

Gluckliche! habt ihr keine Spur.

Steigt herab in meiner Augen

Welt- und erdgema? Organ,

Konnt sie als die euren brauchen,

Schaut euch diese Gegend an!

Das sind Baume, das sind Felsen,

Wasserstrom, der abesturzt

Und mit ungeheurem Walzen

Sich den steilen Weg verkurzt.

SELIGE KNABEN:

Das ist machtig anzuschauen,

Doch zu duster ist der Ort,

Schuttelt uns mit Schreck und Grauen.

Edler, Guter, la? uns fort!

PATER SERAPHICUS:

Steigt hinan zu hoherm Kreise,

Wachset immer unvermerkt,

Wie, nach ewig reiner Weise,

Gottes Gegenwart verstarkt.

Denn das ist der Geister Nahrung,

Die im freisten ather waltet:

Ewigen Liebens Offenbarung,

Die zur Seligkeit entfaltet.

CHOR SELIGER KNABEN:

Hande verschlinget

Freudig zum Ringverein,

Regt euch und singet

Heil'ge Gefuhle drein!

Gottlich belehret,

Durft ihr vertrauen;

Den ihr verehret,

Werdet ihr schauen.

ENGEL:

Gerettet ist das edle Glied

Der Geisterwelt vom Bosen,

Wer immer strebend sich bemuht,

Den konnen wir erlosen.

Und hat an ihm die Liebe gar

Von oben teilgenommen,

Begegnet ihm die selige Schar

Mit herzlichem Willkommen.

DIE JUNGEREN ENGEL:

Jene Rosen aus den Handen

Liebend-heiliger Bu?erinnen

Halfen uns den Sieg gewinnen,

Uns das hohe Werk vollenden,

Diesen Seelenschatz erbeuten.

Bose wichen, als wir streuten,

Teufel flohen, als wir trafen.

Statt gewohnter Hollenstrafen

Fuhlten Liebesqual die Geister;

Selbst der alte Satansmeister

War von spitzer Pein durchdrungen.

Jauchzet auf! es ist gelungen.

DIE VOLLENDETEREN ENGEL:

Uns bleibt ein Erdenrest

Zu tragen peinlich,

Und war' er von Asbest,

Er ist nicht reinlich.

Wenn starke Geisteskraft

Die Elemente


An sich herangerafft,

Kein Engel trennte

Geeinte Zwienatur

Der innigen beiden,

Die ewige Liebe nur

Vermag's zu scheiden.

DIE JUNGEREN ENGEL:

Nebelnd um Felsenhoh'

Spur' ich soeben,

Regend sich in der Nah',

Ein Geisterleben.

Die Wolkchen werden klar,

Ich seh' bewegte Schar

Seliger Knaben,

Los von der Erde Druck,

Im Kreis gesellt,

Die sich erlaben

Am neuen Lenz und Schmuck

Der obern Welt.

Sei er zum Anbeginn,

Steigendem Vollgewinn

Diesen gesellt!

DIE SELIGEN KNABEN:

Freudig empfangen wir

Diesen im Puppenstand;

Also erlangen wir

Englisches Unterpfand.

Loset die Flocken los,

Die ihn umgeben!

Schon ist er schon und gro?

Von heiligem Leben.

DOCTORMARIANUS:

Hier ist die Aussicht frei,

Der Geist erhoben.

Dort ziehen Fraun vorbei,

Schwebend nach oben.

Die Herrliche mitteninn

Im Sternenkranze,

Die Himmelskonigin,

Ich seh's am Glanze.

Hochste Herrscherin der Welt!

Lasse mich im blauen,

Ausgespannten Himmelszelt

Dein Geheimnis schauen.

Billige, was des Mannes Brust

Ernst und zart beweget

Und mit heiliger Liebeslust

Dir entgegentraget.

Unbezwinglich unser Mut,

Wenn du hehr gebietest;

Plotzlich mildert sich die Glut,

Wie du uns befriedest.

Jungfrau, rein im schonsten Sinn,

Mutter, Ehren wurdig,

Uns erwahlte Konigin,

Gottern ebenburtig.

Um sie verschlingen

Sich leichte Wolkchen,


Sind Bu?erinnen,

Ein zartes Volkchen,

Um ihre Kniee

Den ather schlurfend,

Gnade bedurfend.

Dir, der Unberuhrbaren,

Ist es nicht benommen,

Da? die leicht Verfuhrbaren

Traulich zu dir kommen.

In die Schwachheit hingerafft,

Sind sie schwer zu retten;

Wer zerrei?t aus eigner Kraft

Der Geluste Ketten?

Wie entgleitet schnell der Fu?

Schiefem, glattem Boden?

Wen betort nicht Blick und Gru?,

Schmeichelhafter Odem?

CHOR DER BUSSERINNEN:

Du schwebst zu Hohen

Der ewigen Reiche,

Vernimm das Flehen,

Du Ohnegleiche,

Du Gnadenreiche!

MAGNA PECCATRIX:

Bei der Liebe, die den Fu?en

Deines gottverklarten Sohnes

Tranen lie? zum Balsam flie?en,

Trotz des Pharisaerhohnes;

Beim Gefa?e, das so reichlich

Tropfte Wohlgeruch hernieder,

Bei den Locken, die so weichlich

Trockneten die heil'gen Glieder -

MULIER SAMARITANA:

Bei dem Bronn, zu dem schon weiland

Abram lie? die Herde fuhren,

Bei dem Eimer, der dem Heiland

Kuhl die Lippe durft' beruhren;

Bei der reinen, reichen Quelle,

Die nun dorther sich ergie?et,

uberflussig, ewig helle

Rings durch alle Welten flie?et -

MARIA AEGYPTIACA:

Bei dem hochgeweihten Orte,

Wo den Herrn man niederlie?,

Bei dem Arm, der von der Pforte

Warnend mich zurucke stie?;

Bei der vierzigjahrigen Bu?e,

Der ich treu in Wusten blieb,

Bei dem seligen Scheidegru?e,

Den im Sand ich niederschrieb -

ZU DREI:

Die du gro?en Sunderinnen

Deine Nahe nicht verweigerst

Und ein bu?endes Gewinnen

In die Ewigkeiten steigerst,

Gonn auch dieser guten Seele,

Die sich einmal nur vergessen,

Die nicht ahnte, da? sie fehlte,

Dein Verzeihen angemessen!

UNA POENITENTIUM, SONST GRETCHEN GENANNT:

Neige, neige,

Du Ohnegleiche,

Du Strahlenreiche,

Dein Antlitz gnadig meinem Gluck!

Der fruh Geliebte,

Nicht mehr Getrubte,

Er kommt zuruck.

SELIGE KNABEN:

Er uberwachst uns schon

An machtigen Gliedern,

Wird treuer Pflege Lohn

Reichlich erwidern.

Wir wurden fruh entfernt

Von Lebechoren;

Doch dieser hat gelernt,

Er wird uns lehren.

DIE EINE BUSSERIN, SONST GRETCHEN GENANNT:

Vom edlen Geisterchor umgeben,

Wird sich der Neue kaum gewahr,

Er ahnet kaum das frische Leben,

So gleicht er schon der heiligen Schar.

Sieh, wie er jedem Erdenbande

Der alten Hulle sich entrafft

Und aus atherischem Gewande

Hervortritt erste Jugendkraft.

Vergonne mir, ihn zu belehren,

Noch blendet ihn der neue Tag.

MATER GLORIOSA:

Komm! hebe dich zu hohern Spharen!

Wenn er dich ahnet, folgt er nach.

DOCTOR MARIANUS:

Blicket auf zum Retterblick,

Alle reuig Zarten,

Euch zu seligem Geschick

Dankend umzuarten.

Werde jeder be?re Sinn

Dir zum Dienst erbotig;

Jungfrau, Mutter, Konigin,

Gottin, bleibe gnadig!

CHORUS MYSTICUS:

Alles Vergangliche

Ist nur ein Gleichnis;

Das Unzulangliche,

Hier wird's Ereignis;

Das Unbeschreibliche,

Hier ist's getan;

Das Ewig-Weibliche

Zieht uns hinan.