Johann Wolfgang von Goethe

"Faust: Der Tragödie erster Teil"

Zueignung

Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten,

Die fruh sich einst dem truben Blick gezeigt.

Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten?

Fuhl ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?

Ihr drangt euch zu! nun gut, so mogt ihr walten,

Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt;

Mein Busen fuhlt sich jugendlich erschuttert

Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert.

Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage,

Und manche liebe Schatten steigen auf;

Gleich einer alten, halbverklungnen Sage

Kommt erste Lieb und Freundschaft mit herauf;

Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage

Des Lebens labyrinthisch irren Lauf,

Und nennt die Guten, die, um schone Stunden

Vom Gluck getauscht, vor mir hinweggeschwunden.

Sie horen nicht die folgenden Gesange,

Die Seelen, denen ich die ersten sang;

Zerstoben ist das freundliche Gedrange,

Verklungen, ach! der erste Widerklang.

Mein Lied ertont der unbekannten Menge,

Ihr Beifall selbst macht meinem Herzen bang,

Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet,

Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet.

Und mich ergreift ein langst entwohntes Sehnen

Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich,

Es schwebet nun in unbestimmten Tonen

Mein lispelnd Lied, der Aolsharfe gleich,

Ein Schauer fa?t mich, Trane folgt den Tranen,

Das strenge Herz, es fuhlt sich mild und weich;

Was ich besitze, seh ich wie im Weiten,

Und was verschwand, wird mir zu Wirklichkeiten.

Vorspiel auf dem Theater

Direktor. Theatherdichter. Lustige Person:

DIREKTOR.

Ihr beiden, die ihr mir so oft,

In Not und Trubsal, beigestanden,

Sagt, was ihr wohl in deutschen Landen

Von unsrer Unternehmung hofft?

Ich wunschte sehr der Menge zu behagen,

Besonders weil sie lebt und leben la?t.

Die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen,

Und jedermann erwartet sich ein Fest.

Sie sitzen schon mit hohen Augenbraunen

Gelassen da und mochten gern erstaunen.

Ich wei?, wie man denGeist des Volks versohnt;

Doch so verlegen bin ich nie gewesen.

Zwar sind sie an das Beste nicht gewohnt,

Allein sie haben schrecklich viel gelesen.

Wie machen wir's, da? alles frisch und neu

Und mit Bedeutung auch gefallig sei?

Denn freilich mag ich gern die Menge sehen,

Wenn sich der Strom nach unsrer Bude drangt,

Und mit gewaltig wiederholten Wehen

Sich durch die enge Gnadenpforte zwangt;

Bei hellem Tage, schon vor vieren,


Mit Sto?en sich bis an die Kasse ficht

Und, wie in Hungersnot um Brot an Backerturen,

Um ein Billet sich fast die Halse bricht.

Dies Wunder wirkt auf so verschiedne Leute

Der Dichter nur; mein Freund, o tu es heute!

DICHTER.

O sprich mir nicht von jener bunten Menge,

Bei deren Anblick uns der Geist entflieht.

Verhulle mir das wogende Gedrange,

Das wider Willen uns zum Strudel zieht.

Nein, fuhre mich zur stillen Himmelsenge,

Wo nur dem Dichter reine Freude bluht;

Wo Lieb und Freundschaft unsres Herzens Segen

Mit Gotterhand erschaffen und erpflegen.

Ach! was in tiefer Brust uns da entsprungen,

Was sich die Lippe schuchtern vorgelallt,

Mi?raten jetzt und jetzt vielleicht gelungen,

Verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt.

Oft, wenn es erst durch Jahre durchgedrungen,

Erscheint es in vollendeter Gestalt.


Was glanzt, ist fur den Augenblick geboren,

Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren.

LUSTIGE PERSON.

Wenn ich nur nichts von Nachwelt horen sollte.

Gesetzt, da? ich von Nachwelt reden wollte,

Wer machte denn der Mitwelt Spa??

Den will sie doch und soll ihn haben.

Die Gegenwart von einem braven Knaben

Ist, dacht ich, immer auch schon was.

Wer sich behaglich mitzuteilen wei?,

Den wird des Volkes Laune nicht erbittern;

Er wunscht sich einen gro?en Kreis,

Um ihn gewisser zu erschuttern.

Drum seid nur brav und zeigt euch musterhaft,

La?t Phantasie, mit allen ihren Choren,

Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft,

Doch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit horen.

DIREKTOR.

Besonders aber la?t genug geschehn!

Man kommt zu schaun, man will am liebsten sehn.


Wird vieles vor den Augen abgesponnen,

So da? die Menge staunend gaffen kann,

Da habt Ihr in der Breite gleich gewonnen,

Ihr seid ein vielgeliebter Mann.

Die Masse konnt Ihr nur durch Masse zwingen,

Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus.

Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;

Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.

Gebt Ihr ein Stuck, so gebt es gleich in Stucken!

Solch ein Ragout, es mu? Euch glucken;

Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht.

Was hilft's, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht?

Das Publikum wird es Euch doch zerpflucken.

DICHTER.

Ihr fuhlet nicht, wie schlecht ein solches Handwerk sei!

Wie wenig das dem echten Kunstler zieme!

Der saubern Herren Pfuscherei

Ist, merk ich, schon bei Euch Maxime.

DIREKTOR.

Ein solcher Vorwurf la?t mich ungekrankt.


Ein Mann, der recht zu wirken denkt,

Mu? auf das beste Werkzeug halten.

Bedenkt, Ihr habet weiches Holz zu spalten,

Undseht nur hin, fur wen Ihr schreibt!

Wenn diesen Langeweile treibt,

Kommt jener satt vom ubertischten Mahle,

Und, was das Allerschlimmste bleibt,

Gar mancher kommt vom Lesen der Journale.

Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten,

Und Neugier nur beflugelt jeden Schritt;

Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten

Und spielen ohne Gage mit.

Was traumet Ihr auf Eurer Dichterhohe?

Was macht ein volles Haus Euch froh?

Beseht die Gonner in der Nahe!

Halb sind sie kalt, halb sind sie roh.

Der, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel,

Der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen.

Was plagt ihr armen Toren viel,

Zu solchem Zweck, die holden Musen?

Ich sag Euch, gebt nur mehr und immer, immer mehr,

So konnt Ihr Euch vom Ziele nie verirren

Sucht nur die Menschen zu verwirren,

Sie zu befriedigen, ist schwer -

Was fallt Euch an? Entzuckung oder Schmerzen?

DICHTER.

Geh hin und such dir einen andern Knecht!

Der Dichter sollte wohl das hochste Recht,

Das Menschenrecht, das ihm Natur vergonnt,

Um deinetwillen freventlich verscherzen!

Wodurch bewegt er alle Herzen?

Wodurch besiegt er jedes Element?

Ist es der Einklang nicht, der aus dem Busen dringt,

Und in sein Herz die Welt zurucke schlingt?

Wenn die Natur des Fadens ew'ge Lange,

Gleichgultig drehend, auf die Spindel zwingt,

Wenn aller Wesen unharmon'sche Menge

Verdrie?lich durcheinander klingt;

Wer teilt die flie?end immer gleiche Reihe

Belebend ab, da? sie sich rhythmisch regt?

Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe,

Wo es in herrlichen Akkorden schlagt?

Wer la?t den Sturm zu Leidenschaften wuten?

Das Abendrot im ernsten Sinne gluhn?

Wer schuttet alle schonen Fruhlingsbluten

Auf der Geliebten Pfade hin?

Wer flicht die unbedeutend grunen Blatter

Zum Ehrenkranz Verdiensten jeder Art?

Wer sichert den Olymp? vereinet Gotter?

Des Menschen Kraft, im Dichter offenbart.

LUSTIGE PERSON.

So braucht sie denn, die schonen Krafte

Und treibt die dichtrischen Geschafte

Wie man ein Liebesabenteuer treibt.

Zufallig naht man sich, man fuhlt, man bleibt

Und nach und nach wird man verflochten;

Es wachst das Gluck, dann wird es angefochten

Man ist entzuckt, nun kommt der Schmerz heran,

Und eh man sich's versieht, ist's eben ein Roman.

La?t uns auch so ein Schauspiel geben!

Greift nur hinein ins volle Menschenleben!

Ein jeder lebt's, nicht vielen ist's bekannt,

Und wo ihr's packt, da ist's interessant.

In bunten Bildern wenig Klarheit,

Viel Irrtum und ein Funkchen Wahrheit,

So wird der beste Trank gebraut,

Der alle Welt erquickt und auferbaut.

Dann sammelt sich der Jugend schonste Blute

Vor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung,

Dann sauget jedes zartliche Gemute

Aus eurem Werk sich melanchol'sche Nahrung,

Dann wird bald dies, bald jenes aufgeregt

Ein jeder sieht, was er im Herzen tragt.

Noch sind sie gleich bereit, zu weinen und zu lachen,

Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein;

Wer fertig ist, dem ist nichtsrecht zu machen;

Ein Werdender wird immer dankbar sein.

DICHTER.

So gib mir auch die Zeiten wieder,

Da ich noch selbst im Werden war,

Da sich ein Quell gedrangter Lieder

Ununterbrochen neu gebar,

Da Nebel mir die Welt verhullten,

Die Knospe Wunder noch versprach,

Da ich die tausend Blumen brach,

Die alle Taler reichlich fullten.

Ich hatte nichts und doch genug.

Den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug.

Gib ungebandigt jene Triebe,

Das tiefe, schmerzenvolle Gluck,

Des Hasses Kraft, die Macht der Liebe,

Gib meine Jugend mir zuruck!

LUSTIGE PERSON.

Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls,

Wenn dich in Schlachten Feinde drangen,

Wenn mit Gewalt an deinen Hals

Sich allerliebste Madchen hangen,

Wenn fern des schnellen Laufes Kranz

Vom schwer erreichten Ziele winket,

Wenn nach dem heft'gen Wirbeltanz

Die Nachte schmausend man vertrinket.

Doch ins bekannte Saitenspiel

Mit Mut und Anmut einzugreifen,

Nach einem selbstgesteckten Ziel

Mit holdem Irren hinzuschweifen,

Das, alte Herrn, ist eure Pflicht,

Und wir verehren euch darum nicht minder.

Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht,

Es findet uns nur noch als wahre Kinder.

DIREKTOR.

Der Worte sind genug gewechselt,

La?t mich auch endlich Taten sehn!

Indes ihr Komplimente drechselt,

Kann etwas Nutzliches geschehn.

Was hilft es, viel von Stimmung reden?

Dem Zaudernden erscheint sie nie.

Gebt ihr euch einmal fur Poeten,

So kommandiert die Poesie.

Euch ist bekannt, was wir bedurfen,

Wir wollen stark Getranke schlurfen;

Nun braut mir unverzuglich dran!

Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan,

Und keinen Tag soll man verpassen,

Das Mogliche soll der Entschlu?

Beherzt sogleich beim Schopfe fassen,

Er will es dann nicht fahren lassen

Und wirket weiter, weil er mu?.

Ihr wi?t, auf unsern deutschen Buhnen

Probiert ein jeder, was er mag;

Drum schonet mir an diesem Tag

Prospekte nicht und nicht Maschinen.

Gebraucht das gro?, und kleine Himmelslicht,

Die Sterne durfet ihr verschwenden;

An Wasser, Feuer, Felsenwanden,

An Tier und Vogeln fehlt es nicht.

So schreitet in dem engen Bretterhaus

Den ganzen Kreis der Schopfung aus,

Und wandelt mit bedacht'ger Schnelle

Vom Himmel durch die Welt zur Holle.

Prolog im Himmel

Der Herr. Die himmlischen Heerscharen. Nachher Mephistopheles.

Die drei Erzengel treten vor.

RAPHAEL.

Die Sonne tont, nach alter Weise,

In Bruderspharen Wettgesang,

Und ihre vorgeschriebne Reise

Vollendet sie mit Donnergang.

Ihr Anblick gibt den Engeln Starke,

Wenn keiner sie ergrunden mag;

die unbegreiflich hohen Werke

Sind herrlich wie am ersten Tag.

GABRIEL.

Und schnell und unbegreiflich schnelle

Dreht sich umher der Erde Pracht;

Es wechselt Paradieseshelle

Mit tiefer, schauervoller Nacht.

Es schaumt das Meer in breiten Flussen

Am tiefen Grund der Felsen auf,

Und Fels und Meer wird fortgerissen

Im ewig schnellem Spharenlauf.

MICHAEL.

Und Sturme brausen um die Wette

Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer,

und bilden wutend eine Kette

Der tiefsten Wirkung rings umher.

Da flammt ein blitzendes Verheeren

Dem Pfade vor des Donnerschlags.

Doch deine Boten, Herr, verehren

Das sanfte Wandeln deines Tags.

ZU DREI.

Der Anblick gibt den Engeln Starke,

Da keinerdich ergrunden mag,

Und alle deine hohen Werke

Sind herrlich wie am ersten Tag.

MEPHISTOPHELES.

Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst

Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,

Und du mich sonst gewohnlich gerne sahst,

So siehst du mich auch unter dem Gesinde.

Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,


Und wenn mich auch der ganze Kreis verhohnt;

Mein Pathos brachte dich gewi? zum Lachen,

Hattst du dir nicht das Lachen abgewohnt.

Von Sonn' und Welten wei? ich nichts zu sagen,

Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.

Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,

Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.

Ein wenig besser wurd er leben,

Hattst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;

Er nennt's Vernunft und braucht's allein,

Nur tierischer als jedes Tier zu sein.

Er scheint mir, mit Verlaub von euer Gnaden,

Wie eine der langbeinigen Zikaden,

Die immer fliegt und fliegend springt

Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;

Und lag er nur noch immer in dem Grase!

In jeden Quark begrabt er seine Nase.

DER HERR.

Hast du mir weiter nichts zu sagen?

Kommst du nur immer anzuklagen?


Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?

MEPHISTOPHELES.

Nein Herr! ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht.

Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,

Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.

DER HERR.

Kennst du den Faust?

MEPHISTOPHELES.

Den Doktor?

DER HERR.

Meinen Knecht!

MEPHISTOPHELES.

Furwahr! er dient Euch auf besondre Weise.

Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.

Ihn treibt die Garung in die Ferne,

Er ist sich seiner Tollheit halb bewu?t;

Vom Himmel fordert er die schonsten Sterne

Und von der Erde jede hochste Lust,

Und alle Nah und alle Ferne

Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.

DER HERR.

Wenn er mir auch nur verworren dient,


So werd ich ihn bald in die Klarheit fuhren.

Wei? doch der Gartner, wenn das Baumchen grunt,

Das Blut und Frucht die kunft'gen Jahre zieren.

MEPHISTOPHELES.

Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren!

Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,

Ihn meine Stra?e sacht zu fuhren.

DER HERR.

Solang er auf der Erde lebt,

So lange sei dir's nicht verboten,

Es irrt der Mensch so lang er strebt.

MEPHISTOPHELES.

Da dank ich Euch; denn mit den Toten

Hab ich mich niemals gern befangen.

Am meisten lieb ich mir die vollen, frischen Wangen.

Fur einem Leichnam bin ich nicht zu Haus;

Mir geht es wie der Katze mit der Maus.

DER HERR.

Nun gut, es sei dir uberlassen!

Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,

Und fuhr ihn, kannst du ihn erfassen,


Auf deinem Wege mit herab,

Und steh beschamt, wenn du bekennen mu?t.

Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange,

Ist sich des rechten Weges wohl bewu?t.

MEPHISTOPHELES.

Schon gut! nur dauert es nicht lange.

Mir ist fur meine Wette garnicht bange.

Wenn ich zu meinem Zweck gelange,

Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.

Staub soll er fressen, und mit Lust,

Wie meine Muhme, die beruhmte Schlange.

DER HERR.

Du darfst auch da nur frei erscheinen;

Ich habe deinesgleichen nie geha?t.

Von allen Geistern, die verneinen,

ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.

Des Menschen Tatigkeit kann allzu leicht erschlaffen,

er liebt sich bald die unbedingte Ruh;

Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,

Der reizt und wirkt und mu? als Teufel schaffen.


Doch ihr, die echten Gottersohne,

Erfreut euch der lebendig reichen Schone!

Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,

Umfass euch mit der Liebe holden Schranken,

Und was in schwankender Erscheinung schwebt,

Befestigt mit dauernden Gedanken!

(Der Himmel schlie?t, die Erzengel verteilen sich.)

MEPHISTOPHELES(allein).

Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern,

Und hute mich, mit ihm zu brechen.

Es ist gar hubsch von einem gro?en Herrn,

So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.

FAUST: Der Tragodie erster Teil

Nacht

In einem hochgewolbten, engen gotischen Zimmer Faust,

unruhig auf seinem Sessel am Pulte.

FAUST.

Habe nun, ach! Philosophie,

Juristerei und Medizin,

Und leider auch Theologie

Durchaus studiert, mit hei?em Bemuhn.

Da steh ich nun, ich armer Tor!

Und bin so klug als wie zuvor;

Hei?e Magister, hei?e Doktor gar

Und ziehe schon an die zehen Jahr

Herauf, herab und quer und krumm

Meine Schuler an der Nase herum -

Und sehe, da? wir nichts wissen konnen!

Das will mir schier das Herz verbrennen.

Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen,

Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;

Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,

Furchte mich weder vor Holle noch Teufel -

Dafur ist mir auch alle Freud entrissen,

Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,

Bilde mir nicht ein, ich konnte was lehren,

Die Menschen zu bessern und zu bekehren.

Auch hab ich weder Gut noch Geld,

Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt;


Es mochte kein Hund so langer leben!

Drum hab ich mich der Magie ergeben,

Ob mir durch Geistes Kraft und Mund

Nicht manch Geheimnis wurde kund;

Da? ich nicht mehr mit saurem Schwei?

Zu sagen brauche, was ich nicht wei?;

Da? ich erkenne, was die Welt

Im Innersten zusammenhalt,

Schau alle Wirkenskraft und Samen,

Und tu nicht mehr in Worten kramen.

O sahst du, voller Mondenschein,

Zum letztenmal auf meine Pein,

Den ich so manche Mitternacht

An diesem Pult herangewacht.

Dann uber Buchern und Papier,

Trubsel'ger Freund, erschienst du mir!

Ach! konnt ich doch auf Bergeshohn

In deinem lieben Lichte gehn,

Um Bergeshohle mit Geistern schweben,

Auf Wiesen in deinem Dammer weben,


Von allem Wissensqualm entladen,

In deinem Tau gesund mich baden!

Weh! steck ich in dem Kerker noch?

Verfluchtes dumpfes Mauerloch,

Wo selbst das liebe Himmelslicht

Trub durch gemalte Scheiben bricht!

Beschrankt mit diesem Bucherhauf,

den Wurme nagen, Staub bedeckt,

Den bis ans hohe Gewolb hinauf

Ein angerauchtPapier umsteckt;

Mit Glasern, Buchsen rings umstellt,

Mit Instrumenten vollgepfropft,

Urvater Hausrat drein gestopft -

Das ist deine Welt! das hei?t eine Welt!

Und fragst du noch, warum dein Herz

Sich bang in deinem Busen klemmt?

Warum ein unerklarter Schmerz

Dir alle Lebensregung hemmt?

Statt der lebendigen Natur,

Da Gott die Menschen schuf hinein,


Umgibt in Rauch und Moder nur

Dich Tiergeripp und Totenbein.

Flieh! auf! hinaus ins weite Land!

Und dies geheimnisvolle Buch,

Von Nostradamus' eigner Hand,

Ist dir es nicht Geleit genug?

Erkennest dann der Sterne Lauf,

Und wenn Natur dich Unterweist,

Dann geht die Seelenkraft dir auf,

Wie spricht ein Geist zum andren Geist.

Umsonst, da? trocknes Sinnen hier

Die heil'gen Zeichen dir erklart.

Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir;

Antwortet mir, wenn ihr mich hort!

(Er schlagt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.)

Ha! welche Wonne flie?t in diesem Blick

Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!

Ich fuhle junges, heil'ges Lebensgluck

Neugluhend mir durch Nerv' und Adern rinnen.

War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb,


Die mir das innre Toben stillen,

Das arme Herz mit Freude fullen,

Und mit geheimnisvollem Trieb

Die Krafte der Natur rings um mich her enthullen?

Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!

Ich schau in diesen reinen Zugen

Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.

Jetzt erst erkenn ich, was der Weise spricht.

"Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;

Dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot!

Auf, bade, Schuler, unverdrossen

Die ird'sche Brust im Morgenrot!"

(er beschaut das Zeichen.)

Wie alles sich zum Ganzen webt,

Eins in dem andern wirkt und lebt!

Wie Himmelskrafte auf und nieder steigen

Und sich die goldnen Eimer reichen!

Mit segenduftenden Schwingen

Vom Himmel durch die Erde dringen,

Harmonisch all das All durchklingen!

Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur!

Wo fass ich dich, unendliche Natur?

Euch Bruste, wo? Ihr Quellen alles Lebens,

An denen Himmel und Erde hangt,

Dahin die welke Brust sich drangt -

Ihr quellt, ihr trankt, und schmacht ich so vergebens?

(er schlagt unwillig das Buch um und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.)

Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein!

Du, Geist der Erde, bist mir naher;

Schon fuhl ich meine Krafte hoher,

Schon gluh ich wie von neuem Wein.

Ich fuhle Mut, mich in die Welt zu wagen,

Der Erde Weh, der Erde Gluck zu tragen,

Mit Sturmen mich herumzuschlagen

Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen.

Es wolkt sich uber mir -

Der Mond verbirgt sein Licht -

Die Lampe schwindet!

Es dampft! Es zucken rote Strahlen

Mir um das Haupt - Es weht


Ein Schauer vom Gewolb herab

Und fa?t mich an!

Ich fuhl's, du schwebst um mich, erflehter Geist

Enthulle dich!

Ha! wie's in meinem Herzen rei?t!

Zu neuen Gefuhlen

All meine Sinnen sich erwuhlen!

Ich fuhle ganz mein Herz dir hingegeben!

Dumu?t! du mu?t! und kostet es mein Leben!

(Er fa?t das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnisvoll aus.

Es zuckt eine rotliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.)

GEIST.

Wer ruft mir?

FAUST(abgewendet).

Schreckliches Gesicht!

GEIST.

Du hast mich machtig angezogen,

An meiner Sphare lang gesogen,

Und nun -

FAUST.

Weh! ich ertrag dich nicht!

GEIST.

Du flehst, eratmend mich zu schauen,

Meine Stimme zu horen, mein Antlitz zu sehn;

Mich neigt dein machtig Seelenflehn,

Da bin ich! - Welch erbarmlich Grauen

Fa?t Ubermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?

Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf

Und trug und hegte, die mit Freudebeben

Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben?

Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang,

Der sich an mich mit allen Kraften drang?

Bist du es, der, von meinem Hauch umwittert,

In allen Lebenslagen zittert,

Ein furchtsam weggekrummter Wurm?

FAUST.

Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?

Ich bin's, bin Faust, bin deinesgleichen!

GEIST.

In Lebensfluten, im Tatensturm

Wall ich auf und ab,

Wehe hin und her!

Geburt und Grab,

Ein ewiges Meer,

Ein wechselndes Wehen,

Ein gluhend Leben,

So schaff ich am laufenden Webstuhl der Zeit

Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.

FAUST.

Der du die weite Welt umschweifst,

Geschaftiger Geist, wie nah fuhl ich mich dir!

GEIST.

Du gleichst dem Geist, den du begreifst,

Nicht mir!

(verschwindet)

FAUST(zusammensturzend).

Nicht dir?

Wem denn?

Ich Ebenbild der Gottheit!

Und nicht einmal dir!

(es klopft)

O Tod! ich kenn's - das ist mein Famulus -

Es wird mein schonstes Gluck zunichte!

Da? diese Fulle der Gesichte

Der trockne Schleicher storen mu?!

(Wagner im Schlafrock und der Nachtmutze, eine Lampe in der Hand.

Faust wendet sich unwillig.)

WAGNER.

Verzeiht! ich hor euch deklamieren;

Ihr last gewi? ein griechisch Trauerspiel?

In dieser Kunst mocht ich was profitieren,

Denn heutzutage wirkt das viel.

Ich hab es ofters ruhmen horen,

Ein Komodiant konnt einen Pfarrer lehren.

FAUST.

Ja, wenn der Pfarrer ein Komodiant ist;

Wie das denn wohl zuzeiten kommen mag.

WAGNER.

Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist,

Und sieht die Welt kaum einen Feiertag,

Kaum durch ein Fernglas, nur von weitem,

Wie soll man sie durch Uberredung leiten?

FAUST.

Wenn ihr's nicht fuhlt, ihr werdet's nicht erjagen,

Wenn es nicht aus der Seele dringt

Und mit urkraftigem Behagen

Die Herzen aller Horer zwingt.

Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen,

Braut ein Ragout von andrer Schmaus

Und blast die kummerlichen Flammen

Aus eurem Aschenhaufchen 'raus!

Bewundrung von Kindern und Affen,

Wenn euch darnach der Gaumen steht;

Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,

Wenn es euch nicht von Herzen geht.

WAGNER.

Allein der Vortrag macht des Redners Gluck;

Ich fuhl es wohl, noch bin ich weit zuruck.

FAUST.

Such Er den redlichen Gewinn!

Sei Er kein schellenlauter Tor!

Es tragt Verstand und rechter Sinn

Mit wenig Kunst sich selber vor!

Und wenn's euch Ernst ist, was zu sagen,

Ist's notig, Worten nachzujagen?

Ja, eureReden, die so blinkend sind,

In denen ihr der Menschheit Schnitzel krauselt,

Sind unerquicklich wie der Nebelwind,

Der herbstlich durch die durren Blatter sauselt!

WAGNER.

Ach Gott! die Kunst ist lang;

Und kurz ist unser Leben.

Mir wird, bei meinem kritischen Bestreben,

Doch oft um Kopf und Busen bang.

Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,

Durch die man zu den Quellen steigt!

Und eh man nur den halben Weg erreicht,

Mu? wohl ein armer Teufel sterben.

FAUST.

Das Pergament, ist das der heil'ge Bronnen,

Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?

Erquickung hast du nicht gewonnen,

Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.

WAGNER.


Verzeiht! es ist ein gro? Ergetzen,

Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;

Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,

Und wie wir's dann zuletzt so herrlich weit gebracht.

FAUST.

O ja, bis an die Sterne weit!

Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit

Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.

Was ihr den Geist der Zeiten hei?t,

Das ist im Grund der Herren eigner Geist,

In dem die Zeiten sich bespiegeln.

Da ist's denn wahrlich oft ein Jammer!

Man lauft euch bei dem ersten Blick davon.

Ein Kehrichtfa? und eine Rumpelkammer

Und hochstens eine Haupt- und Staatsaktion

Mit trefflichen pragmatischen Maximen,

Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!

WAGNER.

Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist!

Mocht jeglicher doch was davon erkennen.

FAUST.

Ja, was man so erkennen hei?t!

Wer darf das Kind beim Namen nennen?

Die wenigen, die was davon erkannt,

Die toricht g'nug ihr volles Herz nicht wahrten,

Dem Pobel ihr Gefuhl, ihr Schauen offenbarten,

Hat man von je gekreuzigt und verbrannt.

Ich bitt Euch, Freund, es ist tief in der Nacht,

Wir mussen's diesmal unterbrechen.

WAGNER.

Ich hatte gern nur immer fortgewacht,

Um so gelehrt mit Euch mich zu besprechen.

Doch morgen, als am ersten Ostertage,

Erlaubt mir ein' und andre Frage.

Mit Eifer hab' ich mich der Studien beflissen;

Zwar wei? ich viel, doch mocht' ich alles wissen.

(Ab.)

FAUST(allein).

Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,

Der immerfort an schalem Zeuge klebt,

Mit gier'ger Hand nach Schatzen grabt,

Und froh ist, wenn er Regenwurmer findet!

Darf eine solche Menschenstimme hier,

Wo Geisterfulle mich umgab, ertonen?

Doch ach! fur diesmal dank ich dir,

Dem armlichsten von allen Erdensohnen.

Du rissest mich von der Verzweiflung los,

Die mir die Sinne schon zerstoren wollte.

Ach! die Erscheinung war so riesengro?,

Da? ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.

Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon

Ganz nah gedunkt dem Spiegel ew'ger Wahrheit,

Sein selbst geno? in Himmelsglanz und Klarheit,

Und abgestreift den Erdensohn;

Ich, mehr als Cherub, dessen freie Kraft

Schon durch die Adern der Natur zu flie?en

Und, schaffend, Gotterleben zu genie?en

Sich ahnungsvoll verma?, wie mu? ich's bu?en!

Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.

Nicht darf ich dir zu gleichenmich vermessen;

Hab ich die Kraft dich anzuziehn besessen,


So hatt ich dich zu halten keine Kraft.

In jenem sel'gen Augenblicke

Ich fuhlte mich so klein, so gro?;

Du stie?est grausam mich zurucke,

Ins ungewisse Menschenlos.

Wer lehret mich? was soll ich meiden?

Soll ich gehorchen jenem Drang?

Ach! unsre Taten selbst, so gut als unsre Leiden,

Sie hemmen unsres Lebens Gang.

Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen,

Drangt immer fremd und fremder Stoff sich an;

Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,

Dann hei?t das Be?re Trug und Wahn.

Die uns das Leben gaben, herrliche Gefuhle

Erstarren in dem irdischen Gewuhle.

Wenn Phantasie sich sonst mit kuhnem Flug

Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,

So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,

Wenn Gluck auf Gluck im Zeitenstrudel scheitert.

Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,


Dort wirket sie geheime Schmerzen,

Unruhig wiegt sie sich und storet Lust und Ruh;

Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,

Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,

Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;

Du bebst vor allem, was nicht trifft,

Und was du nie verlierst, das mu?t du stets beweinen.

Den Gottern gleich ich nicht! zu tief ist es gefuhlt;

Dem Wurme gleich ich, der den Staub durchwuhlt,

Den, wie er sich im Staube nahrend lebt,

Des Wandrers Tritt vernichtet und begrabt.

Ist es nicht Staub, was diese hohe Wand

Aus hundert Fachern mit verenget?

Der Trodel, der mit tausendfachem Tand

In dieser Mottenwelt mich dranget?

Hier soll ich finden, was mir fehlt?

Soll ich vielleicht in tausend Buchern lesen,

Da? uberall die Menschen sich gequalt,

Da? hie und da ein Glucklicher gewesen? -

Was grinsest du mir, hohler Schadel, her?


Als da? dein Hirn, wie meines, einst verwirret

Den leichten Tag gesucht und in der Dammrung schwer,

Mit Lust nach Wahrheit, jammerlich geirret.

Ihr Instrumente freilich spottet mein,

Mit Rad und Kammen, Walz und Bugel.

Ich stand am Tor, ihr solltet Schlussel sein;

Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.

Geheimnisvoll am lichten Tag

La?t sich Natur des Schleiers nicht berauben,

Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,

Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.

Du alt Gerate, das ich nicht gebraucht,

Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte.

Du alte Rolle, du wirst angeraucht,

Solang an diesem Pult die trube Lampe schmauchte.

Weit besser hatt ich doch mein Weniges verpra?t,

Als mit dem Wenigen belastet hier zu schwitzen!

Was du ererbt von deinen Vatern hast,

Erwirb es, um es zu besitzen.

Was man nicht nutzt, ist eine schwere Last,

Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nutzen.

Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle?

Ist jenes Flaschchen dort den Augen ein Magnet?

Warum wird mirauf einmal lieblich helle,

Als wenn im nacht'gen Wald uns Mondenglanz umweht?

Ich gru?e dich, du einzige Phiole,

Die ich mit Andacht nun herunterhole!

In dir verehr ich Menschenwitz und Kunst.

Du Inbegriff der holden Schlummersafte,

Du Auszug aller todlich feinen Krafte,

Erweise deinem Meister deine Gunst!

Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert,

Ich fasse dich, das Streben wird gemindert,

Des Geistes Flutstrom ebbet nach und nach.

Ins hohe Meer werd ich hinausgewiesen,

Die Spiegelflut erglanzt zu meinen Fu?en,

Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.

Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen,

An mich heran! Ich fuhle mich bereit,

Auf neuer Bahn den Ather zu durchdringen,


Zu neuen Spharen reiner Tatigkeit.

Dies hohe Leben, diese Gotterwonne!

Du, erst noch Wurm, und die verdienest du?

Ja, kehre nur der holden Erdensonne

Entschlossen deinen Rucken zu!

Vermesse dich, die Pforten aufzurei?en,

Vor denen jeder gern voruberschleicht!

Hier ist es Zeit, durch Taten zu beweisen,

Das Manneswurde nicht der Gotterhohe weicht,

Vor jener dunkeln Hohle nicht zu beben,

In der sich Phantasie zu eigner Qual verdammt,

Nach jenem Durchgang hinzustreben,

Um dessen engen Mund die ganze Holle flammt;

Zu diesem Schritt sich heiter zu entschlie?en,

Und war es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu flie?en.

Nun komm herab, kristallne reine Schale!

Hervor aus deinem alten Futterale,

An die ich viele Jahre nicht gedacht!

Du glanzetst bei der Vater Freudenfeste,

Erheitertest die ernsten Gaste,


Wenn einer dich dem andern zugebracht.

Der vielen Bilder kunstlich reiche Pracht,

Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklaren,

Auf einen Zug die Hohlung auszuleeren,

Erinnert mich an manche Jugendnacht.

Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,

Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen.

Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht;

Mit brauner Flut erfullt er deine Hohle.

Den ich bereit, den ich wahle,

Der letzte Trunk sei nun, mit ganzer Seele,

Als festlich hoher Gru?, dem Morgen zugebracht!

(Er setzt die Schale an den Mund.)

Glockenklang und Chorgesang.

CHOR DER ENGEL.

Christ ist erstanden!

Freude dem Sterblichen,

Den die verderblichen,

Schleichenden, erblichen

Mangel umwanden.

FAUST.

Welch tiefes Summen, welch heller Ton

Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?

Verkundigt ihr dumpfen Glocken schon

Des Osterfestes erste Feierstunde?

Ihr Chore, singt ihr schon den trostlichen Gesang,

Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,

Gewi?heit einem neuen Bunde?

CHOR DER WEIBER.

Mit Spezereien

Hatten wir ihn gepflegt,

Wir seine Treuen

Hatten ihn hingelegt;

Tucher und Binden

Reinlich umwanden wir,

Ach! und wir finden

Christ nicht mehr hier.

CHOR DER ENGEL.

Christ ist erstanden!

Selig der Liebende,

Der die betrubende,

Heilsam und ubende

Prufung bestanden.

FAUST.

Was sucht ihr, machtig und gelind,

Ihr Himmelstone, mich am Staube?

Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.

Die Botschaft hor ich wohl, allein mir fehlt der Glaube;

Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.

Zu jenen Spharen wag ich nicht zu streben,

Woher die holde Nachricht tont;

Und doch, an diesen Klang von Jugend aufgewohnt,

Ruft er auch jetzt zuruck mich in das Leben.

Sonst sturzte sich der Himmelsliebe Ku?

Auf mich herab in ernster Sabbatstille;

Da klang so ahnungsvoll des Glockentones Fulle,

Und ein Gebet war brunstiger Genu?;

Ein unbegreiflich holdes Sehnen

Trieb mich, durch Wald und Wiesen hinzugehn,

Und unter tausend hei?en Tranen

Fuhlt ich mir eine Welt entstehn.

Dies Lied verkundete der Jugend muntre Spiele,

Der Fruhlingsfeier freies Gluck;

Erinnrung halt mich nun, mit kindlichem Gefuhle,

Vom letzten, ernsten Schritt zuruck.

O tonet fort, ihr su?en Himmelslieder!

Die Trane quillt, die Erde hat mich wieder!

CHOR DER JUNGER.

Hat der Begrabene

Schon sich nach oben,

Lebend Erhabene,

Herrlich erhoben;

Ist er in Werdeluft

Schaffender Freude nah.

Ach! an der Erde Brust

Sind wir zum Leide da.

Lie? er die Seinen

Schmachtend uns hier zuruck;

Ach! wir beweinen,

Meister, dein Gluck!

CHOR DER ENGEL.

Christ ist erstanden,

Aus der Verwesung Scho?.

Rei?et von Banden

Freudig euch los!

Tatig ihn preisenden,

Liebe beweisenden,

Bruderlich speisenden,

Predigend reisenden,

Wonne verhei?enden

Euch ist der Meister nah,

Euch ist er da!

Vor dem Tor

Spazierganger aller Art ziehen hinaus.

EINIGE HANDWERKSBURSCHE.

Warum denn dort hinaus?

ANDRE.

Wir gehn hinaus aufs Jagerhaus.

DIE ERSTEN.

Wir aber wollen nach der Muhle wandern.

EIN HANDWERKSBURSCH.


Ich rat euch, nach dem Wasserhof zu gehn.

ZWEITER.

Der Weg dahin ist gar nicht schon.

DIE ZWEITEN.

Was tust denn du?

EIN DRITTER.

Ich gehe mit den andern.

VIERTER.

Nach Burgdorf kommt herauf, gewi? dort findet ihr

Die schonsten Madchen und das beste Bier,

Und Handel von der ersten Sorte.

FUNFTER.

Du uberlustiger Gesell,

Juckt dich zum drittenmal das Fell?

Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.

DIENSTMADCHEN.

Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zuruck.

ANDRE.

Wir finden ihn gewi? bei jenen Pappeln stehen.

ERSTE.

Das ist fur mich kein gro?es Gluck;

Er wird an deiner Seite gehen,

Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.

Was gehn mich deine Freuden an!

ANDRE.

Heut ist er sicher nicht allein,

Der Krauskopf, sagt er, wurde bei ihm sein.

SCHULER.

Blitz, wie die wackern Dirnen schreiten!

Herr Bruder, komm! wir mussen sie begleiten.

Ein starkes Bier, ein beizender Toback,

Und eine Magd im Putz, das ist nun mein Geschmack.

BURGERMADCHEN.

Da sieh mir nur die schonen Knaben!

Es ist wahrhaftig eine Schmach.

Gesellschaft konnten sie die allerbeste haben,

Und laufen diesen Magden nach!

ZWEITER SCHULER(zum ersten).

Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwei,

Sie sind gar niedlich angezogen,

's ist meine Nachbarin dabei;

Ich bin dem Madchen sehr gewogen.

Sie gehen ihren stillen Schritt


Und nehmen uns doch auch am Ende mit.

ERSTER.

Herr Bruder, nein! Ich bin nicht gern geniert.

Geschwind! da? wir das Wildbret nicht verlieren.

Die Hand, die samstags ihren Besen fuhrt

Wird sonntags dich am besten karessieren.

BURGER.

Nein, er gefallt mir nicht, der neue Burgemeister!

Nun, da er's ist, wird er nur taglich dreister.

Und fur die Stadt was tut denn er?

Wird es nicht alle Tage schlimmer?

Gehorchen soll man mehr als immer,

Und zahlen mehr als je vorher.

BETTLER(singt).

Ihr guten Herrn,ihr schonen Frauen,

So wohlgeputzt und backenrot,

Belieb es euch, mich anzuschauen,

Und seht und mildert meine Not!

La?t hier mich nicht vergebens leiern!

Nur der ist froh, der geben mag.

Ein Tag, den alle Menschen feiern,

Er sei fur mich ein Erntetag.

ANDRER BURGER.

Nichts Bessers wei? ich mir an Sonn- und Feiertagen

Als ein Gesprach von Krieg und Kriegsgeschrei,

Wenn hinten, weit, in der Turkei,

Die Volker aufeinander schlagen.

Man steht am Fenster, trinkt sein Glaschen aus

Und sieht den Flu? hinab die bunten Schiffe gleiten;

Dann kehrt man abends froh nach Haus,

Und segnet Fried und Friedenszeiten.

DRITTER BURGER.

Herr Nachbar, ja! so la? ich's auch geschehn.

Sie mogen sich die Kopfe spalten,

Mag alles durcheinander gehn;

Doch nur zu Hause bleib's beim alten.

ALTE(zu den Burgermadchen).

Ei! wie geputzt! das schone junge Blut!

Wer soll sich nicht in euch vergaffen? -

Nur nicht so stolz! es ist schon gut!

Und was ihr wunscht, das wu?t ich wohl zu schaffen.

BURGERMADCHEN.

Agathe, fort! ich nehme mich in acht,

Mit solchen Hexen offentlich zu gehen;

Sie lie? mich zwar in Sankt Andreas' Nacht

Den kunft'gen Liebsten leiblich sehen -

DIE ANDRE.

Mir zeigte sie ihn im Kristall,

Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;

Ich seh mich um, ich such ihn uberall,

Allein mir will er nicht begegnen.

SOLDATEN.

Burgen mit hohen

Mauern und Zinnen,

Madchen mit stolzen

Hohnenden Sinnen

Mocht ich gewinnen!

Kuhn ist das Muhen,

Herrlich der Lohn!

Und die Trompete

Lassen wir werben,


Wie zu der Freude,

So zum Verderben.

Das ist ein Sturmen!

Das ist ein Leben!

Madchen und Burgen

Mussen sich geben.

Kuhn ist das Muhen,

Herrlich der Lohn!

Und die Soldaten

Ziehen davon.

Faust und Wagner.

FAUST.

Vom Eise befreit sind Strom und Bache

Durch des Fruhlings holden, belebenden Blick;

Im Tale grunet Hoffnungsgluck;

Der alte Winter, in seiner Schwache,

Zog sich in rauhe Berge zuruck.

Von dorther sendet er, fliehend, nur

Ohnmachtige Schauer kornigen Eises

In Streifen uber die grunende Flur;


Aber die Sonne duldet kein Wei?es,

Uberall regt sich Bildung und Streben,

Alles will sie mit Farben beleben;

Doch an Blumen fehlt's im Revier

Sie nimmt geputzte Menschen dafur.

Kehre dich um, von diesen Hohen

Nach der Stadt zuruckzusehen.

Aus dem hohlen finstern Tor

Dringt ein buntes Gewimmel hervor.

Jeder sonnt sich heute so gern.

Sie feiern die Auferstehung des Herrn,

Denn sie sind selber auferstanden,

Aus niedriger Hauser dumpfen Gemachern,

Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,

Aus dem Druck von Giebeln und Dachern,

Aus der Stra?en quetschender Enge,

Aus der Kirchen ehrwurdiger Nacht

Sind sie alle ans Licht gebracht.

Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge

Durch die Garten und Felder zerschlagt,

Wie der Flu?, in Breit und Lange

So manchen lustigen Nachen bewegt,

Und bis zum Sinken uberladen

Entfernt sich dieser letzte Kahn.

Selbst von des Berges fernen Pfaden

Blinken uns farbige Kleider an.

Ich hore schon des Dorfs Getummel,

Hier ist des Volkes wahrer Himmel,

Zufrieden jauchzet gro? und klein.

Hier bin ich Mensch, hierdarf ich's sein!

WAGNER.

Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren

Ist ehrenvoll und ist Gewinn;

Doch wurd ich nicht allein mich her verlieren,

Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.

Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben

Ist mir ein gar verha?ter Klang;

Sie toben wie vom bosen Geist getrieben

Und nennen's Freude. nennen's Gesang.

Bauern unter der Linde. Tanz und Gesang.

Der Schafer putzte sich zum Tanz,

Mit bunter Jacke, Band und Kranz,

Schmuck war er angezogen.

Schon um die Linde war es voll,

Und alles tanzte schon wie toll.

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

So ging der Fiedelbogen.

Er druckte hastig sich heran,

Da stie? er an ein Madchen an

Mit seinem Ellenbogen;

Die frische Dirne kehrt, sich um

Und sagte: Nun, das find ich dumm!

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

Seid nicht so ungezogen!

Doch hurtig in dem Kreise ging's,

Sie tanzten rechts, sie tanzten links,

Und alle Rocke flogen.

Sie wurden rot, sie wurden warm


Und ruhten atmend Arm in Arm,

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

Und Huft an Ellenbogen.

Und tu mir doch nicht so vertraut!

Wie mancher hat nicht seine Braut

Belogen und betrogen!

Er schmeichelte sie doch bei Seit,

Und von der Linde scholl es weit.

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

Geschrei und Fiedelbogen.

ALTER BAUER.

Herr Doktor, das ist schon von Euch,

Da? Ihr uns heute nicht verschmaht,

Und unter dieses Volksgedrang,

Als ein so Hochgelahrter, geht.

So nehmet auch den schonsten Krug,

Den wir mit frischem Trunk gefullt,

Ich bring ihn zu und wunsche laut,


Da? er nicht nur den Durst Euch stillt.

Die Zahl der Tropfen, die er hegt,

Sei Euren Tagen zugelegt.

FAUST.

Ich nehme den Erquickungstrank

Erwidr' euch allen Heil und Dank.

(Das Volk sammelt sich im Kreis umher.)

ALTER BAUER.

Furwahr, es ist sehr wohl getan,

Da? Ihr am frohen Tag erscheint;

Habt Ihr es vormals doch mit uns

An bosen Tagen gut gemeint!

Gar mancher steht lebendig hier

Den Euer Vater noch zuletzt

Der hei?en Fieberwut entri?,

Als er der Seuche Ziel gesetzt.

Auch damals Ihr, ein junger Mann,

Ihr gingt in jedes Krankenhaus,

Gar manche Leiche trug man fort,

Ihr aber kamt gesund heraus,


Bestandet manche harte Proben;

Dem Helfer half der Helfer droben.

ALLE.

Gesundheit dem bewahrten Mann,

Da? er noch lange helfen kann!

FAUST.

Vor jenem droben steht gebuckt,

Der helfen lehrt und Hulfe schickt.

(Er geht mit Wagnern weiter.)

WAGNER.

Welch ein Gefuhl mu?t du, o gro?er Mann,

Bei der Verehrung dieser Menge haben!

O glucklich, wer von seinen Gaben

Solch einen Vorteil ziehen kann!

Der Vater zeigt dich seinem Knaben,

Ein jeder fragt und drangt und eilt,

Die Fiedel stockt, der Tanzer weilt.

Du gehst, in Reihen stehen sie,

Die Mutzen fliegen in die Hoh;

Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,

Als kam das Venerabile.

FAUST.

Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,

Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.

Hier sa? ich oft gedankenvoll allein

Und qualte mich mit Beten und mit Fasten.

AnHoffnung reich, im Glauben fest,

Mit Tranen, Seufzen, Handeringen

Dacht ich das Ende jener Pest

Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.

Der Menge Beifall tont mir nun wie Hohn.

O konntest du in meinem Innern lesen,

Wie wenig Vater und Sohn

Solch eines Ruhmes wert gewesen!

Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,

Der uber die Natur und ihre heil'gen Kreise

In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,

Mit grillenhafter Muhe sann;

Der, in Gesellschaft von Adepten,

Sich in die schwarze Kuche schlo?,

Und, nach unendlichen Rezepten,

Das Widrige zusammengo?.

Da ward ein roter Leu, ein kuhner Freier,

Im lauen Bad der Lilie vermahlt,

Und beide dann mit offnem Flammenfeuer

Aus einem Brautgemach ins andere gequalt.

Erschien darauf mit bunten Farben

Die junge Konigin im Glas,

Hier war die Arzenei, die Patienten starben,

Und niemand fragte: wer genas?

So haben wir mit hollischen Latwergen

In diesen Talern, diesen Bergen

Weit schlimmer als die Pest getobt.

Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben.

Sie welkten hin, ich mu? erleben,

Da? man die frechen Morder lobt.

WAGNER.

Wie konnt Ihr Euch darum betruben!

Tut nicht ein braver Mann genug,

Die Kunst, die man ihm ubertrug,

Gewissenhaft und punktlich auszuuben?

Wenn du als Jungling deinen Vater ehrst,

So wirst du gern von ihm empfangen;

Wenn du als Mann die Wissenschaft vermehrst,

So kann dein Sohn zu hohrem Ziel gelangen.

FAUST.

O glucklich, wer noch hoffen kann,

Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen!

Was man nicht wei?, das eben brauchte man,

Und was man wei?, kann man nicht brauchen.

Doch la? uns dieser Stunde schones Gut

Durch solchen Trubsinn nicht verkummern!

Betrachte, wie in Abendsonne-Glut

Die grunumgebnen Hutten schimmern.

Sie ruckt und weicht, der Tag ist uberlebt,

Dort eilt sie hin und fordert neues Leben.

O da? kein Flugel mich vom Boden hebt

Ihr nach und immer nach zu streben!

Ich sah im ewigen Abendstrahl

Die stille Welt zu meinen Fu?en,

Entzundet alle Hohn beruhigt jedes Tal,

Den Silberbach in goldne Strome flie?en.

Nicht hemmte dann den gottergleichen Lauf

Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten;

Schon tut das Meer sich mit erwarmten Buchten

Vor den erstaunten Augen auf.

Doch scheint die Gottin endlich wegzusinken;

Allein der neue Trieb erwacht,

Ich eile fort, ihr ew'ges Licht zu trinken,

Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht,

Den Himmel uber mir und unter mir die Wellen.

Ein schoner Traum, indessen sie entweicht.

Ach! zu des Geistes Flugeln wird so leicht

Kein korperlicher Flugel sich gesellen.

Doch ist es jedem eingeboren

Da? sein Gefuhl hinauf und vorwarts dringt,

Wenn uber uns, im blauen Raum verloren,

Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;

Wenn uber schroffen Fichtenhohen

Der Adler ausgebreitet schwebt,


Und uber Flachen, uber Seen

Der Kranich nach der Heimat strebt.

WAGNER.

Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,

Doch solchen Trieb hab ich noch nie empfunden.

Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt;

Des VogelsFittich werd ich nie beneiden.

Wie anders tragen uns die Geistesfreuden

Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!

Da werden Winternachte hold und schon

Ein selig Leben warmet alle Glieder,

Und ach! entrollst du gar ein wurdig Pergamen,

So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.

FAUST.

Du bist dir nur des einen Triebs bewu?t,

O lerne nie den andern kennen!

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,

Die eine will sich von der andern trennen;

Die eine halt, in derber Liebeslust,

Sich an die Welt mit klammernden Organen;


Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust

Zu den Gefilden hoher Ahnen.

O gibt es Geister in der Luft,

Die zwischen Erd und Himmel herrschend weben

So steiget nieder aus dem goldnen Duft

Und fuhrt mich weg zu neuem, buntem Leben!

Ja, ware nur ein Zaubermantel mein,

Und trug er mich in fremde Lander!

Mir sollt er um die kostlichsten Gewander,

Nicht feil um einen Konigsmantel sein.

WAGNER.

Berufe nicht die wohlbekannte Schar,

Die stromend sich im Dunstkreis uberbreitet,

Dem Menschen tausendfaltige Gefahr,

Von allen Enden her, bereitet.

Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn

Auf dich herbei, mit pfeilgespitzten Zungen;

Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran,

Und nahren sich von deinen Lungen;

Wenn sie der Mittag aus der Wuste schickt,


Die Glut auf Glut um deinen Scheitel haufen

So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt,

Um dich und Feld und Aue zu ersaufen.

Sie horen gern, zum Schaden froh gewandt,

Gehorchen gern, weil sie uns gern betrugen;

Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt,

Und lispeln englisch, wenn sie lugen.

Doch gehen wir! Ergraut ist schon die Welt,

Die Luft gekuhlt, der Nebel fallt!

Am Abend schatzt man erst das Haus. -

Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?

Was kann dich in der Dammrung so ergreifen?

FAUST.

Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?

WAGNER.

Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.

FAUST.

Betracht ihn recht! fur was haltst du das Tier?

WAGNER.

Fur einen Pudel, der auf seine Weise

Sich auf der Spur des Herren plagt.

FAUST.

Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise

Er um uns her und immer naher jagt?

Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel

Auf seinen Pfaden hinterdrein.

WAGNER.

Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel;

Es mag bei Euch wohl Augentauschung sein.

FAUST.

Mir scheint es, da? er magisch leise Schlingen

Zu kunft'gem Band um unsre Fu?e zieht.

WAGNER.

Ich seh ihn ungewi? und furchtsam uns umspringen,

Weil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht.

FAUST.

Der Kreis wird eng, schon ist er nah!

WAGNER.

Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.

Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch,

Er wedelt. Alles Hundebrauch.

FAUST.

Geselle dich zu uns! Komm hier!

WAGNER.

Es ist ein pudelnarrisch Tier.

Du stehest still, er wartet auf;

Du sprichst ihn an, er strebtan dir hinauf;

Verliere was, er wird es bringen,

Nach deinem Stock ins Wasser springen.

FAUST.

Du hast wohl recht; ich finde nicht die Spur

Von einem Geist, und alles ist Dressur.

WAGNER.

Dem Hunde, wenn er gut gezogen,

Wird selbst ein weiser Mann gewogen.

Ja, deine Gunst verdient er ganz und gar,

Er, der Studenten trefflicher Skolar.

(Sie gehen in das Stadttor.)

Studierzimmer

Faust mit dem Pudel hereintretend.

FAUST.

Verlassen hab ich Feld und Auen,

Die eine tiefe Nacht bedeckt,

Mit ahnungsvollem, heil'gem Grauen


In uns die be?re Seele weckt.

Entschlafen sind nun wilde Triebe

Mit jedem ungestumen Tun;

Es reget sich die Menschenliebe,

Die Liebe Gottes regt sich nun.

Sei ruhig, Pudel! Renne nicht hin und wieder!

An der Schwelle was schnoperst du hier?

Lege dich hinter den Ofen nieder,

Mein bestes Kissen geb ich dir.

Wie du drau?en auf dem bergigen Wege

Durch Rennen und Springen ergetzt uns hast,

So nimm nun auch von mir die Pflege,

Als ein willkommner stiller Gast.

Ach wenn in unsrer engen Zelle

Die Lampe freundlich wieder brennt,

Dann wird's in unserm Busen helle,

Im Herzen, das sich selber kennt.

Vernunft fangt wieder an zu sprechen,

Und Hoffnung wieder an zu bluhn,

Man sehnt sich nach des Lebens Bachen,


Ach! nach des Lebens Quelle hin.

Knurre nicht, Pudel! Zu den heiligen Tonen,

Die jetzt meine ganze Seel umfassen,

Will der tierische Laut nicht passen.

Wir sind gewohnt, da? die Menschen verhohnen,

Was sie nicht verstehn,

Da? sie vor dem Guten und Schonen,

Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;

Will es der Hund, wie sie, beknurren?

Aber ach! schon fuhl ich, bei dem besten Willen,

Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.

Aber warum mu? der Strom so bald versiegen,

Und wir wieder im Durste liegen?

Davon hab ich so viel Erfahrung.

Doch dieser Mangel la?t sich ersetzen,

Wir lernen das Uberirdische schatzen,

Wir sehnen uns nach Offenbarung,

Die nirgends wurd'ger und schoner brennt

Als in dem Neuen Testament.

Mich drangt's, den Grundtext aufzuschlagen,


Mit redlichem Gefuhl einmal

Das heilige Original

In mein geliebtes Deutsch zu ubertragen.

(Er schlagt ein Volum auf und schickt sich an.)

Geschrieben steht: "Im Anfang war das Wort!"

Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?

Ich kann das Wort so hoch unmoglich schatzen,

Ich mu? es anders ubersetzen,

Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.

Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.

Bedenke wohl die erste Zeile,

Da? deine Feder sich nicht ubereile!

Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?

Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!

Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,

Schon warnt mich was, da? ich dabei nicht bleibe.

Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat

Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!

Soll ich mit dir das Zimmer teilen,

Pudel, so la? das Heulen,


So la? das Bellen!

Solch einen storenden Gesellen

Mag ichnicht in der Nahe leiden.

Einer von uns beiden

Mu? die Zelle meiden.

Ungern heb ich das Gastrecht auf,

Die Tur ist offen, hast freien Lauf.

Aber was mu? ich sehen!

Kann das naturlich geschehen?

Ist es Schatten? ist's Wirklichkeit?

Wie wird mein Pudel lang und breit!

Er hebt sich mit Gewalt,

Das ist nicht eines Hundes Gestalt!

Welch ein Gespenst bracht ich ins Haus!

Schon sieht er wie ein Nilpferd aus,

Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebi?.

Oh! du bist mir gewi?!

Fur solche halbe Hollenbrut

Ist Salomonis Schlussel gut.

GEISTER(auf dem Gange).

Drinnen gefangen ist einer!

Bleibet hau?en, folg ihm keiner!

Wie im Eisen der Fuchs,

Zagt ein alter Hollenluchs.

Aber gebt acht!

Schwebet hin, schwebet wider,

Auf und nieder,

Und er hat sich losgemacht.

Konnt ihr ihm nutzen,

La?t ihn nicht sitzen!

Denn er tat uns allen

Schon viel zu Gefallen.

FAUST.

Erst zu begegnen dem Tiere,

Brauch ich den Spruch der Viere:

Salamander soll gluhen,

Undene sich winden,

Sylphe verschwinden,

Kobold sich muhen.

Wer sie nicht kennte

Die Elemente,

Ihre Kraft

Und Eigenschaft,

Ware kein Meister

Uber die Geister.

Verschwind in Flammen,

Salamander!

Rauschend flie?e zusammen,

Undene!

Leucht in Meteoren-Schone,

Sylphe!

Bring hausliche Hulfe,

Incubus! Incubus!

Tritt hervor und mache den Schlu?!

Keines der Viere

Steckt in dem Tiere.

Es liegt ganz ruhig und grinst mich an;

Ich hab ihm noch nicht weh getan.

Du sollst mich horen

Starker beschworen.

Bist du, Geselle

Ein Fluchtling der Holle?

So sieh dies Zeichen

Dem sie sich beugen,

Die schwarzen Scharen!

Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.

Verworfnes Wesen!

Kannst du ihn lesen?

Den nie Entspro?nen,

Unausgesprochnen,

Durch alle Himmel Gego?nen,

Freventlich Durchstochnen?

Hinter den Ofen gebannt,

Schwillt es wie ein Elefant

Den ganzen Raum fullt es an,

Es will zum Nebel zerflie?en.

Steige nicht zur Decke hinan!

Lege dich zu des Meisters Fu?en!

Du siehst, da? ich nicht vergebens drohe.

Ich versenge dich mit heiliger Lohe!

Erwarte nicht

Das dreimal gluhende Licht!

Erwarte nicht

Die starkste von meinen Kunsten!

(Mephistopheles tritt, indem der Nebel fallt, gekleidet wie ein

fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor.)

MEPHISTOPHELES.

Wozu der Larm? was steht dem Herrn zu Diensten?

FAUST.

Das also war des Pudels Kern!

Ein fahrender Skolast? Der Kasus macht mich lachen.

MEPHISTOPHELES.

Ich salutiere den gelehrten Herrn!

Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.

FAUST.

Wie nennst du dich?

MEPHISTOPHELES.

Die Frage scheint mir klein

Fur einen, der das Wort so sehr verachtet,

Der, weit entfernt von allem Schein,

Nur in der Wesen Tiefe trachtet.

FAUST.

Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen

Gewohnlich aus dem Namen lesen,

Wo es sich allzu deutlich weist,

Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lugner hei?t.

Nun gut, wer bist du denn?

MEPHISTOPHELES.

Ein Teil von jener Kraft,

Die stets das Bose will und stets das Gute schafft.

FAUST.

Was ist mit diesem Ratselwort gemeint?

MEPHISTOPHELES.

Ich bin der Geist, der stets verneint!

Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,

Ist wert, da? es zugrunde geht;

Drum besser war's, da? nichts entstunde.

So ist denn alles, was ihr Sunde,

Zerstorung, kurz, das Bose nennt,

Mein eigentliches Element.

FAUST.

Du nennst dich einenTeil, und stehst doch ganz vor mir?

MEPHISTOPHELES.

Bescheidne Wahrheit sprech ich dir.


Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt

Gewohnlich fur ein Ganzes halt,

Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war

Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar

Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht

Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,

Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt,

Verhaftet an den Korpern klebt.

Von Korpern stromt's, die Korper macht es schon,

Ein Korper hemmt's auf seinem Gange;

So, hoff ich, dauert es nicht lange,

Und mit den Korpern wird's zugrunde gehn.

FAUST.

Nun kenn ich deine wurd'gen Pflichten!

Du kannst im Gro?en nichts vernichten

Und fangst es nun im Kleinen an.

MEPHISTOPHELES.

Und freilich ist nicht viel damit getan.

Was sich dem Nichts entgegenstellt,

Das Etwas, diese plumpe Welt


So viel als ich schon unternommen

Ich wu?te nicht ihr beizukommen

Mit Wellen, Sturmen, Schutteln, Brand;

Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!

Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut,

Dem ist nun gar nichts anzuhaben.

Wie viele hab ich schon begraben!

Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut.

So geht es fort, man mochte rasend werden!

Der Luft, dem Wasser wie der Erden

Entwinden tausend Keime sich,

Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!

Hatt ich mir nicht die Flamme vorbehalten,

Ich hatte nichts Aparts fur mich.

FAUST.

So setzest du der ewig regen,

Der heilsam schaffenden Gewalt

Die kalte Teufelsfaust entgegen,

Die sich vergebens tuckisch ballt!

Was anders suche zu beginnen


Des Chaos wunderlicher Sohn!

MEPHISTOPHELES.

Wir wollen wirklich uns besinnen,

Die nachsten Male mehr davon!

Durft ich wohl diesmal mich entfernen?

FAUST.

Ich sehe nicht, warum du fragst.

Ich habe jetzt dich kennen lernen

Besuche nun mich, wie du magst.

Hier ist das Fenster, hier die Ture,

Ein Rauchfang ist dir auch gewi?.

MEPHISTOPHELES.

Gesteh ich's nur! da? ich hinausspaziere,

Verbietet mir ein kleines Hindernis,

Der Drudenfu? auf Eurer Schwelle -

FAUST.

Das Pentagramma macht dir Pein?

Ei sage mir, du Sohn der Holle,

Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?

Wie ward ein solcher Geist betrogen?

MEPHISTOPHELES.

Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen.

Der eine Winkel, der nach au?en zu,

Ist, wie du siehst, ein wenig offen.

FAUST.

Das hat der Zufall gut getroffen!

Und mein Gefangner warst denn du?

Das ist von ungefahr gelungen!

MEPHISTOPHELES.

Der Pudel merkte nichts, als er hereingesprungen,

Die Sache sieht jetzt anders aus.

Der Teufel kann nicht aus dem Haus.

FAUST.

Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?

MEPHISTOPHELES.

's ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster.

Wo sie hereingeschlupft, da mussen sie hinaus.

Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte.

FAUST.

Die Holle selbst hat ihre Rechte?

Das find ich gut, da lie?e sich ein Pakt,

Und sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schlie?en?

MEPHISTOPHELES.

Was man verspricht, das sollst du rein genie?en,

Dir wird davon nichtsabgezwackt.

Doch das ist nicht so kurz zu fassen,

Und wir besprechen das zunachst

Doch jetzo bitt ich, hoch und hochst,

Fur dieses Mal mich zu entlassen.

FAUST.

So bleibe doch noch einen Augenblick,

Um mir erst gute Mar zu sagen.

MEPHISTOPHELES.

Jetzt la? mich los! ich komme bald zuruck;

Dann magst du nach Belieben fragen.

FAUST.

Ich habe dir nicht nachgestellt,

Bist du doch selbst ins Garn gegangen.

Den Teufel halte, wer ihn halt!

Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen.

MEPHISTOPHELES.

Wenn dir's beliebt, so bin ich auch bereit,

Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben;

Doch mit Bedingnis, dir die Zeit

Durch meine Kunste wurdig zu vertreiben.

FAUST.

Ich seh es gern, das steht dir frei;

Nur da? die Kunst gefallig sei!

MEPHISTOPHELES.

Du wirst, mein Freund, fur deine Sinnen

In dieser Stunde mehr gewinnen

Als in des Jahres Einerlei.

Was dir die zarten Geister singen,

Die schonen Bilder, die sie bringen,

Sind nicht ein leeres Zauberspiel.

Auch dein Geruch wird sich ergetzen,

Dann wirst du deinen Gaumen letzen,

Und dann entzuckt sich dein Gefuhl.

Bereitung braucht es nicht voran,

Beisammen sind wir, fanget an!

GEISTER.

Schwindet, ihr dunkeln

Wolbungen droben!

Reizender schaue

Freundlich der blaue


Ather herein!

Waren die dunkeln

Wolken zerronnen!

Sternelein funkeln,

Mildere Sonnen

Scheinen darein.

Himmlischer Sohne

Geistige Schone,

Schwankende Beugung

Schwebet voruber.

Sehnende Neigung

Folget hinuber;

Und der Gewander

Flatternde Bander

Decken die Lander,

Decken die Laube,

Wo sich furs Leben,

Tief in Gedanken,

Liebende geben.

Laube bei Laube!

Sprossende Ranken!

Lastende Traube

Sturzt ins Behalter

Drangender Kelter,

Sturzen in Bachen

Schaumende Weine,

Rieseln durch reine,

Edle Gesteine,

Lassen die Hohen

Hinter sich liegen,

Breiten zu Seen

Sich ums Genuge

Grunender Hugel.

Und das Geflugel

Schlurfet sich Wonne,

Flieget der Sonne,

Flieget den hellen

Inseln entgegen,

Die sich auf Wellen


Gauklend bewegen;

Wo wir in Choren

Jauchzende horen,

Uber den Auen

Tanzende schauen,

Die sich im Freien

Alle zerstreuen.

Einige klimmen

Uber die Hohen,

Andere schwimmen

Uber die Seen,

Andere schweben;

Alle zum Leben,

Alle zur Ferne

Liebender Sterne,

Seliger Huld.

MEPHISTOPHELES.

Er schlaft! So recht, ihr luft'gen zarten Jungen!

Ihr habt ihn treulich eingesungen!

Fur dies Konzert bin ich in eurer Schuld.


Du bist noch nicht der Mann, den Teufel festzuhalten!

Umgaukelt ihn mit su?en Traumgestalten,

Versenkt ihn in ein Meer des Wahns;

Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten,

Bedarf ich eines Rattenzahns.

Nicht lange brauch ich zu beschworen,

Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich horen.

Der Herr der Ratten und der Mause,

Der Fliegen, Frosche, Wanzen, Lause

Befiehlt dir, dich hervor zu wagen

Und diese Schwelle zu benagen,

So wie er sie mit Ol betupft -

Da kommst du schon hervorgehupft!

Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte,

Sie sitzt ganz vornen an der Kante.

Noch einen Bi?, so ist's geschehn. -

Nun, Fauste, traume fort, bis wir uns wiedersehn.

FAUST(erwachend).

Bin ich denn abermals betrogen?

Verschwindet so der geisterreiche Drang


Da? mir ein Traum den Teufel vorgelogen,

Und da? ein Pudel mir entsprang?

Studierzimmer

Faust. Mephistopheles.

FAUST.

Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?

MEPHISTOPHELES.

Ich bin's.

FAUST.

Herein!

MEPHISTOPHELES.

Du mu?t es dreimal sagen.

FAUST.

Herein denn!

MEPHISTOPHELES.

So gefallst du mir.

Wir werden, hoffich, uns vertragen;

Denn dir die Grillen zu verjagen,

Bin ich als edler Junker hier,

In rotem, goldverbramtem Kleide,

Das Mantelchen von starrer Seide,

Die Hahnenfeder auf dem Hut,

Mit einem langen, spitzen Degen,

Und rate nun dir, kurz und gut,

Dergleichen gleichfalls anzulegen;

Damit du, losgebunden, frei,

Erfahrest, was das Leben sei.

FAUST.

In jedem Kleide werd ich wohl die Pein

Des engen Erdelebens fuhlen.

Ich bin zu alt, um nur zu spielen,

Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

Was kann die Welt mir wohl gewahren?

Entbehren sollst du! sollst entbehren!

Das ist der ewige Gesang,

Der jedem an die Ohren klingt,

Den, unser ganzes Leben lang,

Uns heiser jede Stunde singt.

Nur mit Entsetzen wach ich morgens auf,

Ich mochte bittre Tranen weinen,

Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf

Nicht einen Wunsch erfullen wird, nicht einen,

Der selbst die Ahnung jeder Lust

Mit eigensinnigem Krittel mindert,

Die Schopfung meiner regen Brust

Mit tausend Lebensfratzen hindert.

Auch mu? ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,

Mich angstlich auf das Lager strecken;

Auch da wird keine Rast geschenkt,

Mich werden wilde Traume schrecken.

Der Gott, der mir im Busen wohnt,

Kann tief mein Innerstes erregen;

Der uber allen meinen Kraften thront,

Er kann nach au?en nichts bewegen;

Und so ist mir das Dasein eine Last,

Der Tod erwunscht, das Leben mir verha?t.

MEPHISTOPHELES.

Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.

FAUST.

O selig der, dem er im Siegesglanze

Die blut'gen Lorbeern um die Schlafe windet,

Den er, nach rasch durchrastem Tanze,

In eines Madchens Armen findet!

O war ich vor des hohen Geistes Kraft

Entzuckt, entseelt dahin gesunken!

MEPHISTOPHELES.

Und doch hat jemand einen braunen Saft,

In jener Nacht, nicht ausgetrunken.

FAUST.

Das Spionieren, scheint's, ist deine Lust.

MEPHISTOPHELES.

Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewu?t.

FAUST.

Wenn aus dem schrecklichen Gewuhle

Ein su? bekannter Ton mich zog,

Den Rest von kindlichem Gefuhle

Mit Anklang froher Zeit betrog,

So fluch ich allem, was die Seele

Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,

Und sie in diese Trauerhohle

Mit Blend- und Schmeichelkraften bannt!

Verflucht voraus die hohe Meinung

Womit der Geist sich selbst umfangt!

Verflucht das Blenden der Erscheinung,

Die sich an unsre Sinne drangt!

Verflucht, was uns in Traumen heuchelt

Des Ruhms, der Namensdauer Trug!

Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt,

Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!

Verflucht sei Mammon, wenn mit Schatzen

Er uns zu kuhnen Taten regt,

Wenn er zu mu?igem Ergetzen

Die Polster uns zurechte legt!

Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!

Fluch jener hochsten Liebeshuld!

Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,

Und Fluch vor allen der Geduld!

GEISTERCHOR(unsichtbar).

Weh! weh!

Du hast sie zerstort

Die schone Welt,

Mit machtiger Faust;

Sie sturzt, sie zerfallt!

Ein Halbgott hat sie zerschlagen!

Wir tragen

Die Trummern ins Nichts hinuber,

Und klagen

Uber die verlorne Schone.

Machtiger

Der Erdensohne,

Prachtiger

Baue sie wieder,

In deinem Busen baue sie auf!

Neuen Lebenslauf

Beginne,

Mit hellem Sinne,

Und neue Lieder

Tonen darauf!

MEPHISTOPHELES.

Dies sind dieKleinen

Von den Meinen.

Hore, wie zu Lust und Taten

Altklug sie raten!

In die Welt weit,

Aus der Einsamkeit

Wo Sinnen und Safte stocken,

Wollen sie dich locken.

Hor auf, mit deinem Gram zu spielen,

Der, wie ein Geier, dir am Leben fri?t;

Die schlechteste Gesellschaft la?t dich fuhlen,

Da? du ein Mensch mit Menschen bist.

Doch so ist's nicht gemeint

Dich unter das Pack zu sto?en.

Ich bin keiner von den Gro?en;

Doch willst du, mit mir vereint,

Deine Schritte durchs Leben nehmen,

So will ich mich gern bequemen,

Dein zu sein, auf der Stelle.

Ich bin dein Geselle,

Und mach ich dir's recht,

Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!

FAUST.

Und was soll ich dagegen dir erfullen?

MEPHISTOPHELES.

Dazu hast du noch eine lange Frist.

FAUST.

Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist

Und tut nicht leicht um Gottes willen,

Was einem andern nutzlich ist.

Sprich die Bedingung deutlich aus;

Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.

MEPHISTOPHELES.

Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,

Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;

Wenn wir uns druben wiederfinden,

So sollst du mir das gleiche tun.

FAUST.

Das Druben kann mich wenig kummern;

Schlagst du erst diese Welt zu Trummern,

Die andre mag darnach entstehn.

Aus dieser Erde quillen meine Freuden,

Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;

Kann ich mich erst von ihnen scheiden,

Dann mag, was will und kann, geschehn.

Davon will ich nichts weiter horen,

Ob man auch kunftig ha?t und liebt,

Und ob es auch in jenen Spharen

Ein Oben oder Unten gibt.

MEPHISTOPHELES.

In diesem Sinne kannst du's wagen.

Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,

Mit Freuden meine Kunste sehn,

Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.

FAUST.

Was willst du armer Teufel geben?

Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,

Von deinesgleichen je gefa?t?

Doch hast du Speise, die nicht sattigt, hast

Du rotes Gold, das ohne Rast,

Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,

Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt,

Ein Madchen, das an meiner Brust

Mit Augeln schon dem Nachbar sich verbindet,

Der Ehre schone Gotterlust,

Die, wie ein Meteor, verschwindet?

Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht,

Und Baume, die sich taglich neu begrunen!

MEPHISTOPHELES.

Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,

Mit solchen Schatzen kann ich dienen.

Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,

Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mogen.

FAUST.

Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,

So sei es gleich um mich getan!

Kannst du mich schmeichelnd je belugen,

Da? ich mir selbst gefallen mag,

Kannst du mich mit Genu? betrugen:

Das sei fur mich der letzte Tag!

Die Wette biet ich!

MEPHISTOPHELES.

Topp!

FAUST.

Und Schlag auf Schlag!

Werd' ich zum Augenblicke sagen:

Verweile doch! du bist so schon!

Dann magst du mich in Fesseln schlagen,

Dann will ich gern zugrunde gehn!

Dann mag die Totenglocke schallen,

Dann bist du deines Dienstes frei,

DieUhr mag stehn, der Zeiger fallen,

Es sei die Zeit fur mich vorbei!

MEPHISTOPHELES.

Bedenk es wohl, wir werden's nicht vergessen.

FAUST.

Dazu hast du ein volles Recht;

Ich habe mich nicht freventlich vermessen.

Wie ich beharre, bin ich Knecht,

Ob dein, was frag ich, oder wessen.

MEPHISTOPHELES.

Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus,

Als Diener meine Pflicht erfullen.

Nur eins! - Um Lebens oder Sterbens willen

Bitt ich mir ein paar Zeilen aus.

FAUST.

Auch was Geschriebnes forderst du Pedant?

Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?

Ist's nicht genug, da? mein gesprochnes Wort

Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?

Rast nicht die Welt in allen Stromen fort,

Und mich soll ein Versprechen halten?

Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt,

Wer mag sich gern davon befreien?

Begluckt, wer Treue rein im Busen tragt,

Kein Opfer wird ihn je gereuen!

Allein ein Pergament, beschrieben und bepragt,

Ist ein Gespenst, vor dem sich alle scheuen.

Das Wort erstirbt schon in der Feder,

Die Herrschaft fuhren Wachs und Leder.

Was willst du boser Geist von mir?

Erz, Marmor, Pergament, Papier?

Soll ich mit Griffel, Mei?el, Feder schreiben?

Ich gebe jede Wahl dir frei.

MEPHISTOPHELES.

Wie magst du deine Rednerei

Nur gleich so hitzig ubertreiben?

Ist doch ein jedes Blattchen gut.

Du unterzeichnest dich mit einem Tropfchen Blut.

FAUST.

Wenn dies dir vollig Gnuge tut,

So mag es bei der Fratze bleiben.

MEPHISTOPHELES.

Blut ist ein ganz besondrer Saft.

FAUST.

Nur keine Furcht, da? ich dies Bundnis breche!

Das Streben meiner ganzen Kraft

Ist grade das, was ich verspreche.

Ich habe mich zu hoch geblaht,

In deinen Rang gehor ich nur.

Der gro?e Geist hat mich verschmaht,

Vor mir verschlie?t sich die Natur

Des Denkens Faden ist zerrissen

Mir ekelt lange vor allem Wissen.

La? in den Tiefen der Sinnlichkeit

Uns gluhende Leidenschaften stillen!

In undurchdrungnen Zauberhullen


Sei jedes Wunder gleich bereit!

Sturzen wir uns in das Rauschen der Zeit,

Ins Rollen der Begebenheit!

Da mag denn Schmerz und Genu?,

Gelingen und Verdru?

Miteinander wechseln, wie es kann;

Nur rastlos betatigt sich der Mann.

MEPHISTOPHELES.

Euch ist kein Ma? und Ziel gesetzt.

Beliebt's Euch, uberall zu naschen,

Im Fliehen etwas zu erhaschen,

Bekomm Euch wohl, was Euch ergetzt.

Nur greift mir zu und seid nicht blode!

FAUST.

Du horest ja, von Freud' ist nicht die Rede.

Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichsten Genu?,

Verliebtem Ha?, erquickendem Verdru?.

Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,

Soll keinen Schmerzen kunftig sich verschlie?en,

Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,


Will ich in meinem innern Selbst genie?en,

Mit meinem Geist das Hochst' und Tiefste greifen,

Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen haufen,

Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,

Und, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern.

MEPHISTOPHELES.

O glaube mir, der manche tausend Jahre

An dieser harten Speise kaut

Da? von der Wiege bis zur Bahre

Kein Mensch den alten Sauerteigverdaut!

Glaub unsereinem, dieses Ganze

Ist nur fur einen Gott gemacht!

Er findet sich in einem ew'gen Glanze

Uns hat er in die Finsternis gebracht,

Und euch taugt einzig Tag und Nacht.

FAUST.

Allein ich will!

MEPHISTOPHELES.

Das la?t sich horen!

Doch nur vor einem ist mir bang.

Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.

Ich dacht, ihr lie?et Euch belehren.

Assoziiert Euch mit einem Poeten,

La?t den Herrn in Gedanken schweifen,

Und alle edlen Qualitaten

Auf Euren Ehrenscheitel haufen,

Des Lowen Mut,

Des Hirsches Schnelligkeit,

Des Italieners feurig Blut,

Des Nordens Dau'rbarkeit.

La?t ihn Euch das Geheimnis finden,

Gro?mut und Arglist zu verbinden,

Und Euch, mit warmen Jugendtrieben,

Nach einem Plane zu verlieben.

Mochte selbst solch einen Herren kennen,

Wurd ihn Herrn Mikrokosmus nennen.

FAUST.

Was bin ich denn, wenn es nicht moglich ist,

Der Menschheit Krone zu erringen,

Nach der sich alle Sinne dringen?

MEPHISTOPHELES.

Du bist am Ende - was du bist.

Setz dir Perucken auf von Millionen Locken,

Setz deinen Fu? auf ellenhohe Socken,

Du bleibst doch immer, was du bist.

FAUST.

Ich fuhl's, vergebens hab ich alle Schatze

Des Menschengeists auf mich herbeigerafft,

Und wenn ich mich am Ende niedersetze,

Quillt innerlich doch keine neue Kraft;

Ich bin nicht um ein Haar breit hoher,

Bin dem Unendlichen nicht naher.

MEPHISTOPHELES.

Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen,

Wie man die Sachen eben sieht;

Wir mussen das gescheiter machen,

Eh uns des Lebens Freude flieht.

Was Henker! freilich Hand und Fu?e

Und Kopf und Hintern, die sind dein;

Doch alles, was ich frisch genie?e,

Ist das drum weniger mein?

Wenn ich sechs Hengste zahlen kann,

Sind ihre Krafte nicht die meine?

Ich renne zu und bin ein rechter Mann,

Als hatt ich vierundzwanzig Beine.

Drum frisch! La? alles Sinnen sein,

Und grad mit in die Welt hinein!

Ich sag es dir: ein Kerl, der spekuliert,

Ist wie ein Tier, auf durrer Heide

Von einem bosen Geist im Kreis herum gefuhrt,

Und rings umher liegt schone grune Weide.

FAUST.

Wie fangen wir das an?

MEPHISTOPHELES.

Wir gehen eben fort.

Was ist das fur ein Marterort?

Was hei?t das fur ein Leben fuhren,

Sich und die Jungens ennuyieren?

La? du das dem Herrn Nachbar Wanst!

Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?

Das Beste, was du wissen kannst,

Darfst du den Buben doch nicht sagen.

Gleich hor ich einen auf dem Gange!

FAUST.

Mir ist's nicht moglich, ihn zu sehn.

MEPHISTOPHELES.

Der arme Knabe wartet lange,

Der darf nicht ungetrostet gehn.

Komm, gib mir deinen Rock und Mutze;

Die Maske mu? mir kostlich stehn.

(Er kleidet sich um.)

Nun uberla? es meinem Witze!

Ich brauche nur ein Viertelstundchen Zeit;

Indessen mache dich zur schonen Fahrt bereit!

(Faust ab.)

MEPHISTOPHELES(in Fausts langem Kleide).

Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,

Des Menschen allerhochste Kraft,

La? nur in Blend- und Zauberwerken

Dich von dem Lugengeist bestarken,

So hab ich dich schon unbedingt -


Ihm hat das Schicksal einenGeist gegeben,

Der ungebandigt immer vorwarts dringt,

Und dessen ubereiltes Streben

Der Erde Freuden uberspringt.

Den schlepp ich durch das wilde Leben,

Durch flache Unbedeutenheit,

Er soll mir zappeln, starren, kleben,

Und seiner Unersattlichkeit

Soll Speis und Trank vor gier'gen Lippen schweben;

Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,

Und hatt er sich auch nicht dem Teufel ubergeben,

Er mu?te doch zugrunde gehn!

(Ein SCHULER tritt auf.)

SCHULER.

Ich bin allhier erst kurze Zeit,

Und komme voll Ergebenheit,

Einen Mann zu sprechen und zu kennen,

Den alle mir mit Ehrfucht nennen.

MEPHISTOPHELES.

Eure Hoflichkeit erfreut mich sehr!


Ihr seht einen Mann wie andre mehr.

Habt Ihr Euch sonst schon umgetan?

SCHULER.

Ich bitt Euch, nehmt Euch meiner an!

Ich komme mit allem guten Mut,

Leidlichem Geld und frischem Blut;

Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;

Mochte gern was Rechts hierau?en lernen.

MEPHISTOPHELES.

Da seid Ihr eben recht am Ort.

SCHULER.

Aufrichtig, mochte schon wieder fort.

In diesen Mauern, diesen Hallen

Will es mir keineswegs gefallen.

Es ist ein gar beschrankter Raum,

Man sieht nichts Grunes, keinen Baum,

Und in den Salen, auf den Banken,

Vergeht mir Horen, Sehn und Denken.

MEPHISTOPHELES.

Das kommt nur auf Gewohnheit an.

So nimmt ein Kind der Mutter Brust


Nicht gleich im Anfang willig an,

Doch bald ernahrt es sich mit Lust.

So wird's Euch an der Weisheit Brusten

Mit jedem Tage mehr gelusten.

SCHULER.

An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;

Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen?

MEPHISTOPHELES.

Erklart Euch, eh Ihr weiter geht,

Was wahlt Ihr fur eine Fakultat?

SCHULER.

Ich wunschte recht gelehrt zu werden,

Und mochte gern, was auf der Erden

Und in dem Himmel ist, erfassen,

Die Wissenschaft und die Natur.

MEPHISTOPHELES.

Da seid Ihr auf der rechten Spur;

Doch mu?t Ihr Euch nicht zerstreuen lassen.

SCHULER.

Ich bin dabei mit Seel und Leib;

Doch freilich wurde mir behagen

Ein wenig Freiheit und Zeitvertreib

An schonen Sommerfeiertagen.

MEPHISTOPHELES.

Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,

Doch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen.

Mein teurer Freund, ich rat Euch drum

Zuerst Collegium Logicum.

Da wird der Geist Euch wohl dressiert,

In spanische Stiefeln eingeschnurt,

Da? er bedachtiger so fortan

Hinschleiche die Gedankenbahn,

Und nicht etwa, die Kreuz und Quer,

Irrlichteliere hin und her.

Dann lehret man Euch manchen Tag,

Da?, was Ihr sonst auf einen Schlag

Getrieben, wie Essen und Trinken frei,

Eins! Zwei! Drei! dazu notig sei.

Zwar ist's mit der Gedankenfabrik

Wie mit einem Weber-Meisterstuck,

Wo ein Tritt tausend Faden regt,

Die Schifflein heruber hinuber schie?en,

Die Faden ungesehen flie?en,

Ein Schlag tausend Verbindungen schlagt.

Der Philosoph, der tritt herein

Und beweist Euch, es mu?t so sein.

Das Erst war so, das Zweite so,

Und drum das Dritt und Vierte so;

Und wenn das Erst und Zweit nicht war,

Das Dritt und Viert war nimmermehr.

Das preisen die Schuler allerorten,

Sind aber keine Weber geworden.

Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben,

Sucht erst den Geist heraus zu treiben,

Dannhat er die Teile in seiner Hand,

Fehlt, leider! nur das geistige Band.

Encheiresin naturae nennt's die Chemie,

Spottet ihrer selbst und wei? nicht wie.

SCHULER.

Kann Euch nicht eben ganz verstehen.

MEPHISTOPHELES.

Das wird nachstens schon besser gehen,

Wenn Ihr lernt alles reduzieren

Und gehorig klassifizieren.

SCHULER.

Mir wird von alledem so dumm,

Als ging, mir ein Muhlrad im Kopf herum.

MEPHISTOPHELES.

Nachher, vor allen andern Sachen,

Mu?t Ihr Euch an die Metaphysik machen!

Da seht, da? Ihr tiefsinnig fa?t,

Was in des Menschen Hirn nicht pa?t;

Fur was drein geht und nicht drein geht,

Ein prachtig Wort zu Diensten steht.

Doch vorerst dieses halbe Jahr

Nehmt ja der besten Ordnung wahr.

Funf Stunden habt Ihr jeden Tag;

Seid drinnen mit dem Glockenschlag!

Habt Euch vorher wohl prapariert,

Paragraphos wohl einstudiert,

Damit Ihr nachher besser seht,

Da? er nichts sagt, als was im Buche steht;

Doch Euch des Schreibens ja beflei?t,

Als diktiert, Euch der Heilig Geist!

SCHULER.

Das sollt Ihr mir nicht zweimal sagen!

Ich denke mir, wie viel es nutzt;

Denn, was man schwarz auf wei? besitzt,

Kann man getrost nach Hause tragen.

MEPHISTOPHELES.

Doch wahlt mir eine Fakultat!

SCHULER.

Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.

MEPHISTOPHELES.

Ich kann es Euch so sehr nicht ubel nehmen,

Ich wei?, wie es um diese Lehre steht.

Es erben sich Gesetz' und Rechte

Wie eine ew'ge Krankheit fort;

Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,

Und rucken sacht von Ort zu Ort.

Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage;

Weh dir, da? du ein Enkel bist!

Vom Rechte, das mit uns geboren ist,

Von dem ist, leider! nie die Frage.

SCHULER.

Mein Abscheu wird durch Euch vermehrt.

O glucklich der, den Ihr belehrt!

Fast mocht ich nun Theologie studieren.

MEPHISTOPHELES.

Ich wunschte nicht, Euch irre zu fuhren.

Was diese Wissenschaft betrifft,

Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden,

Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift,

Und von der Arzenei ist's kaum zu unterscheiden.

Am besten ist's auch hier, wenn Ihr nur einen hort,

Und auf des Meisters Worte schwort.

Im ganzen - haltet Euch an Worte!

Dann geht Ihr durch die sichre Pforte

Zum Tempel der Gewi?heit ein.

SCHULER.

Doch ein Begriff mu? bei dem Worte sein.

MEPHISTOPHELES.

Schon gut! Nur mu? man sich nicht allzu angstlich qualen

Denn eben wo Begriffe fehlen,

Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.

Mit Worten la?t sich trefflich streiten,

Mit Worten ein System bereiten,

An Worte la?t sich trefflich glauben,

Von einem Wort la?t sich kein Jota rauben.

SCHULER.

Verzeiht, ich halt' Euch auf mit vielen Fragen,

Allein ich mu? Euch noch bemuhn.

Wollt Ihr mir von der Medizin

Nicht auch ein kraftig Wortchen sagen?

Drei Jahr ist eine kurze Zeit,

Und, Gott! das Feld ist gar zu weit.

Wenn man einen Fingerzeig nur hat,

La?t sich's schon eher weiter fuhlen.

MEPHISTOPHELES(fur sich).

Ich bin des trocknen Tons nun satt,

Mu? wieder recht den Teufelspielen.

(Laut.) Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen;

Ihr durchstudiert die gro?, und kleine Welt,

Um es am Ende gehn zu lassen,

Wie's Gott gefallt.

Vergebens, da? Ihr ringsum wissenschaftlich schweift,

Ein jeder lernt nur, was er lernen kann;

Doch der den Augenblick ergreift,

Das ist der rechte Mann.

Ihr seid noch ziemlich wohl gebaut,

An Kuhnheit wird's Euch auch nicht fehlen,

Und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut,

Vertrauen Euch die andern Seelen.

Besonders lernt die Weiber fuhren;

Es ist ihr ewig Weh und Ach

So tausendfach

Aus einem Punkte zu kurieren,

Und wenn Ihr halbweg ehrbar tut,

Dann habt Ihr sie all unterm Hut.

Ein Titel mu? sie erst vertraulich machen,

Da? Eure Kunst viel Kunste ubersteigt;

Zum Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen,

Um die ein andrer viele Jahre streicht,


Versteht das Pulslein wohl zu drucken,

Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken,

Wohl um die schlanke Hufte frei,

Zu sehn, wie fest geschnurt sie sei.

SCHULER.

Das sieht schon besser aus! Man sieht doch, wo und wie.

MEPHISTOPHELES.

Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,

Und grun des Lebens goldner Baum.

SCHULER.

Ich schwor Euch zu, mir ist's als wie ein Traum.

Durft ich Euch wohl ein andermal beschweren,

Von Eurer Weisheit auf den Grund zu horen?

MEPHISTOPHELES.

Was ich vermag, soll gern geschehn.

SCHULER.

Ich kann unmoglich wieder gehn,

Ich mu? Euch noch mein Stammbuch uberreichen,

Gonn Eure Gunst mir dieses Zeichen!

MEPHISTOPHELES.

Sehr wohl.

(Er schreibt und gibt's.)

SCHULER(liest).

Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum.

(Macht's ehrerbietig zu und empfiehlt sich.)

MEPHISTOPHELES.

Folg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange,

Dir wird gewi? einmal bei deiner Gottahnlichkeit bange!

(Faust tritt auf.)

FAUST.

Wohin soll es nun gehn?

MEPHISTOPHELES.

Wohin es dir gefallt.

Wir sehn die kleine, dann die gro?e Welt.

Mit welcher Freude, welchem Nutzen

Wirst du den Cursum durchschmarutzen!

FAUST.

Allein bei meinem langen Bart

Fehlt mir die leichte Lebensart.

Es wird mir der Versuch nicht glucken;

Ich wu?te nie mich in die Welt zu schicken.

Vor andern fuhl ich mich so klein;

Ich werde stets verlegen sein.

MEPHISTOPHELES.


Mein guter Freund, das wird sich alles geben;

Sobald du dir vertraust, sobald wei?t du zu leben.

FAUST.

Wie kommen wir denn aus dem Haus?

Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen?

MEPHISTOPHELES.

Wir breiten nur den Mantel aus,

Der soll uns durch die Lufte tragen.

Du nimmst bei diesem kuhnen Schritt

Nur keinen gro?en Bundel mit.

Ein bi?chen Feuerluft, die ich bereiten werde,

Hebt uns behend von dieser Erde.

Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf;

Ich gratuliere dir zum neuen Lebenslauf!

Auerbachs Keller in Leipzig

Zeche lustiger Gesellen.

FROSCH.

Will keiner trinken? keiner lachen?

Ich will euch lehren Gesichter machen!

Ihr seid ja heut wie nasses Stroh,

Und brennt sonst immer lichterloh.

BRANDER.

Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbei,

Nicht eine Dummheit, keine Sauerei.

FROSCH(giesst ihm ein Glas Wein uber denKopf).

Da hast du beides!

BRANDER.

Doppelt Schwein!

FROSCH.

Ihr wollt es ja, man soll es sein!

SIEBEL.

Zur Tur hinaus, er sich entzweit!

Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreit!

Auf! Holla! Ho!

ALTMAYER.

Weh mir, ich bin verloren!

Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren.

SIEBEL.

Wenn das Gewolbe widerschallt,

Fuhlt man erst recht des Basses Grundgewalt.

FROSCH.

So recht, hinaus mit dem, der etwas ubel nimmt!

A! tara lara da!

ALTMAYER.

A! tara lara da!

FROSCH.

Die Kehlen sind gestimmt.

(Singt.)

Das liebe Heil'ge Rom'sche Reich,

Wie halt's nur noch zusammen?

BRANDER.

Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied!

Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen,

Da? ihr nicht braucht furs Rom'sche Reich zu sorgen!

Ich halt es wenigstens fur reichlichen Gewinn,

Da? ich nicht Kaiser oder Kanzler bin.

Doch mu? auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen;

Wir wollen einen Papst erwahlen.

Ihr wi?t, welch eine Qualitat

Den Ausschlag gibt, den Mann erhoht.

FROSCH(singt).

Schwing dich auf, Frau Nachtigall,

Gru? mir mein Liebchen zehentausendmal.

SIEBEL.

Dem Liebchen keinen Gru?! ich will davon nichts horen!

FROSCH.

Dem Liebchen Gru? und Ku?! du wirst mir's nicht verwehren!

(Singt.)

Riegel auf! in stiller Nacht.

Riegel auf! der Liebste wacht.

Riegel zu! des Morgens fruh.

SIEBEL.

Ja, singe, singe nur und lob und ruhme sie!

Ich will zu meiner Zeit schon lachen.

Sie hat mich angefuhrt, dir wird sie's auch so machen.

Zum Liebsten sei ein Kobold ihr beschert!

Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schakern;

Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt,

Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!

Ein braver Kerl von echtem Fleisch und Blut

Ist fur die Dirne viel zu gut.

Ich will von keinem Gru?e wissen,

Als ihr die Fenster eingeschmissen

BRANDER(auf den Tisch schlagend).

Pa?t auf! pa?t auf! Gehorchet mir!

Ihr Herrn, gesteht, ich wei? zu leben

Verliebte Leute sitzen hier,

Und diesen mu?, nach Standsgebuhr,

Zur guten Nacht ich was zum besten geben.

Gebt acht! Ein Lied vom neusten Schnitt!

Und singt den Rundreim kraftig mit!

(Er singt.)

Es war eine Ratt im Kellernest,

Lebte nur von Fett und Butter,

Hatte sich ein Ranzlein angemast't,

Als wie der Doktor Luther.

Die Kochin hatt ihr Gift gestellt;

Da ward's so eng ihr in der Welt,

Als hatte sie Lieb im Leibe.

CHORUS(jauchzend).

Als hatte sie Lieb im Leibe.

BRANDER.

Sie fuhr herum, sie fuhr heraus,

Und soff aus allen Pfutzen,

Zernagt', zerkratzt, das ganze Haus,

Wollte nichts ihr Wuten nutzen;

Sie tat gar manchen Angstesprung,

Bald hatte das arme Tier genung,

Als hatt es Lieb im Leibe.

CHORUS.

Als hatt es Lieb im Leibe.

BRANDER.

Sie kam vor Angst am hellen Tag

Der Kuche zugelaufen,

Fiel an den Herd und zuckt, und lag,

Und tat erbarmlich schnaufen.

Da lachte die Vergifterin noch.

Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch,

Als hatte sie Lieb im Leibe.

CHORUS.

Als hatte sie Lieb im Leibe.

SIEBEL.

Wie sich die platten Bursche freuen!

Es ist mir eine rechte Kunst,

Denarmen Ratten Gift zu streuen!

BRANDER.

Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst?

ALTMAYER.

Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!

Das Ungluck macht ihn zahm und mild;

Er sieht in der geschwollnen Ratte

Sein ganz naturlich Ebenbild.

(Faust und Mephistopheles treten auf.)

MEPHISTOPHELES.

Ich mu? dich nun vor allen Dingen

In lustige Gesellschaft bringen,

Damit du siehst, wie leicht sich's leben la?t.

Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest.

Mit wenig Witz und viel Behagen

Dreht jeder sich im engen Zirkeltanz,

Wie junge Katzen mit dem Schwanz.

Wenn sie nicht uber Kopfweh klagen,

So lang der Wirt nur weiter borgt,

Sind sie vergnugt und unbesorgt.

BRANDER.

Die kommen eben von der Reise,

Man sieht's an ihrer wunderlichen Weise;

Sie sind nicht eine Stunde hier.

FROSCH.

Wahrhaftig, du hast recht! Mein Leipzig lob ich mir!

Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.

SIEBEL.

Fur was siehst du die Fremden an?

FROSCH.

La? mich nur gehn! Bei einem vollen Glase

Zieh ich, wie einen Kinderzahn,

Den Burschen leicht die Wurmer aus der Nase.

Sie scheinen mir aus einem edlen Haus,

Sie sehen stolz und unzufrieden aus.

BRANDER.

Marktschreier sind's gewi?, ich wette!

ALTMAYER.

Vielleicht.

FROSCH.

Gib acht, ich schraube sie!

MEPHISTOPHELES(zu Faust).

Den Teufel spurt das Volkchen nie,

Und wenn er sie beim Kragen hatte.

FAUST.

Seid uns gegru?t, ihr Herrn!

SIEBEL.

Viel Dank zum Gegengru?.

(Leise, Mephistopheles von der Seite ansehend.)

Was hinkt der Kerl auf einem Fu??

MEPHISTOPHELES.

Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen?

Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann

Soll die Gesellschaft uns ergetzen.

ALTMAYER.

Ihr scheint ein sehr verwohnter Mann.

FROSCH.

Ihr seid wohl spat von Rippach aufgebrochen?

Habt ihr mit Herren Hans noch erst zu Nacht gespeist?

MEPHISTOPHELES.

Heut sind wir ihn vorbeigereist!

Wir haben ihn das letztemal gesprochen.

Von seinen Vettern wu?t er viel zu sagen,

Viel Gru?e hat er uns an jeden aufgetragen.

(Er neigt sich gegen Frosch.)

ALTMAYER(leise).

Da hast du's! der versteht's!

SIEBEL.

Ein pfiffiger Patron!

FROSCH.

Nun, warte nur, ich krieg ihn schon!

MEPHISTOPHELES.

Wenn ich nicht irrte, horten wir

Geubte Stimmen Chorus singen?

Gewi?, Gesang mu? trefflich hier

Von dieser Wolbung widerklingen!

FROSCH.

Seid Ihr wohl gar ein Virtuos?

MEPHISTOPHELES.

O nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist gro?.

ALTMAYER.

Gebt uns ein Lied!

MEPHISTOPHELES.

Wenn ihr begehrt, die Menge.

SIEBEL.

Nur auch ein nagelneues Stuck!

MEPHISTOPHELES.

Wir kommen erst aus Spanien zuruck,

Dem schonen Land des Weins und der Gesange.

(Singt).

Es war einmal ein Konig,


Der hatt einen gro?en Floh -

FROSCH.

Horcht! Einen Floh! Habt ihr das wohl gefa?t?

Ein Floh ist mir ein saubrer Gast.

MEPHISTOPHELES(singt).

Es war einmal ein Konig

Der hatt einen gro?en Floh,

Den liebt' er gar nicht wenig,

Als wie seinen eignen Sohn.

Da rief er seinen Schneider,

Der Schneider kam heran.

Da, mi? dem Junker Kleider

Und mi? ihm Hosen an!

BRANDER.

Verge?t nur nicht, dem Schneider einzuscharfen,

Da? er mir aufs genauste mi?t,

Und da?, so lieb sein Kopf ihm ist,

Die Hosen keineFalten werfen!

MEPHISTOPHELES.

In Sammet und in Seide

War er nun angetan


Hatte Bander auf dem Kleide,

Hatt auch ein Kreuz daran

Und war sogleich Minister,

Und hatt einen gro?en Stern.

Da wurden seine Geschwister

Bei Hof auch gro?e Herrn.

Und Herrn und Fraun am Hofe,

Die waren sehr geplagt,

Die Konigin und die Zofe

Gestochen und genagt,

Und durften sie nicht knicken,

Und weg sie jucken nicht.

Wir knicken und ersticken

Doch gleich, wenn einer sticht.

CHORUS(jauchzend).

Wir knicken und ersticken

Doch gleich, wenn einer sticht.

FROSCH.

Bravo! Bravo! Das war schon!

SIEBEL.

So soll es jedem Floh ergehn!

BRANDER.

Spitzt die Finger und packt sie fein!

ALTMAYER.

Es lebe die Freiheit! Es lebe der Wein!

MEPHISTOPHELES.

Ich tranke gern ein Glas, die Freiheit hoch zu ehren,

Wenn eure Weine nur ein bi?chen besser waren.

SIEBEL.

Wir mogen das nicht wieder horen!

MEPHISTOPHELES.

Ich furchte nur, der Wirt beschweret sich;

Sonst gab ich diesen werten Gasten

Aus unserm Keller was zum besten.

SIEBEL.

Nur immer her! ich nehm's auf mich.

FROSCH.

Schafft Ihr ein gutes Glas, so wollen wir Euch loben.

Nur gebt nicht gar zu kleine Proben

Denn wenn ich judizieren soll,

Verlang ich auch das Maul recht voll.

ALTMAYER(leise).

Sie sind vom Rheine, wie ich spure.

MEPHISTOPHELES.


Schafft einen Bohrer an!

BRANDER.

Was soll mit dem geschehn?

Ihr habt doch nicht die Fasser vor der Ture?

ALTMAYER.

Dahinten hat der Wirt ein Korbchen Werkzeug stehn.

MEPHISTOPHELES(nimmt den Bohrer. Zu Frosch).

Nun sagt, was wunschet Ihr zu schmecken?

FROSCH.

Wie meint Ihr das? Habt Ihr so mancherlei?

MEPHISTOPHELES.

Ich stell es einem jeden frei.

ALTMAYER(zu Frosch).

Aha! du fangst schon an, die Lippen abzulecken.

FROSCH.

Gut! wenn ich wahlen soll, so will ich Rheinwein haben.

Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben.

MEPHISTOPHELES(indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den Tischrand bohrt).

Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen!

ALTMAYER.

Ach, das sind Taschenspielersachen.

MEPHISTOPHELES(zu Brander).

Und Ihr?

BRANDER.

Ich will Champagner Wein Und recht moussierend soll er sein!

(Mephistopheles bohrt; einer hat indessen die Wachspfropfen gemacht

und verstopft.)

Man kann nicht stets das Fremde meiden

Das Gute liegt uns oft so fern.

Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,

Doch ihre Weine trinkt er gern.

SIEBEL(indem sich Mephistopheles seinem Platze nahert).

Ich mu? gestehn, den sauern mag ich nicht,

Gebt mir ein Glas vom echten su?en!

MEPHISTOPHELES(bohrt).

Euch soll sogleich Tokayer flie?en.

ALTMAYER.

Nein, Herren, seht mir ins Gesicht!

Ich seh es ein, ihr habt uns nur zum besten.

MEPHISTOPHELES.

Ei! Ei! Mit solchen edlen Gasten

War es ein bi?chen viel gewagt.

Geschwind! Nur grad heraus gesagt!

Mit welchem Weine kann ich dienen?

ALTMAYER.


Mit jedem! Nur nicht lang gefragt.

(Nachdem die Locher alle gebohrt und verstopft sind.)

MEPHISTOPHELES(mit seltsamen Gebarden).

Trauben tragt der Weinstock!

Horner der Ziegenbock;

Der Wein ist saftig, Holz die Reben,

Der holzerne Tisch kann Wein auch geben.

Ein tiefer Blick in die Natur!

Hier ist ein Wunder, glaubet nur!

Nun zieht die Pfropfen und genie?t!

ALLE(indem sie die Pfropfenziehen und jedem der verlangte Wein ins Glas lauft).

O schoner Brunnen, der uns flie?t!

MEPHISTOPHELES.

Nur hutet euch, da? ihr mir nichts vergie?t!

(Sie trinken wiederholt.)

ALLE(singen).

Uns ist ganz kannibalisch wohl,

Als wie funfhundert Sauen!

MEPHISTOPHELES.

Das Volk ist frei, seht an, wie wohl's ihm geht!

FAUST.

Ich hatte Lust, nun abzufahren.

MEPHISTOPHELES.

Gib nur erst acht, die Bestialitat

Wird sich gar herrlich offenbaren.

SIEBEL(trinkt unvorsichtig, der Wein flie?t auf die Erde und wird zur

Flamme).

Helft! Feuer! helft! Die Holle brennt!

MEPHISTOPHELES(die Flamme besprechend).

Sei ruhig, freundlich Element!

(Zu den Gesellen.)

Fur diesmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer.

SIEBEL.

Was soll das sein? Wart! Ihr bezahlt es teuer!

Es scheinet, da? Ihr uns nicht kennt.

FROSCH.

La? Er uns das zum zweiten Male bleiben!

ALTMAYER.

Ich dacht, wir hie?en ihn ganz sachte seitwarts gehn.

SIEBEL.

Was, Herr? Er will sich unterstehn,

Und hier sein Hokuspokus treiben?

MEPHISTOPHELES.

Still, altes Weinfa?!

SIEBEL.

Besenstiel!

Du willst uns gar noch grob begegnen?

BRANDER.

Wart nur, es sollen Schlage regnen!

ALTMAYER(zieht einen Pfropf aus dem Tisch, es springt ihm Feuer entgegen):

Ich brenne! ich brenne!

SIEBEL.

Zauberei!

Sto?t zu! der Kerl ist vogelfrei!

(Sie ziehen die Messer und gehn auf Mephistopheles los.)

MEPHISTOPHELES(mit ernsthafter Gebarde).

Falsch Gebild und Wort

Verandern Sinn und Ort!

Seid hier und dort!

(Sie stehn erstaunt und sehn einander an.)

ALTMAYER.

Wo bin ich? Welches schone Land!

FROSCH.

Weinberge! Seh ich recht?

SIEBEL.

Und Trauben gleich zur Hand!

BRANDER.

Hier unter diesem grunen Laube,

Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube!

(Er fa?t Siebeln bei der Nase. Die andern tun es wechselseitig und heben

die Messer.)

MEPHISTOPHELES(wie oben).

Irrtum, la? los der Augen Band!

Und merkt euch, wie der Teufel spa?e!

(Er verschwindet mit Faust, die Gesellen fahren auseinander.

SIEBEL.

Was gibt's?

ALTMAYER.

Wie?

FROSCH.

War das deine Nase?

BRANDER(zu Siebel).

Und deine hab ich in der Hand!

ALTMAYER.

Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder!

Schafft einen Stuhl, ich sinke nieder!

FROSCH.

Nein, sagt mir nur, was ist geschehn?

FROSCH.


Wo ist der Kerl? Wenn ich ihn spure,

Er soll mir nicht lebendig gehn!

ALTMAYER.

Ich hab ihn selbst hinaus zur Kellerture -

Auf einem Fasse reiten sehn -

Es liegt mir bleischwer in den Fu?en.

(Sich nach dem Tische wendend.)

Mein! Sollte wohl der Wein noch flie?en?

SIEBEL.

Betrug war alles, Lug und Schein.

FROSCH.

Mir deuchte doch, als trank ich Wein.

BRANDER.

Aber wie war es mit den Trauben?

ALTMAYER.

Nun sag mir eins, man soll kein Wunder glauben!

Hexenkuche

Auf einem niedrigen Herd steht ein gro?er Kessel uber dem Feuer. In dem

Dampfe, der davon in die Hohe steigt, zeigen sich verschiedene Gestalten.

Eine Meerkatze sitzt bei dem Kessel und schaumt ihn und sorgt, da? er

nicht

uberlauft. Der Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und warmt sich.

Wande und Decke sind mit dem seltsamsten Hexenhausrat geschmuckt.

Faust. Mephistopheles.

FAUST.

Mir widersteht das tolle Zauberwesen!

Versprichst du mir, ich soll genesen

In diesem Wust von Raserei?

Verlang ich Rat von einem alten Weibe?

Und schafft die Sudelkocherei

Wohldrei?ig Jahre mir vom Leibe?

Weh mir, wenn du nichts Bessers wei?t!

Schon ist die Hoffnung mir verschwunden.

Hat die Natur und hat ein edler Geist

Nicht irgendeinen Balsam ausgefunden?

MEPHISTOPHELES.

Mein Freund, nun sprichst du wieder klug!

Dich zu verjungen, gibt's auch ein naturlich Mittel;

Allein es steht in einem andern Buch,

Und ist ein wunderlich Kapitel.

FAUST.

Ich will es wissen.

MEPHISTOPHELES.

Gut! Ein Mittel, ohne Geld

Und Arzt und Zauberei zu haben.

Begib dich gleich hinaus aufs Feld,

Fang an zu hacken und zu graben

Erhalte dich und deinen Sinn

In einem ganz beschrankten Kreise,

Ernahre dich mit ungemischter Speise,

Leb mit dem Vieh als Vieh, und acht es nicht fur Raub,

Den Acker, den du erntest, selbst zu dungen;

Das ist das beste Mittel, glaub,

Auf achtzig Jahr dich zu verjungen!

FAUST.

Das bin ich nicht gewohnt, ich kann mich nicht bequemen,

Den Spaten in die Hand zu nehmen.

Das enge Leben steht mir gar nicht an.

MEPHISTOPHELES.

So mu? denn doch die Hexe dran.

FAUST.

Warum denn just das alte Weib!

Kannst du den Trank nicht selber brauen?

MEPHISTOPHELES.

Das war ein schoner Zeitvertreib!

Ich wollt indes wohl tausend Brucken bauen.

Nicht Kunst und Wissenschaft allein,

Geduld will bei dem Werke sein.

Ein stiller Geist ist jahrelang geschaftig,

Die Zeit nur macht die feine Garung kraftig.

Und alles, was dazu gehort,

Es sind gar wunderbare Sachen!

Der Teufel hat sie's zwar gelehrt;

Allein der Teufel kann's nicht machen.

(Die Tiere erblickend.)

Sieh, welch ein zierliches Geschlecht!

Das ist die Magd! das ist der Knecht!

(Zu den Tieren.)

Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause?

DIE TIERE.

Beim Schmause,

Aus dem Haus

Zum Schornstein hinaus!

MEPHISTOPHELES.

Wie lange pflegt sie wohl zu schwarmen?

DIE TIERE.

So lange wir uns die Pfoten warmen.

MEPHISTOPHELES.(zu Faust).

Wie findest du die zarten Tiere?

FAUST.

So abgeschmackt, als ich nur jemand sah!

MEPHISTOPHELES.

Nein, ein Discours wie dieser da

Ist grade der, den ich am liebsten fuhre!

(zu den Tieren.)

So sagt mir doch, verfluchte Puppen,

Was quirlt ihr in dem Brei herum?

DIE TIERE.

Wir kochen breite Bettelsuppen.

MEPHISTOPHELES.

Da habt ihr ein gro? Publikum.

DER KATER(macht sich herbei und schmeichelt dem Mephistopheles).

O wurfle nur gleich,

Und mache mich reich,

Und la? mich gewinnen!


Gar schlecht ist's bestellt,

Und war ich bei Geld,

So war ich bei Sinnen.

MEPHISTOPHELES.

Wie glucklich wurde sich der Affe schatzen,

Konnt er nur auch ins Lotto setzen!

(Indessen haben die jungen Meerkatzchen mit einer gro?en Kugel gespielt und

rollen sie hervor.)

DER KATER.

Das ist die Welt;

Sie steigt und fallt

Und rollt bestandig;

Sie klingt wie Glas;

Wie bald bricht das!

Ist hohl inwendig.

Hier glanzt sie sehr,

Und hier noch mehr.

"Ich bin lebendig!"

Mein lieber Sohn,

Halt dich davon!

Du mu?t sterben!

Sie ist von Ton,

Es gibt Scherben.

MEPHISTOPHELES.

Was soll das Sieb?

DER KATER(holt es herunter).

Warst du ein Dieb,

Wollt ich dich gleich erkennen.

(Er lauft zur Katzin und la?t sie durchsehen.)

Sieh durch das Sieb!

Erkennstdu den Dieb,

Und darfst ihn nicht nennen?

MEPHISTOPHELES(sich dem Feuer nahernd).

Und dieser Topf?

KATER UND KATZIN.

Der alberne Tropf!

Er kennt nicht den Topf,

Er kennt nicht den Kessel!

MEPHISTOPHELES.

Unhofliches Tier!

DER KATER.

Den Wedel nimm hier,

Und setz dich in Sessel!

(Er notigt den Mephistopheles zu sitzen.)

FAUST(welcher diese Zeit uber vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald genahert, bald sich von ihm entfernt hat).

Was seh ich? Welch ein himmlisch Bild

Zeigt sich in diesem Zauberspiegel!

O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flugel,

Und fuhre mich in ihr Gefild!

Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe,

Wenn ich es wage, nah zu gehn,

Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn! -

Das schonste Bild von einem Weibe!

Ist's moglich, ist das Weib so schon?

Mu? ich an diesem hingestreckten Leibe

Den Inbegriff von allen Himmeln sehn?

So etwas findet sich auf Erden?

MEPHISTOPHELES.

Naturlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt,

Und selbst am Ende Bravo sagt,

Da mu? es was Gescheites werden.


Fur diesmal sieh dich immer satt;

Ich wei? dir so ein Schatzchen auszuspuren,

Und selig, wer das gute Schicksal hat,

Als Brautigam sie heim zu fuhren!

(Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel

dehnend und mit dem Wedel spielend, fahrt fort zu sprechen.)

Hier sitz ich wie der Konig auf dem Throne,

Den Zepter halt ich hier, es fehlt nur noch die Krone.

DIE TIERE(welche bisher allerlei wunderliche Bewegungen durcheinander

gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit gro?em Geschrei).

O sei doch so gut,

Mit Schwei? und mit Blut

Die Krone zu leimen!

(Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwei Stucke,

mit welchen sie herumspringen.)

Nun ist es geschehn!

Wir reden und sehn,

Wir horen und reimen.

FAUST(gegen den Spiegel).


Weh mir! ich werde schier verruckt.

MEPHISTOPHELES(auf die Tiere deutend).

Nun fangt mir an fast selbst der Kopf zu schwanken.

DIE TIERE.

Und wenn es uns gluckt,

Und wenn es sich schickt,

So sind es Gedanken!

FAUST(wie oben).

Mein Busen fangt mir an zu brennen!

Entfernen wir uns nur geschwind!

MEPHISTOPHELES(in obiger Stellung).

Nun, wenigstens mu? man bekennen,

Da? es aufrichtige Poeten sind.

(Der Kessel, welchen die Katzin bisher au?er acht gelassen, fangt an

uberzulaufen, es entsteht eine gro?e Flamme, welche zum Schornstein hinaus

schlagt. Die Hexe kommt durch die Flamme mit entsetzlichem Geschrei

herunter gefahren.)

DIE HEXE.

Au! Au! Au! Au!

Verdammtes Tier! verfluchte Sau!

Versaumst den Kessel, versengst die Frau!


Verfluchtes Tier!

(Faust und Mephistopheles erblickend.)

Was ist das hier?

Wer seid ihr hier?

Was wollt ihr da?

Wer schlich sich ein?

Die Feuerpein

Euch ins Gebein!

(Sie fahrt mit dem Schaumloffel in den Kessel und spritzt Flammen nach

Faust, Mephistopheles und den Tieren. Die Tiere winseln.)

MEPHISTOPHELES(welcher den Wedel, den er in der Hand halt, umkehrt und

unter die Glaser und Topfe schlagt).

Entzwei! entzwei!

Da liegt der Brei!

Da liegt dasGlas!

Es ist nur Spa?,

Der Takt, du Aas,

Zu deiner Melodei.

(Indem die Hexe voll Grimm und Entsetzen zurucktritt.)

Erkennst du mich? Gerippe! Scheusal du!

Erkennst du deinen Herrn und Meister?

Was halt mich ab, so schlag ich zu,

Zerschmettre dich und deine Katzengeister!

Hast du vorm roten Wams nicht mehr Respekt?

Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen?

Hab ich dies Angesicht versteckt?

Soll ich mich etwa selber nennen?

DIE HEXE.

O Herr, verzeiht den rohen Gru?!

Seh ich doch keinen Pferdefu?.

Wo sind denn Eure beiden Raben?

MEPHISTOPHELES.

Fur diesmal kommst du so davon;

Denn freilich ist es eine Weile schon,

Da? wir uns nicht gesehen haben.

Auch die Kultur, die alle Welt beleckt,

Hat auf den Teufel sich erstreckt;

Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen;

Wo siehst du Horner, Schweif und Klauen?

Und was den Fu? betrifft, den ich nicht missen kann,

Der wurde mir bei Leuten schaden;

Darum bedien ich mich, wie mancher junge Mann,

Seit vielen Jahren falscher Waden.

DIE HEXE(tanzend).

Sinn und Verstand verlier ich schier,

Seh ich den Junker Satan wieder hier!

MEPHISTOPHELES.

Den Namen, Weib, verbitt ich mir!

DIE HEXE.

Warum? Was hat er Euch getan?

MEPHISTOPHELES.

Er ist schon lang ins Fabelbuch geschrieben;

Allein die Menschen sind nichts besser dran,

Den Bosen sind sie los, die Bosen sind geblieben.

Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut;

Ich bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere.

Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut;

Sieh her, das ist das Wappen, das ich fuhre!

(Er macht eine unanstandige Gebarde.)

DIE HEXE(lacht unma?ig).

Ha! Ha! Das ist in Eurer Art!


Ihr seid ein Schelm, wie Ihr nur immer wart!

MEPHISTOPHELES(zu Faust).

Mein Freund, das lerne wohl verstehn!

Dies ist die Art, mit Hexen umzugehn.

DIE HEXE.

Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft.

MEPHISTOPHELES.

Ein gutes Glas von dem bekannten Saft!

Doch mu? ich Euch ums altste bitten;

Die Jahre doppeln seine Kraft.

DIE HEXE.

Gar gern! Hier hab ich eine Flasche,

Aus der ich selbst zuweilen nasche,

Die auch nicht mehr im mindsten stinkt;

Ich will euch gern ein Glaschen geben.

(Leise.)

Doch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt

So kann er, wi?t Ihr wohl, nicht eine Stunde leben.

MEPHISTOPHELES.

Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll;

Ich gonn ihm gern das Beste deiner Kuche.

Zieh deinen Kreis, sprich deine Spruche,

Und gib ihm eine Tasse voll!

(Die Hexe, mit seltsamen Gebarden, zieht einen Kreis und stellt wunderbare

Sachen hinein; indessen fangen die Glaser an zu klingen, die Kessel zu

tonen, und machen Musik. Zuletzt bringt sie ein gro?es Buch, stellt die

Meerkatzen in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und die Fackel halten

mussen. Sie winkt Fausten, zu ihr zu treten.)

FAUST(zu Mephistopheles).

Nein, sage mir, was soll das werden?

Das tolle Zeug, die rasenden Gebarden,

Der abgeschmackteste Betrug,

Sind mir bekannt, verha?t genug.

MEPHISTOPHELES.

Ei Possen!Das ist nur zum Lachen;

Sei nur nicht ein so strenger Mann!

Sie mu? als Arzt ein Hokuspokus machen,

Damit der Saft dir wohl gedeihen kann.

(Er notigt Fausten, in den Kreis zu treten.)

DIE HEXE(mit gro?er Emphase fangt an, aus dem Buche zu deklamieren).

Du mu?t verstehn!


Aus Eins mach Zehn,

Und Zwei la? gehn,

Und Drei mach gleich,

So bist du reich.

Verlier die Vier!

Aus Funf und Sechs,

So sagt die Hex,

Mach Sieben und Acht,

So ist's vollbracht.

Und Neun ist Eins,

Und Zehn ist keins.

Das ist das Hexen-Einmaleins!

FAUST.

Mich dunkt, die Alte spricht im Fieber.

MEPHISTOPHELES.

Das ist noch lange nicht voruber,

Ich kenn es wohl, so klingt das ganze Buch;

Ich habe manche Zeit damit verloren,

Denn ein vollkommner Widerspruch

Bleibt gleich geheimnisvoll fur Kluge wie fur Toren.


Mein Freund, die Kunst ist alt und neu.

Es war die Art zu allen Zeiten,

Durch Drei und Eins, und Eins und Drei

Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.

So schwatzt und lehrt man ungestort;

Wer will sich mit den Narrn befassen?

Gewohnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hort,

Es musse sich dabei doch auch was denken lassen.

DIE HEXE(fahrt fort).

Die hohe Kraft

Der Wissenschaft,

Der ganzen Welt verborgen!

Und wer nicht denkt,

Dem wird sie geschenkt,

Er hat sie ohne Sorgen.

FAUST.

Was sagt sie uns fur Unsinn vor?

Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.

Mich dunkt, ich hor ein ganzes Chor

Von hunderttausend Narren sprechen.

MEPHISTOPHELES.

Genug, genug, o treffliche Sibylle!

Gib deinen Trank herbei, und fulle

Die Schale rasch bis an den Rand hinan;

Denn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden.

Er ist ein Mann von vielen Graden,

Der manchen guten Schluck getan.

(Die Hexe, mit vielen Zeremonien, schenkt den Trank in eine Schale,

wie sie Faust an den Mund bringt, entsteht eine leichte Flamme.)

Nur frisch hinunter! Immer zu!

Es wird dir gleich das Herz erfreuen.

Bist mit dem Teufel du und du,

Und willst dich vor der Flamme scheuen?

(Die Hexe lost den Kreis. Faust tritt heraus.)

Nun frisch hinaus! Du darfst nicht ruhn.

DIE HEXE.

Mog Euch das Schluckchen wohl behagen!

MEPHISTOPHELES(zur Hexe).

Und kann ich dir was zu Gefallen tun,

So darfst du mir's nur auf Walpurgis sagen.

DIE HEXE.

Hier ist ein Lied! wenn Ihr's zuweilen singt,


So werdet Ihr besondre Wirkung spuren.

MEPHISTOPHELES(zu Faust).

Komm nur geschwind und la? dich fuhren;

Du mu?t notwendig transpirieren,

Damit die Kraft durch Inn- und Au?res dringt.

Den edlen Mu?iggang lehr ich hernach dich schatzen,

Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen,

Wie sich Cupido regt und hin und wider springt.

FAUST.

La? mich nur schnell noch in den Spiegel schauen!

Das Frauenbild war gar zu schon!

MEPHISTOPHELES.

Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen

Nun bald leibhaftig vor dir sehn.

(Leise.)

Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,

Bald Helenen in jedem Weibe.

Stra?e(I)

Faust. Margarete vorubergehend.

FAUST.

Meinschones Fraulein, darf ich wagen,


Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?

MARGARETE.

Bin weder Fraulein, weder schon,

Kann ungeleitet nach Hause gehn.

(Sie macht sich los und ab.)

FAUST.

Beim Himmel, dieses Kind ist schon!

So etwas hab ich nie gesehn.

Sie ist so sitt- und tugendreich,

Und etwas schnippisch doch zugleich.

Der Lippe Rot, der Wange Licht,

Die Tage der Welt verge? ich's nicht!

Wie sie die Augen niederschlagt,

Hat tief sich in mein Herz gepragt;

Wie sie kurz angebunden war,

Das ist nun zum Entzucken gar!

(Mephistopheles tritt auf.)

FAUST.

Hor, du mu?t mir die Dirne schaffen!

MEPHISTOPHELES.

Nun, welche?

FAUST.

Sie ging just vorbei.

MEPHISTOPHELES.

Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen,

Der sprach sie aller Sunden frei

Ich schlich mich hart am Stuhl vorbei,

Es ist ein gar unschuldig Ding,

Das eben fur nichts zur Beichte ging;

Uber die hab ich keine Gewalt!

FAUST.

Ist uber vierzehn Jahr doch alt.

MEPHISTOPHELES.

Du sprichst ja wie Hans Liederlich,

Der begehrt jede liebe Blum fur sich,

Und dunkelt ihm, es war kein Ehr

Und Gunst, die nicht zu pflucken war;

Geht aber doch nicht immer an.

FAUST.

Mein Herr Magister Lobesan,

La? Er mich mit dem Gesetz in Frieden!

Und das sag ich Ihm kurz und gut.

Wenn nicht das su?e junge Blut

Heut Nacht in meinen Armen ruht,

So sind wir um Mitternacht geschieden.

MEPHISTOPHELES.

Bedenkt, was gehn und stehen mag!

Ich brauche wenigstens vierzehn Tag,

Nur die Gelegenheit auszuspuren.

FAUST.

Hatt ich nur sieben Stunden Ruh,

Brauchte den Teufel nicht dazu

So ein Geschopfchen zu verfuhren.

MEPHISTOPHELES.

Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos;

Doch bitt ich, la?t's Euch nicht verdrie?en.

Was hilft's, nur grade zu genie?en?

Die Freud ist lange nicht so gro?,

Als wenn Ihr erst herauf, herum

Durch allerlei Brimborium,

Das Puppchen geknetet und zugericht't

Wie's lehret manche welsche Geschicht.

FAUST.

Hab Appetit auch ohne das.

MEPHISTOPHELES.

Jetzt ohne Schimpf und ohne Spa?.

Ich sag Euch, mit dem schonen Kind

Geht's ein fur allemal nicht geschwind.

Mit Sturm ist da nichts einzunehmen;

Wir mussen uns zur List bequemen.

FAUST.

Schaff mir etwas vom Engelsschatz!

Fuhr mich an ihren Ruheplatz!

Schaff mir ein Halstuch von ihrer Brust,

Ein Strumpfband meiner Liebeslust!

MEPHISTOPHELES.

Damit Ihr seht, da? ich Eurer Pein

Will forderlich und dienstlich sein'

Wollen wir keinen Augenblick verlieren,

Will Euch noch heut in ihr Zimmer fuhren.

FAUST.

Und soll sie sehn? sie haben?

MEPHISTOPHELES.

Nein! Sie wird bei einer Nachbarin sein.

Indessen konnt Ihr ganz allein


An aller Hoffnung kunft'ger Freuden

In ihrem Dunstkreis satt Euch weiden.

FAUST.

Konnen wir hin?

MEPHISTOPHELES.

Es ist noch zu fruh.

FAUST.

Sorg du mir fur ein Geschenk fur sie!

(Ab.)

MEPHISTOPHELES.

Gleich schenken? Das ist brav! Da wird er reussieren!

Ich kenne manchen schonen Platz

Und manchen altvergrabnen Schatz;

Ich mu? ein bi?chen revidieren.

(Ab.)

Abend.

Ein kleines reinliches Zimmer

MARGARETE(ihre Zopfe flechtend und aufbindend.)

Ich gab was drum, wenn ich nur wu?t,

Wer heut der Herr gewesen ist!

Er sah gewi? recht wacker aus

Und ist auseinem edlen Haus;

Das konnt ich ihm an der Stirne lesen -

Er war auch sonst nicht so keck gewesen.

(Ab.)

MEPHISTOPHELES.

Herein, ganz leise, nur herein!

FAUST(nach einigem Stillschweigen).

Ich bitte dich, la? mich allein!

MEPHISTOPHELES(herumspurend).

Nicht jedes Madchen halt so rein.

(Ab.)

FAUST(rings aufschauend).

Willkommen, su?er Dammerschein,

Der du dies Heiligtum durchwebst!

Ergreif mein Herz, du su?e Liebespein,

Die du vom Tau der Hoffnung schmachtend lebst!

Wie atmet rings Gefuhl der Stille,

Der Ordnung, der Zufriedenheit!

In dieser Armut welche Fulle!

In diesem Kerker welche Seligkeit!

(Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette.)

O nimm mich auf, der du die Vorwelt schon

Bei Freud und Schmerz im offnen Arm empfangen!

Wie oft, ach! hat an diesem Vaterthron

Schon eine Schar von Kindern rings gehangen!

Vielleicht hat, dankbar fur den heil'gen Christ

Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen,

Dem Ahnherrn fromm die welke Hand geku?t.

Ich fuhl o Madchen, deinen Geist

Der Full und Ordnung um mich sauseln,

Der mutterlich dich taglich unterweist

Den Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten hei?t,

Sogar den Sand zu deinen Fu?en krauseln.

O liebe Hand! so gottergleich!

Die Hutte wird durch dich ein Himmelreich.

Und hier!

(Er hebt einen Bettvorhang auf.)

Was fa?t mich fur ein Wonnegraus!

Hier mocht ich volle Stunden saumen.

Natur, hier bildetest in leichten Traumen

Den eingebornen Engel aus!

Hier lag das Kind! mit warmem Leben

Den zarten Busen angefullt,

Und hier mit heilig reinem Weben

Entwirkte sich das Gotterbild!

Und du! Was hat dich hergefuhrt?

Wie innig fuhl ich mich geruhrt!

Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer?

Armsel'ger Faust! ich kenne dich nicht mehr.

Umgibt mich hier ein Zauberduft?

Mich drang's, so grade zu genie?en,

Und fuhle mich in Liebestraum zerflie?en!

Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?

Und trate sie den Augenblick herein,

Wie wurdest du fur deinen Frevel bu?en!

Der gro?e Hans, ach wie so klein!

Lag, hingeschmolzen, ihr zu Fu?en.

MEPHISTOPHELES(kommt).

Geschwind! ich seh sie unten kommen.

FAUST.

Fort! Fort! Ich kehre nimmermehr!

MEPHISTOPHELES.

Hier ist ein Kastchen leidlich schwer,

Ich hab's wo anders hergenommen.

Stellt's hier nur immer in den Schrein,

Ich schwor Euch, ihr vergehn die Sinnen;

Ich tat Euch Sachelchen hinein,

Um eine andre zu gewinnen.

Zwar Kind ist Kind, und Spiel ist Spiel.

FAUST.

Ich wei? nicht, soll ich?

MEPHISTOPHELES.

Fragt Ihr viel?

Meint Ihr vielleicht den Schatz zu wahren?

Dann rat ich Eurer Lusternheit,

Die liebe schone Tageszeit

Und mir die weitre Muh zu sparen.

Ich hoff nicht, da? Ihr geizig seid!

Ich kratz den Kopf, reib an den Handen -

(Er stellt das Kastchen in den Schrein und druckt das Schlo? wieder zu.)

Nur fort! geschwind!

Um Euch das su?e junge Kind

Nach Herzens Wunsch und Will zu wenden;

Und Ihr seht drein

Als solltet Ihr in den Horsaal hinein,

Als stunden grau leibhaftig vor Euch da

Physik und Metaphysika!

Nurfort!

(Ab.)

MARGARETE(mit einer Lampe.)

Es ist so schwul, so dumpfig hie

(sie macht das Fenster auf)

Und ist doch eben so warm nicht drau?.

Es wird mir so, ich wei? nicht wie -

Ich wollt, die Mutter kam nach Haus.

Mir lauft ein Schauer ubern ganzen Leib -

Bin doch ein toricht furchtsam Weib!

(sie fangt an zu singen, indem sie sich auszieht.)

Es war ein Konig in Thule

Gar treu bis an das Grab,

Dem sterbend seine Buhle

Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts daruber,


Er leert ihn jeden Schmaus;

Die Augen gingen ihm uber,

Sooft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben,

Zahlt er seine Stadt im Reich,

Gonnt alles seinem Erben,

Den Becher nicht zugleich.

Er sa? beim Konigsmahle,

Die Ritter um ihn her,

Auf hohem Vatersaale,

Dort auf dem Schlo? am Meer.

Dort stand der alte Zecher,

Trank letzte Lebensglut

Und warf den heiligen Becher

Hinunter in die Flut.

Er sah ihn sturzen, trinken

Und sinken tief ins Meer,

Die Augen taten ihm sinken,

Trank nie einen Tropfen mehr.

(Sie eroffnet den Schrein, ihre Kleider einzuraumen, und erblickt das

Schmuckkastchen.)

Wie kommt das schone Kastchen hier herein?


Ich schlo? doch ganz gewi? den Schrein.

Es ist doch wunderbar! Was mag wohl drinne sein?

Vielleicht bracht's jemand als ein Pfand,

Und meine Mutter lieh darauf.

Da hangt ein Schlusselchen am Band

Ich denke wohl, ich mach es auf!

Was ist das? Gott im Himmel! Schau,

So was hab ich mein Tage nicht gesehn!

Ein Schmuck! Mit dem konnt eine Edelfrau

Am hochsten Feiertage gehn.

Wie sollte mir die Kette stehn?

Wem mag die Herrlichkeit gehoren?

(Sie putzt sich damit auf und tritt vor den Spiegel.)

Wenn nur die Ohrring meine waren!

Man sieht doch gleich ganz anders drein.

Was hilft euch Schonheit, junges Blut?

Das ist wohl alles schon und gut,

Allein man la?t's auch alles sein;

Man lobt euch halb mit Erbarmen.

Nach Golde drangt,


Am Golde hangt

Doch alles. Ach wir Armen!

Spaziergang

Faust in Gedanken auf und ab gehend. Zu ihm Mephistopheles.

MEPHISTOPHELES.

Bei aller verschmahten Liebe! Beim hollischen Elemente!

Ich wollt, ich wu?te was Argers, da? ich's fluchen konnte!

FAUST.

Was hast? was kneipt dich denn so sehr?

So kein Gesicht sah ich in meinem Leben!

MEPHISTOPHELES.

Ich mocht mich gleich dem Teufel ubergeben,

Wenn ich nur selbst kein Teufel war!

FAUST.

Hat sich dir was im Kopf verschoben?

Dich kleidet's wie ein Rasender zu toben!

MEPHISTOPHELES.

Denkt nur, den Schmuck, fur Gretchen angeschafft,

Den hat ein Pfaff hinweggerafft!

Die Mutter kriegt das Ding zu schauen

Gleich fangt's ihr heimlich an zu grauen,


Die Frau hat gar einen feinen Geruch,

Schnuffelt immer im Gebetbuch

Und riecht's einem jeden Mobel an,

Ob das Ding heilig ist oder profan;

Und an dem Schmuck da spurt sie's klar,

Da? dabei nicht viel Segen war.

"Mein Kind", rief sie, "ungerechtesGut

Befangt die Seele, zehrt auf das Blut.

Wollen's der Mutter Gottes weihen,

Wird uns mit Himmelsmanna erfreuen!"

Margretlein zog ein schiefes Maul,

Ist halt, dacht sie, ein geschenkter Gaul,

Und wahrlich! gottlos ist nicht der,

Der ihn so fein gebracht hierher.

Die Mutter lie? einen Pfaffen kommen;

Der hatte kaum den Spa? vernommen,

Lie? sich den Anblick wohl behagen.

Er sprach: "So ist man recht gesinnt!

Wer uberwindet, der gewinnt.

Die Kirche hat einen guten Magen,

Hat ganze Lander aufgefressen

Und doch noch nie sich ubergessen;

Die Kirch allein, meine lieben Frauen,

Kann ungerechtes Gut verdauen."

FAUST.

Das ist ein allgemeiner Brauch,

Ein Jud und Konig kann es auch.

MEPHISTOPHELES.

Strich drauf ein Spange, Kett und Ring',

Als waren's eben Pfifferling',

Dankt' nicht weniger und nicht mehr,

Als ob's ein Korb voll Nusse war,

Versprach ihnen allen himmlischen Lohn -

Und sie waren sehr erbaut davon.

FAUST.

Und Gretchen?

MEPHISTOPHELES.

Sitzt nun unruhvoll,

Wei? weder, was sie will noch soll,

Denkt ans Geschmeide Tag und Nacht,

Noch mehr an den, der's ihr gebracht.

FAUST.

Des Liebchens Kummer tut mir leid.

Schaff du ihr gleich ein neu Geschmeid!

Am ersten war ja so nicht viel.

MEPHISTOPHELES.

O ja, dem Herrn ist alles Kinderspiel!

FAUST.

Und mach, und richt's nach meinem Sinn,

Hang dich an ihre Nachbarin!

Sei, Teufel, doch nur nicht wie Brei,

Und schaff einen neuen Schmuck herbei!

MEPHISTOPHELES.

Ja, gnad'ger Herr, von Herzen gerne.

(Faust ab.)

So ein verliebter Tor verpufft

Euch Sonne, Mond und alle Sterne

Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft.

(Ab.)

Der Nachbarin Haus

Marthe allein.

Gott verzeih's meinem lieben Mann,


Er hat an mir nicht wohl getan!

Geht da stracks in die Welt hinein

Und la?t mich auf dem Stroh allein.

Tat ihn doch wahrlich nicht betruben,

Tat ihn, wei? Gott, recht herzlich lieben.

(Sie weint.)

Vielleicht ist er gar tot! - O Pein! -

Hatt ich nur einen Totenschein!

(Margarete kommt.)

MARGARETE.

Frau Marthe!

MARTHE.

Gretelchen, was soll's?

MARGARETE.

Fast sinken mir die Kniee nieder!

Da find ich so ein Kastchen wieder

In meinem Schrein, von Ebenholz,

Und Sachen herrlich ganz und gar,

Weit reicher, als das erste war.

MARTHE.

Das mu? Sie nicht der Mutter sagen;

Tat's wieder gleich zur Beichte tragen.

MARGARETE.

Ach seh Sie nur! ach schau Sie nur!

MARTHE(putzt sie auf).

O du glucksel'ge Kreatur!

MARGARETE.

Darf mich, leider, nicht auf der Gassen

Noch in der Kirche mit sehen lassen.

MARTHE.

Komm du nur oft zu mir heruber,

Und leg den Schmuck hier heimlich an;

Spazier ein Stundchen lang dem Spiegelglas voruber,

Wir haben unsre Freude dran;

Und dann gibt's einen Anla?, gibt's ein Fest,

Wo man's so nach und nach den Leuten sehen la?t.

Ein Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr;

Die Mutter sieht's wohl nicht, man macht ihr auch was vor.

MARGARETE.

Wer konnte nur die beiden Kastchen bringen?

Es geht nicht zu mit rechten Dingen!

(Es klopft.)

Ach Gott! mag das meine Mutter sein?

MARTHE(durchs Vorhangel guckend).

Esist ein fremder Herr - Herein!

(Mephistopheles tritt auf.)

MEPHISTOPHELES.

Bin so frei, grad hereinzutreten,

Mu? bei den Frauen Verzeihn erbeten.

(Tritt ehrerbietig vor Margareten zuruck.)

Wollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen!

MARTHE.

Ich bin's, was hat der Herr zu sagen?

MEPHISTOPHELES(leise zu ihr).

Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug;

Sie hat da gar vornehmen Besuch.

Verzeiht die Freiheit, die ich genommen,

Will Nachmittage wiederkommen.

MARTHE(lacht).

Denk, Kind, um alles in der Welt!

Der Herr dich fur ein Fraulein halt.

MARGARETE.

Ich bin ein armes junges Blut;

Ach Gott! der Herr ist gar zu gut.

Schmuck und Geschmeide sind nicht mein.

MEPHISTOPHELES.


Ach, es ist nicht der Schmuck allein;

Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf!

Wie freut mich's, da? ich bleiben darf.

MARTHE.

Was bringt Er denn? Verlange sehr -

MEPHISTOPHELES.

Ich wollt, ich hatt eine frohere Mar!

Ich hoffe, Sie la?t mich's drum nicht bu?en.

Ihr Mann ist tot und la?t Sie gru?en.

MARTHE.

Ist tot? das treue Herz! O weh!

Mein Mann ist tot! Ach ich vergeh!

MARGARETE.

Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht!

MEPHISTOPHELES.

So hort die traurige Geschicht!

MARGARETE.

Ich mochte drum mein' Tag' nicht lieben,

Wurde mich Verlust zu Tode betruben.

MEPHISTOPHELES.

Freud mu? Leid, Leid mu? Freude haben.

MARTHE.

Erzahlt mir seines Lebens Schlu?!

MEPHISTOPHELES.

Er liegt in Padua begraben

Beim heiligen Antonius

An einer wohlgeweihten Statte

Zum ewig kuhlen Ruhebette.

MARTHE.

Habt Ihr sonst nichts an mich zu bringen?

MEPHISTOPHELES.

Ja, eine Bitte, gro? und schwer.

La? Sie doch ja fur ihn dreihundert Messen singen!

Im ubrigen sind meine Taschen leer.

MARTHE.

Was! nicht ein Schaustuck? kein Geschmeid?

Was jeder Handwerksbursch im Grund des Sackels spart,

Zum Angedenken aufbewahrt,

Und lieber hungert, lieber bettelt!

MEPHISTOPHELES.

Madam, es tut mir herzlich leid;

Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.

Auch er bereute seine Fehler sehr,

Ja, und bejammerte sein Ungluck noch viel mehr.

MARGARETE.

Ach! da? die Menschen so unglucklich sind!

Gewi?, ich will fur ihn manch Requiem noch beten.

MEPHISTOPHELES.

Ihr waret wert, gleich in die Eh zu treten.

Ihr seid ein liebenswurdig Kind.

MARGARETE.

Ach nein, das geht jetzt noch nicht an.

MEPHISTOPHELES.

Ist's nicht ein Mann, sei's derweil ein Galan.

's ist eine der gro?ten Himmelsgaben,

So ein lieb Ding im Arm zu haben.

MARGARETE.

Das ist des Landes nicht der Brauch.

MEPHISTOPHELES.

Brauch oder nicht! Es gibt sich auch.

MARTHE.

Erzahlt mir doch!

MEPHISTOPHELES.

Ich stand an seinem Sterbebette,

Es war was besser als von Mist,

Von halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ

Und fand, da? er weit mehr noch auf der Zeche hatte.

"Wie", rief er, "mu? ich mich von Grund aus hassen,

So mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen!

Ach, die Erinnrung totet mich

Vergab sie mir nur noch in diesem Leben!"

MARTHE(weinend).

Der gute Mann! ich hab ihm langst vergeben.

MEPHISTOPHELES.

"Allein, wei? Gott! sie war mehr schuld als ich."

MARTHE.

Das lugt er! Was! am Rand des Grabs zu lugen!

MEPHISTOPHELES.

Er fabelte gewi? in letzten Zugen,

Wennich nur halb ein Kenner bin.

"Ich hatte", sprach er, "nicht zum Zeitvertreib zu gaffen

Erst Kinder, und dann Brot fur sie zu schaffen,

Und Brot im allerweitsten Sinn,

Und konnte nicht einmal mein Teil in Frieden essen."

MARTHE.

Hat er so aller Treu, so aller Lieb vergessen,

Der Plackerei bei Tag und Nacht!

MEPHISTOPHELES.

Nicht doch, er hat Euch herzlich dran gedacht.

Er sprach: "Als ich nun weg von Malta ging

Da betet ich fur Frau und Kinder brunstig;

Uns war denn auch der Himmel gunstig,

Da? unser Schiff ein turkisch Fahrzeug fing,

Das einen Schatz des gro?en Sultans fuhrte.

Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,

Und ich empfing denn auch, wie sich's gebuhrte,

Mein wohlgeme?nes Teil davon."

MARTHE.

Ei wie? Ei wo? Hat er's vielleicht vergraben?

MEPHISTOPHELES.

Wer wei?, wo nun es die vier Winde haben.

Ein schones Fraulein nahm sich seiner an,

Als er in Napel fremd umherspazierte;

Sie hat an ihm viel Liebs und Treus getan,

Da? er's bis an sein selig Ende spurte.

MARTHE.

Der Schelm! der Dieb an seinen Kindern!

Auch alles Elend, alle Not

Konnt nicht sein schandlich Leben hindern!

MEPHISTOPHELES.

Ja seht! dafur ist er nun tot.

War ich nun jetzt an Eurem Platze,

Betraurt ich ihn ein zuchtig Jahr,

Visierte dann unterweil nach einem neuen Schatze.

MARTHE.

Ach Gott! wie doch mein erster war,

Find ich nicht leicht auf dieser Welt den andern!

Es konnte kaum ein herziger Narrchen sein.

Er liebte nur das allzuviele Wandern

Und fremde Weiber und fremden Wein

Und das verfluchte Wurfelspiel.

MEPHISTOPHELES.

Nun, nun, so konnt es gehn und stehen,

Wenn er Euch ungefahr so viel

Von seiner Seite nachgesehen.

Ich schwor Euch zu, mit dem Beding

Wechselt ich selbst mit Euch den Ring!

MARTHE.

O es beliebt dem Herrn zu scherzen!

MEPHISTOPHELES(fur sich).

Nun mach ich mich beizeiten fort!

Die hielte wohl den Teufel selbst beim Wort.

(Zu Gretchen.)

Wie steht es denn mit Ihrem Herzen?

MARGARETE.

Was meint der Herr damit?

MEPHISTOPHELES(fur sich).

Du guts, unschuldigs Kind!

(Laut.) Lebt wohl, ihr Frau'n!

MARGARETE.

Lebt wohl!

MARTHE.

O sagt mir doch geschwind!

Ich mochte gern ein Zeugnis haben,

Wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben.

Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen,

Mocht, ihn auch tot im Wochenblattchen lesen.

MEPHISTOPHELES.

Ja, gute Frau, durch zweier Zeugen Mund

Wird allerwegs die Wahrheit kund;

Habe noch gar einen feinen Gesellen,

Den will ich Euch vor den Richter stellen.


Ich bring ihn her.

MARTHE.

O tut das ja!

MEPHISTOPHELES.

Und hier die Jungfrau ist auch da?

Ein braver Knab! ist viel gereist,

Frauleins alle Hoflichkeit erweist.

MARGARETE.

Mu?te vor dem Herren schamrot werden.

MEPHISTOPHELES.

Vor keinem Konige der Erden.

MARTHE.

Da hinterm Haus in meinem Garten

Wollen wir der Herren heut abend warten.

Stra?e(II)

Faust. Mephistopheles.

FAUST.

Wie ist's? Will's fordern? Will's bald gehn?

MEPHISTOPHELES.

Ah bravo! Find ich Euch in Feuer?

In kurzer Zeit ist Gretchen Euer.

Heut abend sollt Ihr sie bei Nachbar' Marthen sehn.


Dasist ein Weib wie auserlesen

Zum Kuppler- und Zigeunerwesen!

FAUST.

So recht!

MEPHISTOPHELES.

Doch wird auch was von uns begehrt.

FAUST.

Ein Dienst ist wohl des andern wert.

MEPHISTOPHELES.

Wir legen nur ein gultig Zeugnis nieder,

Da? ihres Ehherrn ausgereckte Glieder

In Padua an heil'ger Statte ruhn.

FAUST.

Sehr klug! Wir werden erst die Reise machen mussen!

MEPHISTOPHELES.

Sancta Simplicitas! darum ist's nicht zu tun;

Bezeugt nur, ohne viel zu wissen.

FAUST.

Wenn Er nichts Bessers hat, so ist der Plan zerrissen.

MEPHISTOPHELES.

O heil'ger Mann! Da wart Ihr's nun!

Ist es das erstemal in eurem Leben,

Da? Ihr falsch Zeugnis abgelegt?

Habt Ihr von Gott, der Welt und was sich drin bewegt,

Vom Menschen, was sich ihm in Kopf und Herzen regt,

Definitionen nicht mit gro?er Kraft gegeben?

Mit frecher Stirne, kuhner Brust?

Und wollt Ihr recht ins Innre gehen,

Habt Ihr davon, Ihr mu?t es grad gestehen,

So viel als von Herrn Schwerdtleins Tod gewu?t!

FAUST.

Du bist und bleibst ein Lugner, ein Sophiste.

MEPHISTOPHELES.

Ja, wenn man's nicht ein bi?chen tiefer wu?te.

Denn morgen wirst, in allen Ehren,

Das arme Gretchen nicht betoren

Und alle Seelenlieb ihr schworen?

FAUST.

Und zwar von Herzen.

MEPHISTOPHELES.

Gut und schon! Dann wird von ewiger Treu und Liebe,

von einzig uberallmacht'gem Triebe -

Wird das auch so von Herzen gehn?

FAUST.


La? das! Es wird! - Wenn ich empfinde,

Fur das Gefuhl, fur das Gewuhl

Nach Namen suche, keinen finde,

Dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife,

Nach allen hochsten Worten greife,

Und diese Glut, von der ich brenne,

Unendlich, ewig, ewig nenne,

Ist das ein teuflisch Lugenspiel?

MEPHISTOPHELES.

Ich hab doch recht!

FAUST.

Hor! merk dir dies -

Ich bitte dich, und schone meine Lunge -

Wer recht behalten will und hat nur eine Zunge,

Behalt's gewi?.

Und komm, ich hab des Schwatzens Uberdru?,

Denn du hast recht, vorzuglich weil ich mu?.

Garten

Margarete an Faustens Arm, Marthe mit Mephistopheles auf und ab spazierend.

MARGARETE.


Ich fuhl es wohl, da? mich der Herr nur schont,

Herab sich la?t, mich zu beschamen.

Ein Reisender ist so gewohnt,

Aus Gutigkeit furliebzunehmen;

Ich wei? zu gut, da? solch erfahrnen Mann

Mein arm Gesprach nicht unterhalten kann.

FAUST.

Ein Blick von dir, ein Wort mehr unterhalt

Als alle Weisheit dieser Welt.

(Er ku?t ihre Hand.)

MARGARETE.

Inkommodiert Euch nicht! Wie konnt Ihr sie nur kussen?

Sie ist so garstig, ist so rauh!

Was hab ich nicht schon alles schaffen mussen!

Die Mutter ist gar zu genau.

(Gehn voruber.)

MARTHE.

Und Ihr, mein Herr, Ihr reist so immer fort?

MEPHISTOPHELES.

Ach, da? Gewerb und Pflicht uns dazu treiben!

Mit wieviel Schmerz verla?t man manchen Ort


Und darf doch nun einmal nicht bleiben!

MARTHE.

In raschen Jahren geht's wohl an

So um und um frei durch die Welt zu streifen;

Doch kommt die bose Zeit heran,

Und sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen,

Das hat noch keinem wohlgetan.

MEPHISTOPHELES.

Mit Grausen sehich das von weiten.

MARTHE.

Drum, werter Herr, beratet Euch in Zeiten.

(Gehn voruber.)

MARGARETE.

Ja, aus den Augen, aus dem Sinn!

Die Hoflichkeit ist Euch gelaufig;

Allein Ihr habt der Freunde haufig,

Sie sind verstandiger, als ich bin.

FAUST.

O Beste! glaube, was man so verstandig nennt,

Ist oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn.

MARGARETE.

Wie?

FAUST.

Ach, da? die Einfalt, da? die Unschuld nie

Sich selbst und ihren heil'gen Wert erkennt!

Da? Demut, Niedrigkeit, die hochsten Gaben

Der liebevoll austeilenden Natur -

MARGARETE.

Denkt Ihr an mich ein Augenblickchen nur,

Ich werde Zeit genug an Euch zu denken haben.

FAUST.

Ihr seid wohl viel allein?

MARGARETE.

Ja, unsre Wirtschaft ist nur klein,

Und doch will sie versehen sein.

Wir haben keine Magd; mu? kochen, fegen, stricken

Und nahn und laufen fruh und spat;

Und meine Mutter ist in allen Stucken

So akkurat!

Nicht da? sie just so sehr sich einzuschranken hat;

Wir konnten uns weit eh'r als andre regen.

Mein Vater hinterlie? ein hubsch Vermogen,

Ein Hauschen und ein Gartchen vor der Stadt.


Doch hab ich jetzt so ziemlich stille Tage.

Mein Bruder ist Soldat,

Mein Schwesterchen ist tot.

Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Not;

Doch ubernahm ich gern noch einmal alle Plage,

So lieb war mir das Kind.

FAUST.

Ein Engel, wenn dir's glich.

MARGARETE.

Ich zog es auf, und herzlich liebt es mich.

Es war nach meines Vaters Tod geboren.

Die Mutter gaben wir verloren,

So elend wie sie damals lag,

Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach.

Da konnte sie nun nicht dran denken,

Das arme Wurmchen selbst zu tranken,

Und so erzog ich's ganz allein,

Mit Milch und Wasser, so ward's mein

Auf meinem Arm, in meinem Scho?

War's freundlich, zappelte, ward gro?.

FAUST.

Du hast gewi? das reinste Gluck empfunden.

MARGARETE.

Doch auch gewi? gar manche schwere Stunden.

Des Kleinen Wiege stand zu Nacht

An meinem Bett; es durfte kaum sich regen,

War ich erwacht;

Bald mu?t ich's tranken, bald es zu mir legen

Bald, wenn's nicht schwieg, vom Bett aufstehn

Und tanzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,

Und fruh am Tage schon am Waschtrog stehn;

Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen,

Und immer fort wie heut so morgen.

Da geht's, mein Herr, nicht immer mutig zu;

Doch schmeckt dafur das Essen, schmeckt die Ruh.

(Gehn voruber.)

MARTHE.

Die armen Weiber sind doch ubel dran.

Ein Hagestolz ist schwerlich zu bekehren.

MEPHISTOPHELES.

Es kame nur auf Euresgleichen an,


Mich eines Bessern zu belehren.

MARTHE.

Sagt grad, mein Herr, habt Ihr noch nichts gefunden?

Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden?

MEPHISTOPHELES.

Das Sprichwort sagt: Ein eigner Herd,

Ein braves Weib sind Gold und Perlen wert.

MARTHE.

Ich meine: ob Ihr niemals Lust bekommen?

MEPHISTOPHELES.

Man hat mich uberall recht hoflich aufgenommen.

MARTHE.

Ich wollte sagen: ward's nie Ernst in Eurem Herzen?

MEPHISTOPHELES.

Mit Frauen soll man sich nie unterstehn zu scherzen.

MARTHE.

Ach,Ihr versteht mich nicht!

MEPHISTOPHELES.

Das tut mir herzlich leid!

Doch ich versteh' - da? Ihr sehr gutig seid.

(Gehn voruber.)

FAUST.

Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder,


Gleich als ich in den Garten kam?

MARGARETE.

Saht Ihr es nicht, ich schlug die Augen nieder.

FAUST.

Und du verzeihst die Freiheit, die ich nahm?

Was sich die Frechheit unterfangen,

Als du jungst aus dem Dom gegangen?

MARGARETE.

Ich war besturzt, mir war das nie geschehn;

Es konnte niemand von mir Ubels sagen.

Ach, dacht ich, hat er in deinem Betragen

Was Freches, Unanstandiges gesehn?

Es schien ihn gleich nur anzuwandeln,

Mit dieser Dirne gradehin zu handeln.

Gesteh ich's doch! Ich wu?te nicht, was sich

Zu Eurem Vorteil hier zu regen gleich begonnte;

Allein gewi?, ich war recht bos auf mich,

Da? ich auf Euch nicht boser werden konnte.

FAUST.

Su? Liebchen!

MARGARETE.

La?t einmal!

(Sie pfluckt eine Sternblume und zupft die Blatter ab, eins nach dem

andern.)

FAUST.

Was soll das? Einen Strau??

MARGARETE.

Nein, es soll nur ein Spiel.

FAUST.

Wie?

MARGARETE.

Geht! Ihr lacht mich aus.

(Sie rupft und murmelt.)

FAUST.

Was murmelst du?

MARGARETE(halblaut).

Er liebt mich - liebt mich nicht.

FAUST.

Du holdes Himmelsangesicht!

MARGARETE(fahrt fort).

Liebt mich - nicht - liebt mich - nicht -

(Das letzte Blatt ausrupfend, mit holder Freude.)

Er liebt mich!

FAUST.


Ja, mein Kind! La? dieses Blumenwort

Dir Gotterausspruch sein. Er liebt dich!

Verstehst du, was das hei?t? Er liebt dich!

(Er fa?t ihre beiden Hande.)

MARGARETE.

Mich uberlauft's!

FAUST.

O schaudre nicht! La? diesen Blick,

La? diesen Handedruck dir sagen

Was unaussprechlich ist.

Sich hinzugeben ganz und eine Wonne

Zu fuhlen, die ewig sein mu?!

Ewig! - Ihr Ende wurde Verzweiflung sein

Nein, kein Ende! Kein Ende!

(Margarete druckt ihm die Hande, macht sich los und lauft weg. Er steht

einen Augenblick in Gedanken, dann folgt er ihr.)

MARTHE(kommend).

Die Nacht bricht an.

MEPHISTOPHELES.

Ja, und wir wollen fort.

MARTHE.

Ich bat Euch, langer hier zu bleiben,

Allein es ist ein gar zu boser Ort.

Es ist, als hatte niemand nichts zu treiben

Und nichts zu schaffen,

Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen,

Und man kommt ins Gered, wie man sich immer stellt.

Und unser Parchen?

MEPHISTOPHELES.

Ist den Gang dort aufgeflogen.

Mutwill'ge Sommervogel!

MARTHE.

Er scheint ihr gewogen.

MEPHISTOPHELES.

Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt.

Ein Gartenhauschen

Margarete springt herein, steckt sich hinter die Tur, halt die Fingerspitze

an die Lippen und guckt durch die Ritze.

MARGARETE.

Er kommt!

FAUST(kommt).

Ach, Schelm, so neckst du mich!


Treff ich dich!

(Er ku?t sie.)

MARGARETE(ihn fassend und den Ku? zuruckgebend).

Bester Mann! von Herzen lieb ich dich!

(Mephistopheles klopft an.)

FAUST(stampfend).

Wer da?

MEPHISTOPHELES.

Gut Freund!

FAUST.

Ein Tier!

MEPHISTOPHELES.

Es ist wohl Zeit zu scheiden.

MARTHE(kommt).

Ja, es ist spat, mein Herr.

FAUST.

Darf ich Euch nicht geleiten?

MARGARETE.

Die Mutter wurde mich - Lebt wohl!

FAUST.

Mu? ich denn gehn? Lebt wohl!

MARTHE.

Ade!

MARGARETE.


Auf baldig Wiedersehn!

(Faust und Mephistopheles ab.)

MARGARETE.

Du lieber Gott! was so ein Mann

Nicht alles, alles denken kann!

Beschamtnur steh ich vor ihm da

Und sag zu allen Sachen ja.

Bin doch ein arm unwissend Kind,

Begreife nicht, was er an mir findt.

(Ab.)

Wald und Hohle

Faust allein.

Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles,

Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst

Dein Angesicht im Feuer zugewendet.

Gabst mir die herrliche Natur zum Konigreich,

Kraft, sie zu fuhlen, zu genie?en. Nicht

Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,

Vergonnest mir, in ihre tiefe Brust

Wie in den Busen eines Freunds zu schauen.


Du fuhrst die Reihe der Lebendigen

Vor mir vorbei und lehrst mich meine Bruder

Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.

Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt,

Die Riesenfichte sturzend Nachbaraste

Und Nachbarstamme quetschend niederstreift

Und ihrem Fall dumpf hohl der Hugel donnert,

Dann fuhrst du mich zur sichern Hohle, zeigst

Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust

Geheime tiefe Wunder offnen sich.

Und steigt vor meinem Blick der reine Mond

Besanftigend heruber, schweben mir

Von Felsenwanden, aus dem feuchten Busch

Der Vorwelt silberne Gestalten auf

Und lindern der Betrachtung strenge Lust.

O da? dem Menschen nichts Vollkommnes wird,

Empfind ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,

Die mich den Gottern nah und naher bringt,

Mir den Gefahrten, den ich schon nicht mehr

Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,


Mich vor mir selbst erniedrigt und zu Nichts,

Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.

Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer

Nach jenem schonen Bild geschaftig an.

So tauml ich von Begierde zu Genu?,

Und im Genu? verschmacht ich nach Begierde.

(Mephistopheles tritt auf.)

MEPHISTOPHELES.

Habt Ihr nun bald das Leben gnug gefuhrt?

Wie kann's Euch in die Lange freuen?

Es ist wohl gut, da? man's einmal probiert

Dann aber wieder zu was Neuen!

FAUST.

Ich wollt, du hattest mehr zu tun,

Als mich am guten Tag zu plagen.

MEPHISTOPHELES.

Nun, nun! ich la? dich gerne ruhn,

Du darfst mir's nicht im Ernste sagen.

An dir Gesellen, unhold, barsch und toll,

Ist wahrlich wenig zu verlieren.

Den ganzen Tag hat man die Hande voll!

Was ihm gefallt und was man lassen soll,

Kann man dem Herrn nie an der Nase spuren.

FAUST.

Das ist so just der rechte Ton!

Er will noch Dank, da? er mich ennuyiert.

MEPHISTOPHELES.

Wie hattst du, armer Erdensohn

Dein Leben ohne mich gefuhrt?

Vom Kribskrabs der Imagination

Hab ich dich doch auf Zeiten lang kuriert;

Und war ich nicht, so warst du schon

Von diesem Erdball abspaziert.

Was hast du da in Hohlen, Felsenritzen

Dich wie ein Schuhu zu versitzen?

Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein

Wie eine Krote Nahrung ein?

Ein schoner, su?er Zeitvertreib!

Dir steckt der Doktor noch im Leib.

FAUST.

Verstehst du, was fur neue Lebenskraft


Mir dieser Wandel in der Ode schafft?

Ja, wurdest du es ahnen konnen,

Du warest Teufel gnug, meinGluck mir nicht zu gonnen.

MEPHISTOPHELES.

Ein uberirdisches Vergnugen.

In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen

Und Erd und Himmel wonniglich umfassen,

Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,

Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwuhlen,

Alle sechs Tagewerk im Busen fuhlen,

In stolzer Kraft ich wei? nicht was genie?en,

Bald liebewonniglich in alles uberflie?en,

Verschwunden ganz der Erdensohn,

Und dann die hohe Intuition -

(mit einer Gebarde)

Ich darf nicht sagen, wie - zu schlie?en.

FAUST.

Pfui uber dich!

MEPHISTOPHELES.

Das will Euch nicht behagen;

Ihr habt das Recht, gesittet pfui zu sagen.

Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen,

Was keusche Herzen nicht entbehren konnen.

Und kurz und gut, ich gonn Ihm das Vergnugen,

Gelegentlich sich etwas vorzulugen;

Doch lange halt Er das nicht aus.

Du bist schon wieder abgetrieben

Und, wahrt es langer, aufgerieben

In Tollheit oder Angst und Graus.

Genug damit! Dein Liebchen sitzt dadrinne,

Und alles wird ihr eng und trub.

Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne,

Sie hat dich ubermachtig lieb.

Erst kam deine Liebeswut ubergeflossen,

Wie vom geschmolznen Schnee ein Bachlein ubersteigt;

Du hast sie ihr ins Herz gegossen,

Nun ist dein Bachlein wieder seicht.

Mich dunkt, anstatt in Waldern zu thronen,

Lie?' es dem gro?en Herren gut,

Das arme affenjunge Blut


Fur seine Liebe zu belohnen.

Die Zeit wird ihr erbarmlich lang;

Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn

Uber die alte Stadtmauer hin.

"Wenn ich ein Voglein war!" so geht ihr Gesang

Tage lang, halbe Nachte lang.

Einmal ist sie munter, meist betrubt,

Einmal recht ausgeweint,

Dann wieder ruhig, wie's scheint,

Und immer verliebt.

FAUST.

Schlange! Schlange!

MEPHISTOPHELES(fur sich).

Gelt! da? ich dich fange!

FAUST.

Verruchter! hebe dich von hinnen,

Und nenne nicht das schone Weib!

Bring die Begier zu ihrem su?en Leib

Nicht wieder vor die halb verruckten Sinnen!

MEPHISTOPHELES.

Was soll es denn? Sie meint, du seist entflohn,


Und halb und halb bist du es schon.

FAUST.

Ich bin ihr nah, und war ich noch so fern,

Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren

Ja, ich beneide schon den Leib des Herrn,

Wenn ihre Lippen ihn indes beruhren.

MEPHISTOPHELES.

Gar wohl, mein Freund! Ich hab Euch oft beneidet

Ums Zwillingspaar, das unter Rosen weidet.

FAUST.

Entfliehe, Kuppler!

MEPHISTOPHELES.

Schon! Ihr schimpft, und ich mu? lachen.

Der Gott, der Bub' und Madchen schuf,

Erkannte gleich den edelsten Beruf,

Auch selbst Gelegenheit zu machen.

Nur fort, es ist ein gro?er Jammer!

Ihr sollt in Eures Liebchens Kammer,

Nicht etwa in den Tod.

FAUST.

Was ist die Himmelsfreud in ihren Armen?

La? mich an ihrer Brust erwarmen!

Fuhl ich nicht immer ihre Not?

Bin ich der Fluchtling nicht? der Unbehauste?

Der Unmensch ohne Zweck und Ruh,

Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste,

Begierig wutend nach dem Abgrund zu?

Und seitwarts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen,

Im Huttchen auf dem kleinen Alpenfeld,

Und all ihr hausliches Beginnen

Umfangen in der kleinen Welt.

Und ich, derGottverha?te,

Hatte nicht genug,

Da? ich die Felsen fa?te

Und sie zu Trummern schlug!

Sie, ihren Frieden mu?t ich untergraben!

Du, Holle, mu?test dieses Opfer haben.

Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkurzen.

Was mu? geschehn, mag's gleich geschehn!

Mag ihr Geschick auf mich zusammensturzen

Und sie mit mir zugrunde gehn!

MEPHISTOPHELES.

Wie's wieder siedet, wieder gluht!

Geh ein und troste sie, du Tor!

Wo so ein Kopfchen keinen Ausgang sieht,

Stellt er sich gleich das Ende vor.

Es lebe, wer sich tapfer halt!

Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt.

Nichts Abgeschmackters find ich auf der Welt

Als einen Teufel, der verzweifelt.

Gretchens Stube

Gretchen(am Spinnrad, allein).

GRETCHEN.

Meine Ruh ist hin,

Mein Herz ist schwer;

Ich finde sie nimmer

und nimmermehr.

Wo ich ihn nicht hab,

Ist mir das Grab,

Die ganze Welt

Ist mir vergallt.

Mein armer Kopf


Ist mir verruckt,

Meiner armer Sinn

Ist mir zerstuckt.

Meine Ruh ist hin,

Mein Herz ist schwer,

Ich finde sie nimmer

und nimmermehr.

Nach ihm nur schau ich

Zum Fenster hinaus,

Nach ihm nur geh ich

Aus dem Haus.

Sein hoher Gang,

Sein edle Gestalt,

Seines Mundes Lacheln,

Seiner Augen Gewalt,

Und seiner Rede

Zauberflu?,

Sein Handedruck,

Und ach! sein Ku?!

Meine Ruh ist hin,

Mein Herz ist schwer,

Ich finde sie nimmer

und nimmermehr.

Mein Busen drangt

Sich nach ihm hin,

Ach durft ich fassen

Und halten ihn,

Und kussen ihn,

So wie ich wollt,

An seinen Kussen

Vergehen sollt!

Marthens Garten

Margarete. Faust.

MARGARETE.

Versprich mir, Heinrich!

FAUST.

Was ich kann!

MARGARETE.

Nun sag, wie hast du's mit der Religion?

Du bist ein herzlich guter Mann,

Allein ich glaub, du haltst nicht viel davon.

FAUST.

La? das, mein Kind! Du fuhlst, ich bin dir gut;


Fur meine Lieben lie?' ich Leib und Blut,

Will niemand sein Gefuhl und seine Kirche rauben.

MARGARETE.

Das ist nicht recht, man mu? dran glauben.

FAUST.

Mu? man?

MARGARETE.

Ach! wenn ich etwas auf dich konnte!

Du ehrst auch nicht die heil'gen Sakramente.

FAUST.

Ich ehre sie.

MARGARETE.

Doch ohne Verlangen.

Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen.

Glaubst du an Gott?

FAUST.

Mein Liebchen, wer darf sagen:

Ich glaub an Gott?

Magst Priester oder Weise fragen,

Und ihre Antwort scheint nur Spott

Uber den Frager zu sein.

MARGARETE.


So glaubst du nicht?

FAUST.

Mi?hor mich nicht, du holdes Angesicht!

Wer darf ihn nennen?

Und wer bekennen.

"Ich glaub ihn!"?

Wer empfinden,

Und sich unterwinden

Zu sagen: "Ich glaub ihn nicht!"?

Der Allumfasser,

Der Allerhalter,

Fa?t und erhalt er nicht

Dich, mich, sich selbst?

Wolbt sich der Himmel nicht da droben?

Liegt die Erde nicht hier unten fest?

Und steigen freundlich blickend

Ewige Sterne nicht herauf?

Schau ich nicht Aug in Auge dir,

Und drangt nicht alles

Nach Haupt und Herzen dir,


Und webt in ewigem Geheimnis

Unsichtbar sichtbar neben dir?

Erfull davon dein Herz, so gro? es ist,

Und wenn du ganz in dem Gefuhle selig bist,

Nenn es dann, wie du willst,

Nenn's Gluck! Herz! Liebe! Gott

Ich habe keinen Namen

Dafur! Gefuhl ist alles;

Name ist Schall und Rauch,

Umnebelnd Himmelsglut.

MARGARETE.

Das ist alles recht schon und gut;

Ungefahr sagt das der Pfarrer auch,

Nur mitein bi?chen andern Worten.

FAUST.

Es sagen's allerorten

Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,

Jedes in seiner Sprache;

Warum nicht ich in der meinen?

MARGARETE.

Wenn man's so hort, mocht's leidlich scheinen,

Steht aber doch immer schief darum;

Denn du hast kein Christentum.

FAUST.

Liebs Kind!

MARGARETE.

Es tut mir lange schon weh,

Da? ich dich in der Gesellschaft seh.

FAUST.

Wieso?

MARGARETE.

Der Mensch, den du da bei dir hast,

Ist mir in tiefer innrer Seele verha?t;

Es hat mir in meinem Leben

So nichts einen Stich ins Herz gegeben

Als des Menschen widrig Gesicht.

FAUST.

Liebe Puppe, furcht ihn nicht!

MARGARETE.

Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.

Ich bin sonst allen Menschen gut;

Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen,

Hab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen,

Und halt ihn fur einen Schelm dazu!

Gott verzeih mir's, wenn ich ihm unrecht tu!

FAUST.

Es mu? auch solche Kauze geben.

MARGARETE.

Wollte nicht mit seinesgleichen leben!

Kommt er einmal zur Tur herein,

Sieht er immer so spottisch drein

Und halb ergrimmt;

Man sieht, da? er an nichts keinen Anteil nimmt;

Es steht ihm an der Stirn geschrieben,

Da? er nicht mag eine Seele lieben.

Mir wird's so wohl in deinem Arm,

So frei, so hingegeben warm,

Und seine Gegenwart schnurt mir das Innre zu.

FAUST.

Du ahnungsvoller Engel du!

MARGARETE.

Das ubermannt mich so sehr,

Da?, wo er nur mag zu uns treten,

Mein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr.

Auch, wenn er da ist, konnt ich nimmer beten,

Und das fri?t mir ins Herz hinein;

Dir, Heinrich, mu? es auch so sein.

FAUST.

Du hast nun die Antipathie!

MARGARETE.

Ich mu? nun fort.

FAUST.

Ach kann ich nie

Ein Stundchen ruhig dir am Busen hangen

Und Brust an Brust und Seel in Seele drangen?

MARGARETE.

Ach wenn ich nur alleine schlief!

Ich lie? dir gern heut nacht den Riegel offen;

Doch meine Mutter schlaft nicht tief,

Und wurden wir von ihr betroffen,

Ich war gleich auf der Stelle tot!

FAUST.

Du Engel, das hat keine Not.

Hier ist ein Flaschchen, drei Tropfen nur

In ihren Trank umhullen


Mit tiefem Schlaf gefallig die Natur.

MARGARETE.

Was tu ich nicht um deinetwillen?

Es wird ihr hoffentlich nicht schaden!

FAUST.

Wurd ich sonst, Liebchen, dir es raten?

MARGARETE.

Seh ich dich, bester Mann, nur an,

Wei? nicht, was mich nach deinem Willen treibt,

Ich habe schon so viel fur dich getan,

Da? mir zu tun fast nichts mehr ubrigbleibt.

(Ab.)

(Mephistopheles tritt auf.)

MEPHISTOPHELES.

Der Grasaff! ist er weg?

FAUST.

Hast wieder spioniert?

MEPHISTOPHELES.

Ich hab's ausfuhrlich wohl vernommen,

Herr Doktor wurden da katechisiert;

Hoff, es soll Ihnen wohl bekommen.

Die Madels sind doch sehr interessiert,


Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch.

Sie denken: duckt er da, folgt er uns eben auch.

FAUST.

Du Ungeheuer siehst nicht ein,

Wie diese treue liebe Seele

Von ihrem Glauben voll,

Der ganz allein

Ihr seligmachend ist, sich heilig quale,

Da? sie den liebsten Mann verloren halten soll.

MEPHISTOPHELES.

Du ubersinnlicher sinnlicherFreier,

Ein Magdelein nasfuhret dich.

FAUST.

Du Spottgeburt von Dreck und Feuer!

MEPHISTOPHELES.

Und die Physiognomie versteht sie meisterlich.

In meiner Gegenwart wird's ihr, sie wei? nicht wie,

Mein Maskchen da weissagt verborgnen Sinn;

Sie fuhlt, da? ich ganz sicher ein Genie,

Vielleicht wohl gar der Teufel bin.

Nun, heute nacht - ?

FAUST.

Was geht dich's an?

MEPHISTOPHELES.

Hab ich doch meine Freude dran!

Am Brunnen

Gretchen und Lieschen mit Krugen.

LIESCHEN.

Hast nichts von Barbelchen gehort?

GRETCHEN.

Kein Wort. Ich komm gar wenig unter Leute.

LIESCHEN.

Gewi?, Sibylle sagt' mir's heute.

Die hat sich endlich auch betort.

Das ist das Vornehmtun!

GRETCHEN.

Wieso?

LIESCHEN.

Es stinkt!

Sie futtert zwei, wenn sie nun i?t und trinkt.

GRETCHEN.

Ach!

LIESCHEN.

So ist's ihr endlich recht ergangen.


Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen!

Das war ein Spazieren,

Auf Dorf und Tanzplatz Fuhren,

Mu?t uberall die Erste sein,

Kurtesiert ihr immer mit Pastetchen und Wein;

Bildt sich was auf ihre Schonheit ein,

War doch so ehrlos, sich nicht zu schamen,

Geschenke von ihm anzunehmen.

War ein Gekos und ein Geschleck;

Da ist denn auch das Blumchen weg!

GRETCHEN.

Das arme Ding!

LIESCHEN.

Bedauerst sie noch gar!

Wenn unsereins am Spinnen war,

Uns nachts die Mutter nicht hinunterlie?,

Stand sie bei ihrem Buhlen su?;

Auf der Turbank und im dunkeln Gang

Ward ihnen keine Stunde zu lang.

Da mag sie denn sich ducken nun,


Im Sunderhemdchen Kirchbu? tun!

GRETCHEN.

Er nimmt sie gewi? zu seiner Frau.

LIESCHEN.

Er war ein Narr! Ein flinker Jung

Hat anderwarts noch Luft genung.

Er ist auch fort.

GRETCHEN.

Das ist nicht schon!

LIESCHEN.

Kriegt sie ihn, soll's ihr ubel gehn,

Das Kranzel rei?en die Buben ihr,

Und Hackerling streuen wir vor die Tur!

(Ab.)

GRETCHEN:(nach Hause gehend).

Wie konnt ich sonst so tapfer schmalen,

Wenn tat ein armes Magdlein fehlen!

Wie konnt ich uber andrer Sunden

Nicht Worte gnug der Zunge finden!

Wie schien mir's schwarz, und schwarzt's noch gar,

Mir's immer doch nicht schwarz gnug war,

Und segnet mich und tat so gro?,

Und bin nun selbst der Sunde blo?!

Doch - alles, was dazu mich trieb,

Gott! war so gut! ach, war so lieb!

Zwinger

In der Mauerhohle ein Andachtsbild der Mater dolorosa, Blumenkruge davor.

Gretchen steckt frische Blumen in die Kruge.

Ach neige,

Du Schmerzenreiche,

Dein Antlitz gnadig meiner Not!

Das Schwert im Herzen,

Mit tausend Schmerzen

Blickst auf zu deines Sohnes Tod.

Zum Vater blickst du,

Und Seufzer schickst du

Hinauf um sein' und deine Not.

Wer fuhlet,

Wie wuhlet

Der Schmerz mir im Gebein?

Was mein armes Herz hier banget,

Was es zittert, was verlanget,

Wei?t nur du, nur du allein!

Wohin ich immer gehe

Wie weh, wie weh, wie wehe

Wird mir im Busen hier!

Ich bin, ach! kaum alleine,

Ich wein, ich wein, ich weine,

Das Herz zerbricht in mir.

Die Scherben vor meinem Fenster

Betaut ich mit Tranen, ach!

Als ich am fruhen Morgen

Dir diese Blumen brach.

Schien hell in meine Kammer

Die Sonne fruh herauf,

Sa? ich in allem Jammer

In meinem Bett schon auf.

Hilf! rettemich von Schmach und Tod!

Ach neige,

Du Schmerzenreiche,

Dein Antlitz gnadig meiner Not!

Nacht. Stra?e vor Gretchens Ture

Valentin, Soldat, Gretchens Bruder.

Wenn ich so sa? bei einem Gelag,

Wo mancher sich beruhmen mag,

Und die Gesellen mir den Flor

Der Magdlein laut gepriesen vor,

Mit vollem Glas das Lob verschwemmt,

Den Ellenbogen aufgestemmt,

Sa? ich in meiner sichern Ruh,

Hort all dem Schwadronieren zu

Und streiche lachelnd meinen Bart

Und kriege das volle Glas zur Hand

Und sage: "Alles nach seiner Art!

Aber ist eine im ganzen Land,

Die meiner trauten Gretel gleicht,

Die meiner Schwester das Wasser reicht?"

Topp! Topp! Kling! Klang! das ging herum;

Die einen schrieen: "Er hat recht,

Sie ist die Zier vom ganzen Geschlecht."

Da sa?en alle die Lober stumm.

Und nun! - Um's Haar sich auszuraufen

Und an den Wanden hinaufzulaufen! -

Mit Stichelreden, Naserumpfen

Soll jeder Schurke mich beschimpfen!

Soll wie ein boser Schuldner sitzen

Bei jedem Zufallswortchen schwitzen!

Und mocht ich sie zusammenschmei?en

Konnt ich sie doch nicht Lugner hei?en.

Was kommt heran? Was schleicht herbei?

Irr ich nicht, es sind ihrer zwei.

Ist er's, gleich pack ich ihn beim Felle

Soll nicht lebendig von der Stelle!

Faust. Mephistopheles.

FAUST.

Wie von dem Fenster dort der Sakristei

Aufwarts der Schein des Ew'gen Lampchens flammert

Und schwach und schwacher seitwarts dammert,

Und Finsternis drangt ringsum bei!

So sieht's in meinem Busen nachtig.

MEPHISTOPHELES.

Und mir ist's wie dem Katzlein schmachtig,

Das an den Feuerleitern schleicht,

Sich leis dann um die Mauern streicht;

Mir ist's ganz tugendlich dabei,

Ein bi?chen Diebsgelust, ein bi?chen Rammelei.

So spukt mir schon durch alle Glieder

Die herrliche Walpurgisnacht.

Die kommt uns ubermorgen wieder,

Da wei? man doch, warum man wacht.

FAUST.

Ruckt wohl der Schatz indessen in die Hoh,

Den ich dort hinten flimmern seh?

MEPHISTOPHELES.

Du kannst die Freude bald erleben,

Das Kesselchen herauszuheben.

Ich schielte neulich so hinein,

Sind herrliche Lowentaler drein.

FAUST.

Nicht ein Geschmeide, nicht ein Ring,

Meine liebe Buhle damit zu zieren?

MEPHISTOPHELES.

Ich sah dabei wohl so ein Ding,

Als wie eine Art von Perlenschnuren.

FAUST.


So ist es recht! Mir tut es weh,

Wenn ich ohne Geschenke zu ihr geh.

MEPHISTOPHELES.

Es sollt Euch eben nicht verdrie?en,

Umsonst auch etwas zu genie?en.

Jetzt, da der Himmel voller Sterne gluht,

Sollt Ihr ein wahres Kunststuck horen.

Ich sing ihr ein moralisch Lied,

Um sie gewisser zu betoren.

(Singt zur Zither.)

Was machst du mir

Vor Liebchens Tur,

Kathrinchen, hier

Bei fruhem Tagesblicke?

La?, la? es sein!

Er la?t dich ein

Als Madchen ein,

Als Madchen nicht zurucke.

Nehmt euch in acht!

Ist es vollbracht,


Dann gute Nacht'

Ihr armen, armen Dinger!

Habt ihr euch lieb,

Tut keinem Dieb

Nur nichts zulieb

Als mit dem Ring am Finger.

VALENTIN(tritt vor).

Wen lockst du hier? beim Element!

Vermaledeiter Rattenfanger!

Zum Teufel erst das Instrument!

Zum Teufel hinterdrein den Sanger!

MEPHISTOPHELES.

Die Zither ist entzwei! an der ist nichts zu halten.

VALENTIN.

Nun soll es an ein Schadelspalten!

MEPHISTOPHELES(zu Faust).

Herr Doktor, nicht gewichen! Frisch!

Hart anmich an, wie ich Euch fuhre.

Heraus mit Eurem Flederwisch!

Nur zugesto?en! ich pariere.

VALENTIN.

Pariere den!

MEPHISTOPHELES.

Warum denn nicht?

VALENTIN.

Auch den!

MEPHISTOPHELES.

Gewi?!

VALENTIN.

Ich glaub, der Teufel ficht!

Was ist denn das? Schon wird die Hand mir lahm.

MEPHISTOPHELES(zu Faust).

Sto? zu!

VALENTIN(fallt).

O weh!

MEPHISTOPHELES.

Nun ist der Lummel zahm!

Nun aber fort! Wir mussen gleich verschwinden;

Denn schon entsteht ein morderlich Geschrei.

Ich wei? mich trefflich mit der Polizei,

Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden.

MARTHE(am Fenster).

Heraus! Heraus!

GRETCHEN(am Fenster).

Herbei ein Licht!

MARTHE(wie oben).

Man schilt und rauft, man schreit und ficht.

VOLK.

Da liegt schon einer tot!

MARTHE(heraustretend).

Die Morder, sind sie denn entflohn?

GRETCHEN(heraustretend).

Wer liegt hier?

VOLK.

Deiner Mutter Sohn.

GRETCHEN.

Allmachtiger! welche Not!

VALENTIN.

Ich sterbe! das ist bald gesagt

Und balder noch getan.

Was steht ihr Weiber, heult und klagt?

Kommt her und hort mich an!

(Alle treten um ihn.)

Mein Gretchen, sieh! du bist noch jung,

Bist gar noch nicht gescheit genung,

Machst deine Sachen schlecht.

Ich sag dir's im Vertrauen nur.

Du bist doch nun einmal eine Hur,

So sei's auch eben recht!

GRETCHEN.

Mein Bruder! Gott! Was soll mir das?

VALENTIN.

La? unsern Herrgott aus dem Spa?!

Geschehn ist leider nun geschehn

Und wie es gehn kann, so wird's gehn.

Du fingst mit einem heimlich an

Bald kommen ihrer mehre dran,

Und wenn dich erst ein Dutzend hat,

So hat dich auch die ganze Stadt.

Wenn erst die Schande wird geboren,

Wird sie heimlich zur Welt gebracht,

Und man zieht den Schleier der Nacht

Ihr uber Kopf und Ohren;

Ja, man mochte sie gern ermorden.

Wachst sie aber und macht sich gro?,

Dann geht sie auch bei Tage blo?

Und ist doch nicht schoner geworden.


Je ha?licher wird ihr Gesicht,

Je mehr sucht sie des Tages Licht.

Ich seh wahrhaftig schon die Zeit,

Da? alle brave Burgersleut,

Wie von einer angesteckten Leichen,

Von dir, du Metze! seitab weichen.

Dir soll das Herz im Leib verzagen,

Wenn sie dir in die Augen sehn!

Sollst keine goldne Kette mehr tragen!

In der Kirche nicht mehr am Altar stehn!

In einem schonen Spitzenkragen

Dich nicht beim Tanze wohlbehagen!

In eine finstre Jammerecken

Unter Bettler und Kruppel dich verstecken,

Und, wenn dir dann auch Gott verzeiht,

Auf Erden sein vermaledeit!

MARTHE.

Befehlt Eure Seele Gott zu Gnaden!

Wollt Ihr noch Lastrung auf Euch laden?

VALENTIN.

Konnt ich dir nur an den durren Leib,

Du schandlich kupplerisches Weib!

Da hofft ich aller meiner Sunden

Vergebung reiche Ma? zu finden.

GRETCHEN.

Mein Bruder! Welche Hollenpein!

VALENTIN.

Ich sage, la? die Tranen sein!

Da du dich sprachst der Ehre los,

Gabst mir den schwersten Herzenssto?.

Ich gehe durch den Todesschlaf

Zu Gott ein als Soldat und brav.

(Stirbt.)

Dom

Amt, Orgel und Gesang. Gretchen unter vielem Volke. Boser Geist hinter

Gretchen.

BOSER GEIST.

Wie anders, Gretchen, war dir's,

Als du noch voll Unschuld

Hier zum Altar tratst

Aus dem vergriffnen Buchelchen

Gebete lalltest,

Halb Kinderspiele,

Halb Gott im Herzen!

Gretchen!

Wo steht dein Kopf?

In deinem Herzen

Welche Missetat?

Betst du fur deiner Mutter Seele, die

Durch dichzur langen, langen Pein hinuberschlief?

Auf deiner Schwelle wessen Blut?

- Und unter deinem Herzen

Regt sich's nicht quillend schon

Und angstet dich und sich

Mit ahnungsvoller Gegenwart?

GRETCHEN.

Weh! Weh!

War ich der Gedanken los,

Die mir heruber und hinuber gehen

Wider mich!

CHOR.

Dies irae, dies illa

Solvet saeclum in favilla.

(Orgelton.)

BOSER GEIST.

Grimm fa?t dich!

Die Posaune tont!

Die Graber beben!

Und dein Herz,

Aus Aschenruh

Zu Flammenqualen

Wieder aufgeschaffen,

Bebt auf!

GRETCHEN.

War ich hier weg!

Mir ist, als ob die Orgel mir

Den Atem versetzte,

Gesang mein Herz

Im Tiefsten loste.

CHOR.

Judex ergo cum sedebit,


Quidquid latet adparebit,

Nil inultum remanebit.

GRETCHEN.

Mir wird so eng!

Die Mauernpfeiler

Befangen mich!

Das Gewolbe

Drangt mich! - Luft!

BOSER GEIST.

Verbirg dich! Sund und Schande

Bleibt nicht verborgen.

Luft? Licht?

Weh dir!

CHOR.

Quid sum miser tunc dicturus?

Quem patronum rogaturus?

Cum vix justus sit securus.

BOSER GEIST.

Ihr Antlitz wenden

Verklarte von dir ab.

Die Hande dir zu reichen,


Schauert's den Reinen.

Weh!

CHOR.

Quid sum miser tunc dicturus?

GRETCHEN.

Nachbarin! Euer Flaschchen!

(Sie fallt in Ohnmacht.)

Walpurgisnacht

Harzgebirg Gegend von Schierke und Elend

Faust. Mephistopheles.

MEPHISTOPHELES.

Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?

Ich wunschte mir den allerderbsten Bock.

Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele.

FAUST.

Solang ich mich noch frisch auf meinen Beinen fuhle,

Genugt mir dieser Knotenstock.

Was hilft's, da? man den Weg verkurzt!

Im Labyrinth der Taler hinzuschleichen,

Dann diesen Felsen zu ersteigen,

Von dem der Quell sich ewig sprudelnd sturzt,

Das ist die Lust, die solche Pfade wurzt!

Der Fruhling webt schon in den Birken,

Und selbst die Fichte fuhlt ihn schon;

Sollt er nicht auch auf unsre Glieder wirken?

MEPHISTOPHELES.

Furwahr, ich spure nichts davon!

Mir ist es winterlich im Leibe,

Ich wunschte Schnee und Frost auf meiner Bahn.

Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe

Des roten Monds mit spater Glut heran

Und leuchtet schlecht, da? man bei jedem Schritte

Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!

Erlaub, da? ich ein Irrlicht bitte!

Dort seh ich eins, das eben lustig brennt.

Heda! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern?

Was willst du so vergebens lodern?

Sei doch so gut und leucht uns da hinauf!

IRRLICHT.

Aus Ehrfurcht, hoff ich, soll es mir gelingen,

Mein leichtes Naturell zu zwingen;

Nur zickzack geht gewohnlich unser Lauf.

MEPHISTOPHELES.

Ei! Ei! Er denkt's den Menschen nachzuahmen.

Geh Er nur grad, in 's Teufels Namen!

Sonst blas ich ihm sein Flackerleben aus.

IRRLICHT.

Ich merke wohl, Ihr seid der Herr vom Haus,

Und will mich gern nach Euch bequemen.

Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll

Und wenn ein Irrlicht Euch die Wege weisen soll

So mu?t Ihr's so genau nicht nehmen.

FAUST, MEPHISTOPHELES, IRRLICHT(im Wechselgesang).

In die Traum- und Zaubersphare

Sind wir, scheint es, eingegangen.

Fuhr uns gut und mach dir Ehre

Da? wir vorwarts bald gelangen

In den weiten, oden Raumen!

Seh die Baume hinter Baumen,

Wie sie schnell voruberrucken,

Und die Klippen, die sich bucken,

Und die langen Felsennasen,

Wie sie schnarchen, wie sie blasen!

Durch die Steine, durch denRasen

Eilet Bach und Bachlein nieder.

Hor ich Rauschen? hor ich Lieder?

Hor ich holde Liebesklage,

Stimmen jener Himmelstage?

Was wir hoffen, was wir lieben!

Und das Echo, wie die Sage

Alter Zeiten, hallet wider.

"Uhu! Schuhu!" tont es naher,

Kauz und Kiebitz und der Haher,

Sind sie alle wach geblieben?

Sind das Molche durchs Gestrauche?

Lange Beine, dicke Bauche!

Und die Wurzeln, wie die Schlangen,

Winden sich aus Fels und Sande,

Strecken wunderliche Bande,

Uns zu schrecken, uns zu fangen;

Aus belebten derben Masern

Strecken sie Polypenfasern

Nach dem Wandrer. Und die Mause

Tausendfarbig, scharenweise,

Durch das Moos und durch die Heide!

Und die Funkenwurmer fliegen

Mit gedrangten Schwarmezugen

Zum verwirrenden Geleite.

Aber sag mir, ob wir stehen

Oder ob wir weitergehen?

Alles, alles scheint zu drehen,

Fels und Baume, die Gesichter

Schneiden, und die irren Lichter,

Die sich mehren, die sich blahen.

MEPHISTOPHELES.

Fasse wacker meinen Zipfel!

Hier ist so ein Mittelgipfel

Wo man mit Erstaunen sieht,

Wie im Berg der Mammon gluht.

FAUST.

Wie seltsam glimmert durch die Grunde

Ein morgenrotlich truber Schein!

Und selbst bis in die tiefen Schlunde

Des Abgrunds wittert er hinein.

Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,

Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor,

Dann schleicht sie wie ein zarter Faden,

Dann bricht sie wie ein Quell hervor.

Hier schlingt sie eine ganze Strecke

Mit hundert Adern sich durchs Tal,

Und hier in der gedrangten Ecke

Vereinzelt sie sich auf einmal.

Da spruhen Funken in der Nahe

Wie ausgestreuter goldner Sand.

Doch schau! in ihrer ganzen Hohe

Entzundet sich die Felsenwand.

MEPHISTOPHELES.

Erleuchtet nicht zu diesem Feste

Herr Mammon prachtig den Palast?

Ein Gluck, da? du's gesehen hast,

Ich spure schon die ungestumen Gaste.

FAUST.

Wie rast die Windsbraut durch die Luft!

Mit welchen Schlagen trifft sie meinen Nacken!

MEPHISTOPHELES.

Du mu?t des Felsens alte Rippen packen

Sonst sturzt sie dich hinab in dieser Schlunde Gruft.

Ein Nebel verdichtet die Nacht.

Hore, wie's durch die Walder kracht!

Aufgescheucht fliegen die Eulen.

Hor, es splittern die Saulen

Ewig gruner Palaste.

Girren und Brechen der Aste!

Der Stamme machtiges Drohnen!

Der Wurzeln Knarren und Gahnen!

Im furchterlich verworrenen Falle

Ubereinander krachen sie alle

Und durch die ubertrummerten Klufte

Zischen und heulen die Lufte.

Horst du Stimmen in der Hohe?

In der Ferne, in der Nahe?

Ja, den ganzen Berg entlang

Stromt ein wutender Zaubergesang!

HEXEN(im Chor).

Die Hexen zu dem Brocken ziehn,

Die Stoppel ist gelb, die Saat ist grun.

Dort sammelt sich der gro?e Hauf,

Herr Urian sitzt oben auf.

So geht es uber Stein und Stock,

Es farzt die Hexe, es stinkt der Bock.

STIMME.

Die alte Baubo kommt allein,

Sie reitet auf einem Mutterschwein.

CHOR.

So Ehre denn, wem Ehre gebuhrt!

Frau Baubo vor! und angefuhrt!

Ein tuchtig Schwein und Mutter drauf,

Da folgt der ganze Hexenhauf.

STIMME.

Welchen Weg kommst du her?

STIMME.

Ubern Ilsenstein!


Da guckt ich der Eule ins Nest hinein,

Die macht ein Paar Augen!

STIMME.

O fahre zur Holle!

Was reitst du so schnelle!

STIMME.

Mich hat sie geschunden,

Da sieh nurdie Wunden!

HEXEN, CHOR.

Der Weg ist breit, der Weg ist lang,

Was ist das fur ein toller Drang?

Die Gabel sticht, der Besen kratzt,

Das Kind erstickt, die Mutter platzt.

HEXENMEISTER, HALBER CHOR.

Wir schleichen wie die Schneck im Haus,

Die Weiber alle sind voraus.

Denn, geht es zu des Bosen Haus,

Das Weib hat tausend Schritt voraus.

ANDERE HALFTE.

Wir nehmen das nicht so genau,

Mit tausend Schritten macht's die Frau;

Doch wie sie sich auch eilen kann,

Mit einem Sprunge macht's der Mann.

STIMME(oben).

Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee!

STIMMEN(von unten).

Wir mochten gerne mit in die Hoh.

Wir waschen, und blank sind wir ganz und gar;

Aber auch ewig unfruchtbar.

BEIDE CHORE.

Es schweigt der Wind, es flieht der Stern,

Der trube Mond verbirgt sich gern.

Im Sausen spruht das Zauberchor

Viel tausend Feuerfunken hervor.

STIMME(von unten).

Halte! Haltet

STIMME(oben).

Wer ruft da aus der Felsenspalte?

STIMME(von unten).

Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!

Ich steige schon dreihundert Jahr,

Und kann den Gipfel nicht erreichen

Ich ware gern bei meinesgleichen.

BEIDE CHORE.

Es tragt der Besen, tragt der Stock

Die Gabel tragt, es tragt der Bock

Wer heute sich nicht heben kann

Ist ewig ein verlorner Mann.

HALBHEXE(unten).

Ich tripple nach, so lange Zeit;

Wie sind die andern schon so weit!

Ich hab zu Hause keine Ruh

Und komme hier doch nicht dazu.

CHOR DER HEXEN.

Die Salbe gibt den Hexen Mut,

Ein Lumpen ist zum Segel gut

Ein gutes Schiff ist jeder Trog

Der flieget nie, der heut nicht flog.

BEIDE CHORE.

Und wenn wir um den Gipfel ziehn,

So streichet an dem Boden hin

Und deckt die Heide weit und breit

Mit eurem Schwarm der Hexenheit

(Sie lassen sich nieder.)

MEPHISTOPHELES.

Das drangt und sto?t, das ruscht und klappert!

Das zischt und quirlt, das zieht und plappert!

Das leuchtet, spruht und stinkt und brennt!

Ein wahres Hexenelement!

Nur fest an mir! sonst sind wir gleich getrennt.

Wo bist du?

FAUST(in der Ferne).

Hier!

MEPHISTOPHELES.

Was! dort schon hingerissen?

Da werd ich Hausrecht brauchen mussen.

Platz! Junker Voland kommt. Platz! su?er Pobel, Platz!

Hier, Doktor, fasse mich! und nun in einem Satz

La? uns aus dem Gedrang entweichen;

Es ist zu toll, sogar fur meinesgleichen.

Dortneben leuchtet was mit ganz besondrem Schein,

Es zieht mich was nach jenen Strauchen.

Komm, komm! wir schlupfen da hinein.

FAUST.

Du Geist des Widerspruchs! Nur zu! du magst mich fuhren.


Ich denke doch, das war recht klug gemacht.

Zum Brocken wandeln wir in der Walpurgisnacht,

Um uns beliebig nun hieselbst zu isolieren.

MEPHISTOPHELES.

Da sieh nur, welche bunten Flammen!

Es ist ein muntrer Klub beisammen.

Im Kleinen ist man nicht allein.

FAUST.

Doch droben mocht ich lieber sein!

Schon seh ich Glut und Wirbelrauch.

Dort stromt die Menge zu dem Bosen;

Da mu? sich manches Ratsel losen.

MEPHISTOPHELES.

Doch manches Ratsel knupft sich auch.

La? du die gro?e Welt nur sausen,

Wir wollen hier im stillen hausen.

Es ist doch langehergebracht,

Da? in der gro?en Welt man kleine Welten macht.

Da seh ich junge Hexchen, nackt und blo?,

Und alte, die sich klug verhullen.

Seid freundlich, nur um meinetwillen;

Die Muh ist klein, der Spa? ist gro?.

Ich hore was von Instrumenten tonen!

Verflucht Geschnarr! Man mu? sich dran gewohnen.

Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders sein,

Ich tret heran und fuhre dich herein,

Und ich verbinde dich aufs neue.

Was sagst du, Freund? das ist kein kleiner Raum.

Da sieh nur hin! du siehst das Ende kaum.

Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe

Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt

Nun sage mir, wo es was Bessers gibt?

FAUST.

Willst du dich nun, um uns hier einzufuhren,

Als Zaubrer oder Teufel produzieren?

MEPHISTOPHELES.

Zwar bin ich sehr gewohnt, inkognito zu gehn,

Doch la?t am Galatag man seinen Orden sehn.

Ein Knieband zeichnet mich nicht aus,

Doch ist der Pferdefu? hier ehrenvoll zu Haus.

Siehst du die Schnecke da? sie kommt herangekrochen;

Mit ihrem tastenden Gesicht

Hat sie mir schon was abgerochen.

Wenn ich auch will, verleugn ich hier mich nicht.

Komm nur! von Feuer gehen wir zu Feuer,

Ich bin der Werber, und du bist der Freier.

(Zu einigen, die um verglimmende Kohlen sitzen:)

Ihr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende?

Ich lobt euch, wenn ich euch hubsch in der Mitte fande,

Von Saus umzirkt und Jugendbraus;

Genug allein ist jeder ja zu Haus.

GENERAL.

Wer mag auf Nationen trauen!

Man habe noch so viel fur sie getan;

Denn bei dem Volk wie bei den Frauen

Steht immerfort die Jugend oben an.

MINISTER.

Jetzt ist man von dem Rechten allzu weit,

Ich lobe mir die guten Alten;

Denn freilich, da wir alles galten,

Da war die rechte goldne Zeit.

PARVENU.

Wir waren wahrlich auch nicht dumm

Und taten oft, was wir nicht sollten;

Doch jetzo kehrt sich alles um und um,

Und eben da wir's fest erhalten wollten.

AUTOR.

Wer mag wohl uberhaupt jetzt eine Schrift

Von ma?ig klugem Inhalt lesen!

Und was das liebe junge Volk betrifft,

Das ist noch nie so naseweis gewesen.

MEPHISTOPHELES(der auf einmal sehr alt erscheint).

Zum Jungsten Tag fuhl ich das Volk gereift,

Da ich zum letztenmal den Hexenberg ersteige,

Und weil mein Fa?chen trube lauft,

So ist die Welt auch auf der Neige.

TRODELHEXE.

Ihr Herren, geht nicht so vorbei!

La?t die Gelegenheit nicht fahren!

Aufmerksam blickt nach meinen Waren,

Es steht dahier gar mancherlei.

Und doch ist nichts in meinem Laden,

Dem keiner auf der Erde gleicht,

Das nicht einmal zum tucht'gen Schaden

Der Menschen und der Welt gereicht.

Kein Dolch ist hier, von dem nicht Blut geflossen,

Kein Kelch, aus dem sich nicht in ganz gesunden Leib

Verzehrend hei?es Gift ergossen,

Kein Schmuck, der nicht ein liebenswurdig Weib

Verfuhrt, kein Schwert, das nicht denBund gebrochen,

Nicht etwa hinterrucks den Gegenmann durchstochen.

MEPHISTOPHELES.

Frau Muhme! Sie versteht mir schlecht die Zeiten.

Getan, geschehn! Geschehn, getan!

Verleg Sie sich auf Neuigkeiten!

Nur Neuigkeiten ziehn uns an.

FAUST.

Da? ich mich nur nicht selbst vergesse!

Hei? ich mir das doch eine Messe!

MEPHISTOPHELES.

Der ganze Strudel strebt nach oben;

Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben.

FAUST.

Wer ist denn das?

MEPHISTOPHELES.

Betrachte sie genau!

Lilith ist das.

FAUST.

Wer?

MEPHISTOPHELES.

Adams erste Frau.

Nimm dich in acht vor ihren schonen Haaren,

Vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt.

Wenn sie damit den jungen Mann erlangt,

So la?t sie ihn so bald nicht wieder fahren.

FAUST.

Da sitzen zwei, die Alte mit der Jungen;

Die haben schon was Rechts gesprungen!

MEPHISTOPHELES.

Das hat nun heute keine Ruh.

Es geht zum neuen Tanz, nun komm! wir greifen zu.

FAUST(mit der Jungen tanzend).

Einst hatt ich einen schonen Traum

Da sah ich einen Apfelbaum,

Zwei schone Apfel glanzten dran,

Sie reizten mich, ich stieg hinan.

DIE SCHONE.

Der Apfelchen begehrt ihr sehr,

Und schon vom Paradiese her.

Von Freuden fuhl ich mich bewegt,

Da? auch mein Garten solche tragt.

MEPHISTOPHELES(mit der Alten).

Einst hatt ich einen wusten Traum

Da sah ich einen gespaltnen Baum,

Der hatt ein ungeheures Loch;

So gro? es war, gefiel mir's doch.

DIE ALTE.

Ich biete meinen besten Gru?

Dem Ritter mit dem Pferdefu?!

Halt Er einen rechten Pfropf bereit,

Wenn Er das gro?e Loch nicht scheut.

PROKTOPHANTASMIST.

Verfluchtes Volk! was untersteht ihr euch?

Hat man euch lange nicht bewiesen.

Ein Geist steht nie auf ordentlichen Fu?en?

Nun tanzt ihr gar, uns andern Menschen gleich!

DIE SCHONE(tanzend).

Was will denn der auf unserm Ball?

FAUST(tanzend).

Ei! der ist eben uberall.

Was andre tanzen, mu? er schatzen.

Kann er nicht jeden Schritt beschwatzen,

So ist der Schritt so gut als nicht geschehn.

Am meisten argert ihn, sobald wir vorwarts gehn.

Wenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet,

Wie er's in seiner alten Muhle tut

Das hie?' er allenfalls noch gut

Besonders wenn ihr ihn darum begru?en solltet.

PROKTOPHANTASMIST.

Ihr seid noch immer da! nein, das ist unerhort.

Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklart!

Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel

Wir sind so klug, und dennoch spukt's in Tegel.

Wie lange hab ich nicht am Wahn hinausgekehrt,

Und nie wird's rein; das ist doch unerhort!

DIE SCHONE.

So hort doch auf, uns hier zu ennuyieren!

PROKTOPHANTASMIST.

Ich sag's euch Geistern ins Gesicht.

Den Geistesdespotismus leid ich nicht;

Mein Geist kann ihn nicht exerzieren.

(Es wird fortgetanzt.)

Heut, seh ich, will mir nichts gelingen;

Doch eine Reise nehm ich immer mit

Und hoffe noch vor meinem letzten Schritt

Die Teufel und die Dichter zu bezwingen.

MEPHISTOPHELES.

Er wird sich gleich in eine Pfutze setzen,

Das ist die Art, wie er sich soulagiert,

Und wenn Blutegel sich an seinem Stei? ergetzen,

Ist er von Geistern und von Geist kuriert.

(Zu Faust, der aus dem Tanzgetreten ist.)

Was lassest du das schone Madchen fahren,

Das dir zum Tanz so lieblich sang?

FAUST.

Ach! mitten im Gesange sprang

Ein rotes Mauschen ihr aus dem Munde.

MEPHISTOPHELES.

Das ist was Rechts! das nimmt man nicht genau;

Genug, die Maus war doch nicht grau.

Wer fragt darnach in einer Schaferstunde?

FAUST.

Dann sah ich -

MEPHISTOPHELES.

Was?

FAUST.

Mephisto, siehst du dort

Ein blasses, schones Kind allein und ferne stehen?

Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,

Sie scheint mit geschlo?nen Fu?en zu gehen.

Ich mu? bekennen, da? mir deucht,

Da? sie dem guten Gretchen gleicht.

MEPHISTOPHELES.

La? das nur stehn! dabei wird's niemand wohl.

Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol.

Ihm zu begegnen, ist nicht gut.

Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut,

Und er wird fast in Stein verkehrt;

Von der Meduse hast du ja gehort.

FAUST.

Furwahr, es sind die Augen einer Toten,

Die eine liebende Hand nicht schlo?.

Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,

Das ist der su?e Leib, den ich geno?.

MEPHISTOPHELES.

Das ist die Zauberei, du leicht verfuhrter Tor!

Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor.

FAUST.

Welch eine Wonne! welch ein Leiden!

Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

Wie sonderbar mu? diesen schonen Hals

Ein einzig rotes Schnurchen schmucken,

Nicht breiter als ein Messerrucken!

MEPHISTOPHELES.

Ganz recht! ich seh es ebenfalls.

Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen,

Denn Perseus hat's ihr abgeschlagen.

Nur immer diese Lust zum Wahn!

Komm doch das Hugelchen heran,

Hier ist's so lustig wie im Prater

Und hat man mir's nicht angetan,

So seh ich wahrlich ein Theater.

Was gibt's denn da?

SERVIBILIS.

Gleich fangt man wieder an.

Ein neues Stuck, das letzte Stuck von sieben.

So viel zu geben ist allhier der Brauch,

Ein Dilettant hat es geschrieben

Und Dilettanten spielen's auch.

Verzeiht, ihr Herrn, wenn ich verschwinde

Mich dilettiert's, den Vorhang aufzuziehn.

MEPHISTOPHELES.

Wenn ich euch auf dem Blocksberg finde,

Das find ich gut; denn da gehort ihr hin.

Walpurgisnachtstraum

oder

Oberons und Titanias goldne Hochzeit

Intermezzo

THEATERMEISTER.

Heute ruhen wir einmal,


Miedings wackre Sohne.

Alter Berg und feuchtes Tal,

Das ist die ganze Szene!

HEROLD.

Da? die Hochzeit golden sei,

Solln funfzig Jahr sein voruber;

Aber ist der Streit vorbei,

Das golden ist mir lieber.

OBERON.

Seid ihr Geister, wo ich bin,

So zeigt's in diesen Stunden;

Konig und die Konigin,

Sie sind aufs neu verbunden.

PUCK.

Kommt der Puck und dreht sich quer

Und schleift den Fu? im Reihen;

Hundert kommen hinterher,

Sich auch mit ihm zu freuen.

ARIEL.

Ariel bewegt den Sang

In himmlisch reinen Tonen;


Viele Fratzen lockt sein Klang,

Doch lockt er auch die Schonen.

OBERON.

Gatten, die sich vertragen wollen,

Lernen's von uns beiden!

Wenn sich zweie lieben sollen,

Braucht man sie nur zu scheiden.

TITANIA.

Schmollt der Mann und grillt die Frau,

So fa?t sie nur behende,

Fuhrt mir nach dem Mittag sie,

Und ihn an Nordens Ende.

ORCHESTER TUTTI(Fortissimo).

Fliegenschnauz und Muckennas

Mit ihren Anverwandten,

Frosch im Laub und Grill im Gras,

Dassind die Musikanten!

SOLO.

Seht, da kommt der Dudelsack!

Es ist die Seifenblase.

Hort den Schneckeschnickeschnack


Durch seine stumpfe Nase

GEIST, DER SICH ERST BILDET.

Spinnenfu? und Krotenbauch

Und Flugelchen dem Wichtchen!

Zwar ein Tierchen gibt es nicht,

Doch gibt es ein Gedichtchen.

EIN PARCHEN.

Kleiner Schritt und hoher Sprung

Durch Honigtau und Dufte

Zwar du trippelst mir genung,

Doch geht's nicht in die Lufte.

NEUGIERIGER REISENDER.

Ist das nicht Maskeradenspott?

Soll ich den Augen trauen,

Oberon, den schonen Gott,

Auch heute hier zu schauen?

ORTHODOX.

Keine Klauen, keinen Schwanz!

Doch bleibt es au?er Zweifel.

So wie die Gotter Griechenlands,

So ist auch er ein Teufel.

NORDISCHER KUNSTLER.

Was ich ergreife, das ist heut

Furwahr nur skizzenweise;

Doch ich bereite mich beizeit

Zur italien'schen Reise.

PURIST.

Ach! mein Ungluck fuhrt mich her.

Wie wird nicht hier geludert!

Und von dem ganzen Hexenheer

Sind zweie nur gepudert.

JUNGE HEXE

Der Puder ist so wie der Rock

Fur alt' und graue Weibchen,

Drum sitz ich nackt auf meinem Bock

Und zeig ein derbes Leibchen.

MATRONE.

Wir haben zu viel Lebensart

Um hier mit euch zu maulen!

Doch hoff ich, sollt ihr jung und zart

So wie ihr seid, verfaulen.

KAPELLMEISTER.

Fliegenschnauz und Muckennas

Umschwarmt mir nicht die Nackte!

Frosch im Laub und Grill im Gras,

So bleibt doch auch im Takte!

WINDFAHNE(nach der einen Seite).

Gesellschaft, wie man wunschen kann.

Wahrhaftig lauter Braute!

Und Junggesellen, Mann fur Mann,

Die hoffnungsvollsten Leute!

WINDFAHNE(nach der andern Seite).

Und tut sich nicht der Boden auf,

Sie alle zu verschlingen,

So will ich mit behendem Lauf

Gleich in die Holle springen.

XENIEN.

Als Insekten sind wir da,

Mit kleinen scharfen Scheren,

Satan, unsern Herrn Papa,

Nach Wurden zu verehren.

HENNINGS.

Seht, wie sie in gedrangter Schar

Naiv zusammen scherzen!

Am Ende sagen sie noch gar,

Sie hatten gute Herzen.

MUSAGET.

Ich mag in diesem Hexenheer

Mich gar zu gern verlieren;

Denn freilich diese wu?t ich eh'r

Als Musen anzufuhren.

CI-DEVANT GENIUS DER ZEIT.

Mit rechten Leuten wird man was.

Komm, fasse meinen Zipfel!

Der Blocksberg, wie der deutsche Parna?,

Hat gar einen breiten Gipfel.

NEUGIERIGER REISENDER.

Sagt, wie hei?t der steife Mann?

Er geht mit stolzen Schritten.

Er schnopert, was er schnopern kann.

"Er spurt nach Jesuiten."

KRANICH.

In dem klaren mag ich gern

Und auch im truben fischen;

Darum seht ihr den frommen Herrn

Sich auch mit Teufeln mischen.

WELTKIND.

Ja, fur die Frommen, glaubet mir,

Ist alles ein Vehikel,

Sie bilden auf dem Blocksberg hier

Gar manches Konventikel.

TANZER.

Da kommt ja wohl ein neues Chor?

Ich hore ferne Trommeln.

"Nur ungestort! es sind im Rohr

Die unisonen Dommeln."

TANZMEISTER.

Wie jeder doch die Beine lupft!

Sich, wie er kann, herauszieht!

Der Krumme springt, der Plumpe hupft

Und fragt nicht, wie es aussieht.

FIEDLER.

Das ha?t sich schwer, das Lumpenpack,

Und gab sich gern das Restchen;

Es eint sie hier der Dudelsack,

Wie Orpheus' Leier die Bestjen.

DOGMATIKER.

Ich lasse mich nicht irre schrein,

Nicht durch Kritik noch Zweifel.

Der Teufel mu? doch etwas sein;

Wie gab's denn sonst auch Teufel?

IDEALIST.

Die Phantasie in meinem Sinn

Ist diesmal gar zu herrisch.

Furwahr,wenn ich das alles bin,

So bin ich heute narrisch.

REALIST.

Das Wesen ist mir recht zur Qual

Und mu? mich ba? verdrie?en;

Ich stehe hier zum erstenmal

Nicht fest auf meinen Fu?en.

SUPERNATURALIST.

Mit viel Vergnugen bin ich da

Und freue mich mit diesen;

Denn von den Teufeln kann ich ja

Auf gute Geister schlie?en.

SKEPTIKER.


Sie gehn den Flammchen auf der Spur

Und glaubn sich nah dem Schatze.

Auf Teufel reimt der Zweifel nur;

Da bin ich recht am Platze.

KAPELLMEISTER.

Frosch im Laub und Grill im Gras,

Verfluchte Dilettanten!

Fliegenschnauz und Muckennas,

Ihr seid doch Musikanten!

DIE GEWANDTEN.

Sanssouci, so hei?t das Heer

Von lustigen Geschopfen;

Auf den Fu?en geht's nicht mehr,

Drum gehn wir auf den Kopfen.

DIE UNBEHILFLICHEN.

Sonst haben wir manchen Bissen erschranzt,

Nun aber Gott befohlen!

Unsere Schuhe sind durchgetanzt,

Wir laufen auf nackten Sohlen.

IRRLICHTER.

Von dem Sumpfe kommen wir,


Woraus wir erst entstanden;

Doch sind wir gleich im Reihen hier

Die glanzenden Galanten.

STERNSCHNUPPE.

Aus der Hohe scho? ich her

Im Stern- und Feuerscheine,

Liege nun im Grase quer;

Wer hilft mir auf die Beine?

DIE MASSIVEN.

Platz und Platz! und ringsherum!

So gehn die Graschen nieder.

Geister kommen, Geister auch,

Sie haben plumpe Glieder.

PUCK.

Tretet nicht so mastig auf

Wie Elefantenkalber,

Und der plumpst' an diesem Tag

Sei Puck, der derbe, selber.

ARIEL.

Gab die liebende Natur,

Gab der Geist euch Flugel,


Folget meiner leichten Spur,

Auf zum Rosenhugel!

ORCHESTER(Pianissimo).

Wolkenzug und Nebelflor

Erhellen sich von oben.

Luft im Laub und Wind im Rohr,

Und alles ist zerstoben.

Truber Tag. Feld

Faust. Mephistopheles.

FAUST.

Im Elend! Verzweifelnd! Erbarmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen! Als Missetaterin Im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt, das holde unselige Geschopf! Bis dahin! dahin! - Verraterischer, nichtswurdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht! - Steh nur, steh! walze die teuflischen Augen ingrimmend im Kopf herum! Steh und trutze mir durch deine unertragliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Bosen Geistern ubergeben und der richtenden gefuhllosen Menschheit! Und mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir ihren wachsenden Jammer und lassest sie hilflos verderben!

MEPHISTOPHELES.

Sie ist die erste nicht.

FAUST.

Hund! abscheuliches Untier! - Wandle ihn, du unendlicher Geist! wandle den Wurm wieder in seine Hundsgestalt, wie er sich oft nachtlicherweile gefiel, vor mir herzutrotten, dem harmlosen Wandrer vor die Fu?e zu

kollern und sich dem niedersturzenden auf die Schultern zu hangen. Wandl' ihn wieder in seine Lieblingsbildung, da? er vor mir im Sand auf dem Bauch krieche, ich ihn mit Fu?en trete, den Verworfnen! - "Die erste nicht!" - Jammer! Jammer! von keiner Menschenseele zu fassen, da? mehr als ein Geschopf in die Tiefe dieses Elendes versank, da? nicht das erste genugtat fur die Schuld aller ubrigen in seiner windenden Todesnot vor den Augen des ewig Verzeihenden! Mir wuhlt es Mark und Leben durch, das Elend dieser einzigen; du grinsest gelassen uber das Schicksal von Tausenden hin!

MEPHISTOPHELES.

Nun sind wir schonwieder an der Grenze unsres Witzes, da, wo euch Menschen der Sinn uberschnappt. Warum machst du Gemeinschaft mit uns wenn du sie nicht durchfuhren kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?

FAUST.

Fletsche deine gefra?igen Zahne mir nicht so entgegen! Mir ekelt's! - Gro?er, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen wurdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden, der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt?

MEPHISTOPHELES.

Endigst du?

FAUST.

Rette sie! oder weh dir! Den gra?lichsten Fluch uber dich auf Jahrtausende!

MEPHISTOPHELES.

Ich kann die Bande des Rachers nicht losen, seine Riegel nicht offnen. - "Rette sie!" - Wer war's, der sie ins Verderben sturzte? Ich oder du?

(Faust blickt wild umher.)

Greifst du nach dem Donner? Wohl, da? er euch elenden Sterblichen nicht gegeben ward! Den unschuldig Entgegnenden zu zerschmettern,

das ist so Tyrannenart, sich in Verlegenheiten Luft zu machen.

FAUST.

Bringe mich hin! Sie soll frei sein!

MEPHISTOPHELES.

Und die Gefahr, der du dich aussetzest? Wisse, noch liegt auf der Stadt Blutschuld von deiner Hand. Uber des Erschlagenen Statte schweben rachende Geister und lauern auf den wiederkehrenden Morder.

FAUST.

Noch das von dir? Mord und Tod einer Welt uber dich Ungeheuer! Fuhre mich hin, sag ich, und befrei sie.

MEPHISTOPHELES.

Ich fuhre dich, und was ich tun kann, hore! Habe ich alle Macht im Himmel und auf Erden? Des Turners Sinne will ich umnebeln, bemachtige dich der Schlussel und fuhre sie heraus mit Menschenhand! Ich wache, die Zauberpferde sind bereit, ich entfuhre euch. Das vermag ich.

FAUST.

Auf und davon!

Nacht, offen Feld

Faust, Mephistopheles, auf schwarzen Pferden daherbrausend.

FAUST.

Was weben die dort um den Rabenstein?

MEPHISTOPHELES.

Wei? nicht, was sie kochen und schaffen.

FAUST.

Schweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich.

MEPHISTOPHELES.


Eine Hexenzunft.

FAUST.

Sie streuen und weihen.

MEPHISTOPHELES.

Vorbei! Vorbei!

Kerker

Faust mit einem Bund Schlussel und einer Lampe, vor einem eisernen Turchen.

Mich fa?t ein langst entwohnter Schauer,

Der Menschheit ganzer Jammer fa?t mich an

Hier wohnt sie hinter dieser feuchten Mauer

Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn

Du zauderst, zu ihr zu gehen!

Du furchtest, sie wiederzusehen!

Fort! dein Zagen zogert den Tod heran.

(Er ergreift das Schlo?. Es singt inwendig.)

Meine Mutter, die Hur

Die mich umgebracht hat!

Mein Vater, der Schelm

Der mich gessen hat!

Mein Schwesterlein klein


Hub auf die Bein

An einem kuhlen Ort;

Da ward ich ein schones Waldvogelein;

Fliege fort, fliege fort!

FAUST(aufschlie?end).

Sie ahnet nicht, da? der Geliebte lauscht,

Die Ketten klirren hort, das Stroh, das rauscht.

(Er tritt ein.)

MARGARETE(sich auf dem Lager verbergend).

Weh! Weh! Sie kommen. Bittrer Tod!

FAUST(leise).

Still! Still! ich komme, dich zu befreien.

MARGARETE(sich vor ihn hinwalzend).

Bist du ein Mensch, so fuhle meine Not.

FAUST.

Du wirst die Wachter aus dem Schlafe schreien!

(Er fa?t die Ketten,sie aufzuschlie?en.)

MARGARETE(auf den Knien).

Wer hat dir Henker diese Macht

Uber mich gegeben!

Du holst mich schon um Mitternacht.

Erbarme dich und la? mich leben!

Ist's morgen fruh nicht zeitig genung?

(Sie steht auf.)

Bin ich doch noch so jung, so jung!

Und soll schon sterben!

Schon war ich auch, und das war mein Verderben.

Nah war der Freund, nun ist er weit;

Zerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut.

Fasse mich nicht so gewaltsam an!

Schone mich! Was hab ich dir getan?

La? mich nicht vergebens flehen,

Hab ich dich doch mein Tage nicht gesehen!

FAUST.

Werd ich den Jammer uberstehen!

MARGARETE.

Ich bin nun ganz in deiner Macht.

La? mich nur erst das Kind noch tranken.

Ich herzt es diese ganze Nacht;

Sie nahmen mir's, um mich zu kranken,

Und sagen nun, ich hatt es umgebracht.

Und niemals werd ich wieder froh..

Sie singen Lieder auf mich! Es ist bos von den Leuten!

Ein altes Marchen endigt so,

Wer hei?t sie's deuten?

FAUST(wirft sich nieder).

Ein Liebender liegt dir zu Fu?en,

Die Jammerknechtschaft aufzuschlie?en.

MARGARETE(wirft sich zu ihm).

O la? uns knien, die Heil'gen anzurufen!

Sieh! unter diesen Stufen,

Unter der Schwelle

Siedet die Holle!

Der Bose,

Mit furchtbarem Grimme,

Macht ein Getose!

FAUST(laut).

Gretchen! Gretchen!

MARGARETE(aufmerksam).

Das war des Freundes Stimme!

(Sie springt auf. Die Ketten fallen ab.)

Wo ist er? ich hab ihn rufen horen.

Ich bin frei! mir soll niemand wehren.

An seinen Hals will ich fliegen,

An seinem Busen liegen!

Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle.

Mitten durchs Heulen und Klappen der Holle,

Durch den grimmigen, teuflischen Hohn

Erkannt ich den su?en, den liebenden Ton.

FAUST.

Ich bin's!

MARGARETE.

Du bist's! O sag es noch einmal!

(Ihn fassend.)

Er ist's! Er ist's! Wohin ist alle Qual?

Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten?

Du bist's! Kommst, mich zu retten.

Ich bin gerettet!

Schon ist die Stra?e wieder da

Auf der ich dich zum ersten Male sah

Und der heitere Garten'

Wo ich und Marthe deiner warten.

FAUST(fortstrebend).


Komm mit! Komm mit!

MARGARETE.

O weile

Weil' ich doch so gern, wo du weilest.

(Liebkosend.)

FAUST.

Eile!

Wenn du nicht eilest

Werden wir's teuer bu?en mussen.

MARGARETE.

Wie? du kannst nicht mehr kussen?

Mein Freund, so kurz von mir entfernt

Und hast's Kussen verlernt?

Warum wird mir an deinem Halse so bang?

Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken

Ein ganzer Himmel mich uberdrang

Und du mich ku?test, als wolltest du mich ersticken.

Kusse mich!

Sonst ku? ich dich!

(Sie umfa?t ihn.)

O weh! deine Lippen sind kalt,

Sind stumm.

Wo ist dein Lieben

Geblieben?

Wer brachte mich drum?

(Sie wendet sich von ihm.)

FAUST.

Komm! Folge mir! Liebchen, fasse Mut!

Ich herze dich mit tausendfacher Glut

Nur folge mir! Ich bitte dich nur dies!

MARGARETE(zu ihm gewendet).

Und bist du's denn? Und bist du's auch gewi??

FAUST.

Ich bin's! Komm mit!

MARGARETE.

Du machst die Fesseln los,

Nimmst wieder mich in deinen Scho?.

Wie kommt es, da? du dichvor mir nicht scheust?

Und wei?t du denn, mein Freund, wen du befreist?

FAUST.

Komm! komm! schon weicht die tiefe Nacht.

MARGARETE.

Meine Mutter hab ich umgebracht,

Mein Kind hab ich ertrankt.

War es nicht dir und mir geschenkt?

Dir auch. - Du bist's! ich glaub es kaum.

Gib deine Hand! Es ist kein Traum!

Deine liebe Hand! - Ach, aber sie ist feucht!

Wische sie ab! Wie mich deucht,

Ist Blut dran.

Ach Gott! was hast du getan!

Stecke den Degen ein,

Ich bitte dich drum!

FAUST.

La? das Vergangne vergangen sein,

Du bringst mich um.

MARGARETE.

Nein, du mu?t ubrigbleiben!

Ich will dir die Graber beschreiben,

Fur die mu?t du sorgen

Gleich morgen;

Der Mutter den besten Platz geben,

Meinen Bruder sogleich darneben,

Mich ein wenig beiseit',

Nur nicht gar zu weit!

Und das Kleine mir an die rechte Brust.

Niemand wird sonst bei mir liegen! -

Mich an deine Seite zu schmiegen,

Das war ein su?es, ein holdes Gluck!

Aber es will mir nicht mehr gelingen;

Mir ist's, als mu?t ich mich zu dir zwingen,

Als stie?est du mich von dir zuruck;

Und doch bist du's und blickst so gut, so fromm.

FAUST.

Fuhlst du, da? ich es bin, so komm!

MARGARETE.

Dahinaus?

FAUST.

Ins Freie.

MARGARETE.

Ist das Grab drau?,

Lauert der Tod, so komm!

Von hier ins ewige Ruhebett

Und weiter keinen Schritt -

Du gehst nun fort? O Heinrich, konnt ich mit!

FAUST.

Du kannst! So wolle nur! Die Tur steht offen!

MARGARETE.

Ich darf nicht fort; fur mich ist nichts zu hoffen.

Was hilft es, fliehn? Sie lauern doch mir auf.

Es ist so elend, betteln zu mussen

Und noch dazu mit bosem Gewissen!

Es ist so elend, in der Fremde schweifen

Und sie werden mich doch ergreifen!

FAUST.

Ich bleibe bei dir

MARGARETE.

Geschwind! Geschwind!

Rette dein armes Kind!

Fort! immer den Weg

Am Bach hinauf,

Uber den Steg,

In den Wald hinein,

Links, wo die Planke steht,

Im Teich.

Fa? es nur gleich!

Es will sich heben,

Es zappelt noch!

Rette! rette!

FAUST.

Besinne dich doch!

Nur einen Schritt, so bist du frei!

MARGARETE.

Waren wir nur den Berg vorbei!

Da sitzt meine Mutter auf einem Stein,

Es fa?t mich kalt beim Schopfe!

Da sitzt meine Mutter auf einem Stein

Und wackelt mit dem Kopfe

Sie winkt nicht, sie nickt nicht, der Kopf ist ihr schwer,

Sie schlief so lange, sie wacht nicht mehr.

Sie schlief, damit wir uns freuten.

Es waren gluckliche Zeiten!

FAUST.

Hilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen,

So wag ich's, dich hinwegzutragen.

MARGARETE.

La? mich! Nein, ich leide keine Gewalt!

Fasse mich nicht so morderisch an!

Sonst hab ich dir ja alles zulieb getan.

FAUST.

Der Tag graut! Liebchen! Liebchen!

MARGARETE.

Tag! Ja, es wird Tag! der letzte Tag dringt herein;

Mein Hochzeittag sollt es sein!

Sag niemand, da? du schon bei Gretchen warst.

Weh meinem Kranze!

Es ist eben geschehn!

Wir werden uns wiedersehn;

Aber nicht beim Tanze.

Die Menge drangt sich, man hort sienicht.

Der Platz, die Gassen

Konnen sie nicht fassen.

Die Glocke ruft, das Stabchen bricht.

Wie sie mich binden und packen!

Zum Blutstuhl bin ich schon entruckt.

Schon zuckt nach jedem Nacken

Die Scharfe, die nach meinem zuckt.

Stumm liegt die Welt wie das Grab!

FAUST.

O war ich nie geboren!

MEPHISTOPHELES(erscheint drau?en).

Auf! oder ihr seid verloren.

Unnutzes Zagen! Zaudern und Plaudern!

Mein Pferde schaudern,

Der Morgen dammert auf.

MARGARETE.

Was steigt aus dem Boden herauf?

Der! der! Schick ihn fort!

Was will der an dem heiligen Ort?

Er will mich!

FAUST.

Du sollst leben!

MARGARETE.

Gericht Gottes! dir hab ich mich ubergeben!

MEPHISTOPHELES(zu Faust).

Komm! komm! Ich lasse dich mit ihr im Stich.

MARGARETE.

Dein bin ich, Vater! Rette mich!

Ihr Engel! Ihr heiligen Scharen,

Lagert euch umher, mich zu bewahren!

Heinrich! Mir graut's vor dir.

MEPHISTOPHELES.

Sie ist gerichtet!

STIMME(von oben).

Ist gerettet!

MEPHISTOPHELES(zu Faust).

Her zu mir!

(Verschwindet mit Faust.)

STIMME(von innen, verhallend).

Heinrich! Heinrich!